obliegen,
V., unr. abl.;
teils, vor allem in 2, auch getrennt geschrieben.
1.
›jn. drängend, nötigend, belastend um etw. bitten‹; in verbaler Form schwach belegt; im Part. Präs. und in subst. Form ansatzweise lexikalisiert, dann (für das Part. Präs.): ›jn. belastend, bedrückend, bedrängend; über jn. hereinbrechend‹ (von Mangel-, Notsituationen u. dgl. gesagt); subst.: ›Bedrängnis, die jn. durch belastende Ereignisse überkommt‹ (dies im Orientierungsfeld mit  2,  123,
1
 7,  1, (
die
2, );
vgl.
1
 9.
˹Gehäuft obd.; berichtende Texte˺.
Bedeutungsverwandte:
 5,  4, (V.) 6.
Syntagmen:
j. jm. o
. [+ Infinitivsatz mit
zu
],
j. jm. mit bitte, um etw. o
.; als Part. Präs.:
der obliegende abfal / schade, die obliegende leibesnot / gebrechlichkeit / schuld, das obliegende alter, obliegende sachen
; subst.:
das obliegen bedenken / beklagen / beratschlagen, jm. sein obliegen erzälen
;
etw
. (Subj.)
ein obliegen sein
;
j. einem obliegen genug tun
;
das obliegen der stat, der schiedleute
;
das ernstliche / vielfältige obliegen
.

Belegblock:

Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
und sein das die obligen und beschwerd, so aim innern rat vorsteen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Anhaltung (die) Ernstlichs obliegen.
Einem obliegen / Ernstlich anhalten etwas zethuͦn vnnd jn treiben vnnd noͤtigen. [...]. Einem vmb etwas vast Obliegen. Einem mit bitt vast Obliegen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1564
):
alsdann wolt er im nit allain aus obligender leibsnot
[›Lebensgefahr‹],
sonder auch allerdings widerumb zuͤ vorigem gewalt verhelfen.
Ebd. Anm. 1 (zu
1560
):
gesprech, darin Vetter Georg [...] von seinem (Herbrots) jetz obligenden abfall
[›dem hereinbrechenden Vermögensverfall‹]
und verderben, [...] mancherlai zuͤ redt würdt.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Die statt ruefft den kayser an umb hylff und erzelten im ir obliegen
[›Mangelsituation‹]
und mangel.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
daraus [aus den büechern Sibyllæ] rat und hilf nemen, wie man disen obligenden sachen
[›Bedrängnissen‹]
des römischen reichs begegnen solt.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
):
auch sich ain ieder mag sein obligen
[›Beschwerden, Nöte‹]
und nottdurft beklagen.
Weise. Jugend-Lust ;
Jörg, Salat. Reformationschr.
593, 11
;
Grossmann, a. a. O. .
Vgl. ferner s. v.  7.
2.
›die Oberhand gewinnen; jm. / einer Anfechtung, dem Teufel erfolgreich widerstehen; jn. / etw. bezwingen, besiegen‹; von militärischen (oft), individuellen (seltener), rechtlichen (vereinzelt) sowie inneren (psychischen) Kämpfen gesagt; die einzelnen Varianten stehen in unterschiedlich beurteilbaren tropischen Beziehungen zueinander; vgl. am ehesten
1
 78.
Phraseme:
den plaz / sieg, das feld behalten
.
Gegensätze:
.
Syntagmen:
etw
. (Subj., z. B.
die unmässigkeit
)
o., j
. (z. B.
Caesar, der keiser, der gerechte, die Schweizer / eidgenossen / feinde, der türke
)
o
. (absolut);
j. jm. o
. (z. B.
die katholischen den zwinglischen, die Trojer den Griechen
),
j. im
›sich‹
selben, den feinden / königen / Römern / geistlichen / teufeln, einer verachteten frauen, dem weibischen gauch o., der graf den stätten, j. einer partei, dem fleische / leibe o., j. jm. im rechten o
.;
j. eines guten vechtens o
.;
j. des glaubens halb, im kampf / streit, mit eren, mit js. hilfe, mit dem liecht, mit seiner sache o., die gläubigen wieder die feinde o
.;
der obliegende teil
.
Wortbildungen
oblage
1 ›Oberhand, Sieg‹ (dazu bdv.:  1),
oblieger
(dazu bdv.: , , ),
obliegung
1 ›Sieg über jn.‹ (dazu bdv.:  1, , , ).

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Und geligestu dem vleische obe, | So daz ich got dine werk lobe.
Daz wir an dem vleische gesigen | Und den tuvelen obe ligen.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
¶ Victoria. Sig vberwindung obsigung victory oblage / obligung. Superare. Sigen obligen obsigen vbersigen vberwinden vberringen bestreiten vberstarcken. Victor. Siger obsiger vberwinder obliger.
Luther, WA (
1532
):
das nicht die wolcken und wetter mit jrem finsternis den sieg behalten, sondern du mit deinem schoͤnen liecht obliegest und uberhand behaltest.
Ebd. (
1549
):
stercke, rat und that gibt [Gott] den Gleubigen, das sie endlich wider alle jre Feinde obligen vnd sigen.
Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Ist daz er ouch da ob liget, | Die begerunge uber siget.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
98, 17
(
omd.
,
um 1559
):
sol der berckmeister [...] das gekommerte ercz [...] den obliegenden theile [...] ubergeben lassen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1422
):
do (stach der) burger einer den andern zu tot; der hies einer der Steiner, der lag ob.
Ebd. (
1449
):
so etliche geschicht geschahen, also daz wir ob oder unter lagen, so [...].
Franck, Decl.
347, 7
(
Nürnb.
1531
):
so du vns [...] nachgibest / seind wir siger vnnd obliger.
Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
1365
):
1367 do graf Egen den stetten obgelag ze Endingen.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
wan alle die wile wir einhellig und einander getruwe worent, do gesigetent wir und logent den Roͤmern obe.
Roloff, Brant. Tsp.
2070
(
Straßb.
1554
):
Noch weiß ich das ich will gesigen | Und der verachten frawen obligen.
Barack, Teufels Netz (
Bodenseegeb.
,
1. H. 15. Jh.
):
so leg ich allen minen flissen, | Wie ich die gaistlichen mug beschissen: | Wan mag ich den obligen, | So lat im der tüfel licht angesigen.
Wiessner, Wittenw. Ring
7348
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
Doch ficht man, sam ich euchs künd, | Daz der gerechte ob geleit | Ofter ze der selben zeit | Dan [...].
Maaler (
Zürich
1561
):
Obliegen / Den sig daruon bringen.
Sappler, H. Kaufringer
23, 61
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
Wären sie als das hofgesint | uberain stät aun underpint. | so möcht in niemant obgeligen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
E. 15. Jh.
):
auch vacht der kaiser mit den Ungern und lag ob, wann er hett got gelobt, er wolt [...].
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1499
):
also lagen sie ernieder in ainem graben in der fasnacht schantlich, und lagen die aidgenossen ob.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Fur Nawͮ zoch er mit Gewalt, | Und vacht mit dem von Anhalt, | Und lag eins guten vechten ob.
Niewöhner, Teichner
201, 2
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
Wer der werlt wil an gesigen | und im selben ob geligen | und dem teuffel wider stan, | der sol tuͦn als ein man.
Ebd.
338, 77
:
er muez steygen spat und fruͤ | und dem leib recht ob ligen.
Rudolf, H. v. Langenstein. Erch.
25, 55
(
moobd.
,
1393
):
wann seit vnmezzichait, dÿ des teufels hofgesind ist, obleit vnd herschefft dem mund, der des menschen tor vnd slos ist; so [...].
Ebd.
31, 39
:
recht als ainem menschen nicht güt wêr, mit ainem harbigen menschen zu ringen, wann der würt gemailigt, ob er halt ob leͣg, also ist auch nicht gewêrleich mit vncheusch ze streitten.
Helm, a. a. O. ;
Neubauer, Kriegsb. Seldeneck
103, 12
;
Gille u. a., M. Beheim
291, 455
;
Dreckmann, H. Mair. Troja
31, 10
;
47, 21
;
Bernoulli, a. a. O. ; ;
Welti, Stadtr. Bern ;
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 208, 18
;
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
25r, 17
;
Jörg, Salat. Reformationschr.
427, 17
;
Morrall, Mandev. Reiseb.
96, 3
;
Ukena, Zuger Trag.
787
;
Primisser, a. a. O. ; ;
3.
›jn. (einen anderen) aufgrund besonderer Qualitäten überragen, übertreffen, über andere hinausragen‹; in 1 Beleg von Vögeln gesagt; vgl. am ehesten
1
 78.
Mittleres und spätes Frnhd.
Bedeutungsverwandte:
.

