angesicht,
das
;
-(e) s/-e
und
-er
;
seltener
die
,
-Ø/-.
1.
›Gesicht, Antlitz von (selten) Tieren sowie des Menschen und (selten) Gottes‹; offen zu 2; 3.
Bedeutungsverwandte:
 1; vgl.  6.
Syntagmen:
das a. schlagen / waschen / anstreichen / zerkratzen, von jm. wenden
;
a.
(Subj.)
verkeren sich
;
auf das a. niederfallen
;
a. der jungfrauen
;
a.
(Gen.)
lang, gestalt des a.
;
dürres / mageres / fröliches / herzliches / natürliches / gnadenreiches / konterfeites a.

Belegblock:

Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Spoͤtlichen ward er auch gegruͤst, | Wie ein Koͤnig der Juͤden, | Sie theten jhm was sie geluͤst, | Sein angesicht auch schluͤgen.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
2, 32
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
do weynten sie mit großer clag und [...] vilen nyder auff ir angesiht auf das ertrich.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1513
):
so tzwech dy gestalt des angsichtes einer liblich weis jn dÿse gerad geschlossen linien.
Rudolf, H. v. Langenstein. Erch.
30, 24
(
moobd.
,
1393
):
Der wuͤrm het ainer junchfrawen angesicht.
Kehrein, a. a. O. ; ;
Fischer, Eunuchus d. Terenz ;
Klein, Oswald
18, 69
;
87, 1
;
Munz, Füetrer. Persibein
52, 5
;
Voc. Teut.-Lat.
b iiijr
;
Alberus
T jv
;
Hulsius
A ijv
;
2.
›Gesichtsausdruck, Miene‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  6.

Belegblock:

Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
,
2. H. 14. Jh.
):
Eins reinen guden wibes angesichte | und frauweliche zucht darbi | di sint werlich gut zu sehen.
Röhrich u. a., Cod. Dipl. Warm.
4, 508, 12
(
omd.
,
1433
):
uwren vynden wederczustan myt erlichem anegesege czu lobe des almechtigen gotis.
Luther, WA (
um 1535
):
Ein̂ freǔndlich angesicht / deckts alles.
Brandstetter, Wigoleis
214, 6
(
Augsb.
1493
):
eyn rechte boeße valanntin. der angesicht wz murret geleich wie einem affen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 184, 28
(
Augsb.
1548
):
Wann des Künigs angesicht freündtlich ist / das ist leben / Unnd seine gnade ist / Wie ain abent regen.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Ir oͮgen vin, liecht und clar | Als ainem wilden adelar, | Mit froͤlich milter angesicht | Nach prise wol, alse man gicht, | Gar zúchtig zeallen mǎssen.
Fischer, Eunuchus d. Terenz ;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ;
Wmu
1, 111
.
3.
›Blick (als Sinnestätigkeit) auf jn./etw., Anblick von jm./etw.; tätiges, visionäres Schauen (auf Gott) im religiösen Sinne‹; offen zu 8.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1, .
Syntagmen:
jm. das a. vergönnen
;
a.
(Subj.)
sein als der bliz, verschneiden jn.
;
jm. im a. verirret sein
(›in jn. vernarrt sein‹);
menschliches / scharfes / klares / unkeusches / vernünftiges / verständliches / offenes / innerliches a.
;
a. gottes
(›Schau Gottes‹, Gen.obj., mehrmals),
des bauern, der leute, a. der dinge.

Belegblock:

Neumann, Rothe. Keuschh.
2776
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
vil fromer meide werden zu nichte | van dem unkuschen ane gesichte.
Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
haben jhr viel jhr Angesicht fuͤr jhm verborgen vnnd zugedeckt / das ist / Sie wolten jhm nicht das Angesichte / oder die Augen vergoͤnnen.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
17, 61
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Die selbe stat [...] darbet alles lichts, ein stat des fencknuß, do da ist die ewig berawbung des angesicht gots.
Gille u. a., M. Beheim
267, 32
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
pis in daz indrist verche | verschneidet mich ir
[der Frau]
angesicht.
Sachs (
Nürnb.
1557
):
Ich hab nit ein menschlich angsicht, | Das den menschen anschawt außwertz; | Ich aber schaw nur auff das hertz.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
, Hs.
1359
):
mit einem innerlichen angesicht der gegenwúrtikeit Gotz.
Schmidt, Rud. v. Biberach
75, 27
(
whalem.
,
1345
/
60
):
da vat das beschoͮlich leben ordenlich an vnd klimmet staffelich vf, vnzent daz es volbracht wirt in der offenen angesicht.
Sappler, H. Kaufringer
12, 139
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
der pfaff mocht sich nit bewaren | vor des pauren angesicht.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
In des kaiser Maximiliani frawenzimber war ain Lengin, der war er gar im angesicht verirret.
Koppitz, Trojanerkr. (
halem.
, Hs.
E. 14. Jh.
):
Bayde sine ougen nasz | Wurden der angesichte.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz [tier] ist sô vergiftig mit seim angesiht, ob ainer im in daz aug siht, sô stirbt er zehant.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. ;
Quint, Eckharts Pred. ; ; ;
Feudel, Evangelistar
88, 5
;
Karsten, Md. Paraphr. Hiob ;
Wagner, a. a. O.
2, 89
;
Gille u. a., a. a. O.
22, 81
;
Vetter, a. a. O. ; ;
Rieder, St. Georg. Pred. ;
Schmidt, a. a. O.
58, 11
;
140, 4
;
155, 20
;
Warnock, Pred. Paulis
6, 164
;
Schlosser, H. v. Sachsenh.
1118
;
Barack, a. a. O. ;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Pfeiffer, a. a. O. .
4.
›Augenblick (als Zeitspanne)‹; Metonymie zu 3, erste Nuance.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2.

Belegblock:

Wackernell, H. v. Montfort (Hs. ˹
soobd.
,
A. 15. Jh.
˺):
tusent jar ist im [gott] ein angesicht, | derselben sach verstân wir nicht.
5.
›Blickwinkel der Wahrnehmung auf etw., Beobachtung; Aspekt, unter dem etw. beurteilt wird‹.
Bedeutungsverwandte:
,  1.

Belegblock:

Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Sú zúhent es alles nah diser angesiht zuͦ der nature wollust und lediger friheit.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
42, 16
(
noobd.
,
1347
/
50
):
daz ist nach der leut angesiht in dem satzze dez augenenders.
Ebd.
60, 18
:
Daz geschiht von der anderung der angesihte, die die leut habent an die planeten. Wanne in etleicher wonung haben die leut ain schelch angesiht an die planeten.
Rot
291
.
6.
als pars pro toto für Personen gebraucht; pars kann dabei das Gesicht (vgl. 1) wie der Blick (vgl. 3) sein. In einigen Präpositionalverbindungen mit
angesicht
ist der zustandekommende Ausdruck ansatzweise lexikalisiert (s. u.
in / zu js. angesicht
), damit Öffnung zu 7.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4,  2.
Syntagmen:
an / in / zu js. a.
(›vor jm., im Beisein / in Gegenwart von jm.‹);
js. angesichts
(›vor js. Augen‹);
sich von js. a. abteilen
(›von jm. abfallen‹),
jm. ins a. treten
(›jm. entgegentreten‹);
a. gottes
(mehrfach)
/ des engel / todes / königs / mannes; liebliches a.

