nieder,
niederig
(letzteres seit dem 16. Jh.),
Adj.
/
Adv.;
in 1 vertikal raumbezogen; 2-6 tropisch daran anschließbar; dabei dominieren in 2 sozialschichtige, in 3 juristische, in 4 religiöse, in 5 moralisch-wertbezogene, in 6 psychologische und in 7 stimmhöhenbezogene Aspekte; Ansatz 6 nur für
niederig
belegt.
1.
›im Vergleich zu einer höheren, höher gelegenen Bezugsgröße räumlich tiefer‹; im einzelnen: ›niedrig‹; ›flach‹; ›das untere Ende e. S. bildend‹; ›landschaftlich tiefer gelegen‹; ›eingraviert‹; ›nach unten gerichtet‹; ›von unten, vom Westen, Sonnenuntergang her‹; vgl. die Syntagmen, teils mit Übersetzungsvorschlägen.
Phraseme:
durch nieder
›stromabwärts‹;
auf und nieder
›rauf und runter‹ sowie ›überall; hin und her‹;
höher und niedriger
›mal mehr, mal weniger‹ (als Ütr. hier anschließbar).
Bedeutungsverwandte:
,  1.
Gegensätze:
, , (Adj.) 1.
Syntagmen:
etw
. (Subj.)
n.
(z. B.
eine mauer
),
viel n. (der lauf eines sternes), zu niederst (der grund der helle) sein, j. n. sein
›sich schlafen gelegt haben‹;
n. bauen
(ohne Angabe),
j. n. sitzen
(subjektbez. präd. Attr.),
die gewaltigen n. vom stul zerstören, eine ausladung
›einen Erker‹
niederer machen dan [...]
(objektbezogenes präd. Attr.);
ein wasser
[wo]
am niedersten fliessen, j. zu niederst
[wo]
stehen, in den sak kommen, sich zu niederst setzen, die erde n. fliehen, die sonne zu niederst treten, der wind von nieder aufher gehen, ein vorhang bis zum niedersten gerissen sein
;
die niedere bank / mauer / tür
(jeweils: ›niedrig‹),
die niedere schale, der niedere teller, die niedere galleasse / hütte
(jeweils: ›flach‹), ˹
der niederste ort / grad, die niederste barke
˺ (jeweils: ›unterste‹),
der niedere teich / weg, der niedere
›weiter unten gelegene‹
müller, das niedere
›untere‹
ende
e. S.,
die niedere gasse / schüssel / beunde
(obszön)
/ stat, das niedere römerchen / gestemme, das niedere
›tiefer gelegene‹
Beiern
,
nieder Kärnten
(auch als Kompositum lesbar),
die niederen herren
›Herren von Niederbayern‹ (mixtura verborum);
das stilstehen des niederen
.
Wortbildungen:
niedere
1a) ›Länge‹ (nach unten gesehen, von
röcken
gesagt); 1b) wohl ›Tiefe‹ (des Kopfes von vorne nach hinten gesehen; dazu ggs.: ),
niedern
1 ›hinabgehen, nach unten reichen‹ (ütr.),
niederseit
(Präp.) ›unterhalb‹ (dazu ggs.: ),
niederseite
›untere Seite‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der pabest in dem hosten hove | Kardinale, dar zu bischove | Gesprinc sint der prelate | Mit ammecht und mit rate; | Diz nidert sich biz an die diet.
Alberus, Barf. (
Wittenb.
,
1542
):
so ein jeder im Himel nach seim verdienst hoch oder nidder sitzt / so mus gewislich Franciscus seer hoch sitzen.
Franciscus wolt [...] kein koͤstlich noch steinern Heuser haben / Sondern Nidrige Huͤtten.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Diu erde enkan sô nider niht gevliehen, der himel envlieze in sie.
Buch Weinsb. (
rib.
,
1571
):
ein silbern ubergulden drinkgeschir [...], wie ein altfrenschs neder romergin.
Beckers, Bauernpr.
54, 3
(
Köln
1515
/
8
):
Die buren halde͂ also Wañ idt an d’kerstnacht tzo myddernacht der wyndt van nedder vp her gait dat bedudet eyn fruchtbair jair.
Struck, Klöster
139, 55
(
mosfrk.
,
1567
):
1 klein nidrig dennen banck.
Weingart u. a., Seelb. Rhodt
4, 34
(
pfälz.
,
1379
):
eyn stuck wingarts [...] mit der obersijt die niddersijt Hans Hauwensteyn vogt.
Dubizmay, kurß zu Teutze
81, 10
(
hess.
,
1463
):
er zu starett die gewaltigen nyder von dem stul vnd erhohet die demüttigen.
Froning, Alsf. Passionssp.
920
(
ohess.
,
1501ff.
):
Herodes dicit: Szo wol nidder und sijt gemeyt!
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
ließ ich alle die Zimmerleut / die wir hatten / eine Galliaß nidriger machen / daß sie nur 5. Schuch vnder dem Wasser gieng.
Strauch, Par. anime int.
91, 29
(
thür.
,
14. Jh.
):
ein ordenunge ist in allin dingin, daz ie daz uberste des nidersten rurit an daz niderste des ubersten.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
der vorhank des tempiles ist gerizzen in zwei stucke von dem ubirsten biz zuͦ dem nidersten.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1513
/
5
):
Also hastw mit dysen zwerch linien ab geteilt dy fürnemsten teÿl des hawbtz jn jrer höch vnd nidern.
Lexer, Tucher. Baumeisterb. (
nürnb.
,
1464
/
75
):
so soll er herauß auf in nichtz giessen noch werfen keinen unflat, [...], oberseit seiner rinnen oder niderseit.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
147
(
Nürnb.
1517
):
das die erfarnheit des götlichen heimlichen gesprechs der frid und gerugikeit des herzens ist, wiewol nit in einem grad, sunder höher und nidriger.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2469
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
Nun han ich fúrbass mer gelesen | Das under disen drin wesen | Ze nidrost ist der helle grunt.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
der selbigen nacht, do sy all nyder wărend, nam Astolffo sin harnisch.
Sappler, H. Kaufringer
4, 58
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
ain student ist hie in der stat, | der vor uns auf und nider gat.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
do bestallten sie am wasser ein grossen nachen nach Bless und Amboise durch nider.
Henisch (
Augsb.
1616
):
das Trientisch gebuͤrg [Bauaria] / begriefft ober vnd nider Kernten.
Jaksche, Gundacker (
oobd.
, Hs.
1. H. 14. Jh.
):
des sternes [ce Jerusalem] lauf was nider vi | denn der ander stern zil.
Klein, Oswald
18, 27
(
oobd.
,
1416
):
Ich hab umbfarn insel und arm, manig land, | auff scheffen gros, der ich genos von sturmes band, | des hoch und nider meres gelider vast berant.
Ebd.
76, 22
:
dannocht gert si, das ich jät | noch ainmal inn der nidern peunt.
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
420
(
oobd.
,
1607
/
11
):
4 nidere seüchte tellerlein oder schälein.
Ebd.
1853
:
ein altärl [...], darinn die gantze passio [...] mit erhebt und nidern figurn geschnitten.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
23, 7
(
noobd.
,
1347
/
50
):
wenne die sunne ze niderst in daz zaichen tritte, so ist ir kraft und ir schein pei uns krank.
Niewöhner, Teichner
396, 63
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
waz er [got] wil, daz rott er dran | mit ir paider still stan, | dez gestirns und dez nidern
(hier wohl ›Unteres; Welt im Gegensatz zu
gestirn
‹).
Ebd.
629, 8
(Hs.
1469
):
da verjach der sneyder syder: | ,das
[die hohen Kosten des Schuhes]
ist von der rokch nyder‘
(von der Kürze der Röcke).
Gierach, Märterb.
21491
(Hs. ˹
moobd.
,
A. 15. Jh.
˺):
darnach er in dem lande lert | paide auf und nider, | daz es wart bechert auch sider.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
WILHELM und LUDWIGEN, gebrüedern, [...], herzogen in obern und nidern Baiern etc.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1585
):
so zwen müllner umb ir wasser oder müllgepeẅ, ein ober und ein nider oder ir mer, mit einander strittig werden, den soll man [...].
Fischer, Brun v. Schoneb. ;
Sievers, Oxf. Benedictinerr. ;
v. Tscharner, Md. Marco Polo
26, 8
;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
485, 3
;
Sappler, a. a. O.
19, 135
;
Rauwolf. Raiß ;
Dirr, Münchner Stadtr. ; ;
Bauer, Imitatio Haller
60, 19
;
Bauer u. a., a. a. O.
77
;
393
;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
42, 30
;
77, 20
;
Vgl. ferner s. v.  1,
2
,  7,  1, .
2.
›die Basis der gesellschaftlichen Pyramide bildend‹ (von einem Stande gesagt); ›von einfacher Herkunft, der sozialen Grundschicht der Bevölkerung zugehörig‹; speziell: ›auf der niedersten Stufe der klösterlichen Hierarchie stehend‹ (von Personen gesagt).
Bedeutungsverwandte:
(Adj.) 2, (Adj.) 5, , , , .
Gegensätze:
,  5, (Adj.) 1.
Wortbildungen:
niedere
2 ›Grundschicht, untere Sozialschicht‹ (dazu bdv.: vgl.  6),
niederkeit
(dazu ggs.:  2),
niedrigkeit
1.

Belegblock:

Pfefferl, Weigel. Ges.
31, 13
(
Hamb.
1646
):
kegen deinen neben Menschen, er sey nu nach welcher ordnung, hoch oder niedrig, Regent oder vnterthan.
Luther, WA (
1520
):
von den falschen [...] guten wercken, der itzet alle Closter, kirchen, heuszer, nyder und hoher stend vol [sein].
Ebd. (
1537
):
das es noch muͤhe und erbeit hat Christum also kennen und haben inn seiner niderkeit und auffart.
Thiele, Minner. II,
32, 191
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
of en si neder van geborde, | das sint rechter mynnen voirde.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
da en solde neyman wesen weder | noch der hoe noch der neder.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
alsus werde sie [suster] weder intfangen in deme nidersteme grade, daz ir otmutkeit da mede geprufet werde.
,Man deilite in sunderlichen also ir jeclicheme noth waz‘. Na dissen dingen insal man nit mirken der herheit noch der niderkeit, wan ir ielicher crankkeit.
Knape, Messerschmidt. Bris.
22, 61
(
Frankf./M.
1559
):
das jm Gott der Herr gluͤck / heil / ehr [...] bey hohen vnd nidern stenden [...] gibt.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
7, 13
(
Frankf./M.
1568
):
wie sich so seltzame [...] veranderung in allen Staͤnden Menschlichs Geschlechts / vom Hoͤchsten biß auff den Nidersten taͤglich on vnterlaß zutragen.
Stoltzius, Chym. Lustg. (
Frankf./M.
1624
):
Wird die stoltzen Hertzen verletzn / | Auffm niedrign Stuhl herunder setzn.
Sachs (
Nürnb.
1557
):
Wenn es hoch erhebt auß der nider, | Den stürtzet es denn blötzlich wider.
Maaler (
Zürich
1561
):
Von Niderem schlaͤchtem stammen erboren.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
345, 19
(
Genf
1636
):
Nidrikeit / f. Geringer Stand vnnd Ansehen.
Heydn. maister
10v, 6
(
Augsb.
1490
):
Jupiter erhoͤcht die nidern / vnnd nÿdert die hohen.
Österley, Steinhöwels Äsop (
Ulm
1474
/
82
):
Die klainen oder nidern mügent sich rechen an den großen.
