nöten,
V.
1.
›jn. durch Gewalt unterschiedlicher (z. B. physischer, körperlicher, psychischer, geistlicher, sozialer, rechtlicher) Art in Bedrängnis, in eine Position der Unterlegenheit, des Ausgeliefertseins bringen‹; im einzelnen: ›jn. physisch quälen‹; speziell: ›jn. martern‹ (bezogen auf die Passion Christi); ›jn. rechtlich zu etw. zwingen‹; ›das
fleisch
kasteien‹; resultativ: ›jn. bezwingen, unterwerfen‹; sowohl in der Subjekt- wie in der Objektposition mehrfach auf Abstraktgrößen ütr.;
offen zu 3; 4; 5; vgl. (
die
1.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  456789, (V.) 567,  2,  5,  56 (oft),  12,  3,  3,  1 (mehrfach belegt, auch des Reimzwangs halber), .
Syntagmen:
scheiden jn. n
.;
jn
. (
Adam
, Akk.obj.)
des obeses n.
(ohne Subj.);
j. das fleisch, das glük (nicht) n., j. jn
. (z. B.
die mönche, den teufel, Christum, die götter
)
n., j. jn. ane recht, mördlich, in feuersbrunst n., die liebe jn., der tod Adam, der zorn die freunde / mage n., die (oberen) wurzen die mutter
(ütr. für ›tiefer liegende Wurzeln‹)
n
. (›die Feuchtigkeit entziehen‹),
die not jn. n., der winter die creatur in die erde n., j. jn. mit dem ban, mit der pein des todes, mit drohe, mit sünden der anfechtung n., got mit seinem tode den tod n
.;
j. jn. der warheit n
.;
der genötete tod, die genötete freude
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Und [wir] suln iz vleisch noten | Und die sunde toten.
min her Adam, | Wen her mit untruwen nam | Daz obez wider Gote | Von des slangen gebote | Dort in des obezes note.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Neceßitare. Noͤtten noͤtigen dringen zwingen.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
dî prîstir er dâ toͤtte. | dî munche er mortlich noͤtte.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
sint daz mich din libe sus notet, | so sage ich also ich nu jach e: | [...].
daz her mit sime tode todete | den tot der Adam nodete.
Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. (Hs. ˹
pfälz.
,
M. 16. Jh.
˺):
niemandt das glickh khan nötten, | das ist mein bestandt.
Froning, Alsf. Passionssp.
3888
(
ohess.
,
1501ff.
):
das ire [hunde] Jhesum willet neden | und mit unrecht toden!
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Sie begunden en [Christus] nœten | Swerlich mit eime trame.
Sachs (
Nürnb.
1557
):
Ich muß der warheit nöten dich, | Weil dus nit wilt gutwillig sagen.
Ebd. (
1564
):
wer auch on erbarmen | Mit witwen, waisen und den armen | Handelt, schindt, schabet, nöt und dringet.
Ebd. (
1565
):
Welche [creatur] dw, Winter, dötest, | Mit deim frost grimiclich, | Ir vil int erden nötest, | Drin sie verkriechen sich.
Bobertag, Schwänke (
Nürnb.
1558
):
auch wenn sich einer zerrisse, vnd mit vrlaub beschisse, so laßt es [gelück, gelt] sich nicht nöten.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
els.
,
1521
):
ir habt uns geplagt und genöt mit dem ban.
Roloff, Brant. Tsp.
1044
(
Straßb.
1554
):
So doch Gott spricht / du solt nit noͤten | Noch den gerechten unschuldigen toͤdten.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2040
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
hettend sÿ bekennet das | Das er Gott und mensche was, | So hettend sy inn do nitt ertoͤt | Noch mitt des todes pin genoͤt.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Sy [fraw lieb] kund herrn Dauit nöten, | Durch ain weib hiesz er tötten | Seinen liebsten Ritter.
Löffler, Columella/Österreicher (
schwäb.
,
1491
):
die [wurtzen] werdent von der kelti geletzt und verbrinend in der hitz und noͤttend die muͦtter vast dúrsten in den hitzigen und huͮntz tagen.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Di [di chlainen chind] nie mit chain suͤnden sind | Der anvechtung genoͤttet.
Klein, Oswald
107, 23
(
oobd.
,
1417
/
8
):
Schaiden mich nöt, | dein schaiden mich ertöt.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
[Nero] hat in mancherlai weis künftige ding wöllen wissen und die teufel oder [...] die götter pannen, nötten und zwingen durch wasser, krais, luft, gestiern, liecht, pök, hacken und ander dėrgleichen gökelwerk.
dan (nach laut des alten sprichworts) genötte freud tue selten guet.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
16. Jh.
):
und der richter hat im zu nëdten das er den weeg alain mach.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
Dein pluͦt das roͤttet mich, | sein tod der toͤtte mich | sein not mich noͤttet mit ıͤm ungeleiche.
Wackernell, Adt. Passionssp. St. I,
1112
(
tir.
,
v. 1496
):
Darnach wurd wir genöttet | Und von Pilatus gewalt gedrungen.
Strehlke, a. a. O. ;
Fuchs, Murner. 4 Ketzer
4221
;
Barack, Teufels Netz ;
Völker, Antichrist
1111
;
Vogel, Urk. Heiliggeistsp.
1, 125, 17
;
Vorarlb. Wb.
2, 559
.
2.
›jn. zu etw. führen, bringen, bewegen‹; im Unterschied zu 1 positiv gesehen.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 8; vgl.  5, , ,  2, .

