offen,
sehr vereinzelt:
oflich,
Adj.
– Das Bedeutungsfeld wurde nach folgenden Kriterien gegliedert: 1 und 2 räumlich bestimmt, 2 als Spezialisierung zu 1 auffaßbar; 3 und 4 charakterisieren die räumliche und rechtliche Zugänglichkeit, 5 die sinnliche / kognitive Erschließbarkeit, 6 die noch offenstehende Lösung einer Bezugsgegebenheit; 7 bis 8 betreffen den Zugang zu einer engeren oder weiteren Öffentlichkeit; 9 charakterisiert feindliche Beziehungen. Die Grenzziehungen zwischen den angesetzten Bedeutungspositionen sind durchgehend fließend; vgl. das Bedeutungsfeld zu .
1.
›offen‹ (Bezugsgegebenheiten meist konkreter Art charakterisierend, deren mögliche Versperrung aufgehoben ist); auch: ›offen gemacht, geöffnet, nicht versperrt‹; in beiden Nuancen mehrfach ütr., z. B.
die offene pforte / tür, das offene buch / grab
; breiter extensionaler Gebrauch, z. B. ›geschwätzig‹ (ütr. vom Mund); ›nicht gebunden‹ (vom Haar); ›ausgebreitet‹ (von den Flügeln eines Vogels); ›unmittelbar, unverstellt, direkt‹ (z. B. ütr. von
der angesicht
).
Bedeutungsverwandte:
(s. v.  1).
Syntagmen:
eine stat / tür o. sein, das bier o. sein
›zum Ausschank gelangen‹,
ein fas, die schuhe oben o. sein, das wasser o
. ›eisfrei‹
werden, ein eingang o. bleiben
;
die herzen einander o. sein
(ütr.),
(jm.) die pforte / welt, das haus, der himmel o. stehen
(subjektbez. präd. Attr.), ˹
die tür o. haben, das dach o. machen
›abdecken‹,
den himmel o. sehen, das maul o. vergessen
˺ (objektbez. präd. Attr.),
j. seines mundes o. vergessen
(genetivobjektbez. präd. Attr.; unflektiert);
der offene busen / gang / gaume / schlag
›Taubenschlag‹
/ wein
›Wein vom geöffneten Faß‹ (hier Verschiebung der Bezugsgröße),
die offene angesicht / ausfart / hand / kluft / schranne / tür
(dies ütr.),
das offene buch / gefängnis / grab / har / tor, offene oren / augen / flügel / hosen
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Filadelf, ich han dir vor | Gegeben ein uffen tor, | Die niemant dir besluzet.
Toeppen, Ständetage Preußen
2, 525, 17
(
preuß.
,
1442
):
an dem orte die stat uffen was.
Luther, WA (
1531
):
Wen ein guth bier offen ist, leufft jederman zu und seumet sich nicht.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
571, 2074
(
Magdeb.
1608
):
Hat jhn druͤber die Schlang gefressen / | Odr hat ers Maul offen vergessen / | Vnd des Wassers zuviel gesoffen.
Stackmann u. a., Frauenlob
6, 10, 4
(Hs. ˹
md.
auf
nd.
Grundl.,
v. M. 14. Jh.
˺):
ich wunschte, swa zwei lieblich gern | der minnen stern, | ir beider herze einander offen wern, | uf al ir tat.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
wie sant Augustînus gelîchet ist einem guldînen vasse, daz dâ ist unden ganz und oben offen, sich, alsô solt dû sîn: [...], sô sol dîn herze beslozzen sîn vor aller geschaffenheit und solt got nemen, als er in im selber ist.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
427a, 3
(
Frankf./M.
1649
):
Verwendet nun etwan dje Gaja in der Folter ver Schmertzen die Augen / oder starret mit offenen Augen / so seinds newe indicia.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
126, 18
(
omd.
,
um 1559
):
So das wasser durch offene klufte ader schnetig gesteine auf einen stollen fiele.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Joh. (
osächs.
