lebend,
part. Adj.
zu (V.), diesem gegenüber in mehreren Bedeutungspositionen ansatzweise lexikalisiert; semantische Berührung mit
lebendig
.
1.
›physisch existent (von Lebewesen); körperlich unversehrt; bei lebendigem Leibe‹;
vgl. (V.) 1.
Phraseme:
lebendes ding
›Lebewesen‹;
lebende frist / zeit
›Lebenszeit‹.
Gegensätze:
 1.
Syntagmen:
lebende
(subst.)
anzünden; l. bleiben / (dannan) kommen / scheiden, jn. l. begraben / machen / verzeren; bei lebendem leib; der lebende bruder / ochse, die lebenden beine; herre / erde / mutter / land der lebenden
.

Belegblock:

Ziesemer, Proph. Cranc Jer.
11, 19
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
werfe wir holtz in syn brot und schaben in ab von deme lande der lebenden.
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Sprach bi siner lebenden vrist | Sente Ysaias.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
577, 2242
(
Magdeb.
1608
):
Sie wolten jhn lebend verzehren.
Eggers, Psalter
59, 20
(
thür.
,
1378
):
daz ich geseen sal dy gute mines hern in der erden der lebenden.
Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
A iiijv, 13
(
Leipzig
1625
):
mit gegenwertigem Bild / errege ich die Gewonheiten / damit ich alle Lebende anzuͤnde.
Gille u. a., M. Beheim
99, 150
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Kinden, frawen und mannen | [...] | der kains kam lebent dannen.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
13, 17
(
els.
,
1362
):
Was gist du mir ob ich dir dinen sun mache lebende?
Niewöhner, Teichner
595, 68
(Hs. ˹
Konstanz
,
um 1433
˺):
[der] sin lebent zit abschroͤtet.
Wyss, Luz. Ostersp.
491
(
Luzern
1583
):
Eua, ein Muͦtter aller lebenden.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
366, 18
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
[ist] geberunge [...] eigentlichen in den lebenden dingen; unde also bezeichent die geberunge [den ursprung] etliches lebendiges dinges. von dem beginne, dem lebenden, zuo gefüegte.
Morrall, Mandev. Reiseb.
15, 13
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
daz Sant Johanns sin grab machet by lebendem lyb und gieng lebendig dar in.
Bremer, Voc. opt.
1272
(
wmbair.
,
2. V. 15. Jh.
):
Planta [...] lebender leib an erkantnúß.
Weber, Füetrer. Poyt.
146, 6
(
moobd.
,
1478
/
84
):
do man [...] sagt das märe, | das in der junge künig lebenndt | wider zw dem lannd dar kummen wäre.
Helm, a. a. O. ;
Leman, Kulm. Recht ;
Große, Schwabensp. ;
Quint, Eckharts Pred. ;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Vetter, Pred. Taulers ;
Williams u. a., a. a. O.
89, 21
;
764, 4
;
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 187, 30
;
Vock, Urk. Hochst. Augsb.
314, 1
;
Sappler, H. Kaufringer
16, 174
.
Vgl. ferner s. v.  12,
1
,  6.
2.
›unversehrt; vorhanden, bestehend, tatsächlich, existent (von Gegenständen und Sachverhalten)‹.

Belegblock:

Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Eine stunde ich yn bedencken dun aen spot | Sine lebende sunden.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
264, 14
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
blibe von der gotlichen craft ane die ordenung der naturen der lip dez menschen lebende, alse die bewegunge dez libes ufgehörte.
3.
›fließend, beweglich, sich in Gestalt, Form und Substanz verändernd (von anorganischen Stoffen, Flüssigkeiten); frisch‹;
offen zu 4; vgl.  7.

Belegblock:

Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz Abraham hâte gegraben in sînem acker lebende brunnen und übeltætige liute vulten sie mit erden; und dar nâch, dô diu erde wart ûzgeworfen, dô erschinen die brunnen lebende.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
du der lebenden wazzer orspring, | di da vlizen [...] | von dem berge Libano.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
si habent mich gelossen, das lebende wasser, und si habent in selber gegraben ein cisterne, die cistern die enkein wasser inenthaltet.
Fischer, a. a. O. .
4.
›über die Grenzen des körperlichen Daseins hinaus existierend, ewiges Leben oder Dasein habend; gerechtfertigt; Rechtfertigung, Seligkeit und ewiges Leben bewirkend, ewig, lebenspendend (von göttlichen Gaben)‹; als Metonymie: ›von Gott gegeben‹;
vgl. (V.) 6.
Texte religiösen, oft mystischen Inhalts.
Phraseme:
buch der lebenden, lebendes buch
›Liste derjenigen, die das ewige Leben haben‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Deme gebe ich die spise | Von deme lebenden rise | Daz Got vater [...] | Planzet in daz paradis.
Got spricht: swer nicht ein bozer wicht | Wirdet, des namen tilge ich nicht | Uze der lebenden buche.
Ir
[Apostel]
glichet den lebenden steinen | Die dar in sin gezimmert.
Daz Gotes lamb Jhesus Crist, | [...] | Daz vuret sie mit wunnen | Zu dem lebenden brunnen, | Von dem sie mac gedorsten nicht.
[Got] bliez im [Adam] lebenden geist in | Uz sim ewigen geiste.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Swenne daz wort sprichet in die sêle und diu sêle widersprichet in dem lebenden worte, dâ wirt der sun lebende in der sêle.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
1517
/
8
):
schreib uns in das lebent püch | Und wisch uns ab den flüch.
Gille u. a., M. Beheim
69, 135
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Herr, allmachtiger got geheür, | lebender geist.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
40
(
Nürnb.
1517
):
Andre werk hat got in uns, ich sag werk des formirten gloubens, die er durch die lieb würkt – und also lebender glaub ist.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Si múgen wol sin komen zuͦ vernúnftiger worheit, sunder zuͦ der lebenden worheit.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
772, 28
(
els.
,
1362
):
Dis sacramente ist das lebende brot: Wer des gisset der lebet iemer me.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
dú wort, dú in der lutren gnade werdent enpfangen und usser einem lebenden herzen dur einen lebenden munt us fliezent.
Schmidt, Rud. v. Biberach
5, 13
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Lebent ist gottes red vnd wort vnd creftig vnd sharpher denne dekein swert.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
261, 10
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
ist ouch die heblich gnade, in dem unde si die sele gesunt machet oder lebende machet oder got geneme machet, also heizet si die wirkende gnade.
Ebd.
411, 20
:
Du, got, bekerend machet uns lebende.
hail. altvaͤter (
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
von den hailigen [...] der namen an dem buͦch der lebenden sint geschriben.
Quint, Eckharts Pred. ; ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Göz. Leichabd. .
Vgl. ferner s. v.  3.
5.
›lebhaft, angeregt, lebendig, intensiv, heftig, aktiv handelnd, fühlend‹.

Belegblock:

Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
das des woren lebenden wirklichen geloͮben in ettelichen cristenen menschen als wening ist als in heidenen.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
3, 129
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
so hat sv got angesehen vnd bekant in im selben mit vnderscheide in lebender rede.
6.
›mündlich‹.

Belegblock:

v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe (
thür.
,
1421
):
das derselbe Lodewigk yn Doryngen qwam [...] unde brachte briffe unde lebinde kuntschafft von dem erzbischoufe von Mentze.
7.
›wirklichkeitsgetreu‹.

Belegblock:

Gajek, Köler. Maÿen-Lust
63, 17
(
Breslau
1642
):
Hat auch Apellis Hand so kuͤnstlich fuͤrgemalet | Ein Conterfey vnd Bild / das Lebender gestralet / Alß vnser schoͤnste May die new=geborne Welt.