träge,
Adj.
/
Adv.
1.
›träge, langsam, schwerfällig‹; auf Lebewesen und auf sächliche Bezugsgrößen (z. B. auf den Wind, auf Schiffe, den Puls) in Bezug auf die Geschwindigkeit der Bewegung angewandt; vereinzelt: ›spät, zu einem späteren Zeitpunkt‹; offen zu 2.
Bedeutungsverwandte:
 1,
1
 1.
Gegensätze:
 2, (Adj.) 1, , .
Syntagmen:
j. / etw
. (z. B.
der tauf / wind, das ros / schif / werk
)
t. sein
;
t. werken, etw
. (z. B.
sprünge
)
t. messen / zälen
;
der t. markt / puls
.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
alsuͦs sol her sin lebent mezent, daz her an deme gerichte zuͦ thrahe noch so zuͦ gahe si.
Bell, G. Hager
70, 2, 33
(
nobd.
,
1594
):
wie ein schif fort | da faren thut | [...] | der wind dreibt es vnd ist nit dreg.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
vñ dz pluͦt der adern wiß kã dar zuͦ eı͂ trege͂ puls.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Weder træge noch zebald | Ist kain ir [froͮwe] wandel nút gezalt | Denn nach der beste wise
(Sinn: ›weder langsam noch schnell kann Marias Lebenswandel erzählt werden, sondern nur nach der besten Weise‹).
Sappler, H. Kaufringer
16, 198
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
wie pald der tiefel darauf rat, | das man bait zwen tag oder drei, | das der tauf dest träger sei, | ob das kind dieweil verfar
(hier etwa: ›dass die Taufe verschoben werde‹).
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
etleich sprechent [...], daz diu schef træger sein in irm gang, sô die sneken zder rehten seiten dar an hangen.
Jahr, H. v. Mügeln
1132
;
2429
;
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 500, 2
;
Vgl. ferner s. v.
1
 1.
2.
›faul, müßig; antriebslos, lustlos; nachlässig‹ (als Eigenschaft eines Menschen); als Ütr. zu 1 auffassbar; z. T. Bestandteil von Lasterkatalogen, dann offen zu 5; im Sinne der Temperamentenlehre auch: ›phlegmatisch‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
, (Adj.) 2,  4,  1,  2, (Adj.) 1, ; vgl.  1, ,
3
, (Adj.) 2,  2,  3,  1.
Gegensätze:
 2, ,  1, (Adj.).
Syntagmen:
t. sein / werden
(z. B.
zur arbeit
);
jn
. (z. B.
eine meid
)
/ etw
. (z. B.
eine henne
)
t. machen / nennen
;
der träge bauer / man, das träge gemüt
.

Belegblock:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
1676
(
rib.
,
1444
):
Ich en byn ouch moissich noch trage | Myn werck steetlich zo wircken.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
Du kelnersen des closteres sal gecorn werden von der samenungen wise und guder sidde, reine und cusche, nit homudig, nit betrubelich, nit wedermudich, nit trege, nit suinde.
Gille u. a., M. Beheim
246, 94
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Flegmatika, das ist dy vird. | kelt und feuhtikait sy gepird. | der mensch treg und slefferig wird, | langsam und nit zu pelde.
Menge, Laufenb. Reg.
2207
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1470
˺):
FLegmatticus [...] | [...] | Der ist dem wasser glich natúret | Kalte vnd fúchte als man spúret | Ful träge vnd von synnen grobe.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
531
(
Genf
1636
):
traͤg / Faul / der nicht arbeyten mag.
Neumann, Rothe. Keuschh.
5592
;
Menge, a. a. O.
655
;
Klein, Oswald
39, 24
;
Vgl. ferner s. v. (Adj.) 1,  8,  3,  14,
1
 12,
1
 1,  1.
3.
›körperlich müde, erschöpft; schwach, kraftlos; krank‹; vereinzelt ütr. auf psychische Zustände, dann: ›lustlos, einer Sache überdrüssig‹; in 1 Beleg: ›unfähig, zu etw. nicht in der Lage‹; in bildlicher Verwendung offen zu 5.
Bedeutungsverwandte:
,  3,  1, , ; vgl. ,  3, (Adj.) 12,
1
 1,
1
 1, (Adj.) 2, (Adj.) 134,  1,  3, (Adj.) 1, (Adj.) 1, .
Gegensätze:
.
Syntagmen:
j. t. sein / werden
(z. B.
in einem stande
),
etw
. (z. B.
das gemüt, ein drache / hund
)
t. sein, j. zu etw., des leibes
(bildlich)
t. sein
;
etw
. (z. B.
der winter / das geschrift
)
jn. t. machen, jm. der sin nicht t. stehen
;
in gottes weg t. gehen
;
der träge leib / winter
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Träg faul lăw schlefferig aßmerlich maßleidig vnfrutig
(auch zu 5 stellbar).
Buch Weinsb. (
rib.
,
1576
):
den morgen umb 10 uren finge ich an zu schutteren und zu freren, unlustich, trag zu sin.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Mancher, dem sein standt nit behagt, | Vnd sich in einen andern wagt, | [...] | [...] wirdt auch in demselben treg.
der Hundt [...] | [...] stuͤrtzt nider auff halbem weg, | Als ob er wer vor hunger treg.
Stoltzius, Chym. Lustg. (
Frankf./M.
1624
):
Nicht thewer ist der einig Drach / | Dann er ist traͤg / verliehrt sein Krafft.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
[Christus]
was des libes trege | Von der burden unser schult.
Wand wir sin gekart von dir [Got] | [...] | Also daz wir vil trege | Giengen in dinem wege.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
4, 55
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
daz gemut, das do gar fleyßlich die fremden suͤnd beschawet, daz ist gar trege, sein aygen missetat czu erkennen.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Aber einem traͤgen libe tuͦt daz nachvolgen we.
Maaler (
Zürich
1561
):
Der Traͤg oder vngschickt winter / der faul vnd trag machet.
Klein, Oswald
26, 4
(
oobd.
,
1427
):
Ab nach dem Rein gen Haidelwerg, | in Engelant stünd mir der sin nicht träge.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
3611
;
Vetter, Pred. Taulers .
4.
›feige, verzagt‹.
Bedeutungsverwandte:
; vgl. (Adj.) 2,  3, , (Adj.) 2, (Adj.) 2.

