gienen,
V.;
möglicherweise Fortsetzung mehrerer ähnlicher
ahd.
und
mhd.
Bildungen, dazu: f.;
f.
1.
›bersten, aufspringen, sich auftun‹; auch vom Aufblühen der Blumen gesagt; am ehesten hier anschließbar: ›aus etw. (einer klaffenden Wunde) herausragen‹ (s. u.
Sudhoff
).
Wortbildungen
gienächtig
›gespalten‹ (dazu bdv.: ),
gienend
›offen, klaffend‹,
gienig
(hierher? Beleg wegen der Polysemie von
hyatus
nicht sicher interpretierbar).

Belegblock:

Oorschot, Spee. Trvtz-N.
111, 7
(
wmd.
,
1634
):
Schon gaffen ietzt, und gynen | Die Blümmelein allerley.
Schmitt, Ordo rerum
360, 9
(
obd.
,
15. Jh.
):
Hyatus [...] gein [...] gyenig [...] gyenn.
Sudhoff, Paracelsus (
1528
):
ob schon wunden, wie angezeigt ist, da weren, das bein heraus ginete.
Maaler (
Zürich
1561
):
Das erdtrich kleckt oder spaltet auf von Hitz / oder ginet.
Klimsen (die). Ein spalt. Ginend Klimsen.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
Das k, vnd, q, werden außgesprochen mit ginendem vnd offnem gumen oder rachē, wie sich ainer würget.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Ginen aigentlichen von den Nussen wirdt es geredt [...]. Gienaͤchtig / gespalten / gricklecht.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
ez [Cocodrillus] hât kain zungen und hât ain weit ginendez maul unz an diu ôrn.
2.
›den Mund, das Maul gierig (nach etw.) aufreißen (von Personen, als Personen gedachten Wesen, Tieren, mit verschobener Bezugsgröße: vom Schlund gesagt)‹.
Texte der Sinnwelt ,Religion (oft der Mystik) / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 11,  8.
Syntagmen:
j., der teufel / rappe / schlund g., j. g., als ob [...], auf etw. (auf ein gedinge, auf die sele) g., mit dem mund / maul g., gegen etw
. (z. B.
gegen dem schmacke
)
g., nach etw
. (z. B.
nach der speise
)
g
.;
weit, hin und her
, [eine Zeitlang]
g
.;
der gienende mund / schlund
.
Wortbildungen:
gienschaft
,
giensheit
›Haltung des Begehrens, Besitzenwollens‹,
gienung
(14. Jh.).

Belegblock:

Bobertag, Faust (
Frankf.
1587
):
Dann auch die Helle ein solcher Schlund ist, der nit zu saͤttigen, sondern giennet jmmer noch mehr auff die Seelen.
Jostes, Eckhart
67, 31
(
14. Jh.
):
Daz dritt punt, daz zu der waren gebrauchung gehort, daz ist daz der geist verlorn hab daz sein an dem selben, daz er gebraucht, und gebrauch noch (gienschaft) giensheit und niht noch sinsheit, alz verre ez mu̇glich ist.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
won der túvel úwer widersache gat umb lúgende und ginet alz ain luͤgender loͤw, ahtend wen er verschlinde.
Ebd. (Hs. ˹
alem.
,
M. 14. Jh.
˺):
so es also heiz ist, so vallent dú múggeli ze samene und werdent ze wellelin, unde ginit das reppelin denne und inphahit das welleli und wirt oͮch da mitte gespisit.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
so tet er [Seuse] mit begirde den tuͤrren mund uf, ginet wite gen dem sprengwadel uf daz gedinge, ob im en kleines troͤpfli wassers uff sin tuͤrren zungen vieli.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Disen grunt und dis hoͤischen das verdamnent dise verkerten menschen. und ginent als ob si mit dem winde wenent gesettet werden
[›als ob sie der Wind gesättigt hätte‹].
Maaler (
Zürich
1561
):
Gienen / Gantz vnd gar dem geyt ergaͤben vnd geeignet sein. Imminenti auaritia esse.
Niewöhner, Teichner
484, 16
(Hs. ˹
oschwäb.
,
1368
˺):
hiess si
[
kann
›Ehefrau‹]
in [eman] nuͤn ain wochen gin, | er stuͤnd und ginet tausent tag.
Bihlmeyer, a. a. O. ;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel Var.;
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst ;
Wiessner, Wittenw. Ring
8940
;
Schmitt, Ordo rerum
360, 9
;
3.
›mit offenem Mund staunend, töricht, schmerzvoll, begehrlich, sehnlich wohin blicken, glotzen‹.
Obd.; vielfach Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  12.

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1553
):
Derselb würd mir ie auch verderbet, | Wenn mir die leut stünden darauff | Und gienten an den galgen nauff.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
dar umbe, daz in der epfel nit mag werden, so ginend sú [toroht megde] na dem smacke.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
darumb solten wir in einer ieklichen goben rechte ufgetenet und gespannen werden mit allen unsern sinnen und kreften und ginender begerunge und quelunge also noch Gotte selber.
Goedeke, Fischart. Flöh Haz
582
(
Straßb.
1594
):
Wie soll ain krank dem andern dinen, | So sie vor schmerz zusammen ginen?
Barack, Teufels Netz (
Bodenseegeb.
,
1. H. 15. Jh.
):
So stat diser da als ain stumm, | Ginan und och gaffen, | Recht als ain ander affe.
Wiessner, Wittenw. Ring
2920
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
Nu muoss oft einr eim andern dienen | Und im in seinen drüssel gienen
(vgl. dazu den Kommentar der Ausgabe!).
Ebd.
5818
:
Daz was do niemant ander schuld | Dann deren, die da dienten | Und in die fresser gienten | Mit den augen gar von verren.
4.
›gähnen‹.
Bedeutungsverwandte:
2
, , , ; vgl. , .
Syntagmen:
j. g
. (absolut);
von etw. (vom schlafe), wegen e. S.
(z. B.
wegen des schlafes
),
über etw. g
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Oscitare: Gienen gewen gilffen.
Sachs (
Nürnb.
1530
):
Er gienet, schnarchet in der juppen | Und gröltzt nach einer faisten suppen.
Ebd. (
Nürnb.
1563
):
Er aber gint schläffrig und faul, | Hoschet, und wessert im das maul.
Tittmann, Schausp. 16. Jh. Funk.
190, 513
(
Bern
1551
):
ich wer schier aller erst entschlafen. | wie kumts, das ich so vil muß ginen?
Henisch (
Augsb.
1616
):
Wenn einer gienet / so gienet auch der ander / oder so gienen alle.