niere,
der
;
–/-en
(Tendenz zum pl. t.).
1.
›Niere‹ (als Körperorgan des Menschen und höherer Tiere, speziell des Schlachtviehes sowie alttestamentlicher Opfertiere), teils auch Bezug auf ›Nierengegend, Lendenbereich‹ sowie (mit fließendem Übergang) auf ›Hoden‹ (s. dazu Ansatz 2); die
nieren
erscheinen in den Quellen als Gegenstand fachlicher Beschreibungen, beim Schlachtvieh hinsichtlich ihrer rechts- und wirtschaftsbezüglich relevanten Zugehörigkeit zum Fleisch- oder Knochenteil des Tieres, bei Bezug auf den Menschen als Sitz sexueller Lust, Begierde sowie als Sitz von Empfindungen und des Gewissens.
Je nach Autorintention in fach- und wirtschaftsbezüglichen Texten sowie in Texten der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
herz und nieren prüfen / (er)gründen
.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): ,
1
 1, (
das
1, ,  1,
1
,  1, , .
Syntagmen:
die nieren abolieren / begürten / gründen
›ergründen‹
/ gürten / hinnemen / kräftigen / läutern / nemen / prüfen / stärken / waschen (im mere) / zwingen
(z. B.
mit beten / fasten / wachen
),
der schepfer js. nieren erfaren
;
die nieren
(Subj.)
krank sein, die kraft von dem sinne empfangen
;
den nieren schaden zufügen, der bauch den nieren nahe sein
;
j. auf die nieren fallen, zwo adern sich in die nieren teilen, die brust mit den nieren salben, die unkust von den nieren kommen, j. zu den nieren begurt sein
;
die nieren des hirsches, mit der feiste
;
die rechte n
.;
der gurt, die härte / kraft, das schweinen
›Schrumpfen‹
der nieren, die gänge / wetage der nieren
;
die feiste ab, das nez an, der stein, unschlit ob den nieren
.
Wortbildungen:
(Normalisierung auf
nieren-
hin):
nierenbrate
(a. 1410) ›Nierenbraten‹,
nierengeschwulst
,
nierenschmerz
,
nierensiechtag
,
˹nierenstal
,
nierenstat
˺ ›Nierenbecken‹,
nierenstein
,
nierenstich
,
nierensucht
(dazu bdv.: ),
nierenwe
(dazu bdv.:  2,  7),
nierenwetag
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Daz Got in den alden tagen | Daniele deme wissagen | Irschein zuen niren begurt.
Des hiez Got twingen thigere | Die nieren und die sinne | Vor der sunden beginne | Mit vierleie sachen.
daz ich [schepper] der bin | Der durch der menschen herze sicht | Bevor er der gedanc geschicht, | Und aller nieren irvar | Er die gelust kume dar.
Von dem herzen kumt die gelust | Und von den nieren die unkust, | Des menschlichen samen.
Luther, WA (
1521
):
das auch derhalbeñ Isaias. 5. sagt. der glawb sey eyn gürtt der nieren. das ist. eyn bewarung der keuscheytt.
Ders. Hl. Schrifft.
3. Mose 3, 10
(
Wittenb.
1545
):
die zwo nieren / mit dem fett das dran ist an den lenden / vnd das netz [...] an den nieren abgerissen.
Ebd.
Ps. 7, 10
:
Denn du gerechter Gott prüfest hertzen vnd nieren
[
Mentel
1466:
lancken
; Var. 1475
2
-1518:
lenden
].
Alberus, Barf. (
Wittenb.
,
1542
):
Bruder Franciscus [...] stuͦrtzt sich von eim Felsen auff den andern / vnd fiel auff sein Heubt / Leib vnd Nieren.
Volkmar (
Danzig
1596
):
Nephritis, Nierensucht / Lendenstein.
Follan, Ortolf. Arzneib.
32, 19
(
rib.
,
1398
):
yt der aderen, de neder get, delen syk two aderen in de neren.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1582
):
du gerechter Got allein | Kanst hertz vnd niern im menschen gruͤnden.
Alberus
Xx iiijv
(
Frankf.
1540
):
Nephristis. i. affectiorenum, nierensucht.
