tocke,
die
;
-n/-n
;
zu
mhd.
docke, tocke
›Puppe‹
(), insgesamt jedoch unklare Etymologie (
Kluge/S.
2011, 208
).
– Außerordentlich divergentes Bedeutungsfeld.
1.
›Puppe zum Spielen für Kinder, hölzerne Spielfigur, Marionette; leblose, hübsch anzusehende Zierfigur‹; auch: ›Heiligenfigur‹; unter negativem Aspekt Leblosigkeit, Unmenschlichkeit bzw. Wertlosigkeit hervorhebend, dann: ›leblose, unheimliche Larve; menschenähnliche Erscheinung (in 1 Beleg bezogen auf drei Göttinnen); Tand; Schellenwerk; Rassel (für Kinder)‹; oft abschätzig oder spöttisch für Frauen gebraucht.
Bedeutungsverwandte:
 2,  1; vgl. ,  2.
Syntagmen:
eine t. kaufen / machen / schnitzen / sehen
;
die tocke häslich sein
;
als eine tocke erscheinen / gehen, bekleidet werden, gleich einer tocke aussehen, etw. wie die tocken aufmutzen
;
mit (den) tocken, mit den worten der tocken spielen
;
die alte / feine / liebe / russige / schämliche t., die erwälten / gemalten / wunderlichen tocken
;
der freude tocken
; in der Anrede:
du t
.
Wortbildungen:
tockenbild
,
tockengeschir
,
tockengeschmuk
›Weiberputz, -tand‹,
tockenkrämer
,
tockenschale
,
tockenschein
›Larve, Trugbild‹,
tockenspezerei
›unwichtiges, wertloses Zeug‹,
tockenspiel
,
tockenvolk
(a. 1534),
tockenwerk
1. ›Spielzeug für Kinder‹; 2. ›Spiel der Kinder, Puppenspiel‹; offen zu: ›nichtiges Tun, Bagatelle‹,
tockete
,
tocketenmacher
.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
):
Er lässet Andre reisen | [...] und bringen Gold für Eisen, | für Tocken Specerei.
Ebd. (
1638
):
Fleiß ist ihr Tockenwerk [...] | [....] | Sich Üben an der Not [...] | [...] | ist ihr gebräuchlichs Tun.
Gehe nu hin du feine tocke, und ruͤme dich deynes freyen wilens.
Ebd. (
1528
):
das Messehalten, kappen tragen [...] kinderwercke sind, gleich als wenn die meydlin mit den tocken spielen, odder wenn die knaben auff dem stecken reitten.
Ebd. (
1531
):
er kluͤgelt gleich wie ein [...] Becker [...], der aus Zucker oder Teig machet Scheflin, Huͤndlin und allerley Toͤcklin von Mans und Frawen Bildern.
Jch gleube an seinen Eingebornen Sohn, wie es die kinder bekennen, dan die mit diesen wortten der docken spielen wollen undt des Artickels fheilen, die lauffen ubel an
(hier: ›mit etw. spielen, etw. Unwichtiges tun‹).
Ebd. (
1537
/
40
):
Es wirfft das erste gebot alle ketzerej auff erden hinweg, den Abgotterej macht und schmucket fein sein tockichen und gedenckt: Ej, das wird gott gefallen.
Froning, Alsf. Passionssp.
2021
(
ohess.
,
1501ff.
):
ich wel nicht mene gehen als eyn tock!
Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. (Hs. ˹
pfälz.
,
M. 16. Jh.
˺):
den [grues] sant mir ein schones weibes dockhe
(mit gen. explicativus).
Alberus
b iijv
(
Frankf.
1540
):
Nugiuendus [...] der dockenn vnd weiber geschmuckec. feyl hat.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
24, 16
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
ein mensche wirt in sünden enphangen [...] und ist ein besmirter binstock [...] ein übelsmeckender eimer, ein betrieglicher tockenschein.
Ebd.
23
:
zeuch ab der schönsten frauen des sneiders farbe, so sihest ein schemliche tocken.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
36, 6
(
omd.
,
1487
):
dÿe weÿber wollen gemeinlich tantzen und [...] als dÿe gemaltten tockenn irscheinen.
Fastnachtsp. (
nobd.
,
n. 1494
):
So, du vil liebe docke, | Wess leistu hie pei dem knechte | [...]?
Schade, Sat. u. Pasqu. (
nobd.
1524
):
Daß man got tag und nacht mög loben | Mit steur und hülf zuͦ großen glocken, | Die bild ufmutzen wie die docken, | Mit silbern kelchen.
Sachs (
Nürnb.
1546
):
Wie lang verzert der mensch sein zeit | [...] | Mit dockenspil und fantasieren.
Ebd. (
1535
):
Wer sind die drey erwelten docken | Gewesen mit dem güldin rocken? | [...] | Es sindt die drey göttin deß lebens.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
[In der Hölle]
Hiervor stehn vmbher auff der Wacht, | Viel wunderlicher Docken.
Matthaei, Minner. I, (Hs.
15. Jh.
):
sit ich die ersten kindes spil, | dy tocken und den bal verlie, | daz mir mit kuͦrczwile nye | so sanfft wart me.
der hochsten fursten dry | der furten zwen die tock, | der dritt trug ir den rock
(Marienstatue).
Maaler (
Zürich
1561
):
Docken. (die) Tecelia. Dockenkraͤmer / Der schlaͤchte waar vnd kindle werck verkaufft.
Erhebt werck von kleinen bildnussen oder goͤtzlinen / [...] / als docketen / roͤsszle / voͤgele.
Klaͤfferle / [...] / Tocken / Schaͤllelin vnd allerley damit die kind kurtzweylend vñ sich schweygend.
Tocketenmacher. Coroplates. Tockenwerck (das) Schimpff vnd kindtliche kurtzweyl der kinden.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
120
(
Genf
1636
):
Docke / Poppe / Kinderspiel.
Barack, Teufels Netz (
Bodenseegeb.
,
1. H. 15. Jh.
):
So stat der arm man und ist erschroken | Und sicht glich ainr andren doken | Die weder hend noch füs regt.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
kain alt ruͦssig tocken | Sey so hässlich, als du bist.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Tockenbilder / toͤcklein / kleine goͤtzlin / cerea imago.
Ein schoͤne Docken / die brangt mit jrem Rocke / kan einen wol zum Trunck locken.
Klein, Oswald
21, 98
(
oobd.
,
1416
):
Ir neglin rot mich machen krank, | [...] | [...] wer dich hat erkant, | bistus der freude tocken.
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
355
(
oobd.
,
1607
/
11
):
inwendig darin ligen 5 gaugkel oder fechtmändlein wie dockenwerckh.
Ebd.
1044
:
Ein schön stattlich spilbrett mitsambt seinen stainen, [...], dazugehörig inn einer gemalten schachtel die docken.
Ebd.
1086
:
Eine weisse schachtel voll allerley formb vasetti von besagter terra, wie dockengeschirrlein.
Ebd.
1195
:
noch ein kleiners dockhenschelin ohne fueßlin.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
470, 7
(
moobd.
,
1473
/
8
):
den [Paris] zuckt‘ er [Menelaus] aus dem sattel gleich den tocken.
Kopp, a. a. O. ;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Bächtold, H. Salat ;
Barack, a. a. O. ;
Klein, a. a. O.
41, 45
;
122, 41
;
Bauer u. a., a. a. O.
2193
;
Fichtner, a. a. O.
273, 7
;
2.
›Haube‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1, ,  1,  1, ,
1
 3,  1.

