grünen,
V.
1.
›grüne Farbe annehmen‹; ütr.: ›eitern (von Wunden)‹;
vgl.  1.

Belegblock:

Broszinski, Minner. Chir. Parva
79v, 28
(
halem.
,
2. H. 15. Jh.
):
Die cura der wunden, die grünent vnd stillstand.
Broszinski, Minner. Chir. Parva
262
.
2.
›grüne Blätter treiben, ausschlagen, erblühen, aussprießen (vom beginnenden Wachstum); wachsen, gedeihen (vom kontinuierlich sich ausweitenden lebendigen und gesunden Wachstum); in gesunder Blüten- oder Laubpracht stehen (jeweils von Pflanzen)‹; ütr. vereinzelt vom Menschen (bei
Luther
negativ konnotiert);
vgl.  2.
Bedeutungsverwandte:
 7,  23,  1,
1
 1, , .
Gegensätze:
, .
Wortbildungen:
grünieren
›blühen‹ (a. 1612).

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1633
):
Grünet wol, ihr bunten Matten, | seid, ihr Lüfte, seid geküßt.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Virêre. Gruͤnen pluͤen.
Luther, WA (
1525
):
[die falschen Christen] gruͤnen und gleyssen doch so huͤbschs, als weren sie alleyne die heyligen.
Ebd. (
1529
):
[die Abgoͤttischen] grunen und bruͤsten sich daher wie ein Lorberbaum.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Ein Baum / der vom Wetter geschlagen / schlaͤgt doch wieder auß vnd grünet.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
von dem umbeloufe des himels gruonet und loubet allez, daz in der werlt ist.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1619
):
Daß der Heyland wie laub vnd graß, | Solt auß der Erden gruͤnen.
Mone, Adt. Schausp. (Hs. ˹
omd.
,
1391
˺):
soͤ gronet daz graz, | und loubit der stog.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
30, 1
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
den berg hot der groze chaam lozin uf unde nidir beseczin mit boumen di do wachsin unde grunen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
256, 15
(
Nürnb.
1548
):
wie es in einem heyssen sommer gehet / da alles verdorret / vnd verschmeltzet / da nichts weder grunen / noch wachssen kan.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Grunen / außschlagen / wie der wald vnd gras / [...]. Grunen / wachssen / zunem͂en / auffkom͂en / grosser werden / sich mehren / stercken [...]. Grunen / bluͦhen [...].
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz er [ilmpaum] gar gern grüenet.
Luther. Hl. Schrifft.
4. Mose 17, 5
;
Hiob 15, 32
;
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
117, 14
;
Stoltzius, Chym. Lustg. ;
Schönbach, Adt. Pred. ;
v. Tscharner, a. a. O.
10, 1
;
Mathesius, Passionale ;
Böhme, Morg.R.
150, 4
f.;
Menge, Laufenb. Reg.
195
;
207
;
Thiele, Minner. II,
14, 34
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Niewöhner, Teichner
322, 35
;
326, 11
;
Vgl. ferner s. v.  2, , (
die
14,  18, , ,  2, (V.) 6.
3.
›fortleben, in der nachkommenden Generation weiterleben (von der Erinnerung, der Familie u. ä.); Nachkommen haben, sich fortpflanzen, sich vermehren‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Uwer [hus von Israhel] grab werde ich uf tuende, | Daz ir werdet wider gruende.
Göz. Leichabd. (
Jena
1664
):
Deine treu⸗liebende Groß⸗Eltern gedachten bei ihrem nunmehro sich findenden Alter in dir wiederum zu gruͤnen.
Opitz. Poeterey
55, 13
(
Breslau
1624
):
Hierzue koͤmpt die hoffnung vieler kuͤnfftigen zeiten / in welchen sie fort fuͤr fort gruͤnen vnd ein ewiges gedaͤchtniß in den hertzen der nachkommenen verlassen.
v. Ingen, Zesen. Ged.
388, 1
(
Breslau
1641
):
Virgilius / Horatius [...] ligen schon vor tausend Jahren in der Asche / doch [...] grúnet ihr Lob noch immer.
Goldammer, Paracelsus
6, 188, 9
(
1530
):
also sollen sie gruenen, daß sie auch an irem disch sehen ir kinder als neu zweig.
Ebd.
6, 190, 2
:
nach deim tod wirstu sehen deine kinder gruenen und ire kinder.
4.
›sich entfalten, sich ausbreiten (z. B. vom göttlichen Prinzip, von der Gnade usw.), zunehmen; leben, gedeihen; florieren, prosperieren (z. B. vom Wohlstand eines Reiches); sich in etw. auszeichnen (z. B. in der Tugend)‹; in Vergleichen und tropischen Verwendungen anschließbar an 2;
offen zu 5; vgl.  4.
Syntagmen:
j., js. mut, der ritter, der gemeine nuz, die kreatur / liebe / tugend / weisheit / welt, das kreuz / land / reich / weib, die sinne g.; etw. / jn. grünend erhalten / machen; in der gotheit g.; die grünende kraft
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Diu selbe kraft, [...], dâ got inne ist blüejende und grüenende mit aller sîner gotheit.
Diu stat, diu ungenant ist, in der gruonent und blüejent alle crêatûren in rehter ordenunge.
gotes minstes des sint alle crêatûren vol und lebent und wahsent und gruonent dar inne.
Dubizmay, kurß zu Teutze
62, 19
(
hess.
,
1463
):
Dein weip wirt mit gnugsam grunen als die weinrebe in den wenden deins hauß.
Jostes, Eckhart
110, 32
(
14. Jh.
):
wanne in eime einigen funckelin des engelis grunit, laubet und luchtit alle dyse werlt.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2472
