dispensieren,
V.;
aus
mlat.
dispensare
›befreien, austeilen, führen‹
(vgl.
Niermeyer
2002, 1, 447
; vgl.
dis-
; s. auch
Schulz/Basler, Neub.
4, 683
ff.).
1.
›jm. etw. erlassen; jn. (von einer Funktion, einer Verpflichtung) entbinden; jn. von einer Vorschrift, Verordnung, einem Verbot ausnehmen; jm. Dispens erteilen; jm. eine Ausnahmeregelung gewähren‹; überwiegend mit Präpositionalobjekt.
Syntagmen:
j. d
. (abs.);
mit jm. d., über etw. d
.
Wortbildungen:
dispensierer
(a. 1522),
dispensierung
.

Belegblock:

Harms u. a., Alberus. Fabeln
72, 16
(
Frankf./M.
1550
):
wenn ein armer hat gethan | Ein kleine suͤnd / so muß er dran / | Mit dem kan man nicht dispensiern.
Alberus, Barf. (
Wittenb.
,
1542
):
Franciscus dispensiert mit jr
[hier ›erließ ihr ihre Sünden‹]
/ da fiel sie zu den fuͤssen Francisci vnd netzet seine fuͤsse mit jren threnen.
Sachs (
Nürnb.
1546
):
Was wölt ir denn all beyd hie jehen, | Wenn ich das weyb auch von mir stoß | Wider zu ihrem vatter bloß? | [...] | Der babst hat mit mir dispensirt
(hier: ›die Ehe annulliert‹).
Ebd. (
1527
):
Das sie [die herrschafft] trucken ir unterthan | [...] | Mit ablaß, bann und pallium, | Anaten, beicht, opffer, heyltumb, | Dispensieren
[hier subst.]
und simoney | Und dergleich gelt-strick mancherley.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
do worent zwene herren uf der hohen stift, die hettent so grosse consciencie: wie wol mit in dispensiert
[›die Erlaubnis zum Austritt aus dem Kloster gewährt‹]
wart, so woltent sü doch geistlich bliben.
Anderson u. a., Flugschrr.
18, 3, 5
([
Straßb.
]
1523
):
Kein dispensierung / keines Conciliums bestaͤtigu͂g / auch kein beschoͤpffter gewalt mag verbrechung des gesatzs zuͦgeben.
Warnock, Pred. Paulis
10, 205
(
önalem.
,
1490
/
4
):
die prelaten, die ze vil dispensieren, ze vil urlob gebent, die tuͦnd daz under der gestalt der beschaidenhait.
Rapp, UB Stuttg. (
schwäb.
,
1492
):
Doch moͤgent vogt und gerichte im annaͤmen und abzuge ains burgers zuͦ ziten us redlichen vernúnftigen ursachen dispensieren und minder denn obstaut
[weniger als die obengenannte Steuer]
oder gar nichtzit nemen.
Krebs, Prot. Spey. Domkap.
481, 5
;
2533, 5
;
Anderson u. a., a. a. O.
27, 4, 3
;
Reichert, Gesamtausl. Messe
2, 25
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
30, 15
;
Eckel, Fremdw. Murners.
1978, 67
.
Vgl. ferner s. v.  2,  8.
2.
›sich über etw. hinwegsetzen; sich von etw. ausnehmen; eine Ausnahme für sich beanspruchen, erwirken‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4, ,  4.

Belegblock:

Anderson u. a., Flugschrr.
27, 3, 7
([
Erfurt
1522
]):
Nun byn ich yetzūt auch vff dem wecg / willens zuͤ Dispensieren / das ich het muͤgen auß dem orden gon vnd [...] pfrunden besitzen.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
das swuͦrent sü alle lipliche ze tuͦnde [...] und über disen eyt nüt dispensieren.
daz selbe closter und sant Thomans closter und vil andere cloͤster dispensiertent, das sü [die epte] weltliche duͦmherren wurdent.
3.
›etw. verteilen, austeilen‹; speziell: ›Arzneien zubereiten, verteilen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4.

Belegblock:

Sudhoff, Paracelsus (
1537
/
41
):
ein solcher arzt [...], der alle erznei verschaft, ordinirt, dispensirt, applicirt, administrirt.