Belegblock:

Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Joh. (
osächs.
,
1343
):
vile andere zeichen tet Jhêsus in dem angesichte sîner jungern.
Eggers, Psalter
46, 26
(
thür.
,
1378
):
sullen anebette in sime anegesichte alle dy ingesinde der dyte.
Feudel, Evangelistar
93, 5
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Vil andirre czeichen tet Jhesus an dem angesichte syner jungeren.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
7, 8
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
Czu ir allir angesichte do irhub sich der berg snellichin von der stat.
Luther, WA (
1531
):
noch stehet da der arme mensch fur sein person allein und gehet auff das fest und tritt ihnen ins angesicht.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
16, 18
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Also ging Cayn auß von dem angesicht gots und ward lang und verr von im, nicht das yndert ein stat sey on das angesiht gots, sunder daz er sich von seinem angesiht het abgetailt mit der morderey.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1455
):
geben (in) unser stat Constantinopeley, unlange gewunnen, in der angesiht tausent herrn, die uns alle willig [...] sind.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
14. Jh.
):
Do der minnekliche Cristus uf dem berge Oliveti [...] von in uffuͦr in den himmel irs angesihtes.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
er vant gnad in irem [kunig] angesicht.
Klein, Oswald
89, 2
(
oobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Herz, müt, leib, sel und was ich han, | das freut ain lieplich angesicht, | Dem sol ich wesen undertan, | zu dienen stetiklich gericht.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
dein gegenwürtigkait erfrewt mein angesicht.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. ;
Gille u. a., M. Beheim
21, 80
;
73, 190
;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
2, 239, 14
;
Kurrelmeyer, a. a. O. ;
Rieder, St. Georg. Pred. ;
Schmidt, Rud. v. Biberach
43, 24
;
44, 2
;
Kummer, Erlauer Sp. ;
Piirainen, Stadtr. Sillein
48a, 19
;
7.
phraseologisch an die zuletzt genannte Verwendungsnuance von 6 anzuschließen:
in e. S. angesicht
›vor etw.‹; im letztaufgeführten Beleg:
angesicht e. S.
als Präp. verwendet;
vgl. (
das
3.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Die vor der gotheit sweben | Und in des trones angesicht.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
die darbei in angesicht ir augen sturben.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
E. 15. Jh.
/
A. 16. Jh.
):
der kunig [...] ließ im das haupt auch abschlagen angesicht seiner augen.
8.
›Aussehen, wahrgenommene Erscheinung, Gestalt, Form, Bild von jm./etw.‹; auch: ›Gleichnis, Beispiel‹;
vgl. (
das
3.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  3,  3.
Syntagmen:
a.
(Subj.)
tun jm. weh, sein genem / wolgefällig
;
von einem a. erschrecken, von dem a. sich jamer erheben
;
jämmerliches / süsses / offenbares / unterscheidenliches / fürstliches a.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Daz angesichte tet sô wê | den Prûzin, dâ sî sâhin | sô jâmirlîchin hâhin | vor in ir mâge.
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Crist ist zu komene gereit | Mit wolken an daz gerichte | In der selben angesichte | Sam her in den himel vuor.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Des hân wir ein offenbâr angesiht: sô daz lîplîche viur enbrennet daz holz, ein vunke enpfæhet des viures natûre und wirt glîch dem lûtern viure, daz âne allez mittel haftet unden an dem himel.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
di mit ein ander dâ bî wâren zuͦ disem angesichte.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
14, 25
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
so du verlassen muͤst alle die, der gegenwürtikeit und beweysung dir als gar wunesam, suße und lieb was, ir angesiht als gar genem und wolgefellig und ir peywonung als gar geheim was.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
min sterbende lib verrunnen und bluͦtig waz, daz ein jemerlich angesiht gab.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Es [closter] was vergraben vestenclich, | [...] | Von angesicht ain schener baw.
Feudel, Evangelistar
65, 13
;
Vetter, Pred. Taulers ;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel ;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Koppitz, Trojanerkr. ;
Brett-Evans, Bonaventuras Leg. S. Francisci XIII,
9, 5
;
Fischer, Eunuchus d. Terenz ;
Jaksche, Gundacker ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß ;
9.
›Konstellation, Bild (der Sterne)‹; Spezialisierung zu 8.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
22, 166
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
das er in noten nit wirt verlon, | wann Saturnus und Sol in ane sehen | von dem driten hinden und vornen schon. | dasselbig ist das liepleich an gesicht, | davon die weisen maister hie vergehen | und Acubicius dann lert und spricht.