,
1343
):
ir sult sehin den himel offin und di engele gotis ûf stîgen.
Eggers, Psalter
24, 6
(
thür.
,
1378
):
Ir kele ist eyn vffen grab; mit iren zcungen reden sy vnkuslich.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1513
/
5
):
hÿ noch will jch dy offen hant dÿses starken mans eygentlicher vnd klerer beschreiben.
Franck, Decl.
340, 3
(
Nürnb.
1531
):
vß betlerey boͤß gemuͤt / boͤß blut / zu stelen / rauben / raͤchen / vnd zu allen lastern ein offen thuͤr.
Ders., Klagbr.
219, 30
(˹wohl
Nürnb.
˺
1529
):
Dero rachen ein offes grab ist / Die mit iren zungen liebkosen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
143, 9
(
Nürnb.
1548
):
Da dagegen eim ledigen gesellen die gantze welt offen stehet / das [...].
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Ain mensche der entschlaffen was, | Sines mundes er offen vergass: | Dar umb ain slange in in do kam.
Schmidt, Rud. v. Biberach
75, 27
(
whalem.
,
1345
/
60
):
das beschoͮlich leben [...] klimmet staffelich vf, vnzent daz es volbracht wirt in der offenen angesicht.
Wyss, Luz. Ostersp.
3, 88, 99
(
Luzern
1616
):
Vnschamhafft offne, wytte hosen, | von Spangieren gnommen vnd Frantzosen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
da zergieng er [schnee] gantz und gar und wurden die waßer wider offen, daß man gemalen mocht.
Müller, Stadtr. Ravensb.
88, 6
(
oschwäb.
,
1326
/
30
):
Wer fliegent tuban haͧn wil, der sol si haͧn in offenen schlegen und sol kain aͤtzbret haͧn usserhalb sines hus.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
Das k, vnd, q, werden außgesprochen mit ginendem vnd offnem gumen.
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
139
(
oobd.
,
1607
/
11
):
1 paradisvogel ohne füeß, aber mit natürlichen offnen flügeln.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
die künigin [...] satzt ain schappel von pluemen auf ir offen und aufgetans har.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1537
):
Ein jeder [...] sol [...] sich mit seinem panphening dem gegendrichter vor recht und offner schrann erzaigen und ansagen.
Ebd. (
1310
/
2
):
Swer offen wein hab, der sol den niht zuͦslahen noch deheinerlai trinchen, oder er geit dem rihter 60 dn.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1494
):
ain ieder, der in dem selben jar failen und offenn wein, pier oder mett gehabt hiet, der sol [...].
Helm, a. a. O. ;
Peil, a. a. O.
546, 1251
;
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
169, 30
;
Thür. Chron.
12v, 5
;
Bechstein, a. a. O. Mk. ;
v. Tscharner, Md. Marco Polo
40, 4
;
Reichert, Gesamtausl. Messe
84, 15
;
Franck, Decl.
336, 8
;
Vetter, Pred. Taulers ;
Roloff, Brant. Tsp.
886
;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. ;
Buijssen, Dur. Rat.
27, 26
;
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
351, 23
;
27
;
Vgl. ferner s. v. ,  1,  2.
2.
charakterisiert
schäden, wunden
, über die sich keine Haut gebildet hat: ›offen, klaffend‹; auch ütr. gebraucht (von den
wunden
der
minne
).
Bedeutungsverwandte:
vgl. .
Gegensätze:
.

Belegblock:

Henschel u. a., Heidin
810
(
nobd.
,
um 1300
):
Wan dv mit der minne strale | Mich hast indaz h’ze troffen | Die wunde stet noch offen | Baz denne einer spanne wit.
Keil, Peter v. Ulm
38
(
nobd.
,
1453
/
4
):
daz pflaster ist gut zu allen scheden, die do offen sind.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
Nun ist zit [...] fürbas zuͦ gon von den witten offenen oder quetschten wunden als sie geschehen sint in der hut. fleisch. geeder. vnd gebein mit waffen oder ander instrument Zuͦ den verborgene͂ tieffen vnd holen wunden.