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1563
):
Darzu nöt sie die lieb ir kunst, | Der hiengen sie so emsig an | Mit höchstem fleis.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
55, 1
(
tir.
,
1464
):
da was ein grosser süesser wolgeschmachen vm in, der zoch vns vnd nöttet vns die ganczen nacht zu dem schlaff.
Dies., Zist.-Pred. Haller
83, 79
(
tir.
,
1466
):
Noch ist mich darczu nöten vnd treiben die suessikchait der lieb vnsers liebhabers Jesu Kchristi.
3.
›(eine Frau) vergewaltigen‹; eng an 1 anschließbar;
zu (
die
2.
Oobd.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2,  2,  3,  2,  3,  2,  2.

Belegblock:

Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
M. 15. Jh.
):
wer ein frume frawen oder junkfrauen mit gewalt nötten wil oder bringt si umb ir er, der [...].
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
, Hs.
17. Jh.
):
Wann aine genöth wurd, so sol si von im aufsteen mit zerfloktem har und zu dem negsten menschen, [...], ime solche sachen anzaigen, damit es nit übernächtig werd.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
34, 9
(
tir.
,
1464
):
[tu] vmstrikhëst si mit tausentuëltigen sinnen, vnd tu pist si halt ëtwen nötten mit gewalt.
Ebd.
89, 20
:
Tu nöttest die weiber zu deiner vncheüsch vnd töttest die menschen haimleichen.
Piirainen, Stadtr. Sillein
121b, 38
(
sslow. inseldt.
,
1378
):
der weyp genotet hot vnd mayde mak man daz beweysen mit sechs mannen iz get ym an den halz.
4.
›jn. durch Anwendung von Gewalt (vorwiegend psychischer und sozialer Art) zu einer Handlung, einer Haltung bewegen, die im Sinne des
nötenden
liegt‹; auch: ›eine Sache (z. B.
die kraft der kräuter, steine
) zu einer Zwangstat gebrauchen‹;
im Unterschied zu 1 eher zielgerichtet; vgl. (
die
1.
Bedeutungsverwandte:
 891011,  35, (V.) 4,  4, .
Syntagmen:
j. jn. n
. (allgemein),
j. jn. fertiglich n., j. jn. durch drohworte, für / mit gerichte, mit
›zu‹
dem trinken, mit
›mittels‹
zauberei, um ein gut, zu einer tat, zu zauberei n., die untugend jn. zum zorn n
.;
j. jn. (dazu) n., das
[+ finaler Konjunktionalsatz],
j. jn. n., zu
[+ Infinitiv oder finaler Infinitivsatz],
die zeit jn. n., zu [...], j. jn. n
. [+ Hauptsatz im Konj.],
j. jn. lange n., unz [...]
;
j. jn. des mordes, eines eides, einer kraft n
.; subst.:
sich des nötens enthalten
.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
MAn sal allen roup vnde duͦbe zwevaldich wedder geuͦen oder gelten, ob ses mit gerichte genotet werden.
Luther, WA (
1522
):
Diß noͤtten und zwingen hab ich verworffen, da ich von der beicht geschrieben hab, und wil eben nit beichten Allein darumb, das es der Bapst gebotten hat und haben wil.
Pyritz, Minneburg
2065
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Aber kruter und die edeln stein, | Der kraft mag man wol noten, | Daz sie einen menschen toͤten.
Langen, Myst. Leben
166, 13
(
nobd.
,
1463
):
Er [teufel] mag auch den / menschen nicht noten zw sunden, er geb dan sein willen we/dachtigklich darzw.
Sachs (
Nürnb.
1562
):
Und nött das weib mit worten stoltz, | Daß sie im solt bey seinr ungnad | Im hauß zu-richtn ein wannenbad.
Ebd. (
1565
):
Zogens ein mit gefencknuß-banden, | Nöttens zu opffern irn abgötter.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Er wolt S. Lorentz noͤhten, | Er solt werden ein Heyd.
UB Zug
1071, 7
(
halem.
,
1466
):
das sÿ nach dem nachrichter hand geschickt, der mich solt noͤtten unn fragen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Einen Noͤten vnd tringen / Einen trungenlich obligen vnnd ernstlich manen vnnd anhalten etwas zethuͦn.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1523
/
7
):
als er sie gefangen hat, da nött er den glaitzman, daß er dem bischoff von Mentz muͦst ain absagbrieff bringen.
Ebd. (zu
1559
):
daß sie sich des übermessigen voll⸗ und zuͤtrinckens oder nöttens enthalten wellen.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1340
):
Daz chain richter zuͦ chainer chlag niemant sol noͤtten.
Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein
90, 37
(
moobd.
,
1437
):
so mugen wir sie [...] in den benanten ihren haus nötten und pfenten so lang unz sie uns ganz darum entrichten.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
13, 3
(
tir.
,
1464
):
da in nu sein leste zeit wart nöten auz zugen von dem leib, vnd als nu erfült wurden sexunneünczig jar seines alters, da [...].
Große, a. a. O. ;
Baumann, Bauernkr. Rotenb. ;
Barack, Teufels Netz ; ;
Merk, Stadtr. Neuenb. ;
Primisser, Suchenwirt ;
Bastian u. a., Regensb. UB
278, 8
;
Brunner, a. a. O.
53, 23
;
Winter, Nöst. Weist. ;
Siegel u. a., Salzb. Taid. ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. .
Vgl. ferner s. v.
1
,  5.
5.
›jn. (einen Funktionsträger) / (einen Herrschaftsraum, z. B. eine Stadt, ein Land, eine Heeresgruppe) mit militärischen Mitteln angreifen, überrennen und unter die Ordnung des Siegers stellen, unterwerfen‹;
vgl. (
die
1.
Obd.; vielfach chronikalische Texte.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  2, , , .
Syntagmen:
j. jn. / etw. n
. (z. B.
Pippinus die sachsen, die türken die christenheit, ein land, der keiser die stat
),
j. jn. mit gewalt / hunger, die feinde mit seinem volk, die stat mit stürmen n., j. jn. / etw. n., zu
[+ finaler Infinitivsatz] (häufig).

