stupfen,
V.;
zur etymologischen Einordnung s. .
1.
›jn. (auch: einen
risen
) / etw. (Bezugsgrößen sehr unterschiedlicher Art, darunter auch Tiere) mit einem steckenartigen, scharfen oder spitzen Gegenstand / Gerät unter Anwendung leichten Druckes oder von Gewalt anstoßen, um einen bestimmten, sich aus der Handlungskonstellation ergebenden Zweck zu erzielen‹; an diese allgemeine Bestimmung sind verschiedene Spezialisierungen / Metonymisierungen anschließbar, z. B.: ›lautstark, aufmerksamkeitsheischend mit einem Stab aufstoßen‹ (von Angehörigen der
geistlichkeit
gesagt); ›(eine Speise) durch Einschnitte essgerecht zubereiten‹; ›nach oben stoßen, hervorbrechen‹ (von
swammen
gesagt); ›ein Loch in einen Schrifttext stechen (und damit jn. aufgrund eines Fehlverhaltens notieren)‹; auch mit obszöner Anspielung gebraucht.
Phraseme:
an stupfender stat
›sofort, unverzüglich‹.
Bedeutungsverwandte:
,  1,  46, ,  2, (V.) 1,  1.
Syntagmen
j. mit dem stecken s
. (ohne Obj.); mit affiziertem Obj.:
jn
. (z. B.
einen knaben, ein kind, eine fürstin, die leute
) [womit] (z. B.
mit einem sporn, mit kriegsnadeln / gufen
)
s., j. jn. in die seite, in den leib s., j. einen nervum / leichnamen, einen esel / ochsen s., ein rind mit dem gart, ein ros mit den fersen, ein pferd mit den sporen, die haut (des ales) mit dem messer, eine stat
›Körperstelle‹
mit einem stupf s., der henker jn. mit der nadel s., die spitze der dorner jn. s., j. etw. auf etw
. (z. B.
auf eine semmel
)
s
.; mit effiziertem Objekt, nur 1 Beleg:
löcher in etw. s
.; subst.:
das stupfen verloren sein
;
jn. mit stupfen in den tod zwingen
.
Wortbildungen
stupfeisen
›eisernes Stechwerkzeug‹ (dazu bdv.:
1
, , , , ; vgl.  12,  1),
stupfer
1 (s. u. Beleg
Österley
),
stupfgerte
(dazu bdv.:
1
, ),
stupfnadel
(dazu bdv.:
1
,
1
 1),
stupfrute
(dazu bdv.:
1
),
stupfzettel
›Präsenztafel, Anwesenheitsliste‹.

Belegblock:

Oorschot, Spee/Seifert. Proc.
465, 10
(
Bremen
1647
):
Man soll wol zusehen / daß der hencker / niemanden / dolosé an seinem fleisch mortificire: oder er nur ein wenig mit der suchnadell stupfe.
Ebd.
465, 15
:
Man soll die stupffnadeln dem hencker geben / vnnd ihne besuchen / daß er keine verzauberte eigene [...] herfúr lange.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1602
):
sie
[Angehörige einer
närrischen geistlichkeit
]
stopffen laut mit ihren großen stecken, daher werden sie daselbst im landt die stopffer genannt.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
,
1344
/
50
):
So sulde der richter [...] vorhoͤren, was her
[der Kläger]
ieme
[dem Beklagten]
scholt hette zcu geben, dem her vor hette geboten, unde hulfe dem rechtis an stoppender stat.
Eis, Albrants Roßarzneib.
133, 10
(
böhm.
/
oobd.
,
15. Jh.
):
so nym wermuet saft als vil, das du ein leilachen dar in geneczen mugst, und stupe die stat alle, die du geprand hast, mit dem egenanten stup.
Voc. Teut.-Lat.
aa ijr
(
Nürnb.
1482
):
Punckteysen. oder stupfeysen. punctorium.
Ebd.
ff vr
:
Stupffen stechen peynigen punctiern. pungẽ. [...]. Stupffeysen odʼ prickel peynigũg raytzũg odʼ garth. odʼ garteysen odʼ stechel.
Sachs (
Nürnb.
1546
):
yedoch ich bit | Und warn euch trewlich, das ir nit | Wölt stupffen mit den scharpffen sporn | Die jungen fürstin ausserkorn.
Ebd. (
1553
):
Die blinden kummen. Lörl stopffet mit seim stecken unnd spricht: [...].
Bremer, Voc. opt.
23028
(
wobd.
