blind,
Adj.
1.
›mit trübem Auge, ohne Sehvermögen, blind‹.
Syntagmen
b. sein / werden; b. geboren werden
; Doppelformel:
b. und lam, b. und stum
.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
her [richter] ne sol nicht sin in der achte noch in dem banne [...] noch blint noch eyn stumme noch eyn tore.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
320
(
mrhein.
,
um 1335
):
Iesus machet einen blinden gesehen, | der selbe blinde geborn wart.
J. W. von Cube. Hortus
85, 45
(
Mainz
1485
):
glich als sye [swalben] thun yren iūgen so sye noch blynt synt.
Froning, Alsf. Passionssp.
1636
(
ohess.
,
1501ff.
):
ich meyn, ab uns disser man wolle leychen | und entsijhe nicht der geborn blynt.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
wære ein blinder dürftiger, [...] den hæte er lieber dan einen künic.
Luther, WA (
1540
):
cum Adam et Eva blind worden, haben auch sie ein fell über die augen gekriegt.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
26, 26
(
omd.
,
1487
):
ein weypp [...] dye vnfruchtbar, grewlich vngeschaffenn am leybe, krancker glydmaß, blint, lam.
Hoffmann, Würzb. Polizeisätze
205, 14
(
nobd.
,
1490
):
die pettler und pettlerin [...] die nit kruppel, lame oder blind sein.
Dietrich. Summaria
20v, 37
(
Nürnb.
1578
):
Da ward ein besessener zu jm bracht / der war blind vnd stum̃.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
neme derselbe herre den aller ussetzigesten menschen mit blotern und stinkende, blint und lam.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 554, 17
(
Hagenau
1534
):
Eyn blind man / eyn arm man / noch ist das vil eyn armer man / der sein weib nicht zwingen kan.
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
Dahero hat er sich diser vorher blinden Mannspersohn zwar zeigen wollen als ein Knäblein.
Ein fünff Jahr blind geweßter bekommt wieder sein Angesicht.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Dar umbe malet man froͧ Venus blind und ogenlos.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
127, 6
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Maister Cünradt, der ye was plind.
Deinhardt, Ross Artzney
56
(
oobd.
,
1598
):
so ain pferdt blint vnd im der augapfl doch noch gannz wer.
Piirainen, Stadtr. Sillein
152a, 34
(
sslow. inseldt.
,
1378
):
wirt auch eyn chint geporn stvm oder hant loz oder fuͤzloz oder plint.
Schützeichel, a. a. O.
326
;
342
;
389
;
393
;
Moscouia
C 1v, 9
;
D, 1r, 35
; D, 3v,
26
;
Bremer, Voc. opt.
1, 220
;
Voc. inc. teut.
t iiijv
;
Hulsius
B iijr
;
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 25
;
Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib.
1989, 59
;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 16
;
Schmid, R. Cysat
6, 68
;
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 656
;
Bad. Wb.
1, 263
;
2.
›unerfahren, töricht, dumm, unbesonnen‹.
Phraseme:
mit sehenden augen blind sein
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Wen sie mit senden ougen blint | Waren, die sine zeichen san | Und doch den heilant ilten an.
Got [...] heizet uns bestrichen | Des blinden herzen sinne | Mit der waren Gotes minne.
Strauch, Par. anime int.
115, 11
(
thür.
,
14. Jh.
):
waz ist vinsternisse? daz der mensche nirgin hafte noch hange und blint si und nicht wizze fon creature.
Weise. Jugend-Lust (
Leipzig
1684
):
wo ihr einen blinden Lermen macht / so lerne ich wider euch Verse schreiben.
Opitz. Poeterey
19, 15
(
Breslau
1624
):
wer hat doch nicht geschriben | Von Venus eitelkeit / vnd von dem schnoͤden lieben / | Der blinden jugendt lust?
Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Der was des herzen blint, | Als ie die homuͤtigen sint.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
nu bin ich nicht an witzen blint.
Henschel u. a., Heidin
1729
(
nobd.
,
um 1300
):
Si sprach dv macht wol wesen blint | Vnd sprichest als ein tvmbes kint.
Gille u. a., M. Beheim
19, 41
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
plint was ich, die plinthait ich geren hate, | unselig was ich, des erkant ich nit.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 96, 18
(
Augsb.
1548
):
Er ist mit sehenden augen blind.
Sappler, H. Kaufringer
10, 86
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
nun sei wir all an weißhait plind | [...] darumb werd wir sicherleich | von den weiben nun betrogen.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
596
(
schwäb.
,
1453
):
Vor sorgen ward ich blind und stumm, | Das ich nit west der sinne min.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Wie er doch an im ritters pflichtt | Hette, doch was er ain kind, | Manlicher wortt unmassen blind.
Schmidt, Rud. v. Biberach
43, 1
(
whalem.
,
1345
/
60
):
an solichen warheiten ist si blint vnd stumme.
Lemmer, Brant. Narrensch.
77, 29
(
Basel
1494
):
Vil frowen die sint ouch so blindt | Das sie vergessen wer sie sint.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
15, 6
(
tir.
,
1464
):
Hie pin ich plint als ain mensch, vnd ich würd erleücht.
Lemmer, a. a. O.
3, 15
;
40, 13
;
47, 27
;
102, 5
;
110a, 8
.
3.
›verblendet, getäuscht, irregeführt‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
die blintheit | Die do truc und noch treit | Die blinde judesche diet.
Froning, Alsf. Passionssp.
1524
(
ohess.
,
1501ff.
):
was hot disser mentsche gesundet, | das hie alßo ist worden blynt.
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 131
(
thür.
,
1385
):
By Sampsone so wirt vf genomen eyn iclich suͤnder, den dy vnkuͤscheit blint machit.
Luther, WA (
1523
):
sie musten Christum eruntter stossen, die blinden elenden sophisten.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
bin ich nicht an sinnen blint, | bi desen seben planeten sint | den luten der werlt mit gewalt | der wochen seben tage gezalt.
Gille u. a., M. Beheim
77, 39
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
secht, wie so plint sein und verflucht | die Juden ungeslachte.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
von dem ist der mensche blint und toͮb worden, si sin in welicher stat si sint, weltlich oder geistlich.
Anderson u. a., Flugschrr.
29, 7, 24
([
Augsb.
]
1524
):
wañ sy seynd so blind / armsaͤlig / vñ verstockt / das man billicher mitleiden mit jn hett.
Ukena, Zuger Trag.
1861
(
halem.
,
1598
):
Dorum ich ouch befüeget wardt | Diesellben z‘ strafen streng vnd hardt, | Biß vnd so lang die Juden blind | Letzstlich gehorsam worden sind.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
121, 36
(
tir.
,
1464
):
der da erleucht hat alle menschen mit dem liecht der chlarhait, die da plint sint gewesen.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
17, 6
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
alle dingk vernewet sind, | juden gelaub der ist nu plint.
4.
›trübe, dunkel, finster, unverständlich‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Nicod. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Dise rede ist sus zu sagene blint, | ich sal sie u wol beduten sint.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
Daz ist, herre, der uzer schin | Miner werke, dy alle blint | Ken diner lutern clarheit sint.
Alle czyrheit sunder wan | Di dise werlt nu mac gehan, | Ken der wisheit ist sam eyn wint, | Yclich ding ist an sy blint.
5.
›falsch, unecht, betrügerisch, erdichtet, vorgetäuscht‹.
Phraseme:
blinde schirmschläge
›Luftstreiche, Schläge in den Wind‹;
blinde griffe
›betrügerische Listen‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
ist alles eitel spiegel fechten und blinde schirmschlege gewest.
wollen jhr opffer messe dadurch mit listen und blinden griffen erhalten, suchen und meinen gar nicht das Sacrament, sondern jhren Bauch und Mammon.
es hette solchen Edicts meistern wol angestanden, das sie [...] uns jnn solchem artickel gelobet hetten, und nicht also mit blinden worten geschmitzt.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
150, 22
(
omd.
,
1554
/
1633
):
welcher uf blinden nahmen lohn empfacht, der sol am leibe und gut gestraft werden.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
das auch markgraf Albrecht bestell heraußzegeben die plinten spruchbrief.
Ebd. (
nobd.
,
E. 15. Jh.
):
darpei het man ein spil mit 6 plinten würfeln.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
blinde venster in den kameren vnd in iren vorhaubten.
6.
phras.:
der blinden ku spielen
›mit verbundenen Augen jn./etw. suchen‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
So konnen wirs auch nicht erraten vnd mussen also, vngewis bleiben [...] triffts so triffts, feylets so feylets wie man der blinden kue spielet.
Es thut aber der natur seer whe, das sie so sol der blinden kue spielen, buchen und trotzen auff das das sie nicht sihet.