Piirainen, Stadtr. Sillein
147b, 26
;
3.
dient im Gegensatz zu und (Adj.) 56 der Kennzeichnung herrschaftlicher, juristischer und administrativer Instanzen als ›auf unterer Befugnisebene tätig‹.
Syntagmen:
der niedere gerichtszwang, die niedere herschaft / gerichtsbarkeit / jurisdiction / küche / oberkeit, das niedere gericht
.

Belegblock:

Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. (
mosfrk.
,
1325
):
da hait [...] der erzebischof zuͦ Trire [...] die herschaf hogerichte und alle recht uzgenomen bisunder das tridteil des nidersten gerichtes.
Thür. Chron.
5v, 24
(
Mühlh.
1599
):
Derhalben kamen die Roͤmer in solche hohe Wuͤrde vnd Ehr / das der Oberste gewalt mit dem Nidrigsten befahl.
Geier, Stadtr. Überl. (
nalem.
,
1558
):
Das die von Uberlingen [...] in ir nidern gerichten durch ire amptleut und underthonen die gieter ausmarken.
Sexauer, Schrr. in Kart.
240, 4
(
nalem.
,
um 1510
):
Das ist das xj. capitel. von dem nidern Chuchenmeister oder Kelnër. Der nydern chuchen. ist verweser der prüder.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
um 1550
):
keinswegs underlassen wellen, ein gleichformig ansehen und gebot in ir g. landtschaft, hoch und nider oberkeit usgon zelassen.
Ebd. (
1556
):
wiewol von alterhär und noch bishar der gemain landtsbruch in unsern hochen und nidern gerichten und landtschaften gewesen, das [...].
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 455, 17
(
schwäb.
,
1574
):
soll und mag ain jede domalln regierende herrschaft die ußlendischen frembden nach maß und gestalt seiner strafordnung in seinen nidern gerichtszwang und vogtarticul begrifen [bei frevel].
Anderson u. a., Flugschrr.
23, 4, 4
([
Augsb.
]
1525
):
vnd beger zuͦ schayden [...] zwischen der Baurschafft [...] an ainem / Auch jren hohen vnnd nydern herrschafften / anders tayls.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1310
/
2
):
Ez sol nieman dehein prot fuͤmfen, niur er setz auf di nidern panch bei der naehsten buͦzze.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
185, 20
;
Müller, a. a. O. ; ;
Vgl. ferner s. v.
2
 1.
4.
in einer religiös gedachten hierarchischen Seinsordnung und einem dieser entsprechenden Bild menschlicher Fähigkeiten ›unten liegend, unten verortet‹, da dem ›
blut / fleisch / lust, der sünde / viehelichkeit, den viehiglichen kräften
verfallen, im Vergänglichen haftend‹ und durch weitere Bestimmungen einem
mittelen, oberen
im Wert nachgeordnet. Aus diesen Bestimmungen herauszukommen (im Sinne der Wegmetapher, aufwärtsgerichtet), wird als ein
wiederlauf
,
odmut, tuung
, ein sich
demütig machen
, ein sich
got lassen
, ein
demütiges kräftiges einkeren
in die Handlungsmöglichkeit des Menschen gelegt und als Aufforderung verstanden; hier anschließbar (als Metonymie:) ›demütig‹ in Wendungen wie
sich nieder machen
(bezogen auf die Annahme der Menschheit durch Jesus Christus,
eines knechtes form
; ebenso im Sinne der Wegmetapher zu verstehen, aber abwärts gerichtet),
sich niederst haben
›asketisch leben‹.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  5, (s. v.  4), ,  67, .
Gegensätze:
(Adj.) 3.