,
15. Jh.
):
Punctorium punctisen [...] stupysen [...] Punctorium est instrumentum acuti anguli ad perforandum subtiliter pergamenum.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
121, 5
(
els.
,
1362
):
Er stupfete den lichamen vnd sprach: ‚Stant uf ob du mast‘.
Ebd.
166, 9
:
do begundent sú in stuphen, vnd sprochent: [...].
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
so nun der neruus were gestupfet odʼ gestochenn / so ist die wund der hut beschlossen.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
wie ich [Roßtuͤscher] sie bereit uff den Kauff und sie stupff mit der Versen.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Stimulus ein stachel / stupffruͤt / stupffgerte.
Krebs, Prot. Konst. Domkap. Protokoll,
258
A (
nalem.
,
1490
):
als vil puncten doctor Johann Botzhaym im stupffzedell han wurdt von Joanniß Baptistae a. vicesimo qiunto biß vff natalem domini nechst darnach künfftig die sollen im in der jar rechnung abgezogen werden.
Ebd.
7860
(
1523
):
wäre doch er allweg mit carentz der presentz, wie man denn ainen yeden abwesenden bruder zestupffen pfligt, gestrafft worden.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 153, 8
(
halem.
,
1508
/
16
):
das si [hornussen, waͤspi] all an das ross sassend, stupfent es so lang, bis es tod im veld lag.
Ebd.
179, 12
:
das die Juden [...] ein knebli, [...], verstaͤlend, das mit gufen so lang stupfend, das es starb.
Rennefahrt, Staat/Kirche Bern (
halem.
,
1512
):
und soll in der normator in dz taͤffilin stupfen umb die presentz illius horae.
Wiessner, Wittenw. Ring
8932
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
Do was er [rise] also gantz von horn, | Daz alz ıͤr stupfen
[mit dem
faustmesser
]
was verlorn.
Maaler (
Zürich
1561
):
Stupffen / Staͤchen / Ein stupf gaͤben. [...]. Das rind mit dem gart Stupffen. [...] Stupffruͦt (die) Ein gart mit dem man die ochsen im pfluͦg meñt.
Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib.
1989, 277
(
halem.
,
1658
):
4 löcher darÿn (nämlich in ein muscatnuß) stupfen
(hier mit effiziertem Obj.).
Österley, Steinhöwels Äsop (
Ulm
1474
/
82
):
ain mennlin, das bint mich mit überstarken riemen und zwingt mich das erdrych umbzebrechen, die stain uß eren, mit stupffen und großen schlegen uncz in den tod.
Turmair (
Augsb.
1517
):
‚wil dir mit dem laist eins an den kopf setzen‘. pungo pupugi, punxi ‚stechen, stupfen‘.
Ebd. (
moobd.
,
1522
/
33
):
ein ochs auf dem veld zu Rom, do er zu acker gên muest und von seim paurn hart gestupft ward.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
und stopf mit ainem scharpfen mezzer die haut
[des
æls
]
über al.
Klein, Oswald
42, 73
(
oobd.
,
1428
):
Die swammen stupfen, lupfen | auss der erde herde.
Mollay, Ofner Stadtr.
155, 9
(
ung. inseldt.
,
1. H. 15. Jh.
):
Vnd sol ir nach gen vnd sol sÿ
[eine Verleumderin]
stoppen hinden in den leib als lang, vntz [...].
Goedeke, Fischart. Flöh Haz
55
;
Krebs, a. a. O.
1005
;
Bachmann, Haimonsk. ;
Goedeke, P. Gengenb. ;
Bolte, a. a. O. ;
Tobler, Schilling. Bern. Chron. ;
Müller, Nördl. Stadtr. ;
Karnein, de amore dt.
124, 364
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .
Vgl. ferner s. v.  1.
2.
›jn., js. Seelenkräfte, js. Trachten, Denken, Handeln aufmunternd, kränkend, beleidigend ansprechen, zu etw. bewegen‹; im Einzelnen: ›jn. reizen, zu etw. (positiv Gewertetem) anreizen, anstacheln, antreiben, stimulieren‹; ›mit jm. anstoßen, jm. zutrinken‹; ›jn. rügen, kritisieren, tadeln‹ (wegen Rügenswertem); auf die gesamte Skala förderlicher wie kritischer, auch doppelsinniger Einflussnahme auf einen Zweiten bezogen; dies gilt auch für die Wortbildungen; als ütr. oder bildlich zu 1 auffassbar.
Bedeutungsverwandte:
 56,  123,  2, (V., unr. abl.) 47,  12,  23, ,  256,  1,  4,  1, (V.) 7, (V.) 6.
Gegensätze:
 1.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
die frechen / unterworfenen
)
s
. (z. B.
fast / sere
),
die sele
(Akk.obj.)
s
. (z. B.
mit einem sporn
; bildlich)
s
.; subst.:
jn. durch stupfen nöten
›zum Zutrinken auffordern‹;
das heimliche stupfen
.
Wortbildungen:
stupf
(
die
) ›Zurechtweisung, Strafe‹,
stupfer
2 ›Parteigänger, Antreiber‹ (dazu bdv.: ),
stupferin
,
stupfig
›aufbrausend, aufreizend, boshaft, anzüglich‹,
stupflied
›Schmählied‹,
stupfrede
›stichelnde Rede‹ (16. Jh.; dazu bdv.: vgl. , ),
stupfung
›innere Bewegtheit, Anreiz zu Positivem‹ sowie ›tadelnder, bitterer Stachel, Aufruf zu positiv gewerteter Haltung‹ (dazu bdv.: ,  2,  1),
stupfwort
›Reizwort, verbale Spitze‹ (dazu bdv.: ).

Belegblock:

Chron. Köln (
Köln
1499
):
dye historien synt gelych als Luchtende fackelen vnd reytzung off stúppung zo den doegenden.
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
Ein tags nun, [...], wolt Amor, die seine vnderworffne offt stupfft vnd rupfft
[hier phonästhetisches Spielen],
sie nicht lenger in so grosser freud lassen, sonder [...].
Sachs (
Nürnb.
1545
):
Darmit stupft er [Esopus] die frechen, | Die sich ir schalckheit rüemen, | Ir laster lobent plüemen.
Illing, Albert. Sup. miss.
2169
(
els.
,
n. 1380
):
so ist dis sacremente vnd dise spise zuͦ nemende in bitterkeit der beruͤrlicheit oder stupfunge, das ist in betrvͤbesal des herzen.
Sudhoff, Paracelsus (
1526
/
7
):
daß dieser vergangner tag auch gesundigt und einer guten stup wert; es hat aber her Johann Becker ime solche buess zum vleissigsten erbeten.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
Dass der / Walliscardinal, wie wol der däschen stupfer, so hart verhasset, dass Bern riet, man soͤlle in uss der Eidgnosschaft, [...], wisen.
Jörg, Salat. Reformationschr.
122, 20
(
halem.
,
1534
/
5
):
Sin fürnemen aber reitzt / und stupft jn staͤtz / [...] / alls dann er mit vij tüflen bsessen.
Ebd.
843, 20
:
So liessend die Zürcher ein getruckt baͤtt usgan / mit stumpfigen griffen / darinn sy namlich stalltend / die v ortt waͤrend gots vyend.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
1543
):
sollichem verderplichem laster
[dem
zutrinckhen
]
vor zu sein haben wir geordnet und gesetzt, das hinfüro niemandts dem andern weder durch stupfen, mupfen, büdten [...], zetrinckhen [...] nit solle nöten.
Maaler (
Zürich
1561
):
Einen Stupffen vnd beleidigen. [...]. Stupffer / Reitzer. [...]. Stupfferin. [...]. Stupfflied dz ein stich gibt oder einẽ schmaͤcht übel beyßt oder muͤyt. [...]. Stupffung (die) Stimulatio. Reitzung.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
v. 1536
):
Daß die predicanten sich vor schmach⸗ und stupfworten wider die oberkait und sonder personen und allem dem, das zuͦ unfrid, widerwertigkait, anzindung und auffruͦr diente, [...] enthielten.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
do
[im
dampf
›bei einem Gefolge‹]
wardt beim wein uf der taffel zusamen gestupft und beschlossen, das sie jaghundt sein und den schneiderknecht von Baden fahen und fressen wolten.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
Ich verachtes. Ir neiden und haimlich stupffen und beissen. Als aigensinnig leüt tuͦnd. § Sie neidten mich er.
Ebd. :
Wie kund. Merck kluͦge stupffwort. wann er het vor gesagt du würgtest den menschen.
Rot
319
(
Augsb.
1571
):
Instigirn, Anreitzen / stupffen / treyben / anhalten / hetzen.
Schmitt, Ordo rerum
482, 17
(
oobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Preceps [...] stupphig [...] snel [...] stupphig dicitur cum impetu vadens.
Wedler, W. Burley. Liber
101
(
moobd.
,
v. 1452
):
wirdet die andechtig seel nimer nit gerugigt, gestopft mit dem sporn der gerechtikeit.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß ;