stolz,
Adj.
(Uml.), als
Adv.
mehrfach
stolzlich
.
1.
›stolz, hochmütig als Charakterhaltung, überheblich, auf Grund von Überschätzung der eigenen Position bestrebt, sich über seine religiös-kreatürlichen und sozialen Existenzbedingungen zu erheben‹; insofern: ›unangemessen im Diesseits verhaftet, die Äußerlichkeit unangemessen heraustellend; ichbezogen, die soziale Einbindung mißachtend‹; offen zu 2.
Gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Zur Sache:
LThK
3, 223
(s. v.
Demut
); 5, 414 (s. v.
Hoffart
).
Bedeutungsverwandte:
aufbrüstig
,
aufgeblasen
 2,
frevel
,
frei
,
freidig
,
geschwollen
,
hochfarend
,
hochherzig
,
hochmütig
,
hochprächtig
,
hochtrabend
,
hoffärtig
,
prängisch
 1,
rumrätig
,
schwülstig
,
stolzmütig
,
übermütig
,
unbarmherzig
,
ungläubig
,
üppig
,
verwegen
.
Gegensätze:
demütig
 2.
Syntagmen:
j
. (z. B.
die schwester
)
s. werden, die freundschaft nicht s. sein
;
stolzlich kommen, die augen stolzlich von jm. abwenden, stolzlich etw. abstürzen
;
der stolze mut / pfaffe / sin / teufel, das stolze auge / gebäre / gemüte / herz, die stolzen leute
;
Tarquinius der stolze
.
Wortbildungen
stolzinger
abschätzig für einen Sänger gebraucht (a. 1473; als Schreibvariante:
stotzinger
; insofern problematischer Ansatz; s.
Schweiz. Id.
11, 389
).

Belegblock:

Schöpper
18b
(
Dortm.
1550
):
Superbus. Hoffertig stoltz rumrätig hochmuͤtig schwuͤlstig hochhertzig stoltzmuͤtig auffgeblasen geschwollen hochtrabend verwegen vbermuͤtig vffbruͤstig hochprächtig hochfarend.
Kehrein, Kath. Gesangb.
3, 46, 7
(
Köln
1583
):
Was der alt Adam gmacht vnrein, | Hat der new Adam geweschen fein: | Was jener abgestürtzt stoͤltzlich, | Hat dieser demuͤtig auffgricht.
Sievers, Oxf. Benedictinerr.
15, 8
(
hess.
,
14. Jh.
):
Obe keine sustere werde ober ungehorsam ober stoltz oder murmellene der in keinen dingen wederwurdich wesende die heilge regele [...], die sal gemanet werden.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
293r, 21
(
Leipzig
1588
):
Das ist fuͤrwar ein schoͤne Tugend vnd grosse Demuth an einem hohen Potentaten / an welchem sich alle / die in hohen Emptern vnd Ehren sitzen / zu spiegeln haben / dafuͤr sich auch alle stoltze Hochmuͤtige vnd vnbarmhertzige Leute schemen muͤssen.
Böhme, Morg.R.
143, 18
(Hs. ˹
schles.
,
1612
˺):
der stoltze Teufel hat ie und allwege wollen ein Koͤnig in dieser Welt sein.
Gille u. a., M. Beheim
30, 27
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Sein [Lucifer] stolczer sin | in da verhönt, | das in got schaucht.
Sachs
6, 362, 2
(
Nürnb.
1559
):
schem dich, abwertz | Dein augen stoltzlich abzuwenden | Von dem armen, ringen, ellenden.
Vetter, Pred. Taulers
231, 4
(
els.
,
1359
):
unser hofertig stoltz gemuͤte in bevellicheit unser selbes mit unser kleblicheit mit minnen in zitlicher genuͤgde unser sinnelicheit, dis wil er alles nach im ziehen.
Ebd.
268, 10
:
das ein mensche in einem frevelen stolzem hovertigem gemuͤte inwendig und uswendig stuͤnde.
Martin, H. v. Sachsenh. Jesus
108
(
schwäb.
,
1455
):
do ich ain schuͦler was | Unnd ouch studiert die laichiny | [...] | Do was ich stoltz unnd muͦttes fry | Unnd wand, es lebt nit mein genoß.
Maaler
389v
(
Zürich
1561
):
Stoltz gegen den minderen oder schlaͤchteren.
Kohler, Ickelsamer. Gram.
6, 25
(wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
das man nit so stoltz vnglaubig, vnnd undanckbar sey, das man gedenck, Gott künds nit.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 166, 25
([
Augsb.
]
1548
):
Hochfertige augen / und stoltzer muͦt / und die leüchte der gotlosen / ist sünde.
Ebd.
255, 26
:
sy selbst seind auch sicher und stoltz / erheben sich des glücks / unnd achten nicht wa Gott geehret [...] werde.
Henisch
122
(
Augsb.
1616
):
Ein stoltzer Pfaff ist ein arschwisch deß Teuffels.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
93, 36
(
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
und wuerden die pawren so uppiklich, ubermuetig, stoltz und fraydig, da sy (sich) selber nymen erkannten.
Luther, WA
8, 711, 16
;
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
2029
;
Stoltzius, Chym. Lustg.
39, 9
;
v. d. Broek, a. a. O.
183v, 9
;
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
101, 840
;
Thür. Chron.
5r, 18
;
Sachs
12, 437, 30
;
Voc. Teut.-Lat.
ff iijv
;
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
509
.
Vgl. ferner s. v.
aftergläubig
,
aufbäumen
 3,
auge
 8,
stolz
(
der
) 1.
2.
›frevelhaft, verwegen, frech, kühn, keck; unpassend; ungehobelt, maßlos (von Personen und Handlungen)‹; im Unterschied zu 1 eher auf den Verstoß gegen innerweltliche Handlungsnormen bezogen.
Bedeutungsverwandte:
aufschnüppig
,
bübisch
 1,
frech
,
frevel
,
trutzig
 2,
ungestüm
,
verwegen
; vgl.
aufbrüstig
,
bauerkündig
,
gebrüstet
,
gefier
,
gelf
(Adj.),
geprängisch
.
Gegensätze:
freundlich
,
holdselig
.
Syntagmen:
j
. (z. B.
der ritter
)
s. sein, j. so s. sein, zu
[+ Verb];
stolz(lich) antworten / diskussieren / handeln / sprechen / zusprengen, jn. stolzlich beschweren
;
der stolze bauer / krüger / mut, die stolze antwort, das stolze wort
.
Wortbildungen:
stolziglich
,
stolzist
,
stolzkopfisch
›verwegen, halsstarrig auf einer Glaubensposition bestehend‹ (dazu bdv.:
halsstarrig
 2).

