grau,
Adj.
1.
›grau (als Farbe)‹; (bezogen auf die Haarfarbe des Menschen:) ›grauhaarig‹; dazu ütr.: ›alt; ehrwürdig (in allen Belegen nur von Männern gesagt)‹; (bezogen auf die Kleidung und das äußere Erscheinungsbild eines Menschen:) ›armselig, erbärmlich, schäbig‹; (bezogen auf das Aussehen und die momentane Gemütsverfassung eines Menschen:) ›blass, bleich‹; mehrfach substantiviert, dann: 1 ›Greis, ehrwürdiger, alter Mann‹; 2 ›altes Pferd‹. Der Ansatz eigener Bedeutungen für die Übertragungen ist aufgrund der Tatsache, daß es sich in den meisten Fällen immer auch um die farbliche Schattierung z. B. des Haares bzw. der Kleidung handelt, nicht sinnvoll.
Phraseme:
grauer flek (im auge)
›Glaukom‹;
grauer rok
›Mönchskutte‹;
die grauen röcke
›Mönche, wohl zumeist Zisterzienser‹;
der graue orden
›Zisterzienserorden‹;
graue mönche / schwestern
›(zumeist) Zisterzienser, möglicherweise aber auch die hierarchisch niedriger stehenden Laienmönche‹;
sich keine grauen hare um etwas wachsen lassen
›sich keine Sorgen machen‹;
jm. den kopf grau machen
›jn. verrückt machen‹;
jn. grau machen
›jn. betrügen‹;
graues tuch
›besonders strapazierfähiger, aber einfacher Wollstoff‹;
alt und grau; greis und grau
.
Bedeutungsverwandte:
, , , .
Gegensätze:
(Adj.).
Syntagmen:
g. sein / werden; der graue bart / buler / damast / esel / kopf / lode / marmor / morgen / pelz / rok / stein, die graue barfüsserkutte / eule / farbe / kobel / locke / steinwand / wasserstelze, das graue har / haupt / futter / gewand / pferd / pflaster / kleid / kreuz / tuch, die grauen augen / federn / männer / mäntel / meister
.
Wortbildungen:
graubarsch
,
graublau
,
graublaulich
,
graueseltat
›Dummheit‹,
graueule
›Waldkauz‹ (a. 1603),
graufar
,
graufarben
,
graufarbig
,
graugans
,
grauharfarbe
,
grauhäutel
›Pelikan‹,
grauheit
,
grauisch
,
graumänteler
›dienender Mönch‹,
graumeise
›Sumpfmeise, parus palustris‹ (a. 1603),
graumönch
›Zisterzienser‹,
grauröcker
›Mönch‹, bei
Luther
abfällige Bezeichnung im Sinne von ›Werkheiliger, Schmarotzer‹.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
):
Gott, der wird das Seine tun, | daß euch Phöbus balde schau’ | immer fruchtbar, langsam grau!
Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn (
Wolfenb.
1594
):
Was mag es doch vor ein vnuerschemet Hertz [...] gewesen sein, Das sich nicht geschemet, An ein solch alt graw Haupt seine Hände zulegen.
Luther, WA (
1529
):
so las sie meine ungnedige herrn bleiben und zuͤrnen, bis die grawen roͤcke vergehen.
Ebd. (
1530
):
denn es wird der HErr jrgend in einem grawen Rock einher gangen sein und habe keinen bissen Brots selber zu fressen gehabt, denn er ist ein armer Man gewesen.
Ebd. (
1545
):
Jch wil mich verlassen auff Gottes gnad, wie die zu hofe thun, die Grawroͤcker, sie sind die lieben kinder.
die graw rocker die leut betriegen und zihen doch die verheißung zu sich, sind aber zu hofe angeneme und verdienen den grawen rock zu hofe als Schoßer.
Ders. Hl. Schrifft.
Ps. 71, 18
(
Wittenb.
1545
):
AVch verlas mich nicht Gott im Alter / wenn ich graw werde.
Alberus, Barf. (
Wittenb.
,
1542
):
Sie [die Lierchen] haben Grawe Roͤcke an / wie die Muͤnche.
Ziesemer, Marienb. Konventsb.
288, 28
(
preuß.