Roloff, Brant. Tsp.
373
(
Straßb.
1554
):
Du [Frauw] laßt dein wunden zuͦlang offen stan | Du moͤchtest sie doch verbunden han.
Broszinski, Minner. Chir. Parva
37rb, 13
(
halem.
,
2. H. 15. Jh.
):
es lät nút schwären, das offen ist.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
179, 24
;
Keil, a. a. O.
13
;
Sudhoff, Paracelsus ; ;
Vgl. ferner s. v.  2.
3.
›offen, frei, frei zugänglich‹ (von Flächen, Räumen, ferner von flächig, räumlich gedachten Bezugsgegebenheiten, darunter wirtschaftlichen Tätigkeiten, ütr. auch von Zeiten gesagt); weitere Übertragungen: ›innerlich auf etw. / jn. hin ausgerichtet, für etw. / jn. offen‹ (vom Menschen im Verhältnis zu Glaubenstatbeständen gesagt); ›jm. gnädig / liebend entgegentretend, jm. zugewendet‹ (von Christus mit dem Blick auf den Menschen gesagt); in der zuerst genannten Nuance charakterisiert
offen
teils bis in Details den sozialen, rechtlichen, wirtschaftlichen Status, in dem die jeweils gemeinte Bezugsgröße praktisch genutzt werden kann.
Bedeutungsverwandte:
.
Syntagmen:
der son jm. o. sein, das land / lehen (jm.) o. sein, die burg / stat ewiglich zu etw. o. sein
; ˹
j. jm. e. S. (des) o. stehen, der acker / hof / keller, die almende / feste / küche / ordnung / pforte / seligkeit / strasse
(mehrfach)
/ stat / tafel (jm.) o. stehen
˺ (jeweils subjektbez. präd. Attr.); ˹
eine flies
(›einen Fluß‹)
o. faren (mögen), eine feste, ein land / schlos
(vielfach)
/ tal o. finden, ein geschlos o. haben, jm. ein geschlos o. teilen, jn. des weges
(›zu einem Weg‹; ütr.)
o. finden
˺ (jeweils objektbez. präd. Attr.);
der offene flek / kram / markt / ort / schlag / tisch, die offene bank / buchkamer / herberge / strasse / zeit
(›Zeit, in der etw. frei zugänglich ist‹),
das offene dorf / haus / schlos
(vielfach); mit verschobener Bezugsgröße:
der offene wirt
(›Wirt mit offenem Haus‹),
die offene marktfrau
(analog dazu).
Wortbildungen:
offenfärte
›Höhlung im Grubenbau, die als natürlich offene Einfahrt gewertet wird‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Wiltu von diser wilde | Zu mir komen, daz wirb mit mir, | Des sten ich immer offen dir.
Got ist also getruwe, | Vindet her den weges offen | Der an sunden ist besoffen, | [...] | Her sendet da sinen geist in.
Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. (
mosfrk.
,
1325
):
dieselbe [veste] sal sin ewenklich offen und ledich des vorg. erzebischofs und sines stiftes zuͦ Triere wider ein ekelichen.
Ebd. (
1380
):
daz die vesten sloß dal buͦrg und land [...] an unsern herren von Trire sine nakomen und den stift wider komen und vallen, und daz sie die dan und anders zu allen ziden uffen und gereit vinden zu allem irem willen.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
27, 8
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
warzu sol ich mich nu wenden? In werltlich oder in geistlich ordenung? die sint mir beide offen.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Leipzig
1537
):
Durch dich ist loß alle Menscheyt, | Durch dich steht off die seligkeyt.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
58, 1
(
thür.
,
1370
):
Wir teilen demselbigen auch alle thor und schlos offn und auf allen guthern im dorf herberge und leger.
Ebd.
