notdürftig,
Adj.
1.
›arm, bedürftig, Mangel habend, Mangel leidend, nicht über die notwendigen Gegenstände des täglichen Lebens verfügend‹; ütr.: ›einer personal oder sachlich gedachten religiösen Instanz bedürfend‹; auch: ›zur Hölle verdammt‹;
vgl.  1.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
(Adj.) 1,  1,  3,  5,  2.
Syntagmen:
j. n. sein / werden, j. vor Christo n. sein
;
j. etw.
(Subj.)
n. sein, jm. etw.
(Subj.)
n. dünken
;
j. des zinses, der warheit, eines gutes, des wortes / sacramentes, des herren n. sein
;
der notdürftige man
; subst.:
dem notdürftigen almosen geben, etw. austeilen / mitteilen / verkaufen, über den notdürftigen barmherzig sein
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Wen her wer iz baz genesen, | Wer her barmherzic gewesen | Ober den notdurftigen.
„du enweist des nicht“ quid Crist | „Daz du vor mir notdurftik bist, | Irbarmlich, arm, blint, nacket.“
Chron. Magdeb. (
nrddt.
,
1505
, Hs.
E. 16.
/
A. 17. Jh.
):
sundern in dem laden oder hausse mag man gahr kost speyse broth getrencke oder dergleichen den nodtürfftigen umb ein redlich geldt vorkauffen ane fhar.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Pauper. Arm duͤrfftig mangelhafft nottuͤrfftig kummerhafft.
Luther, WA (
1528
):
Sol nu Christus helffen, so muͤssen solche leutte furhanden sein, die da sundere und arme, notduͤrfftige, elende leute sind, mit viel jamer, nott und hertzeleyd beladen, denn umb solcher leute willen ist Christus komen.
Voc. inc. teut.
r vr
(
Speyer
um 1483
/
4
):
Notturfftig sein oder werden.
Lemmer, Schernb. Frau Jutte
1377
(
Eisleben
1565
):
Der armen Suͤnderin die da notduͤrfftig ist | In der Hellenpein zu dieser frist.
Thür. Chron.
9r, 10
(
Mühlh.
1599
):
ein Weiser frommer / milter warhafftiger Man der ist Edel / ob er gleich Notduͤrfftig vnd Arm ist.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk. (
osächs.
,
1343
):
Habit ir nie gelesin waz Dâvîd tet, dô her sîn nôtturftic
[
Luther
1545:
not
]
was und en hungirte.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
74v, 25
(
Leipzig
1588
):
das sonderlich solche hoch betruͤbte [...] Leute / des heiligen Goͤttlichen Wortes / vnd des Sacraments sehr nothduͤrfftig sein.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Herr, bin ich din nit wirdig, so bin ich din aber notdúrftig.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
die lebende blosse worheit der si vil notdúrftiger weren, die ensmakt in nút.
Bauer, Geiler. Pred.
81, 23
(
Augsb.
1508
):
daz du es [zeitlich gut] miltiklichen und froͤlichen mügest außtailen / denen die deß notürftig sind.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
der muest dohin holldigen mit allem dem, das sy in dem geschlos notturfftig warn.
Helm, a. a. O. ;
Steer, Schol. Gnadenl.
3, 283
;
Leman, Kulm. Recht ;
Bechstein, a. a. O. Joh. ;
Fuchs, Kart. Aggsbach .
Vgl. ferner s. v. (Adj.) 1,  3.
2.
›lebensnotwendig, zum einfachen Lebens-, Arbeits-, Existenzbedarf (speziell zu Ernährung und Kleidung, auch zur Seligkeit) erforderlich, bedarfsgerecht, bedarfsangemessen‹;
offen zu 3d; vgl.  5.
Bedeutungsverwandte:
vgl. .
Syntagmen:
jn. n. mit etw. versehen, j. das bauholz n. gebrauchen, j. sich des bauholzes n. gebrauchen
;
j. n. sein, das [...]
›j. wird gebraucht, damit er [...]‹,
j. n. sein, zu [...]
›der Notwendigkeit unterliegen, zu [...]‹,
j. etw
. (Akk.obj.)
zu kaufen n. sein, die rede eines tropischen sinnes (nicht) n. (sein)
›einer tropischen Sinngebung nicht bedürfen‹,
j. e. S
. (Gen., z. B.
des rechtens, der bewegung der achseln
)
/ e. P
. (Gen., z. B.
des arzetes / bergmeisters / knechtes
)
n. sein, j. des dorfstieres n. werden, des spitales n. sein, jm. drei dinge zu etw. n. sein, jm. etw
. (Subj.)
zur seligkeit n. sein
