notdurft,
die
;
-Ø/–
;
motivationelle Bezugsetzungen zu (
die
) und (
die
) nur teilweise sinnvoll möglich.
1.
›Notlage, Zwangssituation, in der sich j. befindet und der er sich stellen muß‹; im einzelnen: ›Armut, Bedürftigkeit, von Mangel bestimmte Existenz‹; ›im Vergleich zu den Tieren mindere natürliche Ausstattung des Menschen‹; ›Not als Zwang zur Gemeinschaftsbildung‹; ›wirtschaftliche Notlage‹ (z. B. als Grund für einen Verkauf); ›Notlage‹ (teils
ehehafte not
als Entschuldigungsgrund für ein Pflichtversäumnis; s. ,
die
, 4); ›Defizienz, Schwäche des einzelnen Menschen‹;
vgl. (
die
145910, (
die
2.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): (
die
12, ,  1, , , (
der/das
12, ,
1
 17, , , , .
Syntagmen:
(die / eine) n. haben / abwenden, das gestirn (k)eine n. bringen, jm. eine n. fürlegen
;
die n
. (Subj.)
gottes willen untertan sein, vereinigung finden, die stätte in freundschaft zusammen knüpfen, etw. erfordern, jn. zwingen, das [...]
;
aus n. zu etw. bewegt werden, sich aus der n. ausziehen, durch / von n. willen etw. verkaufen, durch seine n. ein gut anewerden, nicht behalten können, j. in n. liegen, sich in n. bekümmern, um n. einen hof verkaufen, jm. etw. zur n. leihen
;
die n. der Juden / menschen, des keisers, der christenheit, gegenwer
;
die anliegende / bewegende / ehehafte
(mehrmals)
/ ziemliche n
.;
hilfe in der n
.
Wortbildungen:
notdurftbau
›notwendige Baumaßnahme‹.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
PAVPERTAS. Armut darb kummer notturfft duͤrftigkeit gebreste gebrech.
Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. (
mosfrk.
,
1531
):
Dingt der hern schultheis, ob notturftbeuwe weren. von weme man das holz fordern sol?
Köbler, Ref. Wormbs
348, 17
(
Worms
1499
):
So aber notdurfft oder gegenwere solichs erfordern vñ also bewyst wurde. derselb ist nit [...] zu straffen.
Ders., Ref. Franckenfort
22, 10
(
Mainz
1509
):
in den ferien die ob noturfft der menschen / als die Erne / vnnd Herbst ingesetzt sein / moͤgen die parthyen jm rechten handlen.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
48, 3
(
thür.
,
1474
):
eß were danne, daz sy bewisen mochte, daz sy der [gutter] durch yre notdurfft willen nicht behalden kunde.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
111, 5
(
schles.
,
1390
):
das wir [...] durch sunderlicher notdorft vnd schulde willen, [...], recht vnd redelich vorkawft haben [...] vns’m mitburg’
(einen Zins).
Voc. Teut.-Lat.
x vjv
(
Nürnb.
1482
):
Notdurfft geprechen. indigentia.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel Var. (
Straßb.
1466
):
sy ruͦfften zuͦ dem herrn do sy wurden betrúbt vnd er erlost sy von iren gebresten
[Var. Hs., 15. Jh.:
notdurften
;
Eck
1537:
noͤten
;
Luther
1545, Ps. 107, 13:
engsten
].
Roder, Hugs Vill. Chron. (
önalem.
,
1496
):
Darnach war dasselbige jar ein zimliche guote notturft, hat ein maß wein ein halben kreitzer golten.
Lemmer, Brant. Narrensch.
65, 13
(
Basel
1494
):
Als ob das gstirn eyn notturfft bring | Vnd jm noch muͤsten gan all ding | Vnd gott nit herr vnd meyster wer.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
4r, 24
(
Zürich
1521
):
Noturft hat funden stett vñ vereynigung der burgere͂ / noturfft hat ouch die selbe͂ stett vnder inen in früntschafft zemen knüpfft.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
346, 13
(
Genf
1636
):
Notturfft / f. Mangel / m. Doͤrfftigkeit.
Chron. Augsb. Anm. 1 (
schwäb.
, zu
1563
):
daß dannocht kain stand dises crais mit dem flaisch weitern ausschlag one sondere bewegende notturfft seinen metzgern nicht gestatten.
Bastian u. a., Regensb. UB
42, 14
(
oobd.
,
1345
/
54
):
daz uns unser purger deu gemayn der juden ze R. ze unser stat anligender notdurft ietzu geliehen habent 500 lb R. d.
Ebd.
136, 13
(
1358
):
Nu habent uns di wisen lute [...] derselben juden armmuͦt, notduͦrft und gebresten beweiset.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
deshalb wir der heyligen Kristenhait notturfft wider die Turckhen abwennden muessen.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
In zwang notturfft und armuͤtt das er wider zu im kam.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1340
):
und sol auch daz aigen daz lest guͦt sein, daz er durch sein notturft ânwirt.
UB ob der Enns (
moobd.
,
1380
):
daz wir durich vnser grozzer ehafter nottuͦrft willen. [...] ze chauffen haben geben dem gotzhaus [...] vnser guͦt.
Buijssen, Dur. Rat.
21, 8
(
moobd.
,
1384
):
anders ist nu in ainer notduͤrft, do mag ain priester mit ainem allain mess sprechen.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
118
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Ain yede notdurft vnd vnmügleichait ist gotes willen vndertan. Aber sein wille stet chainer notdurfft oder vnmugleichait czu gepot.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1456
):
so sol er de [halbmäß] naher bringen inner acht tagen, in verirre dann erhafte notturft.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
18, 19
(
tir.
,
1464
):
wër da [...] sicht seinen pruder ligen in der notturfft vnd schleüsset seine hende vor im zue, wie peleibt denn die lieb gottes in im?
Ebd.
88, 23
:
wenn die zeit chümt der notturfft, so ist er [got] si [heilige] nicht verlassen in irem trüebsal.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. ;
Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
251
;
Küther, UB Frauensee
186, 20
;
Grosch u. a., a. a. O.
42, 25
;
Illing, Albert. Sup. miss.
665
;
Bastian u. a., a. a. O.
135, 4
;
Weissthanner, Urk. Schäftlarn
178, 26
;
Vogel, Urk. Heiliggeistsp.
1, 162, 8
;
Grossmann, a. a. O. ;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ;
Bauer, a. a. O.
30, 35
.
Vgl. ferner s. v.  3,  24, .
2.
›Notdurft, Entleerung des Darms‹; sowohl verhüllend wie neutral und derb gebraucht;
vgl. am ehesten (
die
19, (
die
1.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  3, .
Wortbildungen
notdurftstul
(a. 1432), Klammerform dazu:
notstul
.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Clauß sahe das Fuͤrstliche Frawenzimmer / als sie im Garten spatzieren giengen / jhre Notturfft thaͤten / hernach wolt ers auch so machen / huͤllet seinen Rock vnnd Hosen vmb sich / bruntzt vnd thet alles voll / als ob [...].
Luther, WA (
1525
):
Wenn nu eyn gesinde sich woͤllt yrren lassen, das ym hausse nicht eyttel sylbern becher weren, sondern funde yrgent eyn nottstuͤl odder harm fas und woͤlte das nicht leyden, was wolt draus werden? Wer kan haus halten on unreyne gefes?
Adrian, Saelden Hort
1569
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
vil togenlichen blik | zuͦ siner notdurft, nim si war | und maches windellinen bar
(Kontext: Pflege des Jesuskindes).
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
wann der keyser Constancius fuͦr eines moles durchehtende die cristenheit, und also er wolte sine notdurft tuͦn, do scheis er sin ingeweide mit dem bothe
[s.
1
bacht
1]
herus, das er ze stunt starp.
Maaler (
Zürich
1561
):
Sein Notturfft thuͦn od’ scheyssen. [...]. Sein Notturfft in ein guldin becke thuͦn.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
In ainem haws unnsers ordens, da ward ain gebaw gemacht zu notturfft der múnch.
da fẃrt ain mayd seine kind vor dem schlaff in den hoff zu ir natur notturfft.
3.
›für einen je besonderen Zweck (z. B. die Haushaltsplanung, den Handel, Kriegswirren, Unternehmen) spezifische, ausreichende Menge an Notwendigem, Vorrat an Lebensmitteln, Verpflegung, Ausrüstung‹;
vgl. am ehesten (
die
3.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): (
das
1,  1,  34, , .

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
,
1565
/
6
):
sein [...] drei schiffe mit 8000 scheffel rogken beladen alhir ankommen und zur notturft und vorrat in unser frawen Closter auffgeschüttet.
Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord.
63, 25
(
preuß.
,
1437
/
8
):
Disse nochgeschreben notdorft ist zcu Ragnite uff dem huße.
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
dachte er auff ein ander Jahr sein Gluͤck vnnd Heyl besser zu versuchen / wenn er sich mit aller Notturfft genugsam wuͤrd gestaffiert haben.
Gille u. a., M. Beheim
453, 1201
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
da gieng in in acht tagen ab | [...] | narung, noturfft und speise.
Schib, H. Stockar
75, 12
(
halem.
,
1520
/
9
):
In disem jar ward korn und win ain gutt nottdurft, und buch mian das hallerwertig brott wider.
Müller, Nördl. Stadtr. (
schwäb.
,
1450
/
58
):
daz niemant kainerlai korn [...] kawfen sölle [...], der selbs ein notdurft korns von gülten oder von seim baw habe.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Die [...] pedachten trewe und ere, wiewol sy doch manigen grossen abganng an notturfft hyetten.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
die wägen (so si mit inen füerten und ire plunder und notturft darauf legten und lueden, die wagenburg damit schlossen).
Vgl. ferner s. v.  2.
4.
›Notwendigkeit als Seins-, Erkenntnis- und Handlungsvorgabe‹;
notdurft
in diesem Sinne resultiert aus Gegebenheiten, die in einem sehr umfassenden Sinne als gefügeartig systematisch oder pragmatisch (z. B. durch
stand
4; 5; 6; 7,
wert
), im einzelnen als sachlich, logisch, religiös, sozial vorgegeben gelten und damit unhintergehbar sind. Als Gefüge mit solchem Status erscheinen in den Quellen: natürliche und sachliche Zusammenhänge, kosmologische Konstellationen, Glaubenswahrheiten, Schicksalsmächte, Arbeits- und Lebenssituationen, persönliche Konstitutionen, soziale Strukturen und Werterelationen; der extensionale Skopus von
notdurft
umfaßt (metonymisch) u. a.: Tagesnotwendigkeiten und -zwänge, betriebsnotwendiges Handwerkszeug, die Inhaltsstruktur eines Gemeinwesens, Prozeßerfordernisse; oft ist semantisch vage, aber pragmatisch klar ›alles Notwendige‹ gemeint;
vgl. (
die
9, (
die
12.
Phraseme
(kaum von Synt. trennbar):
ane (alle) notdurft
›ohne Begründung, ohne Notwendigkeit‹;
aus notdurft
›unnötigerweise‹;
mit notdurft
›gezwungenerweise‹;
der notdurft nach
›angemessen; nach Lage der Dinge; wie es sich gehört‹;
von notdurft
›logischerweise‹ (dazu ggs.: );
die notdurft auf etw. reden
›das Nötigste zu etw. sagen‹.
Syntagmen:
die n. machen, zu gericht bringen, got dem menschen die n. zum guten / bösen gegeben haben
;
die n
. (Subj.)
etw. erfordern / erheischen, in allen dingen erscheinen
;
dem glauben etw. n. sein, eine sache ist n
.;
j. aus n. zu etw. getrieben werden, die strasse mit n. versperren, das bad mit aller n. halten, etw. nach n. tun, ein bündnis nach n. verbriefen, got jm. nach seiner n. ein liecht sein, etw. von n. also
›wie‹
eine arzenei aufsetzen, etw. von n. bedürfen, j. von n
. [wohin]
dringen, jn. zu n. verhören, etw
. (Subj.)
zur n. beschehen, jn. nach heischung seines standes zur n. versorgen
;
die n. der sache
(gen. subjectivus),
der brücke, der
›zur‹
arbeit
(gen. objectivus),
die n. des geschickes
›innerer Zwang als Bestimmung des Schicksals gesehen‹;
die höchste / unvermeidenlichste n
.;
der grund der n
.

