tief,
Adj.
– Ansätze 1-5 für die räumliche Dimensionierung; in 4 und 5 mit der Tendenz zum Bildhaften; 6-8 überwiegend bildlich-assoziativ daran anschließend; 9-11 für Übertragungen verschiedener Art; 12 und 13 zum Ausdruck der Gradierung.
1.
›sich vertikal von oben (aus der Höhe) nach unten (in die Tiefe) in den Raum erstreckend; sich (im Vergleich mit anderen Bezugsgrößen) weit unten im Raum befindend‹; auch: ›eine bestimmte Tiefe (im Gegensatz zu Breite, Höhe, Länge einer dreidimensionalen räumlichen Bezugsgröße) aufweisend‹; häufig in Verbindung mit konkreten Maßeinheiten und Vergleichsgrößen (z. B. mit Schuh, Nagel);
vgl.  1.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  1.
Gegensätze:
 1,  1.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
die erde
)
t. sein
;
etw. eines (bauern)schuhes / klafters / löffels / mans / nagels, eines knies t. sein, eine staffel, eine hand breit, x lehen
(vgl.  4) /
lofter
,
eines mans länge t. sein
.
Wortbildungen:
tiefung
.

Belegblock:

Jahr, H. v. Mügeln
379
(
omd.
, Hs.
1463
):
wie tif, wie hoch, wie wit, wie lank, | in formen sie [des himmels sterne] min zirkel twank.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
2, 43
(
thür.
,
1474
):
nemelich eyner wunden halbin, [...] darvon dy schepphin des gerichtis [...] eyn maeß genommen habin nayls tiff unde geledeß lang.
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1650
):
ein anderer stollen [...], welcher 40 klaftern tiefer als die tiefsten albereit in der gruben weren.
Gille u. a., M. Beheim
4, 3
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Da got den himel und die erd peschaffen was | [...] | die hochung, tieffung, weit, preit, leng er mass.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1492
):
sah man dreu löcher pei dem pulpret eins löffels prait und tief.
Engel, Rats-Chron. Würzb.
190a, 13
(
nobd.
, Hs.
M. 17. Jh.
):
ein frost mit einem schne, eins großen paurenschugs tief.
Morrall, Mandev. Reiseb.
19, 13
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
und haissent machen gruͦben umb und umb ains knúß tieff.
Martin, H. v. Sachsenh.
456
(
schwäb.
,
1453
):
Wie hoch, wie tieff, wie lang, wie breit | Ist, frow, dins lobes mes!
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 153, 9
([
Augsb.
]
1548
):
Der Himel ist hoch / und die Erde tieff.
Jahr, a. a. O.
776
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
66, 35
Stopp, Kochbuch S. Welserin
198, 9
;
Piirainen, Igl. Bergr.
23b, 17
;
Qu. Brassó
5, 454, 16
;
Vgl. ferner s. v. ,
1
 3.
2.
›sich in überdurchschnittlicher Weise vertikal nach unten oder nach innen erstreckend; weit innen liegend‹; auf die Form, Ausprägung konkreter Bezugsgrößen bezogen; im Einzelnen auch: ›tief ausgehöhlt‹ (z. B. von Gefäßen, Wegen gesagt); ›tiefliegend‹ (von Augen, Adern gesagt); ›tief eingewachsen‹ (z. B. von Geschwüren gesagt); ›weit in das Gewebe reichend, klaffend‹ (von Wunden gesagt); offen zu 3.
Bedeutungsverwandte:
,  2, .
Syntagmen:
t. werden
›einsinken‹;
der tiefe becher / schrot / zuber, die tiefe schale / schüssel / vase / wunde, das tiefe auge / geschwür, tiefe schubladen
.
Wortbildungen:
tiefen
(V.),
tiefhammer
›Hammer mit langem Stiel für Schmiedearbeiten‹.

