1
geil,
gail,
Adj.;
geilich,
gailich,
Adv.;
zu
mhd.
geil
›von wilder Kraft‹
().
1.
›fröhlich, lustig, ausgelassen, glücklich, leichtsinnig, übermütig, mutwillig‹.
Phraseme:
der geile montag
›der Montag vor Fastnacht (an dem bes. ausgelassen gefeiert wird)‹.
Bedeutungsverwandte:
, ,  2,  2,  2; vgl. .
Syntagmen
ein geiles leben
; prädikativ mit Gen.:
der freuden g. sein
; mit präpositionalem Anschluss:
in/mit freuden g. sein
.

Belegblock:

Luther, WA (
1527
):
das uns Christus helffen woͤlle den muͦtwilligen halstaͤrrigenn schelmen zwyschen die sporn fassen, das er nicht zuͦ gayl werde.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Uf daz er mit den gesten | Dar uz trunke vreuden geil.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2053
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wanne wo ein phert wirt zu geil, | das ist des futers schult ein teil.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
v. 1407
):
daz ein gros stechen waz an dem gaylen muntag und auch an der fasnacht.
Ebd. (
nobd.
,
1488
):
wann die bebst warent gail und lebten gar freies lebens.
Ebd. (
nobd.
,
15. Jh.
):
am gailn montag vor sant Peters tag in der vasten starb die alt Hanns Tucherin.
Sachs (
Nürnb.
1557
):
Sechs esel hab ich aufferzogen | [...] ließ ihn den zaum im anfang | [...] viel zu lang, | Darvon sie worden sind zum thail | Mutwillig, gögel, frech und gayl.
Thiele, Minner. II,
17, 97
(Hs. ˹
wobd.
,
15. Jh.
˺):
wen diser glob ist gereht und guͦt, | und sind dar zuͦ mit froͤden gail.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Nun will ich mich ye fraͤen | Vnd mit ir wesen gail.
So wurd mein hertz in fraͤden gail.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
15. Jh.
):
das geschach an dem gaillen mentag.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Wan sol einem ze geilen rosse und einem unkúnschem libe sines fuͦters ab brechen.
Adrian, Saelden Hort
7479
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
da sah man in der zit | Marien frólich und gail.
Bächtold, H. Salat (
halem.
,
1532
):
Warend noch nit fast muͤtig oder geil, | Ich dacht, der tüfel hat s‘ am seil.
Tobler, Schilling. Bern. Chron.
28, 4
(
whalem.
,
1484
):
Woluf mit richem schalle, | und sind al frisch und geil.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Gaillen mütt Paris gewan, | Frölichen schied er von dan.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
obd.
,
1521
):
daß si [pfaffen] vil guͦts überkommen und ein geil ful üppig leben fuͤren.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Ich was ie tumes muͦtes gail | Und gruͤst di vrawen zu der stund.
Klein, Oswald
60, 2
(
oobd.
,
1422
):
Es nahet gen der vasennacht, des füll wir gail und frölich sein.
Ebd.
87, 26
(
1416
?):
Erst wolt ich geuden, gailich schallen, singen hel.
Weber, Füetrer. Poyt.
108, 5
(
moobd.
,
1478
/
84
):
got füeg euch er, das ir werdt frewden gaile.
Dalby, Lex. Mhg Hunt.
1965, 59
;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 34
;
Schmitt, Ordo rerum
691, 8
;
Hulsius
G ijr
;
Dietz, Wb. Luther f.;
2.
›wild, stark, kräftig, kampfeslustig, ungezügelt‹.
Bedeutungsverwandte:
, ,  1,  1d; 2.

Belegblock:

Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
er [Curtisan] ist resch und geil.
Stoltzius, Chym. Lustg. (
Frankf./M.
1624
):
So wird das Fewer / frech vnd geil / | Dein Kraͤfft abschawen alle weil.
Gille u. a., M. Beheim
231, 27
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
er werd also gail, das er | wol sechczig perg werff hin und her | mit seinen hornen.
Goedeke u. a., Liederb. (
Nürnb.
1534
/
7
):
ob einer würd so frech und geil, | wolt beurisch umbher sappen, | der findet all bereitschaft hie.
Turmair (
Nürnb.
1541
):
im anfang des wintermonats, da die wölf am geilisten und greulichesten seind.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Frech vnd geyl. Petuleus [...] Ferox, Feroculus.
Bächtold, H. Salat (o. O.
1531
):
Versamlet bald ein nüwen anschlag | Und ward so frevel, frisch und gail, | Dorft jetz gar tapfer wagen sin hail.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
218, 4
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Der Soldan zehen tausent ritter gail | im pracht zue helff.
3.
›brünstig, lüstern, wollüstig, gierig nach Geschlechtsverkehr, lasziv (von Menschen und Tieren)‹.
Bedeutungsverwandte:
(Adj.), , , ,  1, , .

Belegblock:

Kochendörffer, Tilo v. Kulm (
preuß.
,
1331
):
Vort schob di geile babe | Di schult und di missetat | Uf den valschen losen rat.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
Disser keiser Otto vurß hadde ein geil unkuisch wif.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Vnkeusch geyl feyg schampar vnzuͤchtig.
Neumann, Rothe Keuschh.
2702
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
[Eyn frome mait] sal di geilen mannen flien.
Ebd.
2794
:
mit grossem fliss ein kusche maget | god unnd den luten behaget, | di sich bewaret wo si kan, | das si nicht betasten di geilen man.
Böhme, Morg.R.
142, 26
(Hs. ˹
schles.
,
1612
˺):
dieweil der verderbten natur trieb nur auff das hohe siehet / als eine stoltze / wilde / geile und hurische frau / die sich in ihrer brunst immer nach schoͤnen Maͤnnern umbsihet.
Fastnachtsp. (
nobd.
,
15. Jh.
):
Das jung weib hat ainn alten man, | Der kan ir des nachts kain genüg than; | Wann sie ist gail, so ist er faul, | Und ist ain alter ab geritner gaul.
Voc. Teut.-Lat.
k jr
(
Nürnb.
1482
):
Gailich oder vnkeuschlich petulanter.
Gille u. a., M. Beheim
330, 2
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Ain peispel solt ir harn. | ain gailen hirss vil wilde | sah man auff dem gevilde.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
wie sie nemlich sich so frisch erzeigen vnd einen Sarabanden daher singen vnd springen werde, so gayl vnd rammelig als die Katzen vmb Liechtmeß immer sein mögen.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
kestig dinen lip so er ze gail welle sin, und truk in mit arbait.
Lemmer, Brant. Narrensch.
92, 59
(
Basel
1494
):
Der wis man spricht / ker dich geschwynd | Von frowen / sie reytzt dich zuͦ sünd | Dann naͤrrin vil sint also geil | Das sie jr gsiecht bald biettent feil.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
die sien werdent fruhtbær allain von dem trahten des gailn gelustes.
Klein, Oswald
121, 19
(
oobd.
,
1408
?):
treib den scherz, | der uns, frau, mach gail.
4.
›fruchtbar (vom Erdboden)‹; von Pflanzen, Gewächsen: ›üppig wuchernd‹.
Bedeutungsverwandte:
, , , .

Belegblock:

Gerhard, Hist. alde e
952
(
omd.
,
um 1340
):
Wan so vruchtber was daz teil | Des ertriches und so geil, | Daz Aser alda besaz.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
55, 34
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Ist ein acker geyl, so besäe ihn das erste jahr mit gersten.
Ebd.
118, 2
:
nimb guette faiste oder gäyle mistgauche.
Ebd.
135, 13
:
das der hopfen gerne in feuchtem luckerem und geylem boden wäxt.
Eis, Gottfr. Pelzb.
130, 20
(
nobd.
/
thür.
,
3. V. 14. Jh.
):
ab her [wynstok] czu geyl ist, so sal man den stok vmme grabin vnde sal di grube vullin mit sande.
Voc. Teut.-Lat.
k vjv
(
Nürnb.
1482
):
Geyl oder fruchtig als acker.
Ebd.
k jr
:
Gailich fruchtperlich reylich vberfleißiglich.
Henisch, (
Augsb.
1616
):
Der Lech befliesset jaͤhrlich dies aͤnger / vnnd macht sie geil.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
62
(
Genf
1636
):
Der Meyn [befloͤsset] jaͤhrlich dies weise / vnd macht sie geyl.