116, 21
(
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
im jar dreystundt, so sol der geschworen knecht mit zweyen pferden faren in einen offen schlack, do die gemein ine hawet, und soll hawen ein fart holcz.
Schultheiss, Achtb. Nürnb.
140, 5
(
nobd.
,
1382
):
ir veter aygener sloͤzz und vesten [...], die solten der stat offne heuser sein zu allen iren noͤten.
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
26a, 16
(
nobd.
,
E. 14. Jh.
):
wann er [svn] vor der porte zv ierusalem di marter / lait vnd niht in der stat Darvmb daz er offen / were allen den [...] di gnaden / begern.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Vnd soll dir offen sein das Land | Vnd niemand an dich legen hand.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 225, 23
(
Hagenau
1534
):
darinn sie [Fursten] yederman gnade und gunst erzeigen / und widerfaren sollen lassen / und niemandt rechts versagen / darumb auch yhre hofe / kuchen und keller sollen offen stehen.
Wickram
4, 9, 5
(
Straßb.
1556
):
ES habend sich unsere voraͤlteren [...] etlich tag im jar sunderlich darzuͦ bestimpt / an offenen strassen / tisch und baͤnck auffgericht / [...] / und also tugentlich miteinander gessen.
Leisi, Thurg. UB
7, 419, 27
(
halem.
,
1385
):
daz dann der vorgenant Uͦlrich von Múnchwile sich [...] antwúrten sol ze Wil in die stat in aines offens wirts hus und da recht unverdingot giselschaft laisten sol.
Schib, Urk. Laufenb.
60, 140
(
halem.
,
1386
):
so soll min herre von Österrich [...] die burg und beide stett mit aller zugehörde gar und genzlich ledig und lose verfallen sin und sullen jezund und ewinlich offen hus heißen und sin zu allen iren nöten und sachen.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
1402
):
almende, [...] armen und richen glich ligen und offen sin sol.
Rennefahrt, Stadtr. Bern (
halem.
,
1432
):
das Gruͤnenberg, herr Wilhelms teil, miner herren offen hus ist. 1432.
Jörg, Salat. Reformationschr.
700, 18
(
halem.
,
1534
/
5
):
wan sy selbs wettend / so waͤr die straas offen und gienge jnen veiler kouf zuͦ.
Schmidt, Rud. v. Biberach
17, 25
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Dis strasse „sint verborgen welt wisen herren vnd offen den kleinen“, daz ist den diemvͤtigen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Der waͤg ist jm offen / er hat ain guͦte Anleitung zum handel.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
351, 29
(
Genf
1636
):
offene Herberg.
Haszler, Kiechels Reisen (
schwäb.
,
n. 1589
):
Lymisso, [...], derzeütt aber ein offner und geringfüeger, auch wehnig bewohnter fleck.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
so wolt er dem marggraffen Schwabhaim schloß und markt undertenig machen und aufgeben für ain offen schloß, dieweil der krieg wert; [...]. das ist also getan und geschechen und ist Schwabhaim des reichs offen schloß.
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. (
schwäb.
,
1609
):
Ain ganze gemein zu Deitzisau haben [...] uff allen iren güetern [...], darauf zu waiden ist, zu rechter erlaubter offener zeit den waidgang zu besuchen.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
hat die erst g’main iederman offen puechkamer zue Athenis aufgericht.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
, Hs.
15. Jh.
):
Auch sol man niemand sein paw durch wüst und durch offenvert an gewinnen, nuer durch ganzen stam, da kluft an kluft geet.
Moscouia
E 1v, 24
(
Wien
1557
):
wer frid oder khrieg begerte / dem stuͦend sein Portten offen.
Altmann, Wind. Denkw. ;
Wyss, Limb. Chron. ;
Köbler, Ref. Franckenfort
50, 4
;
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
275a, 14
;
Pfeiffer, Frk.-bay. Landfr.