Belegblock:

Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord.
120, 7
(
preuß.
,
1437
/
8
):
In der mole. item 2 rade mit aller notdorft, item 1 obirgin rincken zcum steyne.
Steer, Schol. Gnadenl.
3, 25
(
rhfrk.
,
1375
):
darvmb so ist dem redlichen geiste noitdorft, ist daz er wirdig sol sin der ewigen selikeit, daz er teilhaftig werde des geistlichen influszes.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
12, 3
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Du fluchest und bittest rachung unverschultlich und on notdurft.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. (
osächs.
,
1343
):
der zcal schickunge odir redunge und waz dem gloubin nôtturft ist: [...].
Berthold u. a., Zwick. Stadtrref.
111, 12
(
osächs.
,
1542
/
70
):
darauf zu sehen und sorgen, das seines mundleins person, leib und ehr nach heischung seines standes und vermöge seiner guetere zur notdurft versorget [...] werde.
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1529
):
dass die gewergken macht haben sollen einen bergmeister und geschworn [...], zu kiesen und zu vorändern, so oft es die notdurft erfordert.
Gille u. a., M. Beheim
81, 76
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Man auch von Sand Ambrosio list, | der czoch gen Rom czu einer frist | durch noturfft seins geschikes.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 83
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Har vmbe ist got ein gemeine schin vnd ein gemeine lieht, daz erlúhtet himelrich vnd ertriche, vnd iegelichem noch sinre notdurft vnd noch sinem werde.
Illing, Albert. Sup. miss.
1911
(
els.
,
n. 1380
):
DJs heilge sacremente ist oͮch vfgesetzet von notdurft also eine arzenige wider die suͥnde.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
So gebürt dir das pluͦt zuͦ verstellen / dan die noturft heischet das.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
die zal der fürspreche͂ moͤgen wir meren vnd mindern wie die notturfft erheischt.
Schmidt, Rud. v. Biberach
5, 2
(
whalem.
,
1345
/
60
):
„Vnser wonung ist in den himeln“. Daz mag nuͥt sin want nach dem gemvͤte; vnd dar vmbe so mvͤssen wir von notturft mit vnserm geist [...] tringen in daz aller inre vnd in daz beste, das in Cristo sin mag.
Ebd.
46, 24
:
so ist es ein notuͥrft, das vnser geist zitlich ding vlihe.
Ebd.
76, 6
:
Die begerunt zvͦ klimmen vf die hoͤhi der beschoͮt, die bedorfent von notduͥrft, daz si zem ersten sich vͤben duͥrnechteklich an guͤtetlichen lebenne.
Ebd.
171, 7
:
Es ist ein notuͥrft, daz wir, als vil als wir muͥgen minnen got, daz obrost guͦt, daz wir in bekennen als die obrost warheit vnd wir in haben in vns als die obrosten gerechtikeit.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
das [puntnus] ward verprieffet nach aller notturft.
Ebd. (zu
1548
):
und las die [schrift] und redet kurtz die notturft darauf.
Ebd. (zu
1552
):
das sonst, [...], mit sattem, guͦtem, bestendigem grund warhaftigclich und statlich zuͤ der eeren notturft beschehen mügen.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
Augsb.
,
um 1440
˺):
Die pischoff von geitikait an alle nottürfft und wider recht schetzen sie die prister und nemen in steüre ab wider alle geschribneü recht.
Heydn. maister
4v, 15
(
Augsb.
1490
):
Das vermüglichßt dı͂g ist die notturft / wann sÿ herschet in alle͂ dı͂gen.
Ruh, Bonaventura
340, 11
(
oschwäb.
,
3. V. 15. Jh.
):
Ists nü nötdurfft gewesen, das Christus lydi die ding umb abtilgung der sünd.
Bastian, Runtingerb.
2, 13, 10
(
oobd.
,
1389
):
das [gelt] hat er auch allez wider ausbezalt zu der prukk notdurft, als es di zetl redlich beweist.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
und erstund ain unwil daraus, das die stras mit etlicher notturfft verspert wart.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
12, 21
(
noobd.
