niedern,
V.
1.
s.  1.
2.
(vereinzelt:) ›etw. im räumlichen Sinne senken, herabsetzen, abwärtsziehen‹; speziell: ›(einen Berg) einebnen, abtragen‹; von der Raumvorstellung aus in mehrere Richtungen ütr., dann z. B. ›(einen König) stürzen‹; ›(ein Land o.ä.) schwächen, herabwirtschaften‹; ›(eine Schuld) mindern‹; ›(Unrecht) bekämpfen‹; ›(js. Freude) trüben, schmälern‹; ›(den Glauben) schmähen, herabsetzen‹; ›(js. Adel) antasten‹; ›
js. toben
/ jn. unterdrücken‹; ›(den Münzwert, die Steuern) herabsetzen‹; ›den Kaufwert einer Ware herabsetzen‹; ›(ein
gut
) von Abgaben entlasten‹;
vgl.  125.
Bedeutungsverwandte:
 35,  1, I, 8, ,  1,  23,  3, ,  3; vgl.  4.
Gegensätze:
 6, ,  1,  1.
Syntagmen:
den berg / hübel n., js. adel / glauben / freude / zierde / wirdigkeit, die sünde / gewalt, ein land, das geschos
›die Steuern‹,
das reich n., Capernaum bis in die helle n., ein gut an seinen zinsen n., die winde n
.;
der schuld
(Gen.obj.)
n
.

Belegblock:

Ziesemer, Proph. Cranc Jes.
25, 5
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
daz toben des vremden wirstu nidirn
[
Mentel
1466:
gedemútigst
; nd. Bibel 1478:
nedder don
;
Luther
1545:
demütigest
]
und wirst ire vrucht adir geslechten tun welken als einis pregilndin wolkens.
Luther, WA (
1524
):
Darumb mustu [...] die wahr selbst setzen, steygern odder nyddern, das du solcher erbeyt und muhe lohn davon habest.
Feudel, Evangelistar
118, 24
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Capharnaum, wirstu icht irhoit biz an den hemel unde genedirt biz in dy helle.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
ein îclich tal sal gefullit werdin, und ein îclich berg und huͦbel sal genidert
[nd. Bibel 1478:
gheotmodiget
;
Froschauer
1530:
ernideret
;
Luther
1545:
ernydrigt
]
werden.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
so kan Steffan Gospersdorff der schult nicht gehochen noch niederen, sunder muß das noch also gezeugen mit richter und schöpfen.
Gille u. a., M. Beheim
234, 34
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
so vleissent sy sich ye | wider cristen gelauben hie | mit unczeitlichen worten, wie | sy den nidern und krenken.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Wie doch sin [wirtt] altte wirdekaitt | Von dem gaste gewere | Serre genidret were.
Ir aller fröde genidrett ward | Umb des kayssers hin vartt.
Völker, Antichrist
613
(
wschwäb.
,
15. Jh.
):
Der selbe wirt gewaltiger danne die vordern vind wirt drey kúnig nidernd.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
wan sô man die [unserr frawe] ie mêr lobt mit andern crêatûren, sô man ir adel ie mêr nidert.
Klein, Oswald
37, 63
(
oobd.
,
1417
?):
Fliehet, scharpf winde, | lat uns an not, | ir seit genidert, | Die meinem kinde | sein mündlin rot | han durchfidert.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
das römisch reich [...] das etlich zeit her vil jar von den Teutschen wild gestümlt, vast gedruckt und genidert und schir gar abgehauen und ausgereut wart.
die Merhern hetten’s
[die
Baiern
]
allzeit genidert, die müesten über iren dank den Baiern gehorsam sein.
Toeppen, Ständetage Preußen
3, 259, 31
;
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
263, 2
;
v. Tscharner, Md. Marco Polo
16, 3
;
Haltaus, Liederb. Hätzlerin ;
3.
›jn. (auch: ein Tier) in Ausübung seines religiösen Status oder in Nutzung seiner persönlichen oder individuellen Macht erniedrigen, demütigen, in seinem Status drücken, herabsetzen‹ bis hin zu ›jn.
verfluchen, stürzen
‹; auch: ›(Gott) abwerten‹; mehrfach (refl.) von Menschen als Handelnden gesagt: ›sich in Anbetracht seiner Erlösungsbedürftigkeit selbst erniedrigen‹ (dies auch zur Erreichung eines Zieles); in 1 Beleg auch von
gottes natur
gesagt;
vgl.  246.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  1, , I, 8, ,  2,  23, , , , .
Gegensätze:
 2, (V.) 2,  5,  5 (mehrfach),  2,  1, .
Syntagmen:
sich n
. (z. B.
faste, mit demütigkeit, vor anderen
),
jn
. (z. B.
Darium, die feinde, die hoffärtigen / hohen / übermütigen
)
n., die erkentnis den menschen n., got js. herz n., die menschen, den schlangen n
. (z. B. zu:
auf der erde kriechen
); als part. Adj.:
j. / die sele (wie ein staub) geniedert sein
;
die geniederten augen
.

Belegblock:

Luther, WA (
1517
):
Als ein betrubts hertz, das beweget sich hyn und herr und nicht dan jamer und elend bey ym findet und gantz zurschlagen und genydert wirt yn seinen augen.
du hast die natur an dyr, das, wen du erhebest, den nyderstu, und wen du gentzest, den tzubrichstu.
Ebd. (
1521
):
Das seyn nu tzwey gottis werck, [...] das er todtet und lebendig macht: Er wundett und heylet, [...] