angewinnen,
V., unr. abl.;
die Formen im Part. Perf. können auch als
anwinnen
lemmatisiert werden.
1.
›jm. etw. mit Gewalt entreißen, abzwingen, abnötigen‹, meist in militärischer Auseinandersetzung, dann: ›etw., das in js. Besitz ist, erobern, einnehmen‹; falls auf Personen bezogen, auch: ›jn., der zu einer Gegenpartei gehört, gefangennehmen‹.
Bedeutungsverwandte:
 2; vgl. (V.) 11,  3.
Syntagmen
mit Dat. d. P. und Akk. d. S./P.:
jm. die stat / das (ge)schlos
(je mehrfach)
/ königreich / land
(zweimal),
die burg / tasche, den flecken / vorteil, das pferd ros / wappen / seine, den hengst, die leute a., jm. etw. mit pochen / mit gewalt / mit krieg a.
; ˹phrasematisch:
jm. den sieg a.
›jn. besiegen‹;
jm. den hals / leib, das leben / haupt a.
›jn. töten‹˺.

Belegblock:

Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
,
2. H. 14. Jh.
):
zog der keiser ober in mit großer pompen unde gewalt, unde gewan he ime vile lant unde lude ane.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
man liest, dat hievur ein man 10 duisenden den sege angewan.
Gille u. a., M. Beheim
237, 137
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Welcher chan so vil macht gehan | und dem andern mag wider stan, | stet, lant und slos gwint er im an.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
moobd.
,
1524
):
dann die bauren laßen in nit gern etwas mit bochen an gewinnen.
Koppitz, Trojanerkr. (
halem.
, Hs.
E. 14. Jh.
):
Aiax [...] | Vil mengen uff den cle | Frompte, dem er an gewan | Ross und wappen.
Gereke, Seifrits Alex.
7184
(
oobd.
, Hs.
1466
):
tuestu des nicht gar schir, | so wil er es [landt] angewynnen dier | mit gewalt.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Da wurden im angewunnen etlich stet und slösser.
Wyss, a. a. O. ;
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe ;
Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr.
235, 37
;
Neubauer, Kriegsb. Seldeneck
72, 21
;
74, 28
;
112, 29
;
Vetter, Pred. Taulers ;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel ;
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Müller, Grafsch. Hohenb.
2, 229, 4
;
Roder, Hugs Vill. Chron. ;
Koppitz, Trojanerkr. ;
Tobler, Schilling. Bern. Chron. ;
Bächtold, N. Manuel
331, 751
;
Primisser, Suchenwirt ;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ; ; ;
Leidinger, V. Arnpeck ; ;
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 152
;
Wmu
1, 98
.
2.
›jn. besiegen, überwinden‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1, .
Syntagmen:
mit Dat. d. P.

Belegblock:

Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Die Schneck kam bey scheinender Sonnen: | Da hets dem Hasen angewonnen.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Das volk wir [alle túvel] lange behalten han | Und úns nie wart gewunnen an.
Adomatis u. a., J. Murer Bab.
4048
(
Zürich
1560
):
Es ist kein volck uff erd uns glych | Babel ist über alle rych | Kein gwalt der hell gwünt uns nüt an.
3.
›jm. etw. auf dem Rechtswege abgewinnen, abtrotzen, etw. vor Gericht erstreiten; jm. etw. im Spiel, durch List abgewinnen‹.
Syntagmen
mit Dat. d. P. und Akk. d. S.:
jm. das gut
(mehrmals)
/ haus / lehen, den garten / kummer
(›Abgabeart‹)
/preis, die grube / gewere a
;
etw. mit recht a.
; phrasematisch:
jm. den rank angewinnen
›jn. überlisten‹.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
daz in ire vruͦnt ire guͦt an gewinnen hant vor gerichte.
Toeppen, Ständetage Preußen
3, 18, 18
(
preuß.
,
1447
):
wir welden sye [guter] yn mit rechte wol angewinnen.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1534
):
das yn yre vrunde dy yre pflegere woren ir gut vor gerichte han angewunnen.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Da het die schoͤne liebe Sonnen | Dem Borea den preiß angwonnen.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
Do spreche der frouwen vorspreche: gewynnet her ir daz huz an, sy wil ym den briff dorczu geben.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
230, 16
(
thür.
,
1474
):
sollich kommer nye mochte abegetan werde, biß solange er yn daz met werntlichem gerichte anegewonnen habe.
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1337
/
61
):
ob die gewerken von dem vreien Stein ire gruben und ir lehen mit pesserm rechte und pillicher nicht behalden schullen und mogen, wanne ins imand angewinnen moge oder was ein recht sei.
Sachs (
Nürnb.
1553
):
Ich wil im wol ein ranck angwinnen; | Wann er ist einfeltig von sinnen.
Ebd. (
1563
):
Mit meinem disputieren | Wais ich im gar nichts an-zugwinnen.
Jaspers, St. v. Landskron
76v, 36
(
Augsb.
1484
):
so mag er im rechtẽ in nichcz angewinnen die in geschlagẽ oder jm dz sein genom̃en habẽ.
Zingerle, Inventare (
tir.
/
vorarlb.
,
1484
):
den halben krautgartten hat mir mein gnëdiger herr mit spiln in dem breet angewunen.
Cirullies, Rechtsterm. Anhang.
1981, 91
;
Ermisch, Sächs. Bergr. ; ;
Kisch, Leipz. Schöffenspr. ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß ;
4.
›jn. schlagen (im ütr. Sinne), die Oberhand gegen jn. gewinnen, sich gegen jn. behaupten‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2, .

