gerichtsstab,
der
;
-(e)s/–
.
– Rechts- und Wirtschaftstexte.
1.
›kleiner, teils verzierter Stab, der vom Richter oder einem der Amtsträger der Gerichtsgewalt im Ritual der Rechtsausübung, insbesondere bei Vorladungen, bei der Eröffnung des Gerichts, beim Amtsantritt des Richters oder bei der Amtsniederlegung, bei der Urteilsverkündung, bei Gelübden, zeichenhaft zu verschiedenen Zwecken verwendet, z. B. berührt, übergeben, zugesandt, zerbrochen, vereinzelt auch als Zeichen außergerichtlicher Autorität getragen wird‹;
zu I, 2,  3.
Phraseme:
(jm.) etw
. (z. B.
den frieden
)
an den gerichtsstab (an)geloben
o. ä.
Bedeutungsverwandte:
vgl. ,  4.
Syntagmen:
den g. füren / halten / tragen / zerbrechen
(dies als Zeichen der Aburteilung)
/ renovieren / zieren, den g. in der hand haben, aus den händen lassen, auf den tisch legen, jm. den g. einantworten / (über)geben / zuschicken
(als Zeichen der Vorladung),
in die hand geben
;
an den g. greifen
;
der keiserliche g
.;
die anrürung / überantwortung des gerichtsstabes
.

Belegblock:

Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
60, 40
(
thür.
,
1474
):
unde habin sy alle dry daruff an den gerichtisstap gegriffin, daz also globit zcu halden.
Ebd.
63, 30
:
unde habe des synem wybe eyne were vor sich unde syne erbin an gerichtisstap, [...], gelobith.
Berthold u. a., Zwick. Stadtrref.
122, 1
(
osächs.
,
1542
/
70
):
das er dem richter an gerichtsstabe angelobe, die gewehr, wie gewehrrecht und landleuftig ist, stete und vest zu halten.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
das ampt ufgeben, [...], damit den gerichtsstab mit bewilligung deren beisitzer obbemeltem von Künigsegg übergeben.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 377, 36
(
schwäb.
,
1570
):
so solle daß gericht sizenbleiben und dem stabhalter der gerichtsstab von denen beambten in die hand gegeben [...] werden.
Ebd.
763, 23
(
1622
):
wan einer einen frevel vor gericht verleyrt [...], derselbe solle in aydsweiß vor gericht an den gerichtsstab greiffen, daß er die herrschaft oder dere vögt oder amptleüt darumben innerhalb 14 tagen den nechsten bezahlen [...] wolle.
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. (
schwäb.
,
1587
):
gerichtsammann, der von obrigkeit wegen den gerichtsstab hält.
wird jeder der gerichtsmänner [...] angemahnt, [...] bei denen an Mariae- fest- und monath-sonntäglichen umbgängen [...] selbsten zu erscheinen und ihre gerichtsstäb zu tragen.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
so sol der vogt [...], das gerichtsteͣbel unserm ambtman umhin geben und paid nëbeneinander sitzen.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1505
):
welcher sich understet des landgerichts, dem soll man den gerichtsstab zueschiken, und der ist an alle gnad verfallen 32 tl. ₰.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16.
/
17. Jh.
):
biß der alte richter seine redt vorgebracht und dem grichtsstab auß seinen hänten gelaßen hat.
Grosch u. a., a. a. O.
83, 21
;
185, 23
;
Kisch, Leipz. Schöffenspr. ;
Wintterlin, a. a. O. ;
Mell u. a., a. a. O. ;
Lex. d. Mal.
4, 1329
.
Vgl. ferner s. v.  1.
2.
›Gerichtsbarkeit‹; Metonymie zu 1, seinerseits mit Öffnung in Richtung auf ›Gericht‹ sowie ›Gerichtsbezirk‹;
vgl. I, 247.
Syntagmen:
den g. aufrichten /
˹
handhaben / halten
›die Gerichtsgewalt ausüben‹˺
/ verkaufen
;
der g. der pfalz sein
›gehören‹;
dem g. unterworfen sein, einem g. zuständig sein
;
jn. an den g. zurükweisen, vom g. zeren
›Verpflegungskosten erhalten‹,
etw. vor dem g. austragen, unter einen g. gehören
;
der ordenliche / eigene g
.;
der herre als der g
.;
einwoner des gerichtsstabes
.

Belegblock:

Kollnig, Weist. Schriesh.
232, 30
(
rhfrk.
,
1496
):
und erkennen das sy gehoren under einen gerichtsstab, wiewol es nit ein dorf sie.
Küther, UB Frauensee
282, 13
(
thür.
,
1496
):
Der probst zcum Sehe hatt wultt eyn eygen gerichtsstab uffrichten.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
115, 35
(
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
die vogtherren sollen von dem gerichtstab zeren, dieweil das gericht werdt.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 120, 12
(
schwäb.
,
1554
):
dise sach soll allein vor meinen herren alß irem ordenlichen gerichtstaab [...] außgetragen [...] werden.
Brinkmann, Bad. Weist. ;
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. ;
Rwb f.;