320, 25
;
Rennefahrt, a. a. O. ; ;
Wintterlin, a. a. O. ;
UB ob der Enns
10, 529, 35
;
Heydn. maister
25r, 22
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ; ;
4.
kennzeichnet attributiv (meist in Verbindung mit Versammlungs- und Instanzenbenennungen), daß die betreffende Gegebenheit rechtsentsprechend einberufen und abgehalten wird, für alle Berechtigten frei zugänglich ist und daß ihre Beschlüsse Gültigkeit haben.
Rechts- und Wirtschaftstexte, berichtende Texte.
Syntagmen:
offenen hof halten, offene gerichte machen / halten, jm. an einem offenen hof antworten, in offenem rate etw. sagen, in offenem gerichte rechte erteilen, in offener schranne an dem rechten sitzen, jm. vor offener gemeine etw. abbitten, jn. zu offenen tagen bescheiden
;
der offene brief / hof / rat, die offene schranne / gemeine, das offene ding / gericht
.

Belegblock:

Brinkmann, Bad. Weist. (
rhfrk.
,
1551
):
Werde durch den schulthessen im jar sechs gericht gehalten, namlich die drei offen und drei after- oder nachgericht.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
3, 123, 31
(
thür.
,
1474
):
unde yr zcu rechte zcu offin tagen bescheyden ist, unde nu dy offin tagen komen sint, hat sichs gemacht, daz sy in kintbette gewest ist.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
82, 8
(
nobd.
,
1372
):
daz ich in geschriben gebe und in ein offenbaren brief mechte der recht, [...], die in an offem geriht von den schoͤphen daselbst on widerrede und on all geverde erteilt woͧrden.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1488
):
daß er solt antworten seinem fiscal an einem offen hoff zu Regenspurg.
mit kaiserlichem gewalt macht er notari, [...], auch offen gericht und hendel, geschworen schreiber.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1349
):
daz wir [...] mit nieman enkein burgrecht noch eitgenossi nemen suͥllen, ane willen und rât der vorgenanten burgern von Berne, den si uͥns denne gêbin mit ir offenen briefe.
Bachmann, Haimonsk. (
halem.
,
1530
):
Das was uff pfingstag, das Karly offnen hăf zuo Paris hielt.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
[red] die er desselben tags in offem rat geredet.
Fuchs, Kart. Aggsbach (
moobd.
,
1411
):
da wir sassen in offner schrann an dem rechten der yecz genanten Affrann.
Mell u. a., Steir. Taid. ;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
79, 17
;
Vgl. ferner s. v.  1,  2,  6.
5.
›klar, deutlich, erkennbar, sichtbar, nachweisbar, von anderem unterscheidbar; offenbart‹ (dies von der
gotheit
), ›offensichtlich, auf der Hand, am Tage, vor Augen liegend, unmittelbar einsichtig‹; auch: ›persönlich, unverstellt, unverblümt, direkt‹ (von Erkenntnissen, Urteilen, Einsichten logischer, religiöser, rechtlicher, alltagspraktischer Art gesagt); auch auf konkret gedachte Gegenstände wie z. B.
raub
›Raubgut‹ bezogen.
Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
offene not
›klar erkennbare Not‹ (formelhaft; vgl.
ehehafte not
s. v. ,
die
, 4).
Bedeutungsverwandte:
2
(Adj.) 3.
Syntagmen:
js. zorn o. sein, ein liecht, die güte (des landes) o. werden, es ist o., das [...], jm. wird o., das [...] / was [...]
;
dem recht o. beistehen, offenlich sprechen
;
etw. offen falsch sein
(hier ansatzweise gradadverbial gebraucht);
der offene betrug / diebstal / raub, die offene deube / lere / tat, offene worte
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
so werde ich sat | Gnaden, swen ich din entheiz | se dort und ich daz war weis, | Und als mir wirt offen | Des ich nu muͦs hoffen.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Etwenne wirt ein lieht offen in der sêle, und der mensche wænet, ez sî der sun, und es ist niuwan ein liecht.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
,
1335
):
He hat ufgehalden einen dip mit der offenen dube unde brachte den zu gerichte.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
dis ist wol ein offen zeichen daz Got uns gegenwertig ist in der worheit.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1474
):
wan dein [gottes] zorn ist offen, dein ungenade hat unns begriffen.
