gereuen,
V.,
regelmäßige und unregelmäßige Formen; im Prät. auch
gerau
, im Part. Prät. auch
gereuen
; vgl.
Dammers u. a., Flexion der st. und schw. Verben.
1988
. – 1-5 ›Reue über etw. empfinden, für das man selbst verantwortlich ist‹ (mit geringen semantischen Nuancen und unterschiedlicher Syntax); 6 ›jn. schmerzen‹.
1.
›jm. leid tun, jn. reuen (bezogen auf eine selbst vollzogene Handlung)‹.
Syntagmen:
ohne Subj.;
jm
. (Dat.obj. d. P.)
/ jn
. (Akk.obj. d. P.)
e. S
. (Gen.obj., z. B.
der arbeit / tat
)
g
.; mit Objaktsatz:
jn. g., das [...]
.

Belegblock:

Luther, WA (
1529
):
so weßt er Jme auch wol uͤber die schnautzen zu faren, das Jne gereuen wurde, das er darzu vrsach geben [...] het.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
130, 2706
(
Magdeb.
1608
):
Aber er ward so abgeblewet / | Das jhm noch heut der that gerewet.
Ebd.
535, 897
:
ich will alles wagen / | Wird nur mein Feind der Hirsch erschlagen / | Kann mich der Erbeit nicht gerewen.
Franz u. a., Qu. hess. Ref.
2, 151, 25
(
hess.
,
1532
):
Wan Meintz den frid furgeschlagener gestalt erlangte, wurd er das bei grossen peinen verkomen und uns, alsdan unsers zulassens gerauen.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Der Held inn Jsrael leugt nicht / vnnd gerewet jhn nicht.
2.
›Reue empfinden, (etw.) bereuen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
1
 5,  28,  8,  4, , , .
Syntagmen
(mit Subj. d. P.):
j. g
. (ohne Obj.);
j
. (z. B. eine Vertragspartei)
etw
. (z. B.
den wechsel
)
g
.;
der sin sich g., wie [...]
.

Belegblock:

Kochendörffer, Tilo v. Kulm (
preuß.
,
1331
):
Set, gar selden der gerut | Und ist jo unstete czwar | In alle sinen wegn gar.
Leisi, Thurg. UB
8, 458, 21
(
halem.
,
1400
):
vor vil jaͮren waͤrint die wisan gewechslet gegen enander mit saͤmlicher beschaidenhait: Weder tail den wechsel nit staͤt welt haben ald in geruw, so soͤlt er absin.
Maaler (
Zürich
1561
):
Gerüwen / Sich etwas lassen gerüwen / etwar vmb eine͂ rüwen haben.
Gierach, Märterb.
26385
(Hs. ˹
moobd.
,
A. 15. Jh.
˺):
doch sein sin sich gerut, | wie er sant Nycla hüt | sein güt enpholhen het.
3.
›etw. (eine Handlung, einen Sachverhalt, für die / den man selbst verantwortlich ist) bereuen, Reue über etw. empfinden‹.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  2.
Syntagmen:
etw
. (Subj. d. S., z. B.
der exzes / ratschlag / schade, die acht / bosheit / ehe / reise / sache / sünde / torheit / überfart / zagheit, das übel, schade / schande
)
jn
. (den Verursacher der Handlung, des Sachverhaltes)
g
.;
etw
. (z. B.
der scherz
)
jm
. (Dat.obj.)
g
.;
etw. jn. schier / übel, zu hand g
.
Wortbildungen:
gereue
(
das
) ›Reue‹,
gereue
(Adj.) in
der gereue kauf
›Reukauf‹ (a. 1564).

