legende,
die
;
letztlich aus
lat.
legere
›lesen‹
(
Georges
2, 606
).
Die Reihenfolge der Bedeutungsansätze spiegelt die Bedeutungsgeschichte des Wortes: Bed. 1 ist als die ursprüngliche anzusehen; daraus entwickelt sich unter dem Einfluß der christlichen Liturgie die Hauptbedeutung ›Heiligenvita‹; Bed. 3 und 4 sind als Verallgemeinerungen von 2, Bed. 5 als eine durch die Reformation gesteigerte Pejorisierung auffaßbar.
– Zur Sache:
Lex. d. Mal.
5, 1801
;
LThK
6, 876
; . Aufl. 2, 12.
1.
›Abschnitt der Bibel zur liturgischen Textlesung‹.
Phraseme:
jm. seine legende lesen
›jm. die Leviten lesen, mit jm. schimpfen‹.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
135, 42
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
in den alten legenten der | pucher pegegent unde | Pegriffen werden gar klerlich | gotez wunderwerk.
Sachs (
Nürnb.
1532
):
Sie [magd] laß im [dem gesellen] sein legendt so kurtz.
Gierach, Märterb.
3908
(Hs. ˹
moobd.
,
A. 15. Jh.
˺):
wann daz gesanch daz wïr haben | und singen ze chirchen pey allen tagen, | das hat er [Hl. Gregor] gemacht gar; | capitel, collecten, legend für war.
2.
›Heiligenvita, hagiographische Erzählung aus dem Leben von Heiligen und Märtyrern zur Vorbildsetzung für nachfolgende Generationen‹; ütr.: ›hagiographisches Buch, Schrift‹; möglicherweise auch: ›nach den Heiligenfesttagen geordneter Jahreskalender‹; offen zu 3.
Wortbildungen:
legendenschreiber
(1. H. 16. Jh.),
legendprediger
.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
O wyr unselige Christenn, das wyr on erkentnus des geystes die legenden und exempell der heyligen ergreiffen und auff menschen leer unnd umbgehende geyste fallen.
Darumb ist auch seyn [Sanct Johannes] legendt ßo herlich beschriebenn ynn dißem Euangelio.
Ebd. (
1523
):
Diß ist fast dy edlste legend de S. Ioanne, [...]. Diß legend zciehet uns zcu Christo.
Ebd. (
1524
):
die legenden und historien do, die klingen, die gehen im wortte Gottes, die haben krafft, safft und margk.
zuͦ wünschen were, das yemand [...] lautert die Legenden der hayligen, dann etliche gar feyne sprüche [...] inn sich haben.
Ebd. (
1527
):
Unsere legend prediger wuͤrden sich schemen, wenn sie solten von einem heiligen predigen, der nicht eytel koͤstliche werck gethan hette.
Ziesemer, Gr. Ämterb.
40, 25
(
preuß.
,
1438
):
1 buch darus man regiret, 1 ewangeliarum, 1 legenda de sanctis, 1 legende de tempore.
Ebd.
93, 22
(
1440
):
Sangbucher: item 8 missalia, 5 gradualia, [...] 2 legenden, 1 epistolare.
Goedeke, Fischart Flöh Haz,
119
(
Straßb.
1594
):
Dann es staht in sant Franz legend, | Das der from man hab allzeit gnent | Die flöh und leus sein ordensbrüder.
Warnock, Pred. Paulis
2, 161
(
önalem.
,
1490
/
4
):
Wie aber die hailig jungfrow Sant Clar in volkomner liebe gottes hab gelúcht, [...], findent ir clarlich in ir sälgen legent.
Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord.
78, 37
;
Ziesemer, Gr. Ämterb.
179, 10
;
183, 17
;
289, 11
;
439, 34
;
609, 36
;
ders., Marienb. Ämterb.
129, 17
;
Alberus, Barf. ;
Vetter, Schw. zu Töß ;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
559, 20
;
Warnock, a. a. O.
2, 240
;
Bauer, Geiler. Pred.
465, 5
;
Vgl. ferner s. v. , ,  3,  3.
3.
›Lebensbeschreibung, Biographie, Lebensgeschichte‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1527
):
Denn Gott hat selbs geordenet seine legende mit allem vleis zu beschreiben.
Ebd. (
1538
/
40
):
den es ist niemands undter euch, der do gerne woltte, das ihme seine Legende an der Stirn geschrieben stunde, sondern wir hoͤren noch alle gerne Lob und Ehre von uns.
Ebd. (
1540
):
Sic hic, man mus zu seiner legend nicht setzen: Et mortuus est.
Kurz, Waldis. Esopus L, (
Frankf.
1557
):
Hab ich [Waldis] nicht woͤllen vnterlassen, | Auffs kuͤrtzest sein Legend zu fassen.
Euling, Kl. mhd. Erz. (
nobd.
,
E. 15. Jh.
):
so han ich [Hanibal] nit wenig folcks erschlagen, | [...] nach sagt legent pas wer ich pin.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Sagten vil den leuten vor, underwisens in gotsdienst, sagten in das leben und legend der götter und helden.
4.
›Geschichte, Bericht, Erzählung‹; offen zu 5.

Belegblock:

Alberus, Barf. Vorr. Alb. (
Wittenb.
,
1542
):
Jch hab aber aus vielen Legenden / mehr denn funff hundert stuͤck auffgezeichnet vnd verdeutscht / [...] / auff das man sehe was fur ein Regiment der Satan vnter den Muͤnchen gefuͤret.
Koppitz, Trojanerkr. Überschr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Dis hie nach geschriben legend ist daz Throyer büch gar ordenlichen gesetztt.
Lemmer, Brant. Narrensch.
110a, 172
(
Basel
1494
):
Des hat der disch manch seltzen gbruch | Wan ich die all erzelen solt | Eyn gantz legend ich schriben wolt.
5.
›erfundene Geschichte, unglaubhafte, teilweise oder vollständig nicht der Wahrheit entsprechende Erzählung, Fiktion, fiktiv verzerrende oder (seltener) positiv wertende Darstellung eines ideologierelevanten Stoffes‹; anschließbar an 2.
Wortbildungen:
legendenbuch
.

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
wilchs urteyll ich auch felle ubir die Passional odder legenden bucher, darynnen auch viel tzusatzs der teuffel eyngeworffen.
solt man auch ein Weib troͤsten [...] in kindes noͤten, nit [...], mit S. Margareten legende und andern nerrischen Weiberwercken umbgehen.
Seytemal es ya besser ist, das Euangelion auch auff der hayligen feste zuͦ predigen, [...] dann von faulen ungeschickten Legenden schwetzen.
Der legendt, die von jm gschriben ist, woͤllen wir schweygen, sintemal das sie stincket nach fleisch und pluͦt.
DJe Legend von S. Barbaren woͤllen wir faren lassen, denn es kaum ain laufigere ist in dem gantzen Legenden buͤch als eben dise, es ist alles erstuncken und erlogen.
Ebd. (
1527
):
das nicht not sey fabeln und merlin zu predigen von den heiligen Legenden, der man alle welt vol ertichtet hat.
Ebd. (
1530
):
der die selbige Legend oder Fabel gemacht hat, ist on zweifel ein feiner vernunfftiger man gewesen, der hat solch bild dem einfeltigen volck wollen fur malen, das sie hetten ein exempel.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
24, 11
(
Magdeb.
1608
):
Wie auch durch solchen verdruß der warheit fuͤr dieser zeit viel Fabelwerck in die Christliche Kirche eingeschlichen / bezeugen S. Brandani / Gregorij vff dem steine / vnd dergleichen kindische legenden.