2
grauen,
V.;
zu
mhd.
grûwen
›Grauen empfinden‹
(;
Kluge/S.
1995, 336
).
1.
›Horror, Entsetzen, existentielle (oft religiös motivierte) Angst vor etw. empfinden; sich vor etw. / jm. fürchten‹.
Bedeutungsverwandte:
(
die
12, .
Wortbildungen:
grauung
.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
251, 6398
(
Magdeb.
1608
):
Ein jeder schonet seiner haut. | Fuͤrm todt eim jeden billich grawt.
Ebd.
602, 3038
:
DEr Koͤnig abr [...] | Hat angethan ein Wunderkleid / | [...] | Dafuͤr den Meusen selber grawt.
Ziesemer, Proph. Cranc Jes.
21, 3
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
hirumme sint mine lenden vol smerze, angst hat mich besessen als einer gebernden angst. mir gruete
[
Mentel
,
Dietenberger
1534,
Eck
1537:
fiel (nyder)
;
Wormser Proph.
1527:
bucket
;
Froschauer
1530:
erstaunet
;
Luther
1545:
Jch krümme mich / wenn ichs höre / vnd erschrecke / wenn ichs ansehe
]
do ich iz horete, ich wart betrubet do ich iz sach.
Ebd. Dan.
7, 15
:
minem geiste gruete. ich Danyel irschrac dirre dinge, und di gesichte minis houbtis betrubeten mich.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1582
):
GOt ist mein liecht, mein trost [...] | [...] | Fuͤr wem soll mir dann aus mistrawen | Mit schrecken grawen?
Palmer, Tondolus (
Speyer
um 1483
):
ich sich hie [...] vil meiner lieben gesellen / [...] Vor den mir nun ser gruet.
Harms u. a., Alberus. Fabeln
68, 5
(
Frankf./M.
1550
):
Darumb so laß nicht grawen dir / | Vnd beicht nur her / sey vnuerzagt.
Welti, Pilgerf. v. Walth.
70, 15
(
omd.
,
n. 1474
):
alzo gruwete mir so sere, das ich do hyn nicht gegehin mochte.
Strauch, Par. anime int.
7, 31
(
thür.
,
14. Jh.
):
daz si worden genomen uz deme gotlichen lichte und worden gewisit einer sele, si enmochte keine wolust dar ane gehaben, sunder ir mueste da fare gruwin.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
11, 62
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
die unaussprechlich grawung und pein der helle.
Gille u. a., M. Beheim
162, 332
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Ach, susse mynnigcleiche traut | [...] | ab deiner hilff mir nie hat graut.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
131, 22
(
Nürnb.
1548
):
wo die weyber vngehorsam [...] sind / dem man fuͤr sein eygen hauß grawet.
Adomatis u. a., J. Murer. J. Man. Spieg.
182
(
Zürich
1560
):
O Acrate / wie wirst dann hußhaltten | [...] | Doch wil ich mich nit groͤuwen drumb | wann ich darvon mein theil bekumm.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Da ward dem hertzogen vast grawen und zaichnet sich mit dem segen des heiligen krewtz.
Peil, a. a. O.
104, 1911
;
555, 1528
;
Hübner, Buch Daniel ;
Neumann, Rothe. Keuschh.
3475
;
Heidegger. Mythoscopia
11, 24
;
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 79, 2
;
Gereke, Seifrits Alex.
5195
;
Weber, Füetrer. Poyt.
19, 3
;
2.
›sich ekeln, Ekel, Abscheu vor etw./jm. haben; (in einem körperlichen Sinne) einen Ekel, Widerwillen gegen Nahrung haben, unter Appetitlosigkeit leiden‹; dazu ütr.: ›sich erbrechen‹.
Phraseme:
jm. im kopf grauen
›schwindlig sein‹;
jm. vor der suppe grauen
›vor einer Sache und deren Konsequenzen zurückschrecken‹.
Bedeutungsverwandte:
(V.), , , , , , .

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Vomere. Vnwillen / grawen kotzen kotzern speyen fluxen schwelfern.
Luther, WA (
1529
):
Wenn ein Krancker nicht mehr Speise mag, sondern es grauet und eckelt jme dafur, so ist er nicht weit vom Tode.
Ebd. (
1539
):
Ioseph, da er gewar ward et videbat gravidam, grawet im fuͤr der Suppen, wolt sich lassen faren.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
[Die Fraw] Sprach: „will euch [Koler] freundtlich han gebeten, | Laßt euch jetzundt vor niemandt grawen, | Vnd thut mir, wie jr thet ewr Frawen, | Da jr am nechsten wardt bey jr“.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
24, 22
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
So schönes mensche gesahestu nie, und hestu eines linzen augen und kündest es inwendig durchsehen, dir würde darüber grauen.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
48, 34
(
omd.
,
1487
):
wye sich ehliche menner [...]. dÿe selbst schöne weiber habenn vnd [...] zcu andern flamsecken (vor den auch eÿm woll zcur zceitt grawen mochte) krichen.
Pyritz, Minneburg
57, 25
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Augustino grûwite for der spîse.
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
387, 3788
(
Zwickau
um 1540
):
[Das ihr] Euch fuͤlt mit fressen / sauffen / Bir und Wein / | Biß euch drauff graw / und mag nichs mehr hinein.
Fastnachtsp. (
nobd.
vor 1494
):
Mir hat der Tanawäschel auch widersait. | Es thuot mir in dem kopf grauen. | [...] | Wenn ich solt die land pauen, | Ernern mich [...] | So muos ich ligen auf der pank.
Barack, Zim. Chron. ;
3.
›jn. erschrecken, jm. furchteinflößen, Angst einjagen‹.

Belegblock:

Österley, Steinhöwels Äsop (
Ulm
1474
/
82
):
Ain herre hett ainen tükischen hund, der gruwet, granet noch bleket die zend wider niemand, sonder schluog er ungebollen synen schwancz zwischen die baine und biße die menschen.