nieder-
[+ V.];
nieder-
fungiert in folgender Zusammenstellung als Adverb im Übergang zum
Präfixoid;
motivationell sind die Bildungen in der Regel an
nieder
1 anschließbar, falls nicht, erfolgt ein diesbezüglicher Hinweis. - Die hohe Anzahl der Bildungen erfordert eine Auswahl: Aus der Menge aller Vorkommen wurden diejenigen aussortiert (und damit nicht angegeben), die schwach belegt sind, einen geringen Grad der semantischen Lexikalisierung sowie der Polysemie aufweisen, semantisch vom Neuhochdeutschen nicht oder kaum differieren und in den gängigen Wörterbüchern (von allem in
Dwb und im
Rwb
) gebucht und hinreichend beschrieben sind. Der aufzunehmende Rest wurde auf unterschiedliche Weise behandelt: entweder im hier folgenden Sammelartikel oder in einem eigenen Artikel. Die Behandlung in einem Sammelartikel unterliegt unterschiedlich starken Einschränkungen des Informationsprogramms dieses Werkes. Für die Bildungen, denen eigene Artikel gewidmet sind, gilt dagegen das volle Informationsprogramm. Alle in diesem Auswahl- und Reduktionsprogramm vorzunehmenden Entscheidungen trifft der Lexikograph nach seiner Einsicht und Intention.
Beispiele:
  • niederbiegen
    ›etw. (Reben) nach unten biegen‹; ›(die Knie) beugen‹; als Part. Prät. lexikalisiert:
    niedergebogen
    ›gebeugt‹ (von der Haltung älterer Menschen).
  • niederbinden
    ›etw. tief unten binden; etw. nach unten binden; jn. fesseln, so binden, daß er zu Boden geht‹.
  • niederbrennen
    ›etw. niederbrennen‹.
  • niederbringen
    a) ›(einen Schacht) abteufen‹. – Bdv.:  2; vgl.  2,  1; b) ›jn. moralisch niederwerfen‹.
  • niederdringen
    a) ›etw. niederdrücken, niederschlagen‹; b) (refl.) ›sich senken‹ (von der
    bärmutter
    ).
  • niedererbeizen
    ›vom Pferd absitzen‹.
  • niedererlegen
    ›(ein Heer) vernichtend schlagen‹.
  • niederfaren
    ›von einem als oberhalb gelegen gedachten Ort (auch ütr.
    vom himmel
    ) herunterkommen‹; bei Luther zumeist bezogen auf Christi Tod und Fahrt in die Hölle. – Ggs.: vgl.  4.
  • niederfillen
    (
    -fillen
    zu mhd.
    villen
    ›das
    vël
    abziehen‹; ) ›etw. dem
    gelust
    Förderliches bekämpfen, unterdrücken‹; vgl.  4.
  • niederfliessen
    1 ›von wo herabfließen, herabfallen; sich wohin ergießen, wo einfließen‹ (im Beleg subst.); 2 ›(in Tränen) zerfließen‹.
  • niedergiessen
    ›herabströmen‹ (von Tränen).
  • niederhauchen
    ›sich ducken, bücken‹ (auch von einem
    pferd
    gesagt). – Bdv.:  1.
  • niederhaben
    ›die Schwurhand senken, unten halten‹. – Bdv.:  1. Ggs.: vgl.  1.
  • niederhegen
    ›einen Baum fällen‹ (im Beleg bildlich).
  • niederlaufen
    1 ›jn. niederrennen, zu Boden werfen‹; 2 ›auf etw. (im Beleg: auf eine Insel) hinfahren, hintreiben‹.
  • niedermachen
    1 ›(in einem Bergwerk) einen Durchschlag nach unten treiben‹; 2 ›jn. niedermetzeln‹.
  • niedermäen
    ›etw. tilgen‹ (ütr.).
  • niederreren
    ›sich fallen lassen‹ (im ütr. Sinne); ›Laub niederwehen‹; ›(Blumen) niederhauen‹.
  • niedersassen
    ›jm. etw. zuwenden, gewähren‹ (zum Gw vgl. mhd.
    sâzen
    ›jn. setzen‹; ).
  • niederschauern
    ›stark regnen, hageln‹.
  • niederschnaben
    ›(das Spiel mit dem Teufel) verlieren‹ (Gw zu mhd.
    snaben
    ›straucheln, fallen‹; ).
  • niederschütten
    ›etw. ausschütten, wohin, zu Boden schütten‹.
  • niederschwingen
    ›etw. (im Beleg: ein Schiff) mit Schwung niederwerfen‹.
  • niedersingen
    ›mit leiser Stimme singen‹; zu  7.
  • niederspreiten
    ›etw. (im Beleg: den Samen) herniederstreuen‹.
  • niederstillen
    ›etw. (im Beleg:
    die aufrur
    ) zur Ruhe bringen, beenden‹; vgl.  6.
  • niedersträuen
    ›etw. (z. B. die
    warheit
    ) niederstrecken; sich selbst zu Fall bringen‹ (zum Gw vgl. mhd.
    ströuwen
    ›niederstrecken‹; ).
  • niederstürzen
    1 ›(einen Schacht) niederbringen, abteufen‹. – Bdv.: vgl. a,  2,  1. 2 ›jn. zu Boden werfen‹.
  • niedertragen
    ›jn. abwärts, nach unten ziehen‹ (ütr.); vgl.  2.
  • niedertriefen
    ›niedertriefen‹ (vom Blut); trans. mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›(Blut) ausströmen, bluten‹ (von Wunden gesagt); vgl.  2.
  • niedertrummen
    ›jn. niederschlagen, niederwerfen‹ (vom Tod als logischem Subjekt gesagt); vgl.  2,
    2
     2.
  • niederzerren
    ›jn. nötigen, belästigen, Macht an jm. ausüben‹.
  • niederzünden
    ›jm. zu Bett leuchten‹ (im Beleg ütr. im Sinne von: ›jn. niederschlagen‹).