Belegblock:

Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
18, 16
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Do du [klager] zu Achademia und zu Athenis mit hohen künstereichen meistern, die auch in die gotheit sprechen kunden, ebenteure disputierest und mit kunst in meisterlichen oblagest, do sahen wir [Tot] uns zumale liebe.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
242
(
Nürnb.
1517
):
wo inen ander leut in tugenden oblegen oder auch gleichten.
Sachs (
Nürnb.
1563
):
Der [ein weiser mann] durch sein weißheit obgesigt, | Kleinen und grossen frey obligt.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Jn jhrer Sinagoge, | Der Fuͤrst uͤber alle ding, | Er lag in allen obe, | Sie verwunderten sich ob jhm.
Wickram
4, 34, 6
(
Straßb.
1556
):
als wann sie [voͤgel] umb ein kleinat kempfften / und einer über den anderen vermeint zuͤ steigen / und mit gesang obzuͤligen.
4.
›jm. als Aufgabe, Pflicht obliegen, jm. aufgetragen sein‹ (von Handlungen, Haltungen, Verpflichtungen, Lasten gesagt);
vgl.
1
 11.
Spätes Frnhd.
Syntagmen:
jm. eine bürde o., dem ampte etw
. (Subj.)
o., jm
. (z. B.
den fürsten / herren
)
etw
. (Subj.)
o
. (z. B.
frei
),
j. jm. o., zu [...]
,
ein vogel dem anderenn mit gesang o
.;
der obliegende dienst, die obliegende schuld, das obliegende ampt
.
Wortbildungen:
oblage
2 ›Verpflichtung, Abgabe‹ (a. 1616),
obliegenheit
(dazu bdv.: vgl.  2).

Belegblock:

Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
319a, 2
(
Frankf./M.
1649
):
so will Fuͤrsten vnd Herren / vnnd jhren Raͤthen dieses vornemblich obliegen vñ gebuͤren / allen fleiß anzuwenden / damit [...].
Weise. Jugend-Lust (
Leipzig
1684
):
Jch bleibe meiner Schuld / und meiner obliegenden Danckbarkeit nochmahls eingedenck.
Trunz, Meyfart. Rhet.
1, 63, 10
(
Coburg
1634
):
Weil ihm obliget erstlich zu beweisen / vnd das ist die vnvmbgaͤnglich Nohtwendigkeit: Zum andern zubelustigen / vnd das ist die suͤsse Liebligkeit: zum dritten zebewegen [...].
v. Birken. Erzh. Österreich ;
5.
›sich mit etw. (in der Regel: positiv Bewertetem) befassen, (einer Aufgabe) nachgehen, (den Regeln der geltenden Moral) folgen‹; vereinzelt mit negativer Konnotation, dann (kritisch): ›e. S. huldigen‹; vgl. am ehesten
1
 11.
Bedeutungsverwandte:
,  4; vgl.
1
 7,  3,  6, ,  2.
Syntagmen:
j. die lere
(Akk.obj., 1 Beleg)
o
.;
j. e. S
. (Dat.obj., z. B.
dem / einem befel, dienst / fasten / wachen / geld / handwerk / krieg / rechten / schreiben / wollust / studio, der geschrift / kunst / lere / tugend
)
o
. (z. B.
fleissig, ernstlich, in den werken
).
Wortbildungen
obliegung
2 (dazu bdv.: ).

Belegblock:

Rosenthal. Bedencken
7, 22
(
Köln
1653
):
so zeigt sie [Armut des Geistes] sich doch herrlich darin, daß so viel in der Catholischen Kirch auß begird Christo [...] aͤhnlicher zu seyn / auch seinem Dienst / in den Wercken der Andacht vnnd Seelen eyffers desto ohnverhinderter obzuligen.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
169r, 17
(
Leipzig
1588
):
Die natuͤrlichen vrsachen / eigenschafften vnd bedeutungen des Cometen / nach der lenge zubeschreiben / gehoͤret den Gelerten zu / welche dem studio Astronomiæ in rechtem brauch obliegen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1516
):
sechs cantzelschreiber, so den gantzen tag dem schreiben obligen müssen.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
553, 31
(
els.
,
1362
):
Mit zitlichen sachen wolte er vmbekúnbert sin das er die gotteliche lere deste bas moͤhte ob geligen.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Incubatio, Obligung / brütung
(hier wohl ütr. im Sinne von ›ernsthafte Befassung‹ gemeint).
Ocium. Obligung / vnd fleyß in den künsten.
Maaler (
Zürich
1561
):
Dem Raͤchten Obligen / sich auff die raͤcht gaͤben. [...]. Der leer fleysig Obligen / Sich auff die leer vast legen. [...]. Der geschrift Obligen / Studieren oder lernen. [...]. Dem krieg Obligen / Sich deß krieg fleyssen. [...]. Seinem befelch nitt ernstlich Obligen. [...]. Seiner kunst Obligen vnd nachgon.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
/
5
):
Allain ist im das edlest lob, | Daß er lig selbst der tugent ob | Und halt sich nach gebür.
Moscouia
E 2r, 44
(
Wien
1557
):
als laͤge Er dem wollust mer dann dem gebett / vasten vnnd wachen ob.
Opitz. Poeterey
15, 6
;