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
, Hs.
1601
):
mit anhengenden wortten, es sey dem Marggraffen der schertz gereuen.
Böhme, Morg.R.
15, 25
(Hs. ˹
schles.
,
1612
˺):
welche jhre thorheit sie nun an dem orth der Quahl mit dem reichen Mann gnug gereuͤen und schmertzen wird.
Goedeke u. a., Liederb. (
Nürnb.
16. Jh.
):
mein weite reis mich nit gerau.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Als Judas sah wo nauß es lend, | Thet jhm die Sach gerewen.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Mich hat dik gerúwen reden, aber swigen gerow mich nie.
Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
er kroͤnet ouch keiser Friderichen, und daz gerou in.
Roloff, Brant. Tsp.
741
(
Straßb.
1554
):
Susanna du solt mir wol vertruwen | Dise Ee würt dich nit geruwen.
Wiessner, Wittenw. Ring
4296
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
Wilt, daz dichs mas nicht werd gereuen, | So scholt dus wol und endlich keuwen.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Einen jeden gerewet sein schad.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
37, 3
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Das red ich sunder grawe, | das ich zue recht mich pessers nit verstan.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Er schuef ain ächt über die kristen; die geraw in zuhant.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Doch gerau herzog Bryn die sach, das er sich wider den bairischen künig Ludwig also aufpäumt het.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
34, 26
(
mslow. inseldt.
,
1604
):
weil aber śelches vnter dem trunckch geśchehen, Vnnd herrn Hanßen winter śolcher Exceśs volgenden tages gereüet hat.
Kurz, Waldis. Esopus ;
Bobertag, Schwänke ;
Bihlmeyer, Seuse ;
V. Anshelm. Berner Chron. ;
Barack, Zim. Chron. ;
Fichtner, a. a. O.
120, 4
;
Dietz, Wb. Luther ;
4.
inhaltlich wie 3.
Syntagmen:
mit
es
als formalem Subj. in Korrelation zu einem Inhaltssatz; in diesem steht die Handlung, der Sachverhalt, für die/den man verantwortlich ist, in einem voran- oder nachgestellten Hauptsatz, einem veran- oder nachgestellten Konjunktionalsatz, einem nachgestellten
das
-Satz, einem vorangestellten Relativsatz, vereinzelt in einem nachgestellten Inhaltssatz.

Belegblock:

Luther, WA (
1519
):
Darumb solten sich die jungen naren nicht baldt vorschnappen, hinden nach gereut sie es.
Ebd. (
1529
):
Es moͤchte uns wol gerewen, das wir leben, dieweil wir also unserm Herrn Gott ungehorsam seien.
Ders. Hl. Schrifft.
2. Mose 13, 17
(
Wittenb.
1545
):
Gott gedacht / Es möcht das Volck gerewen / wenn sie den streit sehen / vnd wider in Egypten vmbkeren.
Stambaugh, Friederich. Saufft.
34, 14
(
Frankf./O.
1557
):
Wer sich nuhn wird warnen lassen / [...] / Es wird in ewigklich nicht gerewen.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Leipzig
1537
):
Hoͤr was hat er dir zugesagt, | [...] | Das laß du nit auß deiner acht, | Dich wuͤrdt es nymmer gerawen.
Henschel u. a., Heidin
251
(
nobd.
,
um 1300
):
ob iz evch immer gerewe | Daz ir mir an die trewe | Mit scharfen worten sprechet.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
es gerau in daz er het gemacht den menschen auf der erde.
Maaler (
Zürich
1561
):
Es hat jn Gerauwen daß er der meinung geseyn ist.
Es Gereüwet mich nit deren meinung zeseyn.
Pfaff, Tristrant (
Augsb.
1498
):
Du bist gemiet, das du mich also btriegen und mir also vor liegen solste: aber es mag dich noch wol gereüwen!
Henisch (
Augsb.
1616
):
Wer auff einen Sand thut bawen / den thut es offt gerawen.
Klein, Oswald
4, 4
(
oobd.
,
1421
):
du hab got lieb für alle ding, | es wirt dich nicht gereuen.
Ebd.
43, 40
(
v. 1408
?):
wer ich jetz euer leiser hort, | es wurd eu morgen greuen.
Ebd.
105, 72
(
1432
):
Welcher ie was komen dar, | den hett es ser gerawen.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
69, 3
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Es sol dich nicht gerew͂en, | das du in lerest mass unnd schöne zucht.
Kehrein, a. a. O. ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Wyss, Luz. Ostersp.
6455
;
Gereke, Seifrits Alex.
3486
;
5040
;
Kummer, Erlauer Sp. ;
5.
inhaltlich wie 3; 4.
Syntagmen:
mit vor- oder nachgestelltem
das
-Satz ohne korrelatives
es
im übergeordneten Satz.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
671, 5186
(
Magdeb.
1608
):
Das du drumb in zornigem Muth / | Vergeust so viel vnschuͤldigs Bluth / | [...] | Hoff ich / sol dich bald gerewen.
Brandstetter, Wigoleis
194, 21
(
Augsb.
1493
):
vnd gerawe in on massen sere daz er den ye hinder jm gelassen hete.
Chron. Augsb. Anm. 2 (
schwäb.
, zu
1562
):
aber doch das ander brieflen nit hinab geworfen und sichs anders besonnen, ine auch gerauen, daß er das erste hinab geworfen gehabt.
6.
›jn. schmerzen, jm. weh tun‹; im ütr. Sinne auf eine nicht selbst vollzogene Tat, einen solchen Sachverhalt bezogen.

Belegblock:

Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Juden, haiden, ist unmêr, | Ob es
[die Führung von Kriegen]
uns muͤzz gerewen
[›den Juden und Heiden ist es gleich, wenn/ob es uns schmerzt‹].
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 317
.