;
j
. (z. B.
ein tagwerker
)
zu etw
. (z. B.
zu der arbeit
)
n. sein, etw. n
. ›nach Bedarf‹
gebrauchen
;
j. e. S
. (Dat.obj)
n. obliegen
;
j. jn
. (z. B.
vater / mutter
)
n. versehen
›versorgen‹;
die notdürftige handreichung / narung, notdürftige dinge / sachen
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
er habe uns geoffenbâret ûf dem wege, als vil uns nôtdürftic wære ze unser êwiger sælicheit.
Gropper. Gegenw. (
Köln
1556
):
Also das auch dise rede keinns Tropischenn sins hoch notturfftig.
Köbler, Ref. Wormbs
316, 8
(
Worms
1499
):
so soll der Man schuldig syn [...] der Frauwen zupflegen notdurfftig hantreichung vnd narung zugeben.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
62, 9
(
omd.
,
1514
/
8
):
so man eins berkmeisters nottorftig aus mangel seins unfleis, alters, versemlickeit aber anders gebruchs, ist [...].
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
129, 25
(
thür.
,
1474
):
dy zcwey kindere belangende, dye Clauß vater ettliche zcyt uffgeczogen unde (met) essen unde tringken unde andern notdorfftigen sachen vorsorget hat.
Küther, UB Frauensee
350, 23
(
thür.
,
1524
):
das [bawholcz] sy [...] in des closterß geholcz sich gebruchenn notturflich, doch das sy keins verkeuffen sollen.
Köbler, Ref. Nürnberg
58, 6
(
Nürnb.
1484
):
EIn yeder Burger der gen einem andern Burger Rechtens nottufftig ist, soll [...].
Sachs (
Nürnb.
1557
):
Warmit kanst du eim herren dien? | Wann eins knecht ich nottürfftig bin.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
175, 25
(
els.
,
1362
):
Nuͦ sint vns hien zuͦ drú ding notdurftig die vns in der epistolen vnd in dem ewangelio werdent fúr geleit.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
ob euch iemant sagt was thuͦt ir: sprecht daz es ist notturfftig dem herren
[
Beheim
1343:
des herren nôtturft
; nd. Bibel 1478:
de here hebbe des behoff
;
Luther
1545, Mk. 11, 3:
der herr darff seyn
].
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
die do mit dem gantzen arm arbeite͂ sint noturftig der achselen bewegu͂g vñ des oͤbersten geleichs.
Dorumb sind wir nottürftig, das etwar uns uß disen fürgenomnen sachen helfe.
v. d. Broek, Spiegel d. Sünders
246, 29
(
Augsb.
1476
):
Hast du vatter od’ muͦter nit noturftigklich fúrsehen mit speiß vnd kleydern.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1438
/
52
):
ain ieder der sein
[des
dorfstieres
]
notturftig wird mag in bei in suchen und nemen.
Mollay, Ofner Stadtr.
298, 5
(
ung. inseldt.
,
1. H. 15. Jh.
):
Man schol auch kainerlaÿ ding nicht fail haben, Den nür notdurftige ding czu essen vnnd czu trinken.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. ;
Williams u. a., a. a. O.
3, 7
;
148, 15
;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Merk, Stadtr. Neuenb. ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ; .
Vgl. ferner s. v.  3.
3.
in verschiedenen Bereichen des kulturellen Lebens (vor allem im Recht, in der Religion) mit einer Reihe logischer Implikationen gebraucht, ohne daß diese deutlich bezeichnet und folglich zweifelsfrei erschließbar wären; der allgemeine Bedeutungsteil der folgenden Nuancierungen wäre mit ›notwendig‹ anzudeuten;
vgl.  4567.
a) mit kausaler Nuance: ›logisch zwingend begründet‹.
b) konditional gesehen: ›die notwendige Bedingung bildend, vorauszusetzen‹.
c) mit modaler Nuance: ›sachsituationsangemessen, sachbedingt, sachlich geboten; logisch abwägend, mit den Blick auf sachliche, darunter rechtliche Gegebenheiten‹.
Bedeutungsverwandte:
 12, .
d) mit finaler Nuance: ›mit dem Blick auf einen Zweck angebracht, erforderlich; zweckdienlich, zweckentsprechend‹.
Bedeutungsverwandte:
 6,  1.
e) mit konsekutiver Nuance: ›folglich‹; im Beleg pleonastisch gebraucht:
aus notdürftiger folge
.