Belegblock:

Zu
niederbiegen
:

Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
man búget die reben von obenan nider und sticket sú mit starcken stecken.
Maaler (
Zürich
1561
):
Nidergebogen wie alt leüt.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
75, 19
(
tir.
,
1464
):
Eüsebius [...] hueb auf seine hent in den himel mit niderpogen chnien.

Zu
niederbinden
:

Dict. Germ.-Gall.-Lat.
343, 39
(
Genf
1636
):
niderbinden / Herab / oder abbinden.
Ebd.
41
:
niderbinden / nidrig vnd nicht hoch binden.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
A. 16. Jh.
):
so er nach den dreien schraien nit da war, so soll man den schedlichen man niderbinten mit dreien righalben.

Zu
niederbrennen
:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
dî burg er brante niddir | unde zôch kegn hûse widdir.

Zu
niederbringen
a):

Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1528
):
Wurde iemand [...] sein schacht mit arbeit belegen und [...] sein erbschacht uber den wechsel niderbracht und abgesuncken hette.

Zu
niederbringen
b):

Gille u. a., M. Beheim
74, 86
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
der [pose engel] dann den menschen ane weigt | und in geren precht nider.

Zu
niederdringen
a):

Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
1462
):
ein ungehurlichen grosz sne, [...], das er an einteil enden boͤme nidertranck.

Zu
niederdringen
b):

Ott-Voigtländer, Rezeptar
208v, 17
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1400
˺):
Fúr die bermuͦter, die nider / sich dringet.

Zu
niedererbeizen
:

Jaksche, Gundacker (
oobd.
, Hs.
1. H. 14. Jh.
):
uf dem hove erbaizt er nider, | daz gesind uf und nider | chom allez gelaufen dar.

Zu
niedererlegen
:

Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
[die Turcken] erlegten dem kunig sein veld nider, alls man schatzt auf 11. 000 man.

Zu
niederfaren
:

Luther, WA (
1529
):
Jch gleube an Gott vater [...] Und an Jhesum Christum, seinen einigen son, [...], gecreutzigt, gestorben und begraben ist, Niddergefaren zur helle, am dritten tage widder aufferstanden von todten, Auffgefaren gen hymel.

Zu
niederfillen
:

Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Er [geist] sal vil rehte merken | Swaz die gelust mac sterken | An spise, an eigem willen, | Unde sol daz nidervillen | Mit rehter maze getwanc.

Zu
niederfliessen
1:

Strauch, Par. anime int.
75, 8
(
thür.
,
14. Jh.
):
alle gabe sint niderflizinde von deme vadere der lichte.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 925
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Dis nider gan schnellekliche ist nút anders, dan ein nider fliessen mit begirden vnd mit minnen in den abgrunt der gotheit.

Zu
niederfliessen
2:

Adrian, Saelden Hort
9357
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
do wart sin jamer do so gros | daz er von trehen nider floss.

Zu
niedergiessen
:

Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
[ein getrúwer guͦtherziger mensche] huͦb an mit nidergiessenden trehen und jemerlicher klag und sprach [...].

Zu
niederhaben
:

Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1310
/
2
):
Ob er dez niht gewern wil, so sol iener, dem der ait ertailt ist, auf haben und fuͤr sich swern und sol in denne niemen nider haissen haben.

Zu
niederhauchen
:

Sachs (
Nürnb.
1554
):
Ey, seyt ir denn all mit einander | Ehbrechr und hurer allesander, | Dieweyl ir euch all nider haucht?
Ebd. (
1557
):
Der Engelmayer hauchet nider, legt den merdrum, steht auff und spricht: [...].
Bell, G. Hager
392, 1, 15
(
nobd.
,
1593
):
Das auh die pferdt | nider Hauchten zu stunde | wol auf die erdt.