Adrian, Saelden Hort
6150
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
ist daz ir [wip] offen werde | waz im [wirt] ze laid si beschehen, | den sol si tugentlichen jehen: | ,vil lieber man, wie tuͦstu sust?‘
Enders, Eberlin ([
Basel
1521
]):
Es sy boͤsser gaͤlt vmb roͤmischen ablaß geben dann anderen armen leüten in offner not.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Als och dú gothait offen wart, | Do Gottes menschait wart geczart, | Da mit si was verdeket e.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
1247
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
die umb zergaͤnklich guͦt | Dem rechten offen bÿ stand | Und aber haimlich fúnd hand.
Schmidt, Rud. v. Biberach
12, 23
(
whalem.
,
1345
/
60
):
das leret vns sant Paulus vnd sprichet: „Wer mag vns gescheiden von der minne Cristi?“ recht als ob er mit offen worten sprechi: Es mag nieman me enhein creatur.
Ebd.
42, 2
:
dar vmbe svllen wir wissen vnderscheit vnder der gotlichen rede vnd vnser meditacivn. Hie merkent: Es ist offen, das disv zwei sint vnderscheiden.
Ebd.
72, 17
:
Hie ist offen, das dvͥ bescheidenheit den sin vnd dvͥ bilderin vbertriffet an wirdikeit vnd an wuͥrkenne.
Maaler (
Zürich
1561
):
Offner betrug / der entdeckt vnnd an tag kommen ist.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1443
):
Das der richter dhainen, [...], umb chainerlai sach beswaͤren sol, es sei dann umb offne, geware taͤt.
Bauer, Zist.-Pred. Haller
79, 23
(
tir.
,
1466
):
vnd spricht also: ,Ir sült peleiben in meiner lieb‘, als ob er offenleichen sprëch czu seinen jungern: wand ich pin euch lieb haben.
Enders, a. a. O. ;
Ermisch, a. a. O. ;
Lindqvist, a. a. O.
1848
;
Müller, Stadtr. Ravensb.
86, 26
;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. ;
Buijssen, Dur. Rat.
35, 2
.
Vgl. ferner s. v.  2.
6.
›ungelöst, noch zur Entscheidung anstehend‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
wen an siner wale | Stet offen tuen an der gewalt | Uber gezalt und ungezalt | Swaz er da mite machen wil.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1450
):
so wern die richtigung alle entzwei und stünden die sache offen als vor.
7.
charakterisiert die Relevanz einer Bezugsgegebenheit, vereinzelt: einer Bezugsperson, für eine im Ordnungssystem einer Gesellschaft jeweils betroffene größere Allgemeinheit, insofern: ›öffentlich‹; im einzelnen z. B.: ›an alle dafür in Betracht Kommenden gerichtet‹ (z. B. von einer
predigt
, von
briefen
gesagt); ›gemeinsam‹ (z. B. von der vom Priester oder der Gemeinde gesprochenen
beichte
); ›öffentlich geleistet‹ (von einer kirchlichen Handlung, z. B. von der
busse
); ›in der Öffentlichkeit vollzogen‹ (z. B. von der
brautlauft
); ›für öffentliche Aufgaben zuständig‹ (z. B. von einer Finanzkammer); ›amtlich angestellt, im Dienste einer Gemeinde stehend‹ (z. B. von einem
schreiber
).
Wortbildungen:
offenschreiber
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Proponere. Furtragen [...] furbringensthun. relationthun ¶ anzeigen anregen melden ¶ sich ins offen begeben sich vernemen lassen.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Vvrsten de hant daz recht, Swa se gewaren solen sin, dar suͦlen se ire offene breuͦe senden mit ireme Jngesegele bi ireme angeboren dienstmanne.