Belegblock:

Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
8, 17
(
Frankf./M.
1626
):
Doch zogen sie
[Kreuzfahrer]
nicht alle auß andaͤchtigem eyffer mit [...] theils daß sie nicht wolten fuͤr verzagt vnnd traͤge angesehen seyn.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
204, 4
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Ayax unnd Poluxene – | mit irer hilf sy
[Cedrius und Epistros]
waren nicht dy tregen.
5.
›schwerfällig, uninteressiert‹; in religiösen Kontexten: ›des Glaubens überdrüssig‹; tendenziell: ›ungläubig, an Gott zweifelnd, verzweifelnd‹; häufig Gegenstand moraldidaktischer Kritik; Ütr. zu 2.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  1, (Adj.) 6, ,  4, ,  2, (Adj.) 6, (Adj.) 3, (Adj.) 12,  23,  2,  1, ,  6,  2, , , , ; vgl.  1,  2,  4,  5.
Gegensätze:
, , (Adj.) 3, .
Syntagmen:
das gemüt t. sein, j. in einem dienst, zu dem guten t. sein, j. t. sein, zu
[+ Infinitivsatz mit
zu
, z. B.
eine missetat zu erkennen, got zu empfangen
]
, an etw
. (z. B.
an gottesdienst
)
t. werden
;
die sünde jn. t. machen
(z. B.
zur tugend, zu guten werken
);
sich als t. finden
;
der träge sünder, die träge ablässigkeit / nonne, das träge herz
.

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
Hebr. 12, 1
(
Wittenb.
1545
):
Lasset vns ablegen die Sünde / so vns jmer anklebt vnd trege macht.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
ich vinde mich als blôz und kalt und træge, dar umbe entar ich niht ze unserm herren gân!
Neumann, Rothe. Keuschh.
561
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
das machte sy [meide] also zu togende trege | das sy iren licham nicht wolden bewege.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
Nu hore, du trege sundere, dich sol ervaren das heilige ewangelium.
daz crŭt was vil schedelich und machte alle die lŭtte trage zu guten werkin.
[...] das er [mensch] sein kreft poßlich verczert hat, snell czu dem posen, treg czu dem guten gewesen ist.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
27, 16
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
daz ir eine gnodelose trege verblibene nunne werdent.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Weles ist sin von úch varn anders danne gelassenheit, trostlosekeit und ungeschickeit zuͦ alleme guͦte, trege und kalt und swer und dúnster?
Strauch, Schürebrand (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Jhesus Christus gebe úch [...] einen demuͤtigen gebesserlichen wandel one alle trege abelessikeit in dem gottes dienste.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
das geriet die lüte verdriessen, do sü begundent trege werden an gotzdienste.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Træge noch trurig was er nút, | Mit trúwe mainde er alle lút | [...] | Er was froͤlich, warhaft, stæte.
hail. altvaͤter (
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
do erschrak er gar ser vnd erkand sich selber das er traͤger vnd unnuͤczer was.
Bauer, Geiler. Pred.
78, 8
(
Augsb.
1508
):
du bist nach deiner seelen daz du bist gnadloß. hert. kalt. traͤg. und gebrestlich an allen guͦten uͤbungen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
44, 42
(
tir.
,
1464
):
Ich pin träg gewesen dich
[Gott]
zu enpfhahen, da tu dich zu mir chërt hast.
Feudel, Evangelistar
89, 14
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Vetter, a. a. O. ;
Strauch, a. a. O. ;
Schmidt, Rud. v. Biberach
122, 7
;
Bauer, Imitatio Haller
104, 31
;