Belegblock:

Schib, H. Stockar
10, 8
(
halem.
,
1519
):
[si] dregend [...] schwarz kladung von siden kustlichen und gros dockan uff ieren hubter.
Ebd.
14, 6
:
die Juden dra(gen) zu Jerusalhem gel docken und brett.
Bächtold, N. Manuel. Barb.
139, 122
(
Zürich
1526
):
siehstu, wie sie hüpschi töckli sticken.
3.
›Blüte‹; wohl auch eine großblättrige Ampherart.
Zur Sache:
Marzell
1, 382
;
5, 87
.
Wortbildungen:
tockenblat
.

Belegblock:

Alberus
EE ijr
(
Frankf.
1540
):
Lappa, kleti / klettenkraut. [...] klein klett / nascitur iuxta riuos et flumina, hat breyt bletter / die heyssen krotten bletter / oder dockenbletter.
Tittmann, Schausp. 16. Jh. Ayrer. Sidea
278, 83
(
Nürnb.
1618
):
wie tregt der baum die schönsten docken.
4.
›Mutterschwein‹.
Zu den Bezeichnungen für ,Muttersau‘ in den rezenten dt. Mundarten s.
Dwa
4
;
7, 3
.
Bedeutungsverwandte:
vgl. , , , ,
2
 1, (
die
), (
die
), ,
1
 1.

Belegblock:

Grimm, Weisth. (
hess.
,
1415
):
wan ein dogke ir ersten frucht brengit, so sin die ferkelin des zehenden fri, aber als digke die dogke darnach frucht brengit, so gevellit davon der zehende.
5.
›rundliches, klotzartiges Holz für verschiedene Zwecke‹; im Einzelnen: ›Holzzapfen; Holzpfeiler, Pfosten; Stützholz‹.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
daz der blîdinmeistir steic | und ûf in di hôhe kreic | [...] | und als er ûf di tocken saz, | Heinrich nam sîn gemerke.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1681
):
Wan aber ein widgärner in die waßer setzen will, da solle er ein tocken daran henken.
Roder, Stadtr. Villingen (
önalem.
,
1400
):
wen er in den model warkat, so sol er die ersten token inschlahen und zuͦ der anderen token so sol er mit ainem schlegel zwen straich tuͦn.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Das land ligt in den offen sê, hat vil gräben und däm mit tocken; wen man dieselben auftuet, wirt’s alles vol wassers.
Krebs, Prot. Spey. Domkap.
1, 1966, 3
;
6.
›Packen, Bund als Maß- und Vergleichseinheit, zusammengedrehtes Bündel, Knäuel (von Baumwolle, Seidenstoffen o. Ä.)‹; in 1 Beleg: ›Messerscheide, kleiner Behälter für ein Messer‹.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): vgl.
1
 4,
1
 7, , (
das
),  1,
1
 3, ,  2.
Wortbildungen:
tocketenwerk
.

Belegblock:

Helbig, Qu. Wirtsch.
5, 29, 34
(
md.
,
1425
; Hs.
M. 16. Jh.
):
ethlige dochken lose seide gren rodt vnnd gelb.
Kollnig, Weist. Schriesh.
175, 8
(
rhfrk.
,
1459
):
die herren zum Stein hant recht off den obgenanten huben off iglicher [...] eyn dock knobelauchs.
Schmidt, Frankf. Zunfturk. (
hess.
,
1583
):
soll ein jeder [...] furlegen, wievil step- oder neeheseiden er dieselb zeit außberait, uff die docken, darin die seiden eingefast.
Maaler (
Zürich
1561
):
Ein grosse kunckleten oder docketen wercks die man eins mals anlegt.
Müller, Welthandelsbr.
299, 1
(
schwäb.
,
1514
/
5
):
tocken von baumbol, sina woffen, gmalte paunboltücher.
Rechn. Kronstadt
3, 447, 24
(
siebenb.
,
1548
):
cui dedimus 1 tecam vulgo toc cultellorum et 1 pileum.