Zu
niederhegen
:

Pyritz, Minneburg
349
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Sust muͤs ich in der synnen forst | Vernuͤnfte baum nider hegen | Und uch daz byspel recht uz legen.

Zu
niederlaufen
1:

Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
hie wilt in die mutate weder | ind Gerart Ouerstultz leiff in neder.

Zu
niederlaufen
2:

Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
das schiff wart gegeben den vnten
[›Wellen‹]
vnd wir wurden getragen. Niderlauffent in ein insel.

Zu
niedermachen
1:

Löscher, Erzgeb. Bergr.
129, 1
(
omd.
,
um 1559
):
gleichwol im selben felde keine durchschlege nidergemacht sein.

Zu
niedermachen
2:

Qu. Brassó
4, 506, 15
(
siebenb.
,
1545
; Hs.
1613
/
7
):
er sich beforcht, er möcht durch Practica der Boyeren niedergemacht werden.

Zu
niedermäen
:

Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
doch wil ich mit miner zungen sas | si [insegel, herze, arm] nedirmehen als ein gras
(Restriktion: es sei denn, daß).

Zu
niederreren
:

Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
min lob ist als ein loub vortorben, | daz ein starg wint niderreret.
Niewöhner, Teichner
4, 82
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
wer sich nider rert | an auf sten, da ist nicht an.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
355, 5
(
moobd.
,
1473
/
8
):
der mader auff der wisen, | der mit seiner sensen pluemen / nider reret.

Zu
niedersassen
:

Thiele, Minner. II,
12, 382
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
sind du din gunst solt nyder zu ym sassen | unnd do by doch in grossen wirden halden.

Zu
niederschauern
:

Niewöhner, Teichner
12, 10
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
do het er einen nachgepawrn, | und hiet ers nider sechen schawren.

Zu
niederschnaben
:

Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Wan er bereit weiz den sin | Und mislich wer den sic behabet | Oder wer da nider snabet.

Zu
niederschütten
:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
unde schutte mit unêrn | daz sacrament sô sûze | nidir vor di vûze | und iz trettinde zureib.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1636
):
die schütt und körach soll man nit nachent bei den heisern in die pächer noch in die winkl niderschitten
; vgl. ferner s v.
badstube.

Zu
niederschwingen
:

Gille u. a., M. Beheim
327, 101
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Das schiff es [prausen] mit im zach, | hach in die lufften trange | und wider nider schwange.

Zu
niedersingen
:

Dasypodius (
Straßb.
1536
):
nider Singen mit halber Stim͂. Sincinere.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
344, 39
(
Genf
1636
):
nider singen / nicht Hell sondern leiß singen.

Zu
niederspreiten
:

Gille u. a., M. Beheim
283, 30
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Als got sein somen nider spreit | und sich ver merwet zu der meit.

Zu
niederstillen
:

Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1550
):
der [statvogt] seinem ambt nach alspald selbst [...] hinauf gangen, die sach niderzuͤstillen.

Zu
niedersträuen
:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Swenne sie [werlt] tobewutic | Wider einander houwet | Unde sich nider strouwet | Als ein witzeloses vie.
Völker, Antichrist
650
(
wschwäb.
,
15. Jh.
):
die warhait wirt auf dem ertrich nider geströwt.

Zu
niederstürzen
1:

Löscher, Erzgeb. Bergr.
110, 2
(
omd.
,
um 1559
):
wie oft man in [schacht] niedersturczen muße.

Zu
niederstürzen
2:

Maaler (
Zürich
1561
):
Einen Niderstürtzen oder zeboden werffen.

Zu
niedertragen
:

Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
so ist uns anegeborn, daz wir sú [warheit] in bildlicher glicheit nemen, untz daz der swere nidertragende lip wurt abe geleit.

Zu
niedertriefen
:

Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
e daz im ward dez unschuldigen nieder trieffenden bluͦtes Cristi, daz er [...].
do ich [...] also stuͦnt mit nider trieffenden wunden, mit weinenden oͮgen.

Zu
niedertrummen
:

Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Morgen oder hute | Mac uns der tot als iu kumen | Und mit craft dar nider drumen.

Zu
niederzerren
:

Gille u. a., M. Beheim
445, 63
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
die strassen lassen sy [herren] versperren | und arm leut nider zerren.
V. Anshelm. Berner Chron.
5, 88, 31
(
halem.
,
n. 1529
):
also dass, wie si [die herren] vor freidig jagten und on beduren niderzêrten und zerrissend, iezt fluͤchtig verjagt und on beduren niderzêrt und zerrissen wurden.

Zu
niederzünden
:

Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
1380
/
1
):
der wirt zuͦ Grissen (der den gesten mit der ax niderzunt).