Belegblock:

Ziesemer, Gr. Ämterb.
245, 4
(
preuß.
,
1452
):
3 helmeysen, ein formeysen, 2 tiffehamer [...].
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
68, 18
(
Frankf.
1535
):
Die tugent des steyns vnd seiner bluͦmen ist / das er die tieffen geschwer heylt.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
ein mal da ging der herr in daz kloster genset Florencz auf dem perg, [...] da gegent im der knecht in einem tiefen weg
(›Hohlweg‹).
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
solt ich dich begeben, | Ich wurd verwundt mit tieffem schrot
(›Stichverletzung‹).
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
in ritterleichen schein | Slach er vil teuffer wunden rot.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz dreizehend zaichen
[für eine Schwangerschaft]
ist, daz etleicher frawen diu augen vinster werdent und tief.
welher mensch tief augen hât vast hin ein gesetzt in daz haupt, der ist kündig oder hinderlistig.
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
408
(
oobd.
,
1607
/
11
):
becherlein oder tieffe schälein.
Bauer u. a., a. a. O.
1099
;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
364, 4
;
Munz, Füetrer. Persibein
137, 2
;
Rohland, Schäden
542
;
Vgl. ferner s. v.  6.
3.
›weit hinein, hinunter, nach unten, in die Tiefe; tief unten, innen‹ (vom Ort bzw. der Ausrichtung einer Bewegung, Handlung gesagt).
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  1, (Präp.) 3, (Adv.) 2.
Syntagmen:
etw. t. eingraben / hineinmachen
(z. B.
fenster
) /
hineinsenken / versenken, sinken lassen, sich t. ausrecken, etw
. (Subj.)
t. in den schlam füren, etw
. (z. B.
pfäle
)
t. in den weg hineintreiben, jm. t. in den hals greifen, jm. einen sper t. in den rachen stechen, etw
. (Subj., z. B.
das schwert
)
t. in etw. hineingehen
;
t. bauen / fallen / faren
›einfahren‹
/ graben / hinabspringen / hinniedersinken / pflügen, sich t. ausrecken / bücken, etw
. (Subj., z. B.
die hauptadern
)
t. liegen
,
die augen jm. t. im haupt stehen
.

Belegblock:

Luther, WA (
1519
):
dan auch anzweyffell, yn Deutscher tzungen, das wortlein ,tauff‘ her kumpt von dem wort ,tieffe‘, das man tieff yns wasser sencket, was man tauffet.
Ebd. (
1521
/
22
):
Und was hilfft solcher tzorn? Es macht die sach nit besser, ya furet sie nur tieffer in den schlam.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
672, 5199
(
Magdeb.
1608
):
Es vberwug aber die buͤrd / | Das er sie zu tieff sincken ließ.
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
denn Agraies jhm solchen streich auff den Helm gegeben, daß das Schwerd so tieff hienein gegangen, daß er es nicht mehr herauß ziehen kondt.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
33, 27
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
So sint dy jeger und slon starke pfele tyf hi und do in den wek.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Der Butsch buckt sich dief.
Klein, Oswald
114, 60
(
oobd.
,
1436
):
der himel fürste ward verkront, | tiefflich gedruckt, das sich entwarf | mit blüt sein antlutz.
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
1599
(
oobd.
,
1607
/
11
):
Ein silber weiß rauchfäßlin mit einem runden deckhele voller löchlein, an den 4 seitten einwerts getieffte
[›eingekerbte‹]
buggeln.
Munz, Füetrer. Persibein
228, 4
(
moobd.
,
1478
/
84
):
Der ritter ellennsreiche | spranngt an den wurmm zw hanndt | vnd graiff im fraidikleiche | tewf in sein halls.
Gajek, Seidelius. Tych.
9, 22
;
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
119, 34
;
Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib.
1989, 281
.
Vgl. ferner s. v.  5,  5,
1
 8, (V.) 7.
4.
›hoch, in größeren Mengen [wo] stehend, liegend‹ (von Wasser, Schnee, Schlamm gesagt); mit Verschiebung der Bezugsgröße auch: ›von etw. (Wasser, Schnee, Schlamm) auf eine das Vorwärtskommen behindernde Weise bedeckt, unwegsam; überschwemmt, morastig‹ (von Straßen, Wegen, Wiesen gesagt); bei Luther bevorzugt bildlich und in Genitivmetaphern.
Bedeutungsverwandte:
; vgl. (Adj.), .

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
Solchen grossenn, tieffen, grewlichen unflatt yhrs hertzen [...] decken sie mit den feygenblettern yhrer werck ym gesetz.
Ebd. (
1529
/
32
):
So sihet man doch [...] die balcken ynn der tieffen grundsuppen aller untugend nicht.
Ebd. (
1532
):
wenn er [Teuffel] einen menschen ergreiffet [...], so ist er jnn eine leimgruben und tieffen schlam gefurt.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
584, 2476
(
Magdeb.
1608
):
Der Rittmeister kroch selbst hinwegk / | Ohn schwert vnd Pferd durch tieffen dreck.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
73, 42
(
nobd.
,
1523
):
wenn einem schopfen zu gericht verkundigt und dartzu gehen will und kompt an wasser, daruber er gehen muß, [...]. Bedunckt’s ime zu tyff, mag er heim gehen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
die weg wurden allenthalben so tief und so daß man wol in fünf wuchen niemand zu dem andern möcht kommen.
und die straß so tief und so kottig und vil stapfen über die gaßen, daß man hart und mit müe dardurch gefaren mocht.
5.
vom Standpunkt des Betrachters aus räumlich ›sehr tief, weit nach unten, hinab reichend, abfallend‹ (auf geographische Formationen, z. B. Täler, Seen, Schluchten, und vertikal in den Erdboden führende Bauwerke, Anlagen, z. B. Gräben, Keller, Stollen, bezogen); in bildhaften Vergleichen tritt gelegentlich der Aspekt des Bedrohlichen in den Vordergrund, vor allem im Zusammenhang mit negativ gedachten räumlichen Bezugsgrößen (z. B. Gruft, Kerker), bei denen auch die Aspekte mangelnder Helligkeit, Uneinsehbarkeit, menschlicher Abgründigkeit sowie Gottesferne assoziierbar werden.
Bedeutungsverwandte:
vgl. ,  3,  5,  1, .
Gegensätze:
,  2.
Syntagmen:
das wasser t. sein
;
der tiefe abgrund / anlauf / brunnen / eingang / (erb)stolle / fal / grabe / grund
(z. B.
der zisterne
)
/ keller / kerker / runst / schacht / se / teich / tümpel / turm / wag, die tiefe grube / gruft / klinge / schlucht, das tiefe loch / mer / tal / wasser
;
das tiefste
(subst.) ›die Sohle der Grube‹.
Wortbildungen:
tiefste
(
das
) 1 ›der tiefste (wasserabführende) Schacht eines Grubenbaus, die Sohle der Grube‹ (vgl.  3).

Belegblock:

Luther, WA (
1537
):
Es ist seine Sonne, du schleffest oder sitzest in einem finstern tieffen thurm [...], das du ihr liecht nicht sihest.
Karnein, Salm. u. Morolf
184, 3
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
er warff ine inn einen dieffen graben.
Stoltzius, Chym. Lustg. (
Frankf./M.
1624
):
Ein schoͤne Goͤttin bin ich zwar / | Jm tieffen Meer gebohren war.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
32, 23
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
wie sie [...] schechte, stollen und tiefe funtgruben in die erden durchgraben.
Ebd.
39, 19
:
eyn wassir Cakomoya genant, [...] ist also tyf daz groze schif dar ynne sigiln.
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1509
):
es soll auch keiner auf den halden erz kleinern; es wäre denn, dass er in derselben zeche das tiefste bauet.
Gille u. a., M. Beheim
278, 7
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
In disem niderspringen | pehieng der selbig mensch an ainem pam | ob ainer tieffen klingen.
Sappler, H. Kaufringer
1, 300
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
und
[
der engel
]
stieß in ab der prugg zestund | in des tiefen wassers grund.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
Auch seind in vilen heüsern die eingaͤng so finster vnd tieff / das einer solte vermainen / er gieng inn eine Hüle oder Keller hinab.
Klein, Oswald
3, 42
(
oobd.
,
1422
):
des ward Helias ferr versant, | und Joseph in den kärker tieff versmitt.
Ebd.
23, 66
(
1425
):
Auch schwimmen wolt ich leren | auf ainem tieffen see.
Ebd.
44, 24
(
1426
):
mit dickem wald umbfangen, | vil hoher berg und tieffe tal.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
58, 465
;
Österley, Kirchhof. Wendunmuth ;
Knape, Messerschmidt. Bris.
41, 13
;
Löscher, Erzgeb. Bergr.
66,
Anm. 5;
Wutke, a. a. O. ; ;
Lauchert, Merswin ;
Morrall, Mandev. Reiseb.
62, 23
;
Sappler, a. a. O.
14, 667
;
Klein, a. a. O.
12, 66
;
17, 33
;
Mollay, H. Kottanerin
33, 38
.
Vgl. ferner s. v.  1,
1
 2,  3,  5,  10, , .
6.
›abgrundtief, bodenlos‹; Spezialisierung zu 5 im Zusammenhang mit der christlichen Vorstellung von der Hölle als in die Erde führendem Schlund und dem vom Himmel am weitesten entfernten Ort des Universums; gelegentlich ütr.: ›rettungslos, ausweglos‹; auch subst.;
vgl.  2.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Zur Sache: .
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1,  1,  2.
Syntagmen:
t. im fegfeuer sitzen, im grund der helle liegen, jn. t. zur helle verdammen, t. in den abgrund der helle verdamt werden
;
die tiefe gruft / helle / pfütze / sünde
;
das tiefste
(subst.)
des abgrundes, der helle
.
Wortbildungen:
tiefste
(
das
) 2 ›der unterste Grund‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
Und ist dieser falscher grund so tieff, das in nach nie keinn heilig hat genugsam erkennen, sundern dran vortzweiffelt.
das ich der selbig bin, der ich hernider komen bin, auch so tieff herunter gestigen biß in die helle und bin doch im himel bliben.
Ebd. (
1544
):
Wer wolt da gleuben, das ich [...] damit mich selbs tieffer zur Helle verdamne denn ander oͤffenliche Suͤnder.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
82, 13
(
omd.
,
1487
):
ye krancker der mensch an der sele ist ÿe swerer vnd tiffer er Jn abgrúnth der helle vorthumett wirdt.
Gille u. a., M. Beheim
23, 44
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
die teufel in der tieffen helle crufte, | die hart man singen laster, spot und schand.
Ebd.
81, 139
:
das feur hat sich enczunt | und wirt prinnen in das abgruntt | und das tieffest der helle.
Lauater. Gespaͤnste
26r, 10
(
Zürich
1578
):
daß derē vil die sich disem Orden
[
dem Prediger Orden
]
widersetzt / tieff im faͤgfhür sessind.
Klein, Oswald
118, 6
(
oobd.
,
n. 1438
):
das sich die selbig [sünde] nicht erzünde | tiefflich in der helle gründe.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
786
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
darumb si
[Lucifer und seine Anhänger]
in die tewffen phüczen verstossen wurden.
Froning, Alsf. Passionssp.
5241
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
3, 22
;
29, 4
;
Sappler, H. Kaufringer
18, 189
.
Vgl. ferner s. v.
1
 18, (Adj.) 11, (Adv.) 4,
2
 14, (V.) 17.
7.
›tief, zutiefst‹; semantisch verblassend: ›ganz und gar‹; in der Bildlichkeit von räumlicher Tiefe und Abwärtsbewegung im Raum auf extreme psychische, emotionale Befindlichkeiten (Angst, Begierde, Liebe) oder religiös definierte Zustände (in Sünde, in Gott sein) bezogen; überwiegend in Konstruktionen mit der Präposition
in
, die das Gefangensein oder Geborgensein in einer räumlich gedachten Gegebenheit fokussieren (tief in etw. sein, versinken, stecken); teilweise ütr.; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›sehr groß; absolut‹; negativ auch: ›furchtbar, erdrückend‹, dies offen zu 12.
Theologische, überwiegend mystische Texte.
Phraseme:
zu t
. ›zu sehr‹;
je länger je tiefer
›immer mehr‹.
Bedeutungsverwandte:
(Adj.) 4,  1, (Adj.) 14,  1, , , .
Syntagmen:
t. im glauben sein, t. in angst stecken, jn. t. in den tod senken, j
. (z. B.
got
)
etw. t. im herzen einpflanzen, sich t. in jn. / etw
. (z. B.
in got, gottes inwendikeit
)
versenken, t. in sünde fallen / kommen, in sünden liegen, etw. t. zu herzen fassen, t. in angst gestekt, in got gesezt, in gottes minne gesenkt sein / werden, t. in js. sin geschlossen sein
;
der tiefe geiz, die tiefe angst / begierde / inwendigkeit / niederkeit / sicherheit / verzweiflung, tiefe begierden
.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
/
22
):
damit kummen sie nur weiter von yhm
[
got
]
und tieffer yn die sund.
ain mensch, der in tieffen begirden steckt.
Ebd. (
1544
):
Denn es auch nicht ein geringer handel ist, das dise person, so zu gleich ewiger Gott unnd rechter mensch ist, in so ein tieffe angst, zittern und zagen fellet.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
wan swelhes natûre hie kriuchet in der tiefsten niderkeit, des geist vliuget ûf in daz hœhste der gotheit.
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
14a, 10
(
nobd.
,
E. 14. Jh.
):
Da von werde wir in gotes minne so gar tiefe gesencket daz wir in got vnd got in vns eī gaist werden.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
173, 24
(
Nürnb.
1548
):
dz solche gedācken von vnserm leben vns da zumal nichts helffen / sonder je lenger ye tieffer in angst vnnd verzweifflung stecken werden.
Ebd.
268, 30
:
Solche lehr nun / nimbt der wenigste hauff an / die andern gehn entweder inn einer tieffen sicherheit / vnd erkennen jr suͦnd nit [...].
Schmidt, Rud. v. Biberach
13, 1
(
whalem.
,
1345
/
60
):
So wir dar in [in siner aller tiefsten inwendikeit] vns aller tiefste versenken, so im aller liebst ist.
Quint, a. a. O. ;
Dietrich. Summaria
21v, 30
;
Reichmann, a. a. O.
68, 6
;
Päpke, Marienl. Wernher .
Vgl. ferner s. v. ,  8.
8.
›tief empfunden, aus tiefstem Herzen‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
tief und teuer
›eindringlich, nachdrücklich‹.
Bedeutungsverwandte:
 6; vgl.  1,  3, (Adj.) 9, ,  2,  4.
Wortbildungen:
tiefmütig
›tief empfindend‹,
tiefmütigkeit
›Demut, selbstkritische Gesinnung‹ (dazu bdv.: , ),
tiefseufzend
.

