tugendsam,
Adj.;
vgl. .
1.
›im Sinne eigenwertiger moraltheologischer wie profaner Tugendvorstellungen der Zeit lebend und handelnd‹; mit Betonung der religiösen Komponente: ›gottgefällig, gerecht, fromm, rechtschaffen, nach dem Seelenheil strebend‹; eher säkular: ›integer, ehrlich, vorbildlich, ehrenhaft‹; dazu speziell mit Betonung des Beziehungsaspektes (in Ansprachen, Begrüßungen, Gesprächen sowie im sozialen Umgang mit anderen): ›höflich, freundlich‹;
vgl.  123.
Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 1,  14, ,  2,  2,  1 (dort Weiteres); vgl.  78.
Gegensätze:
 1.
Syntagmen:
j
. (z. B.
ein fürst / jüngling, die mutter
)
t. sein / werden
;
sich t. beweisen
;
jn. t. grüssen
;
der tugendsame kaufherr, die tugendsame erlustierung / hand / tat, das tugendsame blut / leben
.
Wortbildungen:
tugendsamigkeit
.

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
Wie dann wirt mann keusch, lieblich, demuͤtig, tugentsam. ec. Der do glaubt ist from, [...] Derhalben haben sie geirret, als ich hab gesagt, Aristoteles und Thomas, das durch ubung tugentsam einer solt werden.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
61
(
Köln
1476
):
Doe sprach dat doyghdsam furstlich bloyt [...].
Froning, Alsf. Passionssp.
456
(
ohess.
,
1501ff.
):
ire syet togetsam und kynder fromme.
Ralegh. America iijr, (
Frankf.
1599
):
was vns zu seiner ehrlichen recreation vnnd tugentsamen erlustierung wird fuͤglich [seyn].
Neumann, Rothe. Keuschh.
1157
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
das nünde lebichen das ist stete, | [...] | bewiset sich alle zyd togundsam
(ütr.).
Küther, UB Frauensee
308, 2
(
thür.
,
1508
):
[ich] lasße solichs [...] zu rechtem erblehen, [...] den ersamen und tugentsamen Adam Scheffer [...].
Sachs (
Nürnb.
1562
):
[fraw Welt] Veracht scham, zucht und ehrbarkeit, | [...] | Ein still und tugendtsames leben.
Ebd. (
1563
):
Wie die frommen doch allzeit kommen | [...] | Und durch ir tugendsame that | Eim volck [zu gut].
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Er [Engel] gruͤsst sie tugendsam | O Maria.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
586, 6
(
els.
,
1362
):
Der jungeling was so tugentsam [...] das su in so liep gewan.
Eichler, Ruusbr. steen
639
(
els.
,
sp. 14. Jh.
):
wir mvͦßen den sv́nden sterben vnd vs got geborn werden in ein tugentsam leben.
Wickram
4, 12, 5
(
Straßb.
1556
):
Es hatt vor jaren gewonet ein reicher tugentsamer Kaufherr / inn der statt.
Bauer, Geiler. Pred.
77, 20
(
Augsb.
1508
):
die ander saͤligkait / die ist Tugentsamikait. Wider daz ander haubtlaster / das ist Neid. Wann woͤllicher mensch / guͤtig unnd tugentsam ist der tregt kainen Neid noch haß gegen seinem naͤhsten.
Vetter, Pred. Taulers ;
Williams u. a., a. a. O.
796, 23
;
Seemüller, Chron. 95 Herrsch. .
Vgl. ferner s. v.  1.
2.
›Eigenschaften, Handlungsmotivationen und Pflichten charakterisierend, die Frauen zugeschrieben werden‹; im Einzelnen: ›keusch, sittsam, ehrbar, treu‹ (besonders von Ehefrauen); ›jungfräulich, unschuldig, ohne Sünde‹ (von der Gottesmutter); auch als ehrendes Namensattribut für Klosterfrauen gebraucht;
zu  4.
Bedeutungsverwandte:
 6,  2; vgl.  2,  2.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Ein ehrlich tugendsam Weib macht daß jhres Mannes Seel in jhr lebt.
Luther, WA Bibel (
1533
):
EJn tugendsam Weib, ist ein edle gabe, vnd wird dem gegeben der Gott fuͤrchtet.
Wattenbach, Urk. Czarnowanz (
schles.
,
1431
):
das vör üns komen ist im gehegit ding dy Jrbar vnde Toguntsame frawe Katherina Krawszynne.
Sachs (
Nürnb.
1552
):
Schaw, ein solch tugendsames weib, | Die ir beide an seel und leib | [...] | Ein solch ehrenkleid hat angschnitten.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
[Gabriel] Gehe zu der Tugentsam, | Gruͤß mirs vnd redt mit jhr.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
539
(
Genf
1636
):
Tugendsame Jungfraw [...] Tugendsames weib.
Goerlitz, Magd. Schöff./Posen
138, 25
;
Vgl. ferner s. v.  2.
3.
›machtvoll, potent‹ (von einem Abgott gesagt);
vgl.  7.
Bedeutungsverwandte:
(Adj.) 1; vgl.  1,  4,  6.

Belegblock:

v. Tscharner, Md. Marco Polo
52, 8
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
der epgot der do vil houbte hot [...], der ist der geweldigiste und ouch der tugintsamste.
4.
›wirksam‹;
zu  8.

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1562
):
Der gutzegauch mit seinr natur | Ist des heuchlers ein klar figur, | Der auch eins schalckes farb wol hat, | Kans doch verbergen dunckel glat, | Macht tugentsam all sein parabel.