Ebd.
Ll iijv
:
der reisend steyn / morbus nephresis, nierensteyn.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2124
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wanne der buch ist nahe den nyren, | unnd nach schickunge der glede | so volgen auch di laster dar mede.
Voc. Teut.-Lat.
x vv
(
Nürnb.
1482
):
Nyrenwetag. nefresis est dolor renum.
Golius (
Straßb.
1579
):
Nephritis, nierenwehe / das grieß, der stein.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
216r, 3
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1400
˺):
Ob das wib die spumme niht habe, so / salbe die brúst mit hirses nieren.
Sudhoff, Paracelsus (
um 1520
):
Also dient die kraft der nieren auf die menschliche frucht [...]. und wie venus anzünt wird durch die entpfahung der kraft vom ente magno, also entpfahens die nieren von dem sinn des menschen. der mercurius ist der lungen ein gleicher planet.
Ebd. (
1526
/
7
):
der stein in nieren und blasen ist der boͤsest, wiewol der nierenstein vorgêt und der blasenstein hernach.
Bremer, Voc. opt.
1139
(
halem.
,
1328 f.
):
Ren nier [...] est membrum carnosum et conpactum [...] per quod vrina colata transit ad vesicam. Et alio nomine dicitur rien [...] quasi rien a nomine rivus.
Rennefahrt, Wirtsch. Bern (
halem.
,
1545
):
Sy söllen ouch die feyste ab den nieren, nach dem die schaff geschetzt sind, nit schellen noch nemmen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Nierengschwulst (die) Cirsocela. Nierenwee [...] Nephritis.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
345, 35
(
Genf
1636
):
nierenstich / m. Douleur des reins.
Ebd.
39
:
nierensuͤchtig douleur des reins Nephriticus.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
er [galgan] ist auch guot zuo der grimmen muoter in dem leib, [...], und zuo dem nierensmerzen.
sô ist er [Cegolitus, ain stain] guot zuo dem niernstain und zuo dem stain in der plâtern.
An dem stain man vint ainen halben menschen von der schuldern unz an die nierstat, der erlœst den menschen von unkäuschem lust.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
um 1365
):
swer ein dyech verchauffet, der sol den nyerstal darinn lazzen.
Kehrein, a. a. O. ;
Keil, Peter v. Ulm
20, 87
;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel ; ;
Müller, Stadtr. Ravensb.
162, 16
;
170, 10
;
Dirr, a. a. O. ;
Pfeiffer, a. a. O. ;
Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib.
1989, 211
;
Bremer, a. a. O.
1138
;
Schmitt, Ordo rerum 364, 13.
7
;
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
345, 33
;
37
;
Vgl. ferner s. v. ,  1.
2.
›Hoden‹ (des Menschen und größerer Tiere).
Bedeutungsverwandte:
 3, ,  14, .

Belegblock:

Lichtenstein, Lindener. Katzip. (o. O.
1558
):
machet sich der guͦtte knab uber die nieren und reibt sich auff
(›ißt sie auf‹).
Fastnachtsp. (
nürnb.
,
v. 1486
):
Man sol im außwerfen sein niern | Und sol die geben der hausdiern. | [...] | Man loß die mait die niern praten.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Der keúsch zerbrochen oder der abgeschnitten der nieren
[Var. 1475
2
-1518, 5. Mose 23, 1:
gezeúgen
; nd. Bibel 1478:
hoden
; 1522:
kuͤlen
]
vnd der beschnitner manheit der gee nitz ein die kirchen gotz.
Schmitt, Ordo rerum
345, 9
(
alem.
,
1486
):
Testiculus geyl [...] sak [...] hoͤdly [...] nier [...] zagel.
Seemüller, Chron. 95 Herrsch. (
oobd.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Do Jupiter gewuͦchs, do pegraiff er seinen vatter Saturnum und snaid im ab die nieren und warff si in daz mere. Davon und von des meres schawm ward, [...], fraw Venus die göttinn der minne.
Deinhardt, Ross Artzney
206
(
oobd.
,
1598
):
Nimb essig vnnd gestossnen pfeffer, seudt es vnd reib ime [pferdt] die bayn damit, auch die niern.