Wunderlich, Fierrabr.
146, 25
(
Simmern
1533
):
Nach diesen dingen hielt man offne Brawlaufft / die weret acht tag.
Küther, UB Frauensee
179, 1
(
thür.
,
1390
):
[Wir] bekennen entsemtlichen an disem uffen briffe allen den, die en seen horen adir lesen, daz [...].
Jerouschek, Nürnb. Hexenh.
5r, 11
(
obd.
,
1491
):
Von ersten sol er habe͂ ain notarie͂ das ist ain offenschreiber.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
27, 24
(
nobd.
,
1413
):
das ich [probst] im [...] dise obgeschriben sache, stücke, bünde, pünckte und artikel eins oder mere macht offener instrument.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Vnd er gebot in. das sy in nit machten offen
[
Beheim
1343 /
Lang
1521:
solten offenbar machen
;
Luther
1545, Mt. 12, 17:
meldeten
].
das gib von dem schatz vnd von der offen kamer des kúnigz.
Wyss, Luz. Ostersp.
3, 60, 100
(
halem.
,
1616
):
vnd grüeß nach mehr | Marìam mit dem Englisch gruͦß, | mitt glaubens bschluß zuͦ offner buͦß.
Wiessner, Wittenw. Ring
4077
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
Hörr, ich pin noch ungewicht / Und han gelernt die offen picht! | Pei der selben lernt man wol, | Wie einer haimleich peichten schol.
Steinberger u. a., Urk. Hochst. Eichst.
273, 16
(
noobd.
,
1339
):
ich Chunr. [...], pfaffe ze Eystet, von des cheysers gewalt offenner schreiber.
UB ob der Enns
10, 227, 38
(
moobd.
,
1383
):
dez alles zu einem offen vrkund der worhait.
Rudolf, H. v. Langenstein. Erch.
11, 4
(
moobd.
,
1393
):
daz mit manigerlay sach tegleich svnd dem menschen werdent abgelait, [...]: Des ersten mit der offen peicht.
Wedler, W. Burley. Liber
57v
(
moobd.
,
v. 1452
):
Socrates nu was in ainer offen vanncknüß.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1593
, Hs.
16.
/
17. Jh.
):
vil weniger in iren heüsern zechen oder offne tänz (ohne bewilligung des landrichters) gestatten.
Moscouia
E 2r, 2
(
Wien
1557
):
die offen beicht vnnd verkhuͤndung der tag / thüen sy offenlich bey dem Alttar.
v. Maren, Marquard. Ausgabe
44, 14
(
Venedig
1483
):
so mugen so getan guͤtet den selen von den poͤßen geschehen aber in zweyerlay weise. Czum ersten so muͤgen sie geschehen als von aͤinem laͤyen der aͤin oͤfner diner gotes ist.
Steinberger u. a., a. a. O.
299, 7
;
316, 1
;
427, 25
;
Dinklage, a. a. O.
19, 27
;
Jörg, Salat. Reformationschr.
258, 5
;
Jerouschek, a. a. O.
40, 40
;
Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch.
91
;
Dalby, Lex. Mhg Hunt.
1965, 163
.
8.
›einer breiteren Öffentlichkeit bekannt; in aller Öffentlichkeit ausgeübt‹; nur vereinzelt mit positiver Bewertung (s. u. Beleg
Reissenberger
), in aller Regel auf den Ausübenden schwerer Straftaten (z. B. Diebstahl, Totschlag / Mord) und die Straftat selbst, auf ausgemachte Heuchler und Heuchelei sowie auf Frauen und die ihnen unterstellte, moraltheologisch als verwerflich beurteilte Sexualität bezogen.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, berichtende Texte.
Bedeutungsverwandte:
(Adj.) 2; vgl.  1, (Adj.) 2.
Gegensätze:
.
