notzogen,
V.;
vereinzelt unr., im Part. Prät. dann:
-zogen
(wohl Anlehnung an das Part. Prät. von
ziehen
).
1.
›jm. Gewalt antun (z. B. jn. mit einem Messer bedrohen)‹;
zu .
Bedeutungsverwandte:
vgl. (V.) 2.

Belegblock:

Mitzschke, UB Bürgel (
thür.
,
1428
):
Eyner, der do eyn meßer freffelich ruͤckt unde wel do eynen noͤtezogin, ab nicht mogelich dazselbige messer mochte dem gerichte gebore.
2.
›(eine Frau) vergewaltigen‹;
notzogen
zählt zu den schweren, vom
malefiz- / halsgericht
abzuurteilenden Straftaten. Als Beweisstücke gelten: den
übeltäter
zeitnahe (nicht
übernächtig
)
beschreien
2,
flatterndes / zerlöstes har, gelöste bänder, gebrochener / zerrissener leib
,
1
blau
,
1
blut
1; 5,
zum nächsten menschen laufen, bezeugen
1; 3; 5,
das gericht suchen
; die Mehrzahl dieser von der Betroffenen zu erbringenden Beweise wird durch Zusätze, Bedingungen u. ä. näher bestimmt, die der Interpretation und damit der Manipulation durch die Parteien sowie durch das Gericht offenstehen; als Täter erscheinen in den Belegen allgemein Männer (oft), speziell Angehörige von Truppen (z. B.
Spanier, Franzosen
), vereinzelt
pfaffen
1, ein
bischof
2,
jungherre, truchses
1, nicht: der Ehemann; die Opfer erscheinen unter den in den Syntagmen (s. u.) angegebenen Bezeichnungen, wobei nähere Bestimmungen wie
lediges
oder
gmeines weib
, auch
geweihete nonne
, ferner die Mehrdeutigkeit von
frau, frauenbild, magd
die oft strittige Interpretation von Formeln wie
weib oder magd
(als Synonyme oder als semantische Differenzierungen) gewisse Stufungen der Schwere der Tat und damit der Urteile zulassen; als Strafe gilt mehrfach
enthälsen, enthaupten, den hals abschlagen / abstosssen, lebendig begraben, an den hals gehen
.
Gehäuft rechts- und wirtschaftsbezügliche sowie berichtende Texte.
Syntagmen:
jn. (eine frau / hausfrau / jungfrau / klosterfrau / nonne / magd, fromme frauen, eine tochter, das meidlein, ein frauenbild / weib, eines mannes weib
)
n
. (z. B.
mit gewalt
); subst.:
das notzogen dem hals-, malefizgericht unterstehen
.
Wortbildungen:
notzucken
(Bw Intensivum zu
-ziehen
),
notzuckung
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Vi comprimere. Mit gwalt schwechen vbernoͤtigen vbergwaͤltigen notzwingen notzogen vberkraͤfftigen.
Ziesemer, Proph. Cranc Am.
7, 17
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
dine husvrowe sal genotzoget
[
Mentel
1466:
wirt entzeúbert
; Var. 1475
2
-1518 /
Eck
1537:
wirt vnkeuschen
; nd. Bibel 1478:
schal auerspyl doen
; 1522:
beunkuͤschet
;
Froschauer
1530:
geschwecht vn̄ geschendt
;
Luther
1541:
geschendet
; 1545:
zur Huren
]
werden in der stat und dine sone und dine tochtere sullen vallen von deme swerte.
Goerlitz u. a., Rechtsd. Schweidnitz
91, 21
(
omd.
,
1363
):
Lage vnd daz man vrowen notzoit vnd heymsuchen richtit der burcgreui.
Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
vnd slugen in von gazzen zv gazzen rufende vnder die lvite, das er hette ir tochter genotzuget.
Voc. Teut.-Lat.
x vjr
(
Nürnb.
1482
):
Notzogen. stuprare. od’ vneren.
Maaler (
Zürich
1561
):
Notzogen / Mit gewalt beschlaaffen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1523
/
7
):
die Spanioli haben auch die frauen in Rom und junckfrauen, klosterfrauen genottzogt und mit gwalt sie gepletzt.
Ebd. Anm. 2 (zu
1560
):
als hab er ain medlin auf ainem betstätlin, alda ain jungs kind gelegen, genotzogen und dasselb kind under dem medlin ertruckt.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Die nonnen gaben, [...], für, der bischof het aine usser inen notzogen wellen.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1340
):
Chlagt ein frawe, si sey gnotzogt, und chuͤmpt diser dovon, der die notnunft getan hat, daz er darumb nicht gepunden noch gevangen ist oder wirt, den sol man vodern fuͤr das recht.
Bischoff, Steir. Landr. (
m/soobd.
, Hs. 
v. 1425
):
Wann ayne chlait, si sey notzogt, die sol dez ersten für gericht, lêt si ez vbernêchtig werden, ob si vngefangen ist, so sol man ir nicht richten, ir sey dann daz [...].
Ders. u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1565
/
81
):
Wann aine genotzogen wiert, so soll si, wie si von ime aufsteet mit zerlöstem har zu dem negsten menschen geen.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1354
):
wann ainer aine notzogt [...], kumbt si gelaufen fur den richter mit gelöstem peent und mit fladernten har und mit zerissem leib.
Piirainen, Stadtr. Sillein
48a, 27
(
sslow. inseldt.
,
1378
):
Von dem der vmb notzvkgung einer iunkfrauͤwen beclaget wirt.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel Var.;
Bernoulli, Basler Chron. ;
Drescher, Hartlieb. Caes. ;
Piirainen, a. a. O.
137b, 31
;
156b, 30
;