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.
7606
(
preuß.
,
um 1330
/
40
):
vil stolzlich er dâwidir jach: | Jâ, ich wil den vinden min, | swi ich mac, zu pflege sin.
Schöpper
27a
(
Dortm.
1550
):
Audens. Stoltz wech verwegen.
Schade, Sat. u. Pasqu.
3, 168, 6
(
Eilenb.
,
1524
):
der pfarrer meyster Hans rotbart, ein alter Tübingischer sophist und stoltzist, ist dem prediger nit hold gewesen.
Luther, WA
11, 169, 10
(
1523
):
Das sein die rechten boßen leut, die do stoltz werden auß außerlichem weßen. Sehet, ein stotzer eßel ist das.
Ebd.
33, 528, 35
(
1531
):
Aber den rhum hab ich: also stoltzkopfisch unnd halsstarrig bin ich, [...], so rhume ich mich des Euangelii.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
544, 1186
(
Magdeb.
1608
):
ES lag ein Schenckhauß vor dem Holtz / | Darein wohnet ein Kruͤger stoltz / | War ein Reuter Reuber gewesen.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
204
(
Köln
1476
):
Eyn moriaen Van stoultzen moed | Wart dayr geuayn Jn roeden bloed.
Hübner, Buch Daniel
1886
(
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Die da wellen besweren | Gute lute ane schult | Stoltzlich mit ir ungedult.
Dedekind/Scheidt. Grob.
126, 7
;
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
255b, 9
;
413b, 27
;
Hübner, a. a. O.
3724
;
Karsten, Md. Paraphr. Hiob
423
;
Böhme, Morg.R.
142, 25
;
Baumann, Bauernkr. Rotenb.
593, 17
;
v. Birken. Erzh. Österreich
64, 49
;
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
247, 2303
;
Sachs
15, 93, 3
;
20, 179, 12
;
Wyss, Luz. Ostersp.
371
;
Chron. Augsb.
2, 42, 10
;
190, 22
;
3, 257, 16
;
Winter, Nöst. Weist.
1, 30, 42
;
Vock u. a., Urk. Nördl.
1968
;
Fischer, Eunuchus d. Terenz
146, 20
;
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 255, 32
;
256, 8
.
Vgl. ferner s. v.
aufschnüppig
,
ausnemen
 1.
3.
›durch ideale Eigenschaften gegenüber anderen ausgezeichnet‹, meist auf Personen (Ritter, Damen), auch auf Tiere (Pferde, Vögel) sowie auf Gesinnungen, Gegenstände, Zustände unterschiedlicher Art bezogen; je nach Bezugsgröße im einzelnen z. B.: ›stattlich, schön, edel (von Personen)‹; ›stolz, stark (z. B. vom Adler)‹; in Verbindung mit Abstrakta oft als Wertadjektiv im Sinne von ›gut, vollkommen‹; im Unterschied zu 1 und 2 höchstens ansatzweise negativ bewertet und seltener mit religiöser Konnotation.
Bedeutungsverwandte:
fein
,
flätig
,
höflich
,
hübsch
,
jung
 1,
schöne
,
stark
 2,
unverzagt
,
wähe
,
weidenlich
,
wert
; vgl.
gögel
 4.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
der mut, die bäume
)
/ j
. (z. B.
die jungfrau
)
s. sein
;
s. antworten / gebaren, stolzlich zu felde treten
;
die stolzen sich auf ir gut verlassen
;
der stolze ar / vogel / betler / (bauers)knabe / degen / edelman / junge / jüngling / ritter / mut / heller / pracht / friede, der stolze leib
(mehrfach für die Person),
die stolze dirne / frau / freude / rede / ruhe
;
das stolze ros / weib
.

Belegblock:

Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
163
(
mrhein.
,
um 1335
):
Ich bin (ein) vledig iunges wip | vnd dragen einen stolzen lip.
Neumann, Rothe. Keuschh.
850
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
dy [cleider] schon unnd werltlich sint gesneden, | unnd ouch mit den stoltzen seden | dy man dar ynne lusteclichen dribet.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
14, 7
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Ir ist gütlich und genediglich geschehen: bei frölicher jugent, bei stolzem leib, bei besten lebtagen.
Logau. Abdank.
172, 9
(
Liegnitz
1651
):
Hier Liegt im stoltzem Friede | Die deiner Wuͤtterey / O schnoͤde Welt / war muͤde.
Pyritz, Minneburg
4027
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Die [junckfrawe] waz stoltz und da by clug | Und ist noch hubsch und fin genug | Und kan hoflich gebaren.
Ebd.
5319
:
daz ich | Gemyden muͤg den stoltzen arn, | Dez wirde man sicht so hoch uff varn.
Gille u. a., M. Beheim
453, 351, 2101
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
sach man sunder traur | Vil mänchen unverzagten helt | und stolczen degen auss erwelt.
Voc. Teut.-Lat.
ff iijv
(
Nürnb.
1482
):
Stoltzer wayde͂lich. speciosus pulcer elegãs formosus dispositus. od’ schoner feyner.
Bihlmeyer, Seuse
139, 26
(
alem.
,
14. Jh.
):
und gie ein stolzer himelscher jungling bi ime und fuͦrte in an siner hand.
Päpke, Marienl. Wernher
1028
(
halem.
,
v. 1382
):
Ich main das holcz | So vin, so stolcz, | Dem ,ewig leben‘ | Ist name gegeben.
Ebd.
14197
:
Wer ist dú von der wuͤsti gat, | Des morgen rotes schoͤni hat, | Also wunneklichen stolcz, | Dringen uf als sam ain bolcz | Mit schúcze schnellenklichen tuͦt?
[bezogen auf Maria]. Maaler
389v
(
Zürich
1561
):
Stoltze vnnd prachtige red.
Sappler, H. Kaufringer
14, 208
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
sol ich ewrn stolzen leib | nit trüten heint bi diser nacht. | so ist mein leben gar volbracht.
Ebd.
18, 82
(
1472
):
der teufel sagt dem schuoler. | wie er ain böser gaist wär | und wie auch das übel weib | seinen jungen stolzen leib | als pößlich uberfaiget hiet.
Chron. Augsb.
2, 139, 11
(
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
die tochter [...] ist ain schöne klosterfraw und lept noch auf das 66. jar und ist jung und stoltz.
Primisser, Suchenwirt
30, 8
(
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Jn stoltzen vreuden, frechen | Swang sich ıͤr [Vraw Mynn] gemuete hoch.
Klein, Oswald
98, 19
(
oobd.
,
1430
):
Gepärd, wort, weis an tadel spëh | schaut man durch hügelichen tritt | von manger stolzen frauen wëh.
Munz, Füetrer. Persibein
318, 2
(
moobd.
,
1478
/
84
):
Der küng si fragt der märe | von disem stolczen iungen, | wer oder wanne er wäre.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
3, 18
(
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
ain klosster, [...], darinne warn stoltze klosterfrawen, der leben dem bischolff nicht geviel.
Siegel u. a., Salzb. Taid.
210, 9
(
smoobd.
,
1565
):
Der starken stolzen pettler halben, die durch die land und all jarmärkt ausziechen, [...], daz soll nit gestatt werden.
v. Ingen, Zesen Rosenw.
95, 8
;
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
718
;
Schützeichel, a. a. O.
192
;
1021
;
Harms u. a., Alberus. Fabeln
70, 7
;
77, 14
;
Logau. a. a. O.
167, 4
;
Pyritz, a. a. O.
5147
;
Bihlmeyer, a. a. O.
21, 10
;
31, 22
;
Sappler, a. a. O.
10, 1
;
14, 24
;
Weber, Füetrer. Poyt.
222, 5
;
Voc. Teut.-Lat.
ff iijv
;
Dalby, Lex. Mhg Hunt.
1965, 224
.
Vgl. ferner s. v.
abstechen
 1,
affen
(V.) 2,
arm
(Adj.) 1,
art
(
die
) 5,
baden
 1,
bauersknabe
.