Syntagmen:
j. nieder, von dem niedersten sein, der teufel des falles niederer sein wen
›als‹
[...], die frauen den niedersten kräften gegleichet sein
;
etw. n. jm. wissen
(als Präp. wie als objektbezogenes präd. Attr. lesbar),
jn. n. finden
;
das niedere an das oberste ziehen, der engel mit dem niedersten
›von unten herauf‹
den himmel berüren
;
der niedere got / engel / grad, die niedere creatur / demut / stat / zeit, der niederste teil (der sele), die niedersten dinge / geiste / kräfte
;
von den niedersten zu den obersten
(als Formel für
die sieben strassen zu got
).
Wortbildungen:
niederheit
1.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
woltu nu hoege syn inde verhauen syn, so mostu neder syn van der vloit des blodes off des vleisches.
sint die man gelîchet den obersten kreften, wan sie alle zît blôzes houbetes sint, und die vrouwen den nidersten kreften, wan in daz houbet alle zît bedecket ist.
want alle die nederste kraͤfft vnd leibliche sinn̄ vnsers herren Jesu Christi / also geeinicht worden mit der gotheit / das [...].
er [got] enmüeze ez alzemâle ergiezen in vruhtbærlîcher art in den menschen der sich gote gelâzen hât und die niderste stat besezzen hât.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
[der] ûfwert got aneschauwet, niht daz sîn, daz er hinder im nider im, bî im weiz.
ie der grunt tiefer ist und niderr, ie ouch diu erhœhunge und diu hœhe hœher und unmæziger ist.
wan swelhes natûre hie kriuchet in der tiefsten niderkeit, des geist vliuget ûf in daz hœhste der gotheit.
Jostes, Eckhart
7, 35
(
14. Jh.
):
der oberst engel der versait, daz er niht der niderst sei. Got der ist ein versagen dez versagens.
Ebd.
38, 3
:
di volchomenst [gab] daz ist di gab der gnaden, di uns hat gezogen von disen nidersten dingen bis zu dem obersten.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Joh. (
osächs.
,
1343
):
Und her [Jhêsus] sprach zuͦ en: „Ir sît von den nidersten
[
Mentel
1466:
von niden
; nd. Bibel 1478:
van vnder
;
Krumpach
1522:
von den nidern irdischen dingen
;
Luther
1545:
von vnten her
],
abir ich bin von den obirsten; ir sît von dieser werlde, abir ich bin nicht von diser werlde [...]“.
Sermon Thauleri
2ra, 11
(
Leipzig
1498
):
Wã die sele ist geschaffen tzwischen tzeit vnnd ewikeit Nu mit yrem obersten teil so gehoret sie in ewikeit. vnd mit irem nydersten teil. so gehoret sie in die tzeit mit yren synnelichen viheglichen crefften.
Ebd.
37, 12
:
das mag in [dem menschen] alleine begnuͤgen in sime willen und in sime grunde, es si in dem nidersten kreften und in der vihelicheit daz lust und unlust hat in frommen und schaden, das ist herwieder nút.
Ebd.
252, 8
(
1359
):
also enwúrket die hocheit Gotz niergen als fruchtberlichen noch als goͤtlichen als in der tiefster niderheit des menschen.
Ebd.
323, 23
:
vindet er uns nider, er erhabet uns uf.
Langen, Myst. Leben
190, 5
(
nobd.
,
1463
):
wisset fur war, daz nymant mag begreiffen [...] die sussen di[n]ck in / der hohe, er lasse den susse / vergenckliche dingk hie in / der nyderen zeit.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 201
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Cristus, der [...] entzv́ndet das niderste des menschen, daz ist das lipliche hertze vnd die beuintlichen crefte.
Schmidt, Rud. v. Biberach
5, 21
(
whalem.
,
1345
/
60
):
an einem menschen ist geist vnd sel ein substancia einveltigen wesines, doch zvͦ eim vnderscheide zwen teil, ein niders vnd ein obers.
Ebd.
13, 21
:
Got ist in der obersten, aber dvͥ welt ist in der nidersten stat.
Ebd.