,
1347
/
50
):
Die dritte sach ist notduͤrft. Wanne ob der himel ain ander gestalt het, daz er drieket wer [...], so muͤst von not sein, daz [...].
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
270
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
got der scheppher, wann er hat allew ding an sich selb die nicht got sind von nichte beschaffen, natürleich nicht von notdurfft sunder von freyem willen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
):
Die gerichtsleut müessen die notturft
[›alles Erforderliche‹]
zum gericht bringen.
Ebd. (Hs.
1565
/
81
):
weeg, steeg, prucken oder ander notturft zu machen.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1590
):
damit sich auch ain jeder inhaber dißer herrschaft mit abforderung und einnembung der dienst [...] der notturft nach zu verhalten habe und wiße.
Zingerle, Inventare (
tir.
,
1471
):
die smitten, wol fornirt mit ambos, hemer, czang, nageleysen, ii blaspelg vnd ander nottorfft.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
6, 35
(
tir.
,
1464
):
wend die obgenanten epistlen die sint etwas klüeg vnd frömd mit den sinnen, [...], vnd darum so ist notürft die erleüchtung der vernufft an etleichen steten.
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
8, 4
;
Bechstein, a. a. O. ; ;
Merk, Stadtr. Neuenb. ; ;
Goldammer, Paracelsus. B. d. Erk.
21, 7
;
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
32, 1
;
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 750, 14
;
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
63, 24
.
Vgl. ferner s. v. .
5.
›dem Menschen als Körper-, Leibwesen, vereinzelt als geistlichem Wesen, auch: einem Gemeinwesen (z. B. einer
stat
) zur Aufrechterhaltung seiner physischen / kulturellen / moralischen / geistlichen Existenz notwendiger Bedarf an Lebensmitteln, Kleidung, Versorgung, auch an Gegenständen des Alltags, gewerblichen Produkten und geistlichen Werten‹; als Metonymie: ›konkrete Mittel sowie alle ideellen Werte und Hilfen, die der Erfüllung des genannten Bedarfs dienen‹; die Bemessung des Bedarfs richtet sich dabei vielfach nach religiös vorgegebenen, als natürlich verstandenen und moralisch geforderten Vorstellungen von Schlichtheit, Einfachheit, Genügsamkeit;
vgl. am ehesten (
die
10.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  2,  123,  1,  2,  1, ,  23, .
Gegensätze:
 2,  4.
Syntagmen:
die n. arbeiten
›erarbeiten‹
/ begeren / bekommen / beweisen / kaufen / nemen / feilhaben, jm. (die) n. zufüren / zufügen / geben / versagen / verwilligen / mitteilen, j. nichts wan
›außer‹
die n. geren, got die n. in uns giessen
;
die n
. (Subj.)
etw. erfordern
;
denken, was n. ist
;
der n
. (Gen.obj.)
von der mutter
›Klosteroberen‹
warten
;
jm. ichtes an der n. gebrechen, etw. in n. haben, die siechen mit n. besorgen, nach der n. leben / säen, seiner n. nach bauung faren, über seine n. nichts haben, der n. willen gehorsam sein, zur n. etw. brauchen / kaufen, brot backen, wein trinken, die dinge zu der n. nutzen, mer als 2 pferde zu der n. haben, den afterschlag, holz zu der n. nemen
;
die n. des arzetes / bauches / leibes, der natur / creatur / stat, von bettegewand
;
die bare
›nackte‹
/ auswendige / innigliche / leibliche / natürliche n
.;
der überflus, das abbrechen der n
.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
vnde der vormundere den kinden nicht er notorft ne gebit an etzen oder an drinkene vnde an gewande, der ist aber arcwenic.
Luther, WA (
1519
):
das wir begeren unser nodturfft und sprechen ,unser teglich broth gib uns heute‘.
Dan mancherley selen seind auff erden und ein igliche besonder nit alltzeit eynerley notturfft und geschicklikeit hat, und doch das wort gottis allen und eyner ygklichen notturfft uberschwenglich sath gibt.
[tzweyerley menschen]. Die ersten, die unter dem scheyn naturlicher noddurfft die lust bussen und decken.
hatt er dyr Christum geben, das ewige gutt, wie solt er nicht auch dyr geben des bauchs nodturfft?