Belegblock:

Schade, Sat. u. Pasqu. (o. O.
1542
):
Ich nochmals schwer auch tief und teur, | Daß ich dir hab zu ern und gfalln | Nichts underlaßen.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
155, 6
(
rhfrk.
,
um 1435
):
da begonde er dieff zü süffczen.
Fischer, Folz. Reimp.
25, 246
(
Nürnb.
1479
):
Drackheit [...] | [...] | Cleinmutig, diffseufzend spat und fru, | Verschlefft, versaumpt, verschmecht all ret
(ironisch).
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 471
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Demuͤtikeit, daz ist nidermuͤtikeit vnd tiefmuͤtikeit, daz ist ein indewendig nider nigen [...] fúr die hochwirdikeit gottes.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
daz sint alle die ding der uns not ist indewendig und ussewendig unde tiefliche und innerlichen.
wan der rechte tiefmuͦtige mensche, so er me bekent siner eren, so er tieffer in den grunt versinket.
Schmidt, Rud. v. Biberach
105, 23
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Das erste zeichen inwendig volkomner minne sint tief vnd inre sufzen des gemuͤtes.
Vgl. ferner s. v.  3.
9.
in syntagmatischer Verknüpfung mit
grund
8 auf den Ursprung, die Ursächlichkeit philosophischer, theologischer Bezugsgrößen (z. B. Gott, Gottes Barmherzigkeit, das Geistige) bezogen: ›ursprünglich, allererst‹; auch: ›eigentlich, wesentlich‹;
vgl.  7.
Bedeutungsverwandte:
 2,  3,  3; vgl.  1,  8, (Adj.) 4,  2.

Belegblock:

Luther, WA (
1519
/
20
):
Ich klag auch nit, das das naturlich odder weltlich recht und vornunfft nichts gilt. Es ligt noch alles tieffer ym grund
(›die eigentliche Ursache liegt tiefer‹).
Langen, Myst. Leben
224, 13
(
nobd.
,
1463
):
versyncken vnd ertrincken vnd vndergan / in dem tieffen, gruntlosen, gotleichen abgrunt.
Ebd.
227, 7
:
ein lauter nit / ist sein enthalt, auf kainen icht es nicht bestat, in dem es sich zcu / gruͤnt vergab in tieffen gruͤnt.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
Jch glaub auch gentzlich, das [...] von allen künsten, welche gaben Gottes seind, kain rechter gewiser verstand oder brauch, künd sein oder geschehen, man wisse vn̄ verstehe dan̄ jren innerlichsten vnd tieffsten grund vnd vrsprung.
Klein, Oswald
95, 2
(
oobd.
,
um 1425
):
O rainer got, | [...] der barmung tieffer gründe.
10.
›profund, tiefgründig, umfassend‹; auch: ›gründlich, ernsthaft, sorgfältig‹ (auf das geistige, intellektuelle Auffassungsvermögen, Wissen einer Person sowie entsprechend qualifizierte Handlungen bezogen); mit Bezug auf Gottesschau und Gotteserkenntnis auch: ›unmittelbar, unvermittelt‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
tief genug
›genügend, in ausreichendem Maße‹.
Bedeutungsverwandte:
 2, ,  2, ,  56, , ; vgl.  45.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
worte
)
t. sein
;
etw. tief / tiefer ansehen / bedenken / begreifen / bekennen / erkennen / erwägen / hinterdenken / merken, jm. etw. t. einbilden
;
der tiefe rat / sin, die tiefe beschäude, das tiefe ding / gemerke / studium, tiefe gedanken / sinne / worte
;
tief / tiefer (nach js. weisheit) reden / sprechen
(mehrfach),
gelert sein
.
Wortbildungen:
tiefgründig
,
tiefsinnig
.