,
1412
):
4 m. 8 sc. vor eyne gro trechtege kobel von Peter Kune [...] gekowfft.
Ders., Gr. Ämterb.
231, 10
(
preuß.
,
1437
):
bruder Hans eyn gromenteler kellirmeister [...]. item bruder Milchar eyn gromenteler kochmeister.
Toeppen, Ständetage Preußen
3, 165, 21
(
preuß.
,
1450
):
santen sie czwene, eynen alden greyszgroen von den steten und eynen cleynen erber man, ouch grohe, von den landen zcu dem hern homeister.
Volkmar (
Danzig
1596
):
Glaucus, graw / eysenfarb / katzeneugig.
graw / wolfsfarb / schwartzgelb.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Der einen künic kleiden wolte an dem tage, als man in ze künige machete, und kleidete in in grâwiu kleit, der enhæte in niht wol gekleidet.
Ettmüller, Heinr. v. Meißen
369, 13
(
md.
, Hss.
14.
/
15. Jh.
):
noch sihe ich ninder grâwen bart, | von blœder jugent alte vart.
Ebd.
363, 12
:
Sich Minne, wer erlôste uns dà? | sprich „Jesus Krist der, junc unt grà“.
Buch Weinsb. Anm. 2 (
rib.
,
um 1560
):
im choerrocklin mit beffen und graem fuder, wie ein erzbischof plegt zu coer zu gaen.
Frantzen u. a., Kölner Schwankb. (
Köln
um 1490
):
Zwene ledderen hosen waeren schrae, | Syn wammes, kollier, sijn hoicklin grae, | Gheyn besser cleider hat he dae.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
die ein parthie nante sich der grauwe bunt ind waren die Swaven ind die sweveschen richstede, ind die namen vur ein heuftman den graven van Wirtenburch
(wohl Bezeichnung eines regionalen Bundes, der sich durch graue Kleidung auszeichnet).
Schmitt, Ordo rerum
74, 33
(
rhfrk.
,
1414
):
Canicies grauheyt.
Karnein, Salm. u. Morolf
406, 4
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
sin [kunig von Jherusalem] augen sint im nit zu gra.
Rudolph, Qu. Trier (
mosfrk.
,
1515
):
[Klage]
wegen vorenthaltung etlicher gefälle bey den grauen schwestern und St. Martin in dem bruderhauß.
Franz u. a., Qu. hess. Ref. Bd.
2, 213, 16
(
hess.
,
1535
):
De spenge und graen doke sal man forder geven den armen im spitale und fromen armen hussluden.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
von alter wirdt der Mann gro, | Vnd von alter wirdt Mist auß stro.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
16, 6
, (Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Unser sengse geet für sich: weiß, swarz, rot, braun, gel, grün, bla, gra, und allerlei glanz blumen und gras hauet sie für sich nider.
Jahr, H. v. Mügeln
108, 448
(
omd.
, Hs.
1463
):
kunt sint die semitonia, | doch kennt ir nicht der esel gra.
Schmitt, Ordo rerum
90, 4
(
omd.
,
1466
):
Cisterciensis gramonch – grawer orden.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
23, 4
(
omd.
,
1487
):
Man sagt vill von swartzenn vnd weÿßßen vnd grawen monchen wÿe dye hartt zcusam͂en vorbünden, denn all ÿr gutt sall gemein sein.
Küther, UB Frauensee 207f.,
41
(
thür.
,
1439
):
han ich herbracht seß pherde unde 4 follen unde 2 grauw pherde unde 1 swartcz phert.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
In disser czit hub sich an der grawe orden zu erst.
Dar noch vor gap der prister alle syne lehen unnd wart eyn grawer monch.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
,
v. 1325
):
Uf allem gebirge, daz in die stat gehort, sal nimant kein gewant veile sniden ane gra gewant, des di elle vumf pfenninge gildet.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. (
osächs.
,
1343
):
[Gestalt Jesu]
Mit grawen ougin di waren manigerhande var vnd clar.
Mylius (
Görlitz
1577
):
Canus Graw haar farbe.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
da renten zwen scharpf in groen parfuserkutten, der ein was margraf Friderich der jung.
Wendehorst, UB Marienkap. Würzb.