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Dar umbe wolte er lieber swîgen, und sîne nôtdurft bewîsete er mit zeichen der vinger.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
des arzides inist keine notdurft den gesunden, wan den sichen.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Den frommen allzeit wol genuͤgt, | Wenn jn wirdt notturfft zu gefuͤgt.
Röhrich u. a., Cod. Dipl. Warm.
4, 590, 4
(
omd.
,
1435
):
Keyn gertener sal haben me wen czwey pferde czu seyner notdorfft.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
140, 32
(
omd.
,
1529
/
30
):
Es felt auch schwer, das uns nit mit e. f. g. mu(n)tze gelohnt, darmit wyr unsere notdurft dester baß bekommen mochten.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
14, 20
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
wen umme das ir gote hettin yn gegebin obirvlusse irer noturft.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
,
1325
):
Waz abir ein vrowe gelobit an varnder habe umme kleidere unde umme ir notdurft, da muz der man vor antwerten zu rechte.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
165r, 42
(
Leipzig
1588
):
Denn das liebe Gebet ist der rechte Profiant Wagen / mit welchem man allerley notturfft zufuͤhret.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1421
):
alles auf der stat solt und kost, [...], daz sich darczu gepüret, mit dem aufzug, hinczug, [...], kostung, solt, bottenlon, derfarung, warnung, und andern notdürfften.
Sachs (
Nürnb.
1531
):
Das sie dir weben, schneyden, neen, | Mawren, zymren, schmyden und drehen, | Und was du must in notturfft han.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 903
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Cristus, der [...] sich selber [...] gegeben hat vnd sine sacramente gelaßen [...] vnd sich selber zvͤ lone ewekliche, lipliche notdurft, innewendig trost vnd suͤßekeit.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
du solt si [vatter und muͦter] eren mit dem libe, daz du inen dienest und inen ir notdurft gebest.
saͤlig sint die die willeklichen arm sint durch Got, also daz si nihtes nit gerent won ir notdurft.
Goldammer, Paracelsus
6, 186
(
1530
):
arbeit dein notturft mit deinen henden, [...], so wirdestu selig.
Boner, Urk. Brugg
131, 13
(
halem.
,
1458
):
Doch mögen die von Brugg in dien holtzern zu ir notturfft, aber in bescheidenheit affterschleg, [...] neͣmen.
hail. altvaͤter (
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
das er dem iúnger ain búrdi holcz vf leit der gieng vnd verkoft es in den naͤhsten dorfern vnd koͮft denne damit ir notturft.
Sappler, H. Kaufringer
15, 380
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
ewr notdurft wirt ewch nicht versait | haide an trinken und an essen.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1328
):
wellen wir, daz euer iegleichs, [...] di siehhen besorge bei tag und bei naht mit ezzen, trenchen, heven, petten und legen ir fuͤzze, ir haubt ze dervahen und mit aller notdurft.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
lies sich iederman an ainem wenigen in essen trinken claidung umb und an, als vil die nottorft der natur erfordert, benüegen.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
, Hs.
17. Jh.
):
Das ainer über den andern seinen kirchweeg [...] mit seinem pauvich [...] seiner notdurft nach [...] fahren mag.
Sexauer, Schrr. in Kart.
272, 27
(
nöst.
,
v. 1450
):
daz nit gedacht werd was eytel oder lustig / denn allain was nötdurft sey.
Bauer, Imitatio Haller
79, 10
(
tir.
,
1466
):
Ir sint vil vnder der gehorsam vil mer durch der narung vnd noturfft willen denn durch der lieb willen.
Dies., Haller. Hieronymus-Br.
31, 8
(
tir.
,
1464
):
Der reich der tüet vil diebstal, das er nicht mit tailt dem armen menschen die notturft.
Stambaugh, Friederich. Saufft.
43, 7
;
Toeppen, Ständetage Preußen
5, 17, 37
;
Quint, a. a. O. ;
Sievers, a. a. O. ; 9;
Hübner, Buch Daniel ;
Strauch, Par. anime int.
87, 23
;
Neumann, Rothe. Keuschh.