71, 4
:
Also wirt ein vf gang von dien nidersten zvͦ den obren, vnd die obersten begirffent die nidersten. Vnd so wir wellen gan von dien nidersten zvͦ den obresten, das ist, von zitlichen zvͦ ewigen dingen, so begegent vns zem erst der sin, dar nach dvͥ bilderin, dar nach dvͥ vernunft, dar nach der verstant, dar nach dvͥ verstantnissi, vnd an dem obersten ist dvͥ wisheit
(Metapher des Stufenweges).
Niewöhner, Teichner
592, 121
(
önalem.
,
um 1433
):
der sich aller niderst hat | mit der spiß und mit der wat | [...] | der ist aller nechst by got.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
109, 6
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
alse in dem menschen beweget wirt der lip von der sele unde die nidern creft werdent beweget von der bescheidenheit. Unde dar umbe: die tüewunge oder die bewegde der nidern beginne sint mer etliche geworhten ding denne daz si wurkung sin.
Ebd.
365, 4
:
dü ding, die da in got sint, dü sint niht ze versten nach der wise der nidern creaturen, die da liplich sint, sunder nah glichnüsse der öbersten creaturen, daz da sint die vernünftigen creature.
Buijssen, Dur. Rat.
5, 25
(
moobd.
,
1384
):
daz der chuͤnig der eren, [...], sich also wolte diemuetig und nider machen daz er an sich naͤm eins chnecht form.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
525
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Ob ainer fragt, ob die die da uieln gewesen sein der höchsten oder der nydristen der merern oder der mynnern engel, antwurtet der maister ij
o
distinctione vj.
Ebd.
1518
:
wie wol die tewfel der natur hoch sind, so sind si doch des valles nyderr wenn die vnuernunfftigen tier.
Quint, Eckharts Pred. ; ; ;
Jostes, a. a. O.
31, 25
;
Morgan u. a., a. a. O.
271, 2
;
Schmitt, Ordo rerum
442, 26
;
Vgl. ferner s. v.  5, .
5.
›unbedeutend, unwichtig, banal‹ (von Sachen); ›sozial unterschichtig; unwürdig, sündig‹ mit Tendenz zu ›niederträchtig‹ (von Menschen); im Unterschied zu 2 eher vom theologischen und moralischen Wertesystem her gedacht.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
, , , .
Gegensätze:
, (Adj.) 4.
Syntagmen:
j. / etw
. (z. B.
ein adamas
)
niederer wan
(ein anderer, ein anderes)
sein
,
jn. niedern
(objektbezogenes präd. Attr., flektiert)
machen
; subst.: ˹
das niederste aufrichten, die niedersten berichten / korrigieren / bezwingen, ein heischen zu dem niedersten haben
˺;
das niedere ding / element
.
Wortbildungen:
˹
niedere
3 ›Ärmlichkeit‹,
niederheit
2˺ (dazu bdv.: ).

Belegblock:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
11853
(
rib.
,
1444
):
Ich heischen Iunckheit de lichte, | De dat nederste ducke up richte.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
Ich weyz und kan nach uwer kunst | Von Gote waz und wi daz lyt. | Nicht byn ich nydir wan ir syt.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Sam tustu uf der erden | Nidern machen swer in guf | Lebet, und ouch rucken uf | Den armen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Das ertrich das ist das aller niderste von allen den elementen und hat den himel von siner niderheit aller meist geflohen.
Als der mensche sich nu kert in sin redelicheit, die berichtet und corrigiert alle die nidersten, und betwinget die nidersten, und alle die gelúste und begerunge der unredelichkeit die offenbart si und leit ab alles das ein heischen hat zuͦ dem nidersten.
Schmidt, Rud. v. Biberach
165, 13
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Dvͥ salbung des Heiligen Geistes maht, daz der mensche versmacht dvͥ nidren ding vnd sich erhebt zvͦ den obren.
Maaler (
Zürich
1561
):
Nidere (die) Humilitas. Nidertraͤchtigkeit.
Vock u. a., Urk. Nördl.
2244
(
schwäb.
,
1443
):
Der Wein soll
nit bey dem höchsten oder bey dem nydersten, sunder ... ein gemayner wein
sein.
Fischer
, Eunuchus d. Terenz 86, 1 (Ulm 1486):
schweig du. den ich doch under aller nidersten menschen schetze.
Bauer, Geiler. Pred.
320, 24
(
Augsb.
1508
):
du bist nit dartzuͤ geschaffen das du dich in dißen nideren schnoͤden dingen soͤllest erlustigen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
der andern lai adamas ist verr unwerdiger und niderr wan der êrsten lai.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1087
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
vnd ist doch die erde daz vnwirdigist vnd daz nydrist element daz mit den fuessen getreten wirdet.
6.
›einfach, demütig, göttlichem Einfluß gegenüber offen‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
hoch angefangen niedrig aufgehört
.
Bedeutungsverwandte:
(Adj.) 110, (Adj.) 2; vgl.  12.
Gegensätze:
.
Wortbildungen:
niederheit
3,
niedrigkeit
2 (dazu bdv.: , , ,  2; ggs.: ).

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
HVMILITAS. Demut demuͤtigkeit armgeistigkeit niderigkeit.
Pfefferl, Weigel. Ges.
8, 16
(
Hamb.
1646
):
wo das höchste gutt einfleußet in eine nidrige gelaßene ergebene Seele, do wirdt empfangen vnd geboren ein Sohn Gottes, Gott vnd Mensch, das ist, do ist Gott alles worden im Menschen.
Luther, WA (
1522
):
alle die nydrigen, die ein arm [...] leben furen [...], die sind des Euangeli begriffig.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
jch dachte zo nachte, godes hoicheit lege an myner nederheit; dar ich mych nederde, dair wirt got erhoeget.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1583
):
Dann er [Gott] gesehn hat seinr Magdt nidrigkeit.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 330
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Als ein guͦt mensche stet vf siner kleinheit in dem nidersten sin selbes, vnd er bekennet, das er nút enhat, noch nút enist, noch nút vermag von im selben: [...], vnd daz er dicke den túgenden entblibet vnd guͦten werken, [...] so machet er ein tal der demuͤtikeit.
Ebd.
337
:
wenne er [mensche] denne sine not erkennet, so wiset er vnde claget sine not der gvͤti vnd der erbarmehertzikeite gottes, so merket er gottes hocheit vnd sine niderkeit: so ist er ein nider tal.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Hoch angefangen / nidrig auffgehoͤrt.
Eichler, a. a. O.
1, 237
.
Vgl. ferner s. v.  2.
7.
›tief, niedrig, gesenkt, schwach artikuliert‹ (von der Stimme, Tönen u. ä.).
Bedeutungsverwandte:
vgl.  10, (Adj.) 1,  2.
Gegensätze:
vgl.  1, (Adj.) 5, ,  2, (Adj.) 9,  11.
Wortbildungen:
(über
niedern
):
niederung
2 ›Senkung (der Stimme)‹.

Belegblock:

Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
106, 6
(
Frankf./M.
1568
):
Daß die Lauten vnd auch die Harpff | Geben jr Concordantz fein scharpff / | Mit gschwinden leufften auff vnd nidr.
Opitz. Poeterey
38, 2
(
Breslau
1624
):
das wir aus den accenten vnnd dem thone erkennen / welche sylbe hoch vnnd welche niedrig gesetzt soll werden.
Maaler (
Zürich
1561
):
Niderung der stimm.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
wie der grob paurenknecht [...] den kitzel in das hünder vierthail bracht, fieng sie mit niderer stim an zu jemern.
Rot
286
(
Augsb.
1571
):
Grauis der schwer [...] bedeut das man die sylben nider soll außsprechen.
Buijssen, Dur. Rat.
37, 6
(
moobd.
,
1384
):
Auch hebt man ettwann an dem ingang mit vorslosser stim, daz ist mit nider stim, zw bedewtten die diemuettichait.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
17, 12
.