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wanne gotes liebe sal ane schemen | in irme hertzen gruͤne unnd zu nemen.
Ebd.
2845
:
di kuscheid groͤnet vor gote, | wo sich di heldet nach sime gebote.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
in eitel falscheit grunt ir [judscheit] mut.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
so wirt denne die tugent fruhtbar und gruͦnet an goͤtlicher minne.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
dass kein undertan hat koͤnnen fuͤrkommen noch gruͦnen, wen durch taͤglich schenkin.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
67, 28
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
die volkomenheit, wan in dem houpt grüenent alle sinne, so die uzzern so die inren.
Jellinek, Friedr. v. Schwaben
4344
(
schwäb.
, Hs.
1478
):
(Laß dich die lieb nit betoͤren!) | E dir die ee versprochen werd; | Oder du gronest nimmer uff erd | Und gewinst laster und schaden.
Löffler, Columella/Österreicher (
schwäb.
,
1491
):
dennocht moͤcht der gemain nutz gruͤnen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
v. 1536
):
[daß] die ainigkait gepflantzet und unsers verhoffens alweg gronend erhalten wirt.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
[gâben des hailigen gaistes], die die pluomen Christum machten grüenend in der zarten schaln unser frawen.
Klein, Oswald
102, 54
(
oobd.
,
1427
?):
mir stolzt der müt von rechter gier | und grünet als ain bäm. | Man legt mich zu der breut
(hier als erotisches Bild).
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
wie doch derselbe jung ritter in seiner jugent grúnaht, doch grúnat er vil mer in der tugent seiner keẃschait.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
so chutert der palkch | und gruͤnet der schalkch.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
10, 19
(
tir.
,
1464
):
die enzündung der vnlauterkait die grünät in mir.
Quint, a. a. O. ;
Franck, Klagbr.
232, 28
;
Vetter, Pred. Taulers ;
Rieder, a. a. O. ;
Schmidt, Rud. v. Biberach
182, 15
;
Goldammer, Paracelsus
4, 246, 12
;
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
24r, 17
;
Ukena, Zuger Trag.
3506
;
Bauer, a. a. O.
30, 24
.
Vgl. ferner s. v. .
5.
›sich wohl befinden, sich freuen (von Menschen und deren Eigenschaften, Gefühlen); im Zustand der Gnade und Freude durch Gott erneuert werden, neu und ohne Sünde geboren werden; ewig leben‹; auch von der Auferstehung Christi gesagt; in Vergleichen und tropischen Verwendungen anschließbar an 2.
Texte religiösen und didaktischen Inhalts.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Allez daz ie leit geleit, | An unses herren schowe, | Grunent vor alle owe.
swer Got minnet | [...] | Den zirt her mit siben tugenden, | Die [...] | [...] immer grunen und vrischen.
Luther, WA (
1523
):
die [volck] werden ym hertzen gruͤnen fur freuͤden.
Ebd. (
1526
):
so mus dieser Gott, der mensche ist, vom tode wider erstehen, grunen und lewendig werden.
Ebd. (
1544
):
wo es jnen widerfaren were, hette jr hertz im leibe gegrunet fuͤr freuden.
Ebd. (
1530
):
Tunc etiam gruneten et pleni fur freuden cordibus exultantes ut ipsi angeli.
Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
, Hs.
2. H. 16. Jh.
):
Ez grunet mir in dem herzen min | als uf der auwen.
Jostes, Eckhart
54, 27
(
14. Jh.
):
Di chron di muz gar scherflich ingedrucht werden den, di ewiclichen grunen und bluen schullen vor meinem vater.
Strauch, Par. anime int.
113, 5
(
thür.
,
14. Jh.
):
daz alliz daz fordorrit was fon sunden [...], das wirdit fuchte und gruninde und wasinde fon der gnade.
Neumann, Rothe. Keuschh.
925
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
di marter Cristi auch von uns tribet | das keine bose begerunge in uns blibet | unnd der mensche grunet in reinikeit.
Göz. Leichabd. (
Jena
1664
):
uff den froͤlichen Juͤngsten Tag / wenn alle Gebeine gruͤnen werden wie Graas.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
die bihtere lúhtent in gruͦnender schonheit.
Sappler, H. Kaufringer
26, 95
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
die sel würt gruonen von leidens haien.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
5, 12
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
[vrawe] du grüender jugent galme.
Jostes, a. a. O.
55, 36
.
6.
›jn. / etw. zum Blühen, Ausschlagen, Leben bringen; etw. verbreiten, vermehren, verstärken; jn. wiederbeleben, retten‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Daz her [Jhesus] sie gruenet und vrischet | Mit sines heren geistes towe.
Qu. Schweiz. Gesch. (
halem.
,
um 1470
):
getorsten beid stett den unwillen nit fürer grünen noch rügen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
3, 12
(
tir.
,
1464
):
[Die sunn] ist auch prennen, vnd mit ir natürleichen hicz ist si grünen vnd fruchper machen alle frücht der ërden.