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1562
):
Die [Türcken] sie [christenheit] mit gwalt nöten und zwingen | Vom waren glauben abzudringen, | Und nöten sie zu nemen an | Machometischen alcoran.
Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
1445
):
darúber were ich im fúr sin schlosz Louffenberg gezogen und hett daz helffen zerschiessen, noͤten und zerbrechen.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Nwn hort [...], was die Turckhen Kristenhait und cristenleichen lanndt genott und zerstort habent.
wann seine [kunig Verdinandi] vordern haben die kunigreych mit gewallt gezwungen und genott.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
wann Miramamula Muca, [...], Odorium [...] von dem landt vertriben hett und alls landt genöt anzupetten die abgötter.
das was der sibent zug auf sy
[Sachsen]
her, seid sy Pippinus von erst nott.
Roth, E. v. Wildenberg (
moobd.
,
v. 1493
):
also zoch der keiser fur die stat und nött sie, das sie die rinckmawͦrn alle muesten niderlegen.
Heydn. maister
14r, 6
;
Uhlirz, Qu. Wien ;
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 334, 6
;
Roder, Hugs Vill. Chron. .
6.
›sich abmühen, verzweifelt um etw. bemühen, sich anstrengen; sich mit etw. belasten, sich e. S. befleißigen‹;
vgl. (
die
3.
Meist literarische Texte, oft in Versform.
Bedeutungsverwandte:
vgl. ,  6, ,
1
 2.

Belegblock:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
2270
(
rib.
,
1444
):
siet dat ir uch alle noidet | Ure hertzen mit ruwen zo bewegen.
Bobertag, Schwänke (
Frankf.
1563
):
in dem kompt die magt etwas zuͦ holen, ersicht die mauß (welche sich wider heraußzuͦkommen
[aus dem
kästlein
]
hart nötet, [...]) und schlug sie zuͦtod.
Neumann, Rothe. Keuschh.
363
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
ist abir das uwer geist sich nottet | unnd die wercke uwres fleisches totet.
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
7b, 27
(
nobd.
,
E. 14. Jh.
):
disev minne / stet also swenn wir vns got / noͤten ze / minnen
[Inversion für:
vns noͤten got ze minnen
]
vnde seins willen / farn. nevr vor forhte.
Pyritz, Minneburg
4326
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Waz sich der jamers kuͤnde noten | Und leides umb den sun do hette, | [...].
Wiessner, Wittenw. Ring
3991
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
Kain mensche scholt du töten | Noch dich mit unkusch nöten.
Niewöhner, Teichner
719, 62
(Hs. ˹
oschwäb.
,
1472
˺):
der ain elich weib hatt | und sich noͤtt der missetatt | das er gatt zuͤ andern weyben.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Der kunig nott sich nach seinem muet und strafft sy wol.
Fischer, Brun v. Schoneb. .
7.
›etw. (das nicht zusammengehört) zusammenschmieden, verschmelzen, zusammenzwingen‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Da die tuvel selber inne wiezzen | In heisen vegevuren | Mit manicvalden schuren | Die sele dort also vaste, | Glicher wiz als imme taste | Das golt und silber notet, | Daz man uf sporn da lotet.
Goedeke, Fischart Schiff
84
(
Straßb.
1576
):
Derhalben weichet ir poeten, | Die war geschicht in falsch gdicht nöten.