1
triefen,
V., unr. abl.;
zu
mhd.
triefen
›triefen, tropfen‹
();
durch Formzusammenfall in der 2. und 3. P. Sing. Präs. z. T. nicht strikt von
träufen
zu trennen; zur Formgeschichte vgl. ff.
1.
›tropfen, aus etw. heraustriefen, herausfließen, tropfenweise herabfallen‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße (vom Flüssigkeitstropfen auf den räumlichen, ursächlichen Ausgangspunkt des
triefens
): ›Tropfen bilden, absondern‹; mehrfach (vor allem in religiösen Kontexten) in kühnen Metaphern auf Glaubenstatbestände ütr. (dann ebenfalls sowohl von einer als
triefend
gedachten Flüssigkeit wie von dem als ursächlich gedachten Ausgangspunkt des
triefens
gesagt); teils als part. Adj.
triefend
in der Bedeutung ›tropfend, nässend‹ belegt.
Phraseme:
triefende augen
›Augenkrankheit‹.
Syntagmen:
honig, der schweis, die gnade / nase, die augen t., etw
. (Subj.)
in das feuer t., die schaube, die augen / naslöcher jm. t., blut ab jm., wasser auf einen stein, das neue testament aus jm., schmalz / wein aus etw., der lauf des himmels aus got, etw. aus dem reis eines zweiges, aus gottes herz, aus got / Mose, durch eine spalte, weihrauch durch etw., fet in einen eimer, in die asche, die hände mit myrrhe, öl / saft von jm. / etw. t., etw. vom heiland t., etw. von myrrhe, von fet t
.; subst.:
der regen das triefen lassen
.
Wortbildungen:
triefauge
›ständig tränendes Auge‹ (wohl auch für die Person gebraucht),
triefäugig
,
triefel
›Auffangbecken‹,
triefen
(
das
) ›Augenkrankheit, Augengeschwür‹ (dazu bdv.: ),
triefgeschir
›Kanne‹ (a. 1536),
trieflich
(dazu bdv.: ; dort Beleg), ˹
triefnas
,
triefwassernas
˺ ›tropfend nass‹,
triefpfanne
›Fettpfanne‹,
triefte
1 ›Traufe, Regenrinne‹ (a. 1656); 2 ›triefende Flüssigkeit‹ (a. 1661).

Belegblock:

Luther, WA (
1541
):
Daher ist das newe testament aus Mose geflossen vnd getroffen wie der Regen aus den wolckenl.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
der winter ist nu vorgan, | der regen hat sin trifen lan.
Volkmar (
Danzig
1596
):
Lippus, einer der trieffende augen hat.
Apherdianus (
Köln
1575
):
Lippus, ein trieffaug.
J. W. von Cube. Hortus
130, 21
(
Mainz
1485
):
wem die augen drieffen der strich corallen dar vff.
Jahr, H. v. Mügeln
146
(
omd.
, Hs.
1463
):
wie ewik si
[Philosophie]
irs lebens louf, | sint sie uß gottes herzen trouf.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
73, 16
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
wen man di [boume] risit mit eyme messir, so truyfit durch di spaldin der wigerouch.
Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
Lit ein steyn, da alle zit wazzer druf truefet, ez machet in hol.
Mylius (
Görlitz
1577
):
Lippus Trieffaͤugig. [...]. Lippitudo Trieffen der augen.
Keil, Peter v. Ulm
183
(
nobd.
,
1453
/
4
):
thu dorzu daz smaltz, daz dor auß
[aus der Gans]
ist getroffen.
Sachs (
Nürnb.
1563
):
Warumb geust mit wasser mich, | Als wolst mich reynigen warlich? | Hast [...] | Mein mantel mir gemacht trief-naß.
Ebd. (
1562
):
So ich verleuß das hüppelvaß, | So geust man mich trieffwasser-naß | Mit eingrürtem roßdreck und ruß.
Mit myrrhen trofen mir mein hend | Uber die finger.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
O bluͤtiger Heyland moͤcht ich dich vmbfangen, | An dem so viel tausend Blutstropffen hangen, | Aufffassen den Safft so von dir trifft.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Do sú [lúte] mit grossen erbeiten den wagen ab ime
[Seuse]
brahten, do zugen si in her us also triefenden an daz land.
Michels, Murner. Badenf.
33, 28
(
Straßb.
1514
):
mancher foͤrcht des henckers schwert, | Erschwitzt alß trüff ein nasser schoup, | Vnd zittert wie ein eschpenloup.
Sudhoff, Paracelsus (
1527
):
augenschwer, triefen, nimpt sein ursach, das also die augen also verordnet seind und machen sunderlich augendreckkrankheit.
Müller, Welthandelsbr.
128, 22
(
schwäb.
,
1506
):
Auch wiß, wan man daz silber kirnet
[›in Körner zerteilt‹]
, so plipt von ye der fondason
[›Schmelzung‹]
am letsten etwas im trifel.
Stopp, Kochbuch S. Welserin
196, 14
(
Augsb.
1553
):
brats fein jm safft [...] vnnd was fúr fur ain brie dariberbeleibt jn der treffpfannen, giest dariber.
Steer, Schol. Gnadenl.
2, 156
(
moobd.
,
15. Jh.
):
So der mensch do beleibt, so treuft nicht die gnad allein, aber sie stroczt her auß.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
98, 13
;
124, 15
;
Kurz, Waldis. Esopus ;
Jahr, a. a. O.
484
;
v. Tscharner, a. a. O.
56, 4
;
58, 24
;
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
146v, 38
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Hampe, Ged. v. Hausrat
4, 21, 5
;
Ott-Voigtländer, Rezeptar
204v, 20
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Lemmer, Brant. Narrensch.
26, 24
;
Adomatis u. a., J. Murer. Abs.
1567
;
Morrall, Mandev. Reiseb.
79, 20
;
Stedtfeld, Roger-Glosse
120
;
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 189
;
Voc. Teut.-Lat.
gg vjv
;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 126
.
Vgl. ferner s. v.
1
 1, ,  2, .
2.
›eine Flüssigkeit in kleinen Tropfen auf etw. fallen lassen‹.

Belegblock:

Eis u. a., G. v. Lebenstein
55, 15
(
oobd.
,
15. Jh.
):
wem in den oren sey als im die glocken clingen, der trieff ain tropffen [...] oder zween dar ein.