Belegblock:

Goedeke u. a., Liederb. (
Münster
1534
):
Der bischof hielt einen diefen rat, | wie er doch mochte die veste stat | mit einem storm gewinnen.
Luther, WA (
1518
/
19
):
Derhalben ist es hoch von noten eynem yglichen ehlichen menschen, das er seyns kinds seel mehr, tieffer, fleyssiger an sehe, dan das fleysch.
Ebd. (
1523
/
24
):
Das ist nicht gepredigt fuͤr den gemeynen man, dienet fuͤr die tieffsynnigen, die ynn der schrifft studieren.
Perez, Dietzin
1, 204, 17
(
Frankf.
1626
):
wie fleissig ich dem Todtenkopff welchen ich in die Hand genom̄en / anschawete vnd in tieffen Gedancken saß.
Strauch, Par. anime int.
72, 11
(
thür.
,
14. Jh.
):
darumme sprichit sente Ambrosius daz alle dise lon gehorin zu deme ewigin lebine. aber sente Augustinus sprichit tifir daz si alle gehorin zu disime lebine.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Du bist ein Mann von Sinnen tieff | Vnd kansts errahten, was ich thu.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
der ein ding wil tieffe mercken, der tuͦt alle sine sinne darzuͦ.
rehte also sol der mensche sich undergraben mit tieffem gemercke sins grundes
(über Selbsterforschung).
Nu sich in das minnencliche bilde unsers herren Jhesu Cristi vil neher und vil tieffer wenn ich dich geleren kann.
Bächtold, H. Salat (
halem.
,
1536
):
das vilfaltig zuͦtragen, ouch größe und tüfgründige diser dingen, [...] bringt mich dahin [...].
Schmidt, Rud. v. Biberach
129, 24
(
whalem.
,
1345
/
60
):
so wirt das gemvͦte gewerlicher, tieffer vnd volkomenlicher im [dem geminnoten] geofnet.
Ebd.
163, 24
:
subtil spitz erschinung, die geoffnot werdent gar verborgenlich dien alr wistvn menschen mit tieffen vnd emzigen vnd fureinlichen beschoͮden.
Lemmer, Brant. Narrensch.
19, 13
(
Basel
1494
):
Des wort die sindt so starck vnd tieff | Das er eyn loch redt in eyn brieff.
Jerouschek, Nürnb. Hexenh.
16v, 39
(
Augsb.
,
1491
):
so las es im zuͦ v’sten gebn̄ was in dem latteinē begriffen ist wan̄ zuͦ zeitten daß lattein weitter vnd tieffer begreifft.
Bauer, Geiler. Pred.
92, 16
(
Augsb.
1508
):
Hass sein selbs / das beschicht wenn ain mensch etwann tieff hinderdencket / wie gar ungeschickt er ist zuͦ tugenden.
Anderson u. a., Flugschrr.
2, 14, 18
([
Augsb.
]
1523
):
O du mein stat Augspurg / wie wolt ich dir wūnschē / dz man dir der Prophetn̄ spruͤch tieffer het ein gebildet.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
in dem puͦch Sentenciarum, [...], darinne von der materi tyeffleich wirt disputieret.
Quint, Eckharts Pred. ;
Strauch, a. a. O.
60, 15
;
Reissenberger, Väterb. ;
Böhme, Morg.R.
143, 6
;
147, 14
;
Schmidt, a. a. O.
130, 2
;
Goldammer, Paracelsus
4, 245, 4
;
Vgl. ferner s. v.
1
 5,  5.
11.
›schwer zugänglich, verborgen, unergründlich, geheimnisvoll‹; auch ›dunkel, hintersinnig‹; negativ konnotiert: ›abgründig‹; eng anschließbar an 10.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2,  2,  12, (Adj.),
2
 2.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
/
32
):
es sind so grosse tieffe wort, die auff ein mal nicht gefasset noch gelernet konnen werden.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
es ist auch niemant so weys, der sy [die geschrifft] gründen woͤll, er fynde sy tieffer vnnd fynde mer darinn.
Perez, Dietzin
1, 128, 9
(
Frankf.
1626
):
sie selbst war nim̄er ohne tieffe Gedancken
(hier: ›Hintergedanken‹).
v. Groote, Muskatblut (
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
macht er syn brieff mit worten dieff | vnd ist dan lugenhafftich, | uff syne wort so gibt man cleyn.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
28
(
Nürnb.
1517
):
Wie aber und welchergestalt got den menschen im geist fordert, ist dem geiste gots bekant, der auch die tiefen ding gots erforscht.
Sachs (
Nürnb.
1562
):
mercket sie die schalckheit tieff, | Daß diß bawchend weib war ein mann.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
ach, ewigú warheit, dero tieffú abgruntlichkeit ist verborgen allen creaturen.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
won hettint si [die wissagen] von hohen dingen nach ir wizhait túf gerett, so hetti si nieman verstanden.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
es ist so künstlich ding, das gleich etliche tieffe Gehaimnuß allain vnter den Buchstaben verborgen ligen.
12.
›sehr groß, (all)umfassend, extrem‹ (vom Ausmaß, von der Intensität, Qualität verschiedener Bezugsgegebenheiten gesagt).
Phraseme:
tiefes wetter
›Unwetter (mit viel Niederschlag)‹.
Bedeutungsverwandte:
(Adj.) 316,  1, ; vgl.  2,  2,  2,  3, , (Adj.).

