tugendhaft,
auch
tugendhaftig
,
Adj.
– Vgl. die teils parallelen Bedeutungsfelder von , , .
1.
›durch positive, dem Menschen als erreichbar angenommene Eigenschaften gekennzeichnet, die den theologisch-moralischen Tugendvorstellungen der Zeit entsprechen; danach handelnd bzw. zu entsprechender Handlung verpflichtet‹ (allgemein); im Einzelnen oft religiös motiviert, dann: ›fromm, demütig, gnädig, heilig usw.‹ (als vorauszusetzende Eigenschaften auf dem Weg zum Seelenheil); eher säkular: ›moralisch integer, anständig, ehrlich, vorbildlich für andere, ehrenhaft‹ (als einer Person zugeschriebene Eigenschaften wie als Kennzeichnung ihrer Handlungen);
vgl.  12345.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte.
Bedeutungsverwandte:
 1,  3, .
Gegensätze:
(Adj.) 67; vgl.  1.
Syntagmen:
j
. (z. B.
in seiner sele, gegen jn
.)
t. sein
;
das leben den tugendhaften ungleich sein
;
der tugendhafte diener / heide / keiser / vater, die tugendhafte antwort / art / manier / sele / traurigkeit, das tugendhafte leben, tugendhafte werke
.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
wenn einer jetzo so tugendhafft were wie Cato, [...], so ist die Zeit nicht / [...] / die dergleichen Leut hoch achten.
Keyser Antonius ist vnleydlich dem Roͤmischen Reich geweist / das er jedermann auff seine Stoische tugendhaffte manier ziehen [...] wollen.
Jostes, Eckhart
101, 25
(
14. Jh.
):
dú tugendhaft sele flúget úber als daz uf ertrich ist und úber all creatur.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
3, 23
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Er ist selig, der do bekennet sein krankheit [...], wann die selb kunst wirt im sein ein anfanck und gruntfest einer tugenthaftigen und demutigen traurikeit.
Ebd.
18, 27
:
sehe der mensch, wie als sein leben so ungestalt [...] sey der gotlichen ordenung [...] wie ungeleich es auch sey den unschuldigen, den tugenthaftigen.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
lieber tugenthaftiger vater, erent got an mir armen.
Adrian, Saelden Hort
4974
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
die [kinde] doch sint wunder tugenthaft, | lutzelig, zúhtig, raine, | behúet vor allem maine.
Behrend, Spangenb. Anbindbr. (
Straßb.
1611
):
Was die benennete Person | Vor einen Ursprung habe [...] | [...] zugleich werd offenbahr / | Ob sie nach solcher Eigenschafft / | Werd böss sein oder Tugenthafft.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
1992
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
Das ist der mensch und sin krafft | In siner sel tugent hafft.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
[Paris] Den vil tugend haften man | In züchten fragen do began.
Sappler, H. Kaufringer
25, 219
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
das sint die werk tugenthaft; | die vertreibt des weines kraft.
Klein, Oswald
22, 158
(
oobd.
,
1422
):
das er im [tadel] mag entrinnen | durch tugenthaffte spreutz, | [...] | mit hilf des heilgen creutz.
Bauer, Imitatio Haller
69, 17
(
tir.
,
1466
):
das tugenthafft leben das ist got genëm.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
40, 9
;
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
5a, 8
;
Päpke, Marienl. Wernher ; ; ;
Lindqvist, a. a. O.
470
;
Steer, Schol. Gnadenl.
1, 661
;
Munz, Füetrer. Persibein
434, 4
;
Vgl. ferner s. v.  1, ,  2.
2.
Eigenschaften, Haltungen und Handlungen kennzeichnend, die man Frauen zuschreibt bzw. ihnen als verpflichtend auferlegt; im Einzelnen: ›sittsam, treu‹ (von der Ehefrau); ›keusch, sexuell enthaltsam, jungfräulich‹ (von Klosterangehörigen); ›ohne Sünde‹ (von Maria); als Spezialisierung anschließbar an 1;
zu  4.
Bedeutungsverwandte:
 2,  2; vgl.  6, , (Adj.) 8, , .

Belegblock:

Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
Maria du togunthaftir lip.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
7, 7
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
entflogen ist mir mein erenreicher falke, mein tugenthafte fraue.
Küther, UB Frauensee
387, 27
(
thür.
,
1529
):
Nachdem [...] herr Philips landtgraff zu Hessen [...] den erbarn und tugenthafftigen Margrette und Elisabett von Laerbach zu irer abferttigung deß closterß zum Sehe zweyhundertt gulden [versprochen].
Lindqvist, K. v. Helmsd.
62
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
As Astroges tochter tugendhafft | Gebar den kúng Cyrum, | Also gebar Maria Jhesum Cristum.
Klein, Oswald
22, 64
(
oobd.
,
1422
):
smal schulter, dicke hende, | bewart gar tugenthafft.
3.
herausragende Eigenschaften von Männern kennzeichnend: ›tapfer‹;
zu  5.
Bedeutungsverwandte:
 3; vgl.  5,  3.

Belegblock:

Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
15, 5
(
Frankf./M.
1626
):
ob er wol aussaͤtzig war / so war er doch ein Tugendthaffter tapfferer Herr.
4.
›mächtig, gewaltig‹ (von Gott gesagt);
zu  7.
Bedeutungsverwandte:
 1; vgl. , (Adj.) 1,  2,  6,  3.

Belegblock:

Morrall, Mandev. Reiseb.
23, 18
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
das ist als vil gesprochen: almechtiger gott, tugenthafter got, und gott úber all kúng.
5.
›heilend wirksam, heilkräftig‹;
zu  8.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  3,  7,  4.

Belegblock:

Lindqvist, K. v. Helmsd.
143
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
Der selbe bluͦme tugenhafft | Hett an im siben aygenschafft: [...].
Rohland, Schäden
546
.