erdichten,
V.
1.
›etw. ersinnen, mental durchspielen‹; ›sich etw. (auch: Personen bzw. personifizierte Sachverhalte) einfallen lassen, ausdenken‹;
vgl.  6,  1.
Phraseme:
einen fund erdichten
›einen Einfall haben‹.
Bedeutungsverwandte:
 14, , (V.) 3,  1; vgl.  1.
Syntagmen
(jeweils effiziertes Obj.):
etw
. (z. B.
den weg, die kunst / list / weise, das handwerk / mittel, eine falsche lere, ein bildnis, neue wörter
)
e
.,
jn
. (z. B.
andere götter
)
e
.

Belegblock:

Luther, WA (
1524
/
7
):
Also ist nur ein Herr und Gott, obwol die menschen inen selbs andere Goͤtter mehr treumen und ertichten.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
592, 2724
(
Magdeb.
1608
):
Es wird manch list dabey erdicht / | Da man zuvor nicht auffgesonnen / | So sind sehr viel Festung gewonnen.
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
auff daß er seinem zusagen gnug thet, erdichtet er alle weiß, vnd trachtet nach allen mittel vnnd wegen, damit er vrlaub bey seiner geliebten Oriana erlangen möchte.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1521
):
sonderlich ist mir noch das schwerest, das uns gott villeicht noch unter ihrer falschen blinden lehr will lassen bleiben, die doch die menschen, die sie vätter nennen, erdicht und auffgeseczt haben.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
Dises Lameches süne und döhter worent gritig und erdihtetent vil antwerg und ander kunst.
Fuchs, Murner. 4 Ketzer
212
(˹wohl
Straßb.
˺
1509
):
Do sye [...] | Ein boͤsen fundt erdichtet han, | Das sye Marie strichen an | Ein maßen vnd ein fleck der sünden.
2.
›etw. bewusst und in böser Absicht (mit Blick auf den eigenen Vorteil) fälschlich behaupten, frei erfinden‹; ›etw. unrechtmäßig beanspruchen, (zu sein) vorgeben, simulieren‹; ›(zu js. Schaden) ein Gerücht in die Welt setzen‹;
Spezialisierung zu 1; zu  8,  6.
Phraseme:
etw. auf jn. / von jm. erdichten
›jm. etw. anhängen, jn. durch etw. verleumden‹;
sich mit erdichteten worten entschuldigen
›sich aus etw. herausreden, faule Ausreden gebrauchen‹.
Bedeutungsverwandte:
 6, , , ,  1,  6; vgl.  1.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
den anspruch / fug / irtum / unrat, die meinung / theoretica / ursache, das mirakel, den unziemlichen zehent, das goldene jar
)
e
.,
etw
. [wie]
e
. (z. B.
fälschlich / gröblich / lasterlich / schmächlich, ane grund
),
e., das [...], etw. e., zu
[+ Infinitivsatz].
Wortbildungen:
erdicht
(
das
) 1 ›Lüge‹ (dazu bdv.:  2),
erdichter
›Urheber (einer falschen Lehre)‹ (dazu bdv.:  3),
erdichtlich
›fälschlich‹ (dazu bdv.: ),
erdichtung
1 ›Lüge‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1536
/
9
):
Hab ichs doch auch nicht erticht, das er
[Albrecht von Brandenburg]
seine Huren lesst in sarcken, als Heiligthum mit Kertzen und Fanen in sein Hurhaus Moritzburg tragen.
Alberus, Barf. Vorr. Alb. (
Wittenb.
1542
):
das die Muͤnche soͤlchs nach Francisci. Tod erticht haben / jren Orden zu commendiren / nach Lucifers art.
Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe (
Wolfenb.
1593
):
Das den losen Leuten nimmer gut geschehe, Die solches von mir erdichtet vnd erlogen haben.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
353, 2927
(
Magdeb.
1608
):
Was der Teuffel nicht mag ertichten / | Das muß ein altes Weib verrichten.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
der den ein angeber und erdichter dieses irthumbs war.
Sachs (
Nürnb.
1522
):
Wo [...] ein herrschafft oder fürst | Mit sein nachbawrn zu kriegen dürst, | Darauff fug und anspruch erdicht | Und ein hader von eim zaun bricht.
Franck, Klagbr.
231, 19
(˹wohl
Nürnb.
˺
1529
):
Sonder das es eitel blosse luͤge vnd erdicht der geystlichen sey / mit der sy vns auffsetzen.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
als si witer erdichtlich fuͤrgeben.
Anderson u. a., Flugschrr.
10, 8, 7
(
Zürich
1524
):
Zuͦm letsten schryend sy wir wellind ze Zürich die meß hinthuͦn / ist glycher wys erdichtet.
Ebd.
21, 6, 25
([
Zwickau
]
1525
):
das wir fur eyn vntzimlichen zehent schetzen / denn die menschen erdicht haben / Darumb wollen wir yhn nicht weytter geben.
Maaler (
Zürich
1561
):
Erdicht / Daruon man vil sagt dz aber nit waar ist. [...]. Erdichtung / Etwas erdachts vnnd erlogens.
Fuchs, Murner. 4 Ketzer
536
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
29, 8
;
Andreae. Ber. Nachtmal
31r, 14
;
39r, 10
;
Hulsius
C iiijr
;
Vgl. ferner s. v.  11,  17,  2.
3.
›etw. erschaffen und in eine Form bringen‹; überwiegend speziell: ›einen Text verfassen‹; ›etw. schriftlich (nach je spezifischen Gattungskonventionen) abfassen‹; ›eine Geschichte erfinden und in eine schriftliche Form bringen‹; auch: ›etw. (zu einem Text, zu einer Geschichte) hinzudichten‹; ›etw. fingieren‹; in allen Nuancierungen mit negativer Konnotation;
vgl.  6,  34.
Bedeutungsverwandte:
, ; vgl.  14, .
Wortbildungen:
˹
erdicht
(
das
) 2 (dazu ggs.: ),
erdichtung
2˺ ›Dichtung; Fiktion‹.

Belegblock:

Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
23, 22
(
Frankf./M.
1626
):
DOch will ichs nicht auff art wie ein Poete richten / | Der zu der warheit noch viel dings pflegt zu erdichten.
Anderson u. a., Flugschrr.
1, 11, 35
(
Leipzig
1520
):
Bruder Martinus wirdt auch das gegenspil / mith keiner schrifft (er wol die dan selbst erdichten) nummermer beweyszen.
Turmair (
Nürnb.
1541
):
wie ein kluger hafner die ersten menschlichen bildnus aus erden erdicht und formirt hat.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Fabula [...] ein erdichtung.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Erdicht euch lieder wie Dauid.
Roth, E. v. Wildenberg (
moobd.
,
v. 1493
):
wer die ostereichischen kronicken list, der soll sie an dem ende für ein erticht haben und nit für die warheit.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
84, 21
(
tir.
,
1464
):
er het gemacht ein falsche erdichttung in geschrift vnd peweret das mit falschen sachen.