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Dise tîfe stille | sulchin wân den Prûzin gab, | daz sî al alle wêrin ab | von der burg intrunnin.
Luther, WA , 13 (
1522
):
Der annder schad der da folget auß der tieffen eer der muͦter gotes, der geschicht den Christen [...].
Ebd. (
1528
/
29
):
Nu stecke ich mitten inn schand und tod und lige im tieffesten finsternis.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
von dem einfall oder vertunckelung an zu rechnen / biß zu der tieffsten verfinsterung.
Gille u. a., M. Beheim
84, 202
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Maria, ich dich ane rieff | durch dein grundlasen permung tieff.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
96
(
Nürnb.
1517
):
die höchst barmherzikeit und diefste gerechtikeit.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Die erste pforte an disen uͤbungen das ist ein tieffe verworffene demuͤtekeit.
Klein, Oswald
2, 25
(
oobd.
,
1421
):
In tieffer timel
[›Dunkelheit‹]
| so freit er
[Gott]
fisch, da mit si nicht ertrinken.
Vgl. ferner s. v.
1
 13,  5.
13.
verstärkend: ›sehr, besonders, zutiefst‹; im Übergang zum Präfixoid oder Gradadverb.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
1
(Adj.) 17, (Adj.) 14, (Adj.) 2.
Wortbildungen:
tiefheilig
,
tiefverblendet
.

Belegblock:

Luther, WA
26, 402b
, 28 (
1528
):
Sol ich denn nu so schew werden umb der zarten hoch geistlichen, tieffheiligen
[hier: sarkastisch]
schwermer willen [...].
Ebd. (
1536
/
39
):
Wenn die hochverstendige und tieffverblendte vernunfft solche grausame straffe sehen kuͤndte [...].
Schorer, Sprachposaun
4, 17
(o. O.
1648
):
Jtzo aber von der leichtfertigen Leichtsinnigkeit / vnd sehr tieff beklaglichen Sprach⸗Verfaͤlschung etwas anzudeuten.
Anderson u. a., Flugschrr.
2
, ([
Augsb.
]
1523
):
hab kein zweyffel / dir wirdt dan̄ dz wort gotes tieffer zuͦ hertzē geen / da mit du niemāts fūrchtest den̄ got.
Klein, Oswald
88, 19
(
oobd.
,
v. 1408
?):
dein pöschelochter, rotter mund, | der mich tiefflichen wunt.