Belegblock:

Lemmer, Brant. Narrensch.
77, 64
(
Basel
1494
):
Wer mit jm selber spyelen kan | Dem gwynnt gar seltten yemans an.
Ukena, St. Jörg
247
(
oschwäb.
/
tir.
,
1486
/
1520
):
Mit loß hab wir eüch gewunnen an.
Maaler (
Zürich
1561
):
Laß dir die gfaar vnd nott nit Angewünnen.
5.
›etw. erwerben, erhalten‹.
Bedeutungsverwandte:
 6.

Belegblock:

Skála, Egerer Urgichtenb.
187, 18
(
nwböhm.
,
1576
):
1. Weiß (Wi) Ricklein hett er der Erhartt pfretzschner angewonnen.
Schmitz, Schiltb.
78, 2
(
Frankf.
1597
):
[er] woͤlte dessenhalben der Gemeinde das Bottenbrot angewiñen.
6.
›den Grubenbau eines anderen durch einen Durchschlag erreichen‹; metonymisch: ›Gestein in eines anderen Grubenfeld gewinnen‹.

Belegblock:

Ermisch, Sächs. Bergr. (
osächs.
,
14.
/
15. Jh.
):
eyner mag dem andern enthauͤwen unde angewynnen synes berges unde syns erczes.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1. H. 14. Jh.
):
sol man niemand sein paw durch wüst und durch offenvert an gewinnen, nuer durch ganzen stam, da kluft an kluft geet.
Ermisch, a. a. O. .
7.
›jm. eine persönliche Qualität (z. B. die Tugend) nehmen, austreiben‹; im Syntagma
jm. das leben angewinnen
›jm. das Leben nehmen‹.

Belegblock:

Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
1058
(
mrhein.
,
um 1335
):
wie ir ime gewinnent daz leben an.
Sachs (
Nürnb.
1518
):
Eh im alhie der grimme todt | Sein junges leben angewin, | Auff das er nit verzag darin.
Sappler, H. Kaufringer
16, 541
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
Die tiefel mit ir kündikait | mainent uns ze gewinen an | zwuo tuget, die wir von got han.
Ebd.
667
:
ward Judas der verzweiflär | der tugent des gedingen lär, | die im die tiefel gewunnen an.
Auer, Stadtr. München .
8.
›jn. zu etw. (z. B. zur Freude) veranlassen, jn. dazu bringen, etw. zu tun‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  5.
Phrasematisch:
jm. das herz angewinnen
›jn. gewinnen, überzeugen‹.

Belegblock:

Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
um 1400
):
daz denne ieman [...] daruff gät, wie man dien kindin angewinne, daz si sich mit der e heimlich [...] verredent.
Maaler (
Zürich
1561
):
Eim ein vnuersehenliche froͤud Angwünnen. [...] Eim das hertz Angwünnen vnd auff vnsere meinung bringen.
Welti, a. a. O. .
9.
phrasematisch
die ober-, überhand angewinnen
›überhand nehmen, geläufig, gängig werden‹.

Belegblock:

Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
damit solcher irsal in die menschen gepildet, diser jamer weit und prait eindrüng, überhand angewünn.
die geltnarren mit neid und haß, mit uneinikait aufruer aller zwitracht drangen, namen das regiment ein, gewunnen die oberhand an.