gebrauchen,
V.
– Grund- und Präfixverb werden bei weitgehend identischer semantischer Struktur gleichwertig nebeneinander verwendet.
1.
mit Akk. ›etw. (Konkretes, z. B. Besitztümer, Medikamente, Speisen, Waffen, Werkzeuge) für einen bestimmten Zweck benutzen‹;
zu  1.
Bedeutungsverwandte:
 2, ; vgl. .
Syntagmen:
den arm / finger / hanf / wein, die büchse / speise, das pech / rezept / ros g
.; Besitztümer, z. B.
den weingarten, die hufe / halde, das erbteil / gut / haus / land g
.

Belegblock:

Pfefferl, Weigel. Ges.
45, 19
(
Hamburg
1646
):
wolte denselben das Väterliche erbtheil fürhalten vnd nicht gebrauchen laßen.
Lau, Qu. Neuß (
rib.
,
1509
):
rawe kalffell, die man zu deme kremeramte zo reimen und kremerien bereidt, vort hartz, pech, henf, des die schomecher gebruichen.
Perez, Dietzin
1, 321, 4
f. (
Frankf.
1626
):
da sie denselbigen [Wein] je sollen gebrauchen / so sey er mit Wasser wol vermischt.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
101, 22
(
thür.
,
1474
):
unde mag darnach dy gutter, dy her by synem wybe funden hat, gebruchin.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
34, 7
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
Czu strite gebruchin si platin von wesins ledir gemacht.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
128, 13, 5
(
schles.
,
1361
):
das di vrow clara sal habē vnd gebruchin czw hubin vf dem lande czu irme leibe.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
das er die hant vñ dar zuͦ die finger nit gebruchen [...] noch geübe͂ mag.
Wolf, Norm im sp. Ma.
35, 22
(
schwäb.
,
15.
/
16. Jh.
):
die mensch [...] angetane mit waichen und geferbten claidern und die da lustliche speis und tranke gebrauchent.
Bauer, Geiler. Pred.
104, 5
(
Augsb.
1508
):
daz ist nit des weins schuld, sonder des der in unzimlich gebraucht hat.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Aegyptische bonen / faba Aegyptia, Colocasia. Aegyptischer schotten / dorn vnd safft von dem Samen / fuͤr welchen die Apotecker den Schlehensafft gebrauchen / acacia.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1449
):
der Herrschaft lúte meintent, das sie dieselben alppe mit irem vieche gepruchen und uffarn solten.
Heidegger. Mythoscopia
34, 11
(
Zürich
1698
):
Zuwünschen waͤre / daß sein gebrauchtes Recept [...] noch heut zu Tag wirckbar vnd sicher waͤre.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Auch hyette man dy puchsen von Khernndten wider den kunig gepraucht.
A. à S. Clara. Deo Gratias (
Wien
1680
):
ein solches Amuletum, wie da der Heilige Gregorius Nazianzenus jenen Muttern vorgeschrieben / welche allerley Mittel gebrauchen / damit ihre Kinder vom Vergifften und Anschreyen befreyt seyn.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
2. H. 16. Jh.
):
welcher auf der gemain reutstöl oder einfang ausreutet, seiner glegenhait trait darein zu säen, denen, oder wer die sein, soll nit erlaubt uber das drite jar solche reuter zu gebrauchen.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
50, 15
(
mslow. inseldt.
,
1525
):
dieśelben Hecken śol er auśroden, nützen vnd gebraüchen.
Grosch u. a., a. a. O.
21, 16
;
70, 32
;
124, 23
;
131, 41
;
295, 30
;
Voc. Teut.-Lat.
k iijv
;
l vijv
;
Voc. inc. teut.
h iijv
;
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 177
;
Dertsch, Urk. Kaufb.
35
;
Dietz, Wb. Luther ;
Bad. Wb.
2, 314
;
Öst. Wb.
3, 778
f.
2.
mit Akk. ›etw. (Abstrakta, z. B. eine List, Rechte, Wörter) für einen bestimmten Zweck anwenden‹; ütr. zu 1;
zu  2.
Syntagmen:
den (hoch)mut / (mut)willen / rat / sin, die gabe / gewalt / list / lust / kraft / ränke / redlichkeit / vorsichtigkeit, das ampt / (schelt)wort g
.

Belegblock:

Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe (
Wolfenb.
1593
):
Ich wolte euch in vertrawen etwas offenbaren, vnd ewern Rath darin gebrauchen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
523, 534
(
Magdeb.
1608
):
An jhnen ist das Sprichwort war / | Das offtmals gebraucht vnser Pfarr.
Luther, WA (
1530
):
er gebraucht sie [die gewalt] nur den leuten zu schaden.
Lau, Qu. Neuß (
rib.
,
1681
):
Diejenige, so zwei Amter acquirirt und jetzo wurklig gebrauchen, sollen dabei zwaren gelassen, hernegst aber keiner mehr als zu einem Amt admittirt werden.
Perez, Dietzin
1, 133, 16
(
Frankf.
1626
):
Die arglistigeit aber vnd vielfaltige Renck / die sie [...] zu gebrauchen gewust / ist mir allhie zuerzehlen vnmuͤglich.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Swer ez lesen geruche | Durch nutzliches gebruchen, | Der sal ez alda suchen.
Ries, Rechenb.
B1r, 3
(
Erfurt
1522
):
Nun soltu wissen das ich hierinnen zweyerley proben gebrauchē wil.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1527
/
8
):
Es ist auch kein abgöttereÿ jnn dieser kunst, man wöll dann mutwillen mit geprauchen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
alle die sint in der suͤnden die do gebruchent lust in sinnelicheit.
Strauch, Schürebrand f. (
els.
,
E. 14. Jh.
):
daz ir uwern eigenen willen nút me gebruchen getörrent noch ensöllent.
Roloff, Brant. Tsp.
60
(
Straßb.
1554
):
Der ander [weg] ist glat / lustig und weyt | Dann er vil gebraucht würt allzeyt.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
/
5
):
auch selbs kain stoltz und hochmut gegen den geschlechten mit nichten geprauchen.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
gantz aigentlich woͤl auffmercke, wa er ainen yeden Buchstaben am rechtisten vnd subtilisten setzen vnd gebrauchen soll.
Goldammer, Paracelsus
2, 51, 4
(
1531
/
4
):
Gott hat uns gaben geben auf erden und kräft derselbigen, die ein iedlicher gebrauchen mag und soll.
Wyss, Luz. Ostersp.
3, 61, 28
(
Luzern
1616
):
Daß Palmen Fest wil er drumb halten, | wie dz gebrucht war von den alten.
3.
mit Gen. d. S., meist refl. ›etw. benutzen, ausnutzen, sich einer Sache bedienen, sich etw. zu Nutze machen‹;
zu  3.
Syntagmen:
(sich) des ackers / müssiggangs / ratschlags / schlüssels, der arznei / freiheit / gewalt / materie / sprache / vernunft / weisheit, des auges / beispiels / gebets / handwerks / regiments g
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Dize ougen des broden vleisches, | [...] Die vorblinden also von suchen | Daz man ir mac nicht gebruchen.
Lappenberg, Fleming. Ged. (
1632
):
Lebe, weil du bist im Leben, | und gebrauche deiner Lust.
Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Sie offen gar die tor gein in | Und lazen in nach siner craft | Gebruchen siner herschaft.
Loesch, Kölner Zunfturk. (
rib.
,
1486
):
ind moige darumb bedacht sin, sich alhie anderer narongen zo gebruchen.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
ind sich gebruicht unordelicher gewalt over sinen neesten.
Rosenthal. Bedencken
30, 4
(
Köln
1653
):
im Rosenkranz gebrauchen wir vns des Gebetts welches vns der Herr Iesus gelehrt hat.
J. W. von Cube. Hortus
104, 29
(
Mainz
1485
):
welcher sich gebrucht des safftes von coriander vff eyn vierteyl eyns phu͂des der wurt also krank vñ amechtig vnd drurig daz darnach zuͦ besorgen ist der doit.
Froning, Alsf. Passionssp.
4544
(
ohess.
,
1501ff.
):
mer wollen uns unßer alde ee gebruchen.
Knape, Messerschmidt. Bris.
13, 15
(
Frankf./M.
1559
):
Brissonetus [...] frewet sich des zu gebrauchen / das er lang begeret hette.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
11, 15
(
Frankf./M.
1568
):
der schwartzen Farben zubereitung / welcher sich jetzt die Buchdruͤcker gebrauchen.
Allg. Schau-Buͤhne (
Frankf.
1699
):
Den sandten sie unter einer starken Wacht in weit entlegene unersteigliche Gebirge / deren sie sich an statt der Schloͤsser gebrauchen.
Feudel, Evangelistar
135, 10
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
iz geschach do her gebruchte syner pristirschaft in eyner ordenunge vor gote.
Strauch, Par. anime int.
37, 31
(
thür.
,
14. Jh.
):
darumme gebruchite si Godis und schowite Got an sime wesine.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
der mensche sol ze allen sînen werken und bî allen dingen sîner vernunft merklîchen gebrûchen.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
245, 22
(
thür.
,
1474
):
so dy gerichte lantrechtis gebruchen.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
36, 1
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
dornoch begunde der groze chaam und di Tartirn gebruchin der elefant czu strite.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Leipzig
1537
):
Christus hat beyd gstalt eingesetzt, | Dern gebraucht sich die heylg kirch stetz.
Böhme, Morg.R.
150, 17
(Hs. ˹
schles.
,
1612
˺):
der Sonnen hitze aber muͤssen sie zur anzuͤndung gebrauchen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1516
):
uber das haben sie auch zu Augspurg und Ingolstat ire besolte doctor, deren rathschleg sie sich in schweren sachen auch geprauchen.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
So sie alle ding tute | Und gepraucht sich des leibes gancz | Mit all sein ewßern sinnen.
Franck, Decl.
339, 10
(
Nürnb.
1531
):
des [spil] sich kein erber weyß man gebrauchen soll.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 711
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Wan man sol alle creaturen nutzen vnd gottes gebruchen.
Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr.
7, 21, 1
(
Straßb.
1520
):
Dan die schlüssel sein sant Peter geben / das er vnd seine nachfaren sich deren gebruchen sullen.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
122, 32
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
Wan Christus wolte dar zuo gebettez gebruchen zuo dem vatere.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1523
/
7
):
Die gaistlichait solen sich kainer weltlichen handlung mer geprauchen.
Diehl, Dreytw. Essl. Chron. (
schwäb.
,
1548
):
des seych die arglystigenn Tyrcken gebruchtenn mit schissen, myt styrmen und mytt undergraben die mur.
Die hattend sich der statt koͤnnen gebruchen.
Scholz, Lanfrank. Chir. Parva
233r, 6
(
md.
/
oobd.
,
1446
/
8
):
Ist aber ein sulch druß an ein geedereten gelidenn, so geprauch der vorinen ercztei.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Es haben die alten Teutschen sich kriechischer schrift gebraucht und auf kriechische monir geschriben.
Moscouia
B 1v, 20
(
Wien
1557
):
So werden alle die Reissen genant / die sich der [...] Windischen sprach gebrauchen.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1687
):
Die burgerschaft und in sonderheit diejenigen, welche sich der sämfart gebrauchen, sollen sich bei ieden hauß und stallung einer gewisen latern gebrauchen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
):
Es soll sich auch kainer mit waiden oder behilzung der vorst gebrauchen so nicht darein geforst ist.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
118, 8
(
mslow. inseldt.
,
1523
):
dz der Gilg hat wollen weren ihm vnnd den andern Nachbarn, das śie nit künten weiter śolches Rains gePrauchen.
4.
›etw. benötigen, nötig haben‹;
zu  4.
Syntagmen:
meist mit Akk., vereinzelt mit Gen.

Belegblock:

Mendthal, Geom. Culm. (Hs. ˹
preuß.
,
A. 15. Jh.
˺):
dy pflegen sich czu vroͤwen des geluclychyn wolgeens vnde gebruchen dorczu eynen seligen vsgank.
Wickram
4, 41, 1
(
Straßb.
1556
):
demnach ward der ymbis mit grossen freuden volbracht / allein das gar kein seitenspiel da gebraucht ward.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
/
5
):
wo es sich schon zugetragen, daß etwan zwen [...] zu ainer zeit dis und andre ämpter mer haben mitainander verrichten muessen, daß sie kainen neid mit nichten darinnen gepraucht.
Jostes, Eckhart
67, 30
(
14. Jh.
):
daz zu der waren gebrauchung gehort, daz ist daz der geist verlorn hab daz sein an dem selben, daz er gebraucht.
5.
›(sich) mit jm./etw. beschäftigen, mit jm./etw. Umgang haben‹;
zu  5.

Belegblock:

Buch Weinsb. (
rib.
,
1589
):
Sunst sin sie den tag durch in iren heusern und haissen und gebruchen sich im felde und weiden.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Joh. (
osächs.
,
1343
):
Wan di Juden gebrûchen nicht mit den Samaritânen.
Feudel, Evangelistar
33, 13
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
wen dy Juden gebruchen mit den Samaritanen nichtes.
6.
mit Gen. d. P. ›mit einer Frau sexuellen Verkehr haben‹;
zu  7.

Belegblock:

Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
Durch den willen sines wibes | Und gebruchen ires libes.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
62, 4
(
omd.
,
1487
):
so einer seins weibes an andern enden vnd steten, den von der natur geordent, wolde gebrauchen.
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe (
thür.
,
1421
):
Thalamon [...] der gebruchte her alsso seyner kebesen, wenn her vor eyn eliches weip hatte.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
31, 14
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
unde nemen ir tochtir czu yn unde gebruchin ir noch iren willin.
Moscouia
B 4r, 34
(
Wien
1557
):
Nach solchem hat Volodiner seines ermordten Brueders weib [...] zu seinem wollust gebraucht.
7.
›nach Erkenntnis, Vereinigung mit dem göttlichen Wesen (Gott oder Christus) streben, das göttliche Wesen genießen‹.
Schrifttum der Mystik.
Syntagmen:
meist substantiviert.

Belegblock:

Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Das wir nu alle mit unserme herren ufvarent, das wir in ewekliche gebruchent, des helffe uns Gott.
Eichler, Ruusbr. steen
913
(
els.
,
sp. 14. Jh.
):
also wir werden erhaben vnd gezogen in vnser obreste bevinden, so stent alle vnser krefte lidig in ein wesenlich gebruchen.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 245
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Dise minne haltet die obersten krefte der selen in eine stillekeit vnd in ein gebruchen der selben selikeit.
Ebd.
2, 987
:
wan er siht daz vnbegriffenliche wesen, ein gemeine gebruchen gottes vnd aller heiligen.
Ebd.
3, 107
:
Wie vnser geist wurt geheischen, vs ze gande in schowen vnd in gebruchen.