Belegblock:

Zu a):

Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
es were danne, das sich dy sache mit rechte noddorfftiglich vor lengete.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
dú goͤtlich minne, ân die niemer kain mentsche út guͦtes oder lobliches getuͦn mag; und dar umb ist es wol notdúrftig, sit wir nit guͦtes ane goͤtlich minne getuͦn mugent.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
119
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
wann pey im [got] ist nichtes notdurfftig oder vnmugleich wann waz er wil.
Koller, Ref. Siegmunds ;
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
61, 20
;
108, 24
;
v. Maren, Marquard. Ausgabe
21, 27
.
Vgl. ferner s. v. .

Zu b):

zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
145
(
Nürnb.
1517
):
dise dingk zu glouben, ist ein notturftig stuck der selikeit.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
alsus wolte ich mit guͦter concienzien einem daz heilge sacramente geben nach allen notdurftigen minnewercken.
Buijssen, Dur. Rat.
298, 21
(
moobd.
,
1384
):
das ist an das substanczial prot, daz ist das notturfftig ist zw auffhaltnuͤzz.
Bauer, Zist.-Pred. Haller
59, 318
(
tir.
,
1466
):
Wildu Kchristum lieb haben, so ist dir notürfftig, das du lieb habest deinen prueder oder nächsten.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
86, 8
(
mslow. inseldt.
,
1609
):
wann aber Frau Barbara ihre ehelich Heyrath vnd Kirchgangs alhie gehalten, glaubwürdiger Kundśchafft auch notturfftig wehre.

Zu c):

Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
das sol an vnser werntlich Rete mit notturfftiger vnterrichtigung aller vmbstende gelangen.
vnd der verzug soͤlcher aussfuͤrung nit auss seinen schulden, sunder auss notdurfftigen rechtlichen schuͤben gescheen were.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
im gebrast alzemal noturftiges underschaides, daz man dú wort mohte hin und her ziehen uf geist und uf natur.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1504
):
so sich ie ein parti gegen und wider die andern zuͦ behelfen vermeint, nach aller leng in recht notdurftiglich gehört sind.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Das geschach durch unbesichtigkait, die notturfftig pey guetten gschlossen ist; wan ye pesser ain gschloss, ye mer veindt.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1593
, Hs.
16.
/
17. Jh.
):
es sollen alle feuersteet viermallen im jar zu jeder quottember ainsten notturftiglich beschaut werden.
Köbler, Stattr. Fryburg ;
ders., Ref. Nürnberg
272, 9
;
Kohler u. a., a. a. O. ;
Vgl. ferner s. v.  10.

Zu d):

Toeppen, Ständetage Preußen
5, 608, 24
(
preuß.
,
1517
):
wollen sich s. f. g. dorauff notdorffiglichen mit denjenigen, zo zw diszer sachen dinstlichen und billich darzw gezogen werden, beratschlagen.
Köbler, Ref. Wormbs
39, 27
(
Worms
1499
):
so der antworter einich Jnterrogatoria oder Fragstuckh vor verhoͤrung der zügen zugeben vnderstünde. [...]. so soll er allein notdurfftig vnd zu recht dienstlich’. Jnterrogatoria geben.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Lehr vns was nottuͤrfftig ist zur seligkeit.
Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
vnd in solchem sol man den sager fragen aller moͤglicher vnd notdurfftiger vmbstende, die [...] zu nachvolgender erfyndung der warheit dinstlich sein mogen.
Köbler, Ref. Nürnberg
307, 2
(
Nürnb.
1484
):
wes das haws ist, der sol notturfftige gepewe vnd pesserung zu gepuͤrlicher Jnnwonung dienende dar Jnn thun.
Eichler, Ruusbr. steen
187
(
els.
,
sp. 14. Jh.
):
wa sich die ewige worheit offenbart in den geist, do werdent alle ding gelert, die notdúrftig sint.
Schmidt, Rud. v. Biberach
39, 16
(
whalem.
,
1345
/
60
):
An dem gebet sint in beslossen alle gebet, die dem menschen notuͥrftig sint von dem himelschen vatter zvͦ begerende.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
4v, 9
(
Zürich
1521
):
die natur [...] hat gewelt das dem menschen die früntschafft nit allein angenem vñ holtsaͤlig sy / sund’ ouch noturfftig.
Jörg, Salat. Reformationschr.
51, 25
(
halem.
,
1534
/
5
):
so behalltend wir ouch jr glück / eer / und heyl / samptt allemm das uns nutz / und noturftig jst.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
das in vnser vnd der Richter gewalt stan sol / nit allein den obberürte͂ eyd für geverd / sonder ouch einen yeden notturfftigen zimblichen eyde / so offt vns oder das gericht nach [...] des proceß not beducht / an die parthien zuͦvordern.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
2, 19
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
Ez ze merken, daz zuo etlichem ende etwaz heizet notdurftig in zweier hant wis: ein wis ane daz etwaz niht gesin enmag, alse die spise, dü ist notdürftige zuo der wandelunge menscheliches lebennes; ein anders, [...], alse daz ros notdurftig ist zuo dem wege. Nach der ersten wis so enwas niht notdurftig, daz got ingefleischet wurde.
Heydn. maister
1v, 9
(
Augsb.
1490
):
vil irer sprüch vñ sagen so notturftig seind de͂ me͂schen zemercke͂ darein geschloszsen.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1523
):
darzue auch mit fuer, feurhaken, laitern, potting, lidern empern und andern notdurftigen assach und geschiern fursehung getan wurde.
Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
320
;
Winter, Nöst. Weist. ;
Zingerle, Inventare .

Zu e):

zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
24
(
Nürnb.
1517
):
die er [Christus] frei fürsehen hat, die sein aus notturftiger folg in der zeit zum glouben durch einen würklichen willen gefordert.