Syntagmen:
etw. mit worten o. machen
;
der offene dieb / mörder / sünder
(dies mehrfach für lat.
publicanus
),
die offene dirne / hure / sünderin
(mehrfach)
/ sünde, das offene übel / (töchter)haus
.

Belegblock:

Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs,
14. Jh.
):
Mit worten machte er offen, | Daz sicherliche hoffen | Daz wir zu Got sulen tragen.
Gerhardt, Meister v. Prag
8, 10
(Hs. ˹
nobd.
,
1477
˺):
Es komen auch offenn sunder das sie getauft worden vnd sprachen zcu im: meister was sull wir thun?
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
197, 19
(
els.
,
1362
):
do enphalch er dise heilige maget einre offenen súnderin.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
er [Calligula] det die edeln frowen die nüt woltent sinen willen tuͦn, in ein offen döhterhus, do varende frowen inne worent.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
nun wirt sy [tochter] gehalten wie ein ofneͤ huor under den fröumbden?
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
v. 1536
):
sie wellen der unkeuschait pflegen und sind hie und zuͦ Laugingen und zuͦ Ulm in das offen haus gangen.
Heydn. maister
16v, 1
(
Augsb.
1490
):
dann das eyn [list d. veind] ist ein offen vnd das ander [neid der freünd] ein verborgen übel.
Niewöhner, Teichner
300, 118
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
dez nempt den offen suntėr | der da waint pey der tuͤr | und augt allez daz her fuͤr | daz er got ye het getan.
Karnein, de amore dt.
191, 3
(
moobd.
,
v. 1440
):
was ich von der offen huren vnd puebn lieb vnd mynn verstünd.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
34, 29
(
tir.
,
1464
):
Der hat die waren lieb, der nicht alain lieb hat seinen nëchsten durch die pegierd der freüntschaft, als da thun die geleichsner vnd die offen sünder.
Helm, H. v. Hesler. Nicod. ;
Gerhardt, a. a. O.
36, 30
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
68
;
Williams u. a., a. a. O.
21, 18
;
802, 9
;
Niewöhner, a. a. O.
477, 38
.
Vgl. ferner s. v.  12.
9.
›offen, unverhohlen feindlich gesinnt und entsprechend handelnd‹ (von
feinden
gesagt); ›ausgebrochen, im Vollzug befindlich; rechtsgültig erklärt, angesagt‹ (von militärischen Auseinandersetzungen); eine klare Unterscheidung zwischen ›im Vollzug befindlich‹ und ›erklärt, angesagt‹ ist kaum möglich.
Mehrfach narrative Texte, Chroniken.
Bedeutungsverwandte:
 7.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
413, 4752
(
Magdeb.
1608
):
Biß das man auffbringet die Leut / | Zu oͤffentlichem Krieg vnd Streit.
Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
wo aber vnser vnd der vnsern offen veynde [...] gefencklich einkommen vnd [...] gewarnet vnd davonkomen.
Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
daz sü hertzogen Heinrichen von Sachsen soltent nemen zuͦ dem riche, wand er keinen beßern darzuͦ wüste, wie daz er sin offenre vient was.
Jörg, Salat. Reformationschr.
289, 2
(
halem.
,
1534
/
5
):
und sich allso darin schickend alls ob all stund der strumm / und ein offner krieg angan solle.
Maaler (
Zürich
1561
):
Offne vnnd verborgne feyndschafft. Apertæ simultates & obscuræ. Contraria.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
v. 1536
):
ainer den andern anzuͦgan [...] wie in ainem offnen feldstreit, hinden oder vornen.
UB ob der Enns
10, 341, 11
(
moobd.
,
1385
):
daz mein herren von Bayern und mein herr der herczog von Österreich ir lant und läut offen chrieg miteinander hieten.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
der an der öbrigkait sein leben, land und leut verworcht het, ein offenlicher feind des heiligen concillii und der ganzen christenhait wär.
Wyss, Limb. Chron. ;
Rennefahrt, Stadtr. Bern .