jehen,
V., unr. abl.
– Nur älteres Frnhd.; seit dem 16. Jh. zunehmend seltener.
1.
›sprechen; etw. aussprechen, sagen; von jm./etw. erzählen‹.Bedeutungsverwandte:
kund tun
kund
sagen
sprechen
Syntagmen:
dank jehen
›danken‹; gehorsam jehen
›gehorchen‹; etw. jehen hören
›erfahren‹; hu jehen
›höhnen‹; lob jehen
›loben‹; lügen jehen
›lügen‹; schwur jehen
›schwören‹; selig jehen
›seligsprechen‹; mit Akk. oder Gen.: gutes j.
, wünsche j.
; lobes / preises j.
Belegblock:
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 112, 8
(Hs. v. M. 14. Jh.
): Got sprach zu seiner muter jüdisch, latin nicht | die schrift des gicht.
Kurz, Waldis. Esopus
3, 2, 10
(Frankf.
1557
): Da solchs die andern Schaͤffer sahn, | Es wundert sie vnd zu im jahen. | Was hat das arme Schaf gethan.
Froning, Alsf. Passionssp.
1763
(ohess.
, 1501ff.
): wer gehort ye groisser loegen jehen?
Jahr, H. v. Mügeln
1112
(omd.
, Hs. 1463
): Das erste ros, das hiß das Sen | rot was sin farbe, hör ich jen.
Schade, Sat. u. Pasqu.
2, 184, 324
(o. O. 1521
): Es wer dann daß Paulus haimlich het gesehen | Da von im zimet nit zů jehen.
Henschel u. a., Heidin
1866
(nobd.
, um 1300
): Wer sol mir gantzes prisez iehen.
Sachs
16, 466, 18
(Nürnb.
1563
): er höret unde sicht, | Was ir hand thut und ir mund gicht.
Bernoulli, Basler Chron. 5,
133, 10
(alem.
, A. 15. Jh.
): do fluhent sy alle herwider us mit eym geschrey und jahent: daz land wer als vol lútz.
V. Anshelm. Berner Chron.
1, 186, 30
(halem.
, n. 1529
): Es sol ouch menklich der unseren sine wib und kind darzů ziehen, dass si kein schwůr bruchen noch jaͤhen.
Sappler, H. Kaufringer
13, 406
(schwäb.
, Hs. 1464
): si kund gen im nicht anders jehen | dann: ,läll läll‘.
Primisser, Suchenwirt
3, 70
(oobd.
, 2. H. 14. Jh.
): Der mit dem munde gůtes gicht, | Und maint iz mit dem hertzen ark.
Gierach, Märterb.
4280
(Hs. ˹moobd.
, A. 15. Jh.
˺): des mag nicht geschehen, | ich müez im gehorsam jehen.
Helm, H. v. Hesler. Apok.
291
; Fischer, Brun v. Schoneb.
3245
; Frantzen u. a., Kölner Schwankb.
1, 31, 1
; Luther, WA
30, 3, 567, 32
; Goedeke u. a., Liederb.
327, 67
; Stackmann u. a., a. a. O.
5, 116, 4
; Spanier, Murner. Narrenb.
26, 68
; Bächtold, H. Salat
191, 306
; Fischer, Eunuchus d. Terenz
47, 10
; Weber, Füetrer. Poyt.
158, 1
; Rwb
6, 488
; Schmitt, Urkundenspr.
1936, 166
.2.
›etw. mit Bestimmtheit aussprechen, als sicher angeben, etw. behaupten‹; subst.: ›Aussage‹.Syntagmen:
auf eid jehen
›schwören‹; auf jn. jehen
›sich auf jn. berufen‹; erbes jehen, erbschaft / leibgeding / recht auf etw. jehen
›rechtlichen Anspruch auf etw. (z. B. Eigentum, Gut) erheben‹.Belegblock:
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.
2831
(preuß.
, um 1330
/40
): Dî armunge sol geschên | nâch sente Bernhardis jên.
Große, Schwabensp.
74, 19
(Hs. ˹nd.
/md.
, um 1410
˺): Svmeliche lůte iehnt, so der man sestich iar alt is, so si her zů sinen tagen comen.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
1149
(mrhein.
, um 1335
): Scribe, daz er iehe offenbar | er were vnser kunig.