3468
;
Bihlmeyer, Seuse ;
Loose, Tuchers Haushaltb. ;
Eichler, a. a. O.
2, 274
;
Bihlmeyer, a. a. O. ;
Welti, Stadtr. Bern ;
Vock u. a., Urk. Nördl.
2480
;
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
193, 176
;
Reithmeier, B. v. Chiemsee ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ; ;
Bauer, Imitatio Haller
45, 33
.
Vgl. ferner s. v.
2
 4,  7,  1.
6.
›als Wunsch, Anspruch (oft vor Gericht) vorgetragenes dringendes Anliegen‹; auch: ›religiöses Verlangen, Sehnsucht nach Göttlichem‹; offen zu 7.
Bedeutungsverwandte:
 1 (subst.); vgl.  3,  5, (V.) 47.
Syntagmen:
js. n. handeln, die n. anbringen / reden / beklagen
›als Klage vortragen‹,
jm. seine n. für- / inbringen
;
durch n. mit jm. zu rate werden, das gebet der n. nach verrichten, etw. vor n. tun
.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
hoͤret den Advocaten in jhren verzuͤglichen Außfluͦchten nicht zu / last die Partheyen selbst jhre Notturfft fuͤrbringen.
Berthold u. a., Zwick. Stadtrref.
56, 4
(
osächs.
,
1542
/
70
):
ein jeder sal seine sache selbst, [...] ader sonstent / einen guten freund ader nachtparn seine notdurft furbrengen lassen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1440
/
4
):
wann eß versechenlich waß, daß [...] der rate ettlich ir notdurft anzubringen hatte.
Reichert, Gesamtausl. Messe
11, 14
(
Nürnb.
um 1480
):
pfarrer, die unter in leute haben, die sollen mer oder mynder messe halten, nach dem und denn die notturft und der nutze der leute ist.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Es schinet so vil dinges notdurft, und ist die notdurft so wit, so breit, und duncket man sich so krang, so zart.
Ebd. (
1359
):
so enhat er keinen jamer noch fúrbas ze qwelende nach ewigen dingen, denne blos notdurft an Gotte und lust an disen dingen.
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
Kaum ist er in vnserer Kirchen angelangt / vnd sein Gebett der hoͤchsten obligenden Nothdurfft nach / mit Andacht darvor verrichtet / sihe / da [...].
Buijssen, Dur. Rat.
15, 26
(
moobd.
,
1384
):
der pabst ist frue [...] zw der mess gegangen, ich waiz (nicht) ob er daz tan hat vor notduͤrft oder von sach oder allain daz er gemezzen wolt pabstleichs gewalt.
Moscouia
C 1r, 29
(
Wien
1557
):
ist der Basilius dem Khuͤnig zu fueßgefalle͂ / vnd gebetten / jme sein notturfft furzubringen zuuergonnen / des jme bewilligt worden.
Köbler, Ref. Wormbs
31, 32
;
Rennefahrt, Stadtr. Bern ;
Vogel, Urk. Heiliggeistsp.
1, 306, 31
;
7.
›Vorteil, Nutzen‹; relativ schwach belegt; meist in den Formeln
nuz und notdurft / from
; genaue semantische Interpretation teils unsicher.
Bedeutungsverwandte:
vgl. ,  1,  3.
Gegensätze:
a.

Belegblock:

Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn (
Wolfenb.
1594
):
Ich wil auch zu meiner notdurfft etwas bedencken, vnd wollen sehen, [...].
Wyss, Limb. Chron. U (
mfrk.
,
1385
):
unde ist daz geschen umbe gemeẏnen nuͦtz unde nottorfft unser unde aller unser nachkomene.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
Wyr syn nict allein vns geboren. dat wyr alleyn vur vns persoin nutz vnd noittorfft sichen.
Sachs (
Nürnb.
1563
):
wem gott ist die reichthumb geben, | Derselbig sol sie brauchen eben | Zur notturfft, nutz und auch zu ehrn.
Bastian u. a., Regensb. UB
204, 25
(
oobd.
,
1361
):
daz si allerley wein [...] mugen setzzen, [...] alsofft in daz gevellt und gut dunckt sein nach irer stat fruͤm und notduͤrft.
Reithmeier, B. v. Chiemsee .