162, 48
(
nobd.
,
1476
):
das man ein ganz groe tüch vorsneiden sol armen lewten.
Gille u. a., M. Beheim
329, 14
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
das es doch nit wer wunder, | daz mir wer graw mein schopf | An dem part und ach kopf.
Voc. Teut.-Lat.
m vijr
(
Nürnb.
1482
):
Grawheit von alter. canicies.
Fastnachtsp. (
nobd.
v. 1494
):
Si muosten all geleich | Grabe mäntl an tragen.
Ebd. (
15. Jh.
):
Di alten man mit groen perten | Die lieben mir [junge dirn] nit als ser im herzen.
Hie wirt groß kunst und weisheit funden | Bei siben weisen meistern gra.
Stackmann u. a., Frauenlob
11, 7, 13
(Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
mich müt, swa ich sich grawez har.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1520
):
der Tomasin hat mir 4 eln graw damast geschenckt zu einem wammes.
Sachs (
Nürnb.
1559
):
Als ich auff meiner merhen grab | [...] trabet herab, | [...] | Dieweil mein grawe nichts gesach, | Stolpert sie an einr baumen-wurtz.
Thiele, Minner. II,
14, 210
(Hs. ˹
wobd.
,
15. Jh.
˺):
din bart und och din falwes här | die beyde werdent dir griß und grä.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Graw von alter. Canus [...] Graw oder weiß von alter. [...] Grawfarbig. Glauciolus [...]. Grawblaw katzen augig.
Goedeke, Fischart Schiff / Kehrab,
315
(
Straßb.
1576
):
Du nennst nach deiner grabeseltet | Das schießen zu Straßburg ganz schnöd.
Golius (
Straßb.
1597
):
Murinus, graw / meußfarb.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 121, 2
(
Hagenau
1534
):
Laß dir kein graw hare darumb wachsen. Wer vil sorget und trawret / der wirt leichtlich graw.
Ukena, Zuger Trag.
2529
(
halem.
,
1598
):
So sag mir doch durch was vnfahl, | Ihr teüffel do vertriben all. | [...] | Es will mich gwiß schier machen grauw.
Barack, Teufels Netz (
Bodenseegeb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Der tüfel sprach: „Ja, | Si möchtint die puren machen gra“.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. (
whalem.
,
1484
):
Appenzel und der grawe pund, | die sech man ouch usziechen
(nach der grauen Farbe des Flusses Glenner genannter eidgenössischer Bund).
Roder, Hugs Vill. Chron. (
önalem.
,
1527
):
das was die strauff, das ain iede person sollt [...] ain grawen rock tragen, daran an gestallt ains toffstains.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
An sines glantzen schiltes rantt, | Der waz von grawer farw erkant.
Gesner, Fische
101
(
Zürich
1556
):
Barsch [...] Grobarsch.
Maaler (
Zürich
1561
):
Alter Grauwer buler.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
208
(
Genf
1636
):
grawer Fleck im Auge / m. [...] Glaucoma.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
Augsb.
,
um 1440
˺):
so sol ain prister drey farben tragen. Des ersten sol er swartz tragen, zu pekennen demütikait [...]. auch mag er grabe tragen zu pekennen ain haimlich gedrückt leben.
Anderson u. a., Flugschrr.
29, 11, 30
([
Augsb.
]
1524
):
es seyn vil alter grawer me͂ner / die rümen sich auch / sy wissen das Ewangeli.
Sappler, H. Kaufringer
11, 532
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
er mocht vor angsten werden gra.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
das die urnæ [...] von roter erden sein gemacht gewesen, so doch die erden in selbiger landsart gemainlichen, da sie gebrennt wurt, nur ein groe farb gibt.
Henisch ff. (
Augsb.
1616
):
Graw / greiß / canus [...] Grawgans / anser canus [...].
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
Pellicanus haizt nâch der aigenchait der latein ain grâhäutel, wan [...] er hât grâvar federn.
Leidinger, A. v. Regensb. (
oobd.
,
um 1430
):
da stuend bey im ein graber wirdiger münich.
Bauer, u. a., Kunstk. Rud.
252
(
oobd.
,
1607
/
11
):
2 stainerne kuglen grawfarb.
Ebd.
1192
:
Ein tieffe schaln auff einem füeßlein, von grawblolichtem pasta.
Leidinger, V. Arnpeck (
moobd.
,
v. 1495
):
di farb, die herzog Jörg mit seinem gesind trug, was grab, weiss und praun.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
das gros pirg, so von den Lateinern [...] Caucasus genant wirt, haben die Teutschen gehaissen das grau, crau pirg, das alweg schnê dran ligt.
das grauisch und reifisch pirg vom schnê.
Im alter ist er ganz grâb gewesen, ist im wol und êrlich angestanden.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
596, 2871
;
Ziesemer, a. a. O.
294, 8
;
Ettmüller, a. a. O.
286, 12
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Karnein, a. a. O.
251, 2
;
348, 1
;
Kurz, Waldis. Esopus ;
Thiele, a. a. O.
138, 20
;
Göz. Leichabd. ; ;
Wendehorst, a. a. O.
193, 5
;
Gille u. a., a. a. O.
343, 9
;
Loose, Tuchers Haushaltb. ; ;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Bihlmeyer, Seuse ;
Vetter, Pred. Taulers ;
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 438, 9
;
440, 5
;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Barack, a. a. O. ;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Adrian, Saelden Hort
4914
;
Barack, Zim. Chron. ;
Pfeiffer, a. a. O. ;
Primisser, Suchenwirt ; ;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
23, 12
;
Klein, Oswald
5, 21
;
Seemüller, Chron. 95 Herrsch. ;
Bauer, a. a. O.
157
;
1870
;
Weissthanner, Urk. Schäftlarn
209, 27
;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
50, 7
;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
4, 9
;
Rechn. Kronstadt
3, 131, 15
;
574, 19
.
Schmitt, Ordo rerum
74, 33
;
Voc. inc. teut.
k iv
/r;
Hulsius
G iiijr
;
Dietz, Wb. Luther ;
Schles. Wb.
1, 448/9
;
Vgl. ferner s. v.  3,  1,  1,  1, , ,  1, .
2.
›trist, düster, deprimierend‹; Ütr. zu 1.

Belegblock:

Opitz. Poeterey
40, 7
(
Breslau
1624
):
So lang’ ich kan vnd mag; wil setzen auff den wagen | Der grawen ewigkeit durch meiner Leyer kunst | Die braune Flauia.
3.
›undurchsichtig, unheimlich, verbrecherisch‹; Ütr. zu 1.

Belegblock:

Redlich, Jül.-Berg. Kirchenp.
2, 361, 40
(
Eckenhagen
1550
):
Ist hochnodig, das ein ernst insehens geschehe, dan an diessem ort grave gesellen vurhanden.
4.
›schimmlig, ranzig, ungenießbar (von Nahrungsmitteln)‹; Ütr. zu 1.
Bedeutungsverwandte:
vgl. .
Wortbildungen:
gräue
3 ›Schimmel‹,
gräueln
›schimmeln, verderben (von Nahrungsmitteln); stinken‹,
grauerlich
›schimmlig‹.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
):
Ich bin verduttet ganz, daß ich auch kan vergessen | das grauerliche Brot und ekle Kost zu essen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Eltelen / Graͤuwelen. Situm redolere. Es Eltelet / oder graͤuwelet.
Das Fůter schimlet / graͤuwelet.
Graͤuwe / Schim͂lige. Situs, Mucor.
Grauw / Schim͂lig. Mucidus, Fracidus, Rancidus.
Nuͤchtelen / Grauw oder schimlig seyn. Mucere. Das Nuͤchtelen / Grauwe / Schimlige. [...]. Nuͤchtlaͤcht / Das vast nuͤchtelet oder grauwelet. Emucidus, Mucidus.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Grauw / Schim͂lig. Mucidus, Fracidus, Rancidus. [...]. Grawelen. Mucere. [...] Graͤuwe / Schim͂lige. Situs, Mucor. Schim͂lende Graͤuwe. Situs canus. [...] Anheben graͤuwelen / Schim͂lig sein. Mucescere [...]. Wein der graͤuwelet. Mucidum vinum. Graͤuwlender gstanck. Rancor.