Leman, Kulm. Recht
2, 5, 53
(Thorn
1584
): is en sy denne alse verre das her yehe her were gevangen bussen halp landis.
Ermisch, Freib. Stadtr.
230, 2
(osächs.
, Hs. v. 1325
): sal vregen den, uf den he geiehen hat, ab he im di pfenninge gegeben habe.
Sachs
14, 318, 33
(Nürnb.
1553
): Ich mag es auff mein aydt wol jehen, | Das ich nit viel guts hab gesehen.
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 118, 1
(alem.
, Hs. 14. Jh.
): Vil manger singer gicht, er künne hohe kunst.
Chron. Strassb.
28, 13
(els.
, 1362
): er was gar übeltetig, daz man jach er were ein vient menschliches kunnes.
Bächtold, N. Manuel.
354, 2007
(Zürich
1548
): Nun werdend aber etlich jehn, | Ich söl den wisboum vor usziehn.
Dirr, Münchner Stadtr.
369, 15
(moobd.
, 1340
): Jaech iemant erbschaft oder leipgedings auf ein gůt.
Herzog, Landsh. UB
512, 10
(moobd.
, 1383
): der Graͤfinger […] iach die gut, […] di waͤrn sein.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron.
133, 3
(moobd.
, 1478
/81
): sy […] jahen, er hiet sy in das land verraten.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
375, 3
(moobd.
, 1473
/8
): Do jahen s’all geleiche, | das sy zue paider seit vil arbait liten.
Große, a. a. O.
154, 25
; Frantzen u. a., Kölner Schwankb.
1, 12, 2
; Froning, Alsf. Passionssp.
1719
; Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
21, 2
; Fuchs, Murner. 4 Ketzer
87
; Morrall, Mandev. Reiseb.
16, 3
; Völker, Antichrist
425
; Dirr, a. a. O.
352, 24
; Winter, Nöst. Weist.
3, 785, 29
; Kummer, Erlauer Sp.
2, 275
; Rwb
6, 489
.3.
›etw. bekennen, zugeben; jm. etw. einräumen, zugestehen; an jn./etw. glauben, sich zu jm./etw. bekennen‹.Phraseme:
bei der warheit, in / mit / von warheit etw. jehen
›etw. wahrheitsgemäß einräumen‹.Bedeutungsverwandte:
beiachzen
bekennen
gestand tun
gestand
verjehen
Syntagmen:
mit Gen. (meist) oder Akk. der, die warheit j.
; an jn. j.
Belegblock:
Schöpper
94a
(Dortm.
1550
): Confiteri. Veriehen beiachtzen jehen veriähung thun bekennen bekennig sein gestand thun nit in abred stehen nit abredig sein nit verleucknen nit abred sein.
Helm, H. v. Hesler. Apok.
5570
(nrddt.
, 14. Jh.
): Und in [juden] geboten daz sie swigen | Und an Jhesum Crist nicht gigen.
Frantzen u. a., Kölner Schwankb.
1, 9, 5
(Köln
um 1490
): Sij synt unwissen, dat moys ich jehen.
Kurz, Waldis. Esopus
2, 49, 9
(Frankf.
1557
): Ich mags wol mit der warheit jehen, | Wir sind beid gar vbel versehen.
Ermisch, Freib. Stadtr.
49, 18
(osächs.
, Hs. v. 1325
): des muz he im zu hant iehen oder loikenen.
Ebd.
259, 27
: he ste denne bi im unde iehe an sin wort.
Tittmann, Schausp. 16. Jh. Ayrer. Phaenicia
211, 239
(Nürnb.
1618
): das hett ich nicht glaubt, muß ich jehen | hett ich nicht ghört und zum teil gsehen.
Bihlmeyer, Seuse
429, 20
(alem.
, 14. Jh.
): daz muͤssent ellú hertzen von gantzer waͮrheit jehen.
Chron. Strassb.
61, 8
(els.
, 1362
): er waz doch des tages ein helt gewesen […] dez johent im die besten an dem strite.
Pfaff, Tristrant
140, 24
(Augsb.
1498
): Der můst nun von waren schulden yehen, das er in seinem leben so schoͤnen leyb ye gesahe.
Primisser, Suchenwirt
31, 151
(oobd.
, 2. H. 14. Jh.
): Die fraw die sprach: ,Des gih ich dir,.
Große, Schwabensp.
100, 5
; Leman, Kulm. Recht
2, 4, 27
; Reissenberger, Väterb.
38129
; Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
720
; Froning, Alsf. Passionssp.
3568
; Schade, Sat. u. Pasqu.
2, 168, 100
; Stackmann u. a., Frauenlob
14, 8, 2
; Thiele, Minner. II,
19, 18
; Banz, Christus u. d. minn. Seele
1094
; Goedeke, P. Gengenb.
133, 602
; Kottinger, Ruffs Etter Heini
213
; Spechtler, Mönch v. Salzb.
46, 13
; Kummer, Erlauer Sp.
3, 1315
; Schmitt, Urkundenspr.
1936, 166
.4.
›etw. anerkennen, bestätigen, bezeugen, billigen, zu etw. ja sagen; jm. zustimmen‹; ›jm. etw. zuerkennen, zusprechen‹.Syntagmen:
jm. manheit / meisterschaft j.
, jm. heiles / sieges j.
; jm. j.
; mit warheitsgrund j.
, billig jehen
.Belegblock:
Wolf, Gesetze Frankf. A
7, 5
(hess.
, 1349
/52
): sie […] enphahen ire burgerschaff, das in der die burgermeistere jehen.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
1389
(alem.
, 1. H. 15. Jh.
): Es ward liebers nie gesehen, | Das müß mengclich von im iehen.
Leisi, Thurg. UB 8,
250, 3
(halem.
, 1396
): das die vorgenanten […] billich iehen oder logenen soltent.
Müller, Nördl. Stadtr.
31, 28
(schwäb.
, 1348
/50
): swer den andern ansprichet umb lutzel oder vil, der sol im leugnen oder iehen.
Primisser, Suchenwirt
9, 193
(oobd.
, 2. H. 14. Jh.
): Daz Gibling unde Gelfe | Im mŭsten manhait iehen.
Ebd.
15, 48
: Daz im die veinde mŭsten yehen | Syges unde hailes.
Ebd.
31, 123
: ,Du haust war,‘ | Sprach die fraw, ,ich will dir iehen‘.
Weber, Füetrer. Poyt.
134, 5
(moobd.
, 1478
/84
): Fraw Mynn, ich mŭeß euch hie des siges iehen.
Kummer, Erlauer Sp.
3, 1194
(m/soobd.
, 1400
/40
): des suͤll wıͤr selben christenleiche jhehen.
Wackernell, Adt. Passionssp. St. II,
1546
(tir.
, v. 1496
): So well wir im dan maysterschaft jechen.
Dertsch, Urk. Kaufb.
839
; Matthaei, Minner. I,
8, 383
; Welti, Stadtr. Bern
505, 5
; Primisser, a. a. O.
6, 155
; McClean, Havich
2684
; Wackernell, a. a. O. I,
158
; Rwb
6, 488/90
.5.
›jn. etw. nennen, jn. als etw. bezeichnen‹.Belegblock:
Fuchs, Murner. Geuchmat
5126
(Basel
1519
): Man můß jn ,gnedig frouwen‘ iehen.
Wackernell, Adt. Passionssp. St. II,
2217
(tir.
, v. 1496
): ,Der juden künig‘ schreyb in nicht, | Sunder das er sich iren künig gicht.
6.
›etw. beanstanden‹.Belegblock:
Siegel u. a., Salzb. Taid.
333, 17
(smoobd.
, 1435
): Geschicht in dem jar nach der frag ain pluet, des man gicht, so sol der landrichter sein püess vordern.
7.
›jn. ehren, verehren‹.Syntagmen:
mit Akk. oder Dat. d. P. / d. S.Belegblock:
Eggers, Psalter
13, 13
(thür.
, 1378
): Ich ie dir, herre in alle mime herzcen.
Ebd.
38, 10
: Dvrch daz iehe ich dich in den gislechtin vñ sal singen dinen namen.
Gierach, Märterb.
13486
(Hs. ˹moobd.
, A. 15. Jh.
˺): mächt ich denn tag gesehenn, | ich wolt sein zü got jehenn.
8.
›einen Ton geben (von Instrumenten)‹.Belegblock:
Schwäb. Wb.
4, 92
(1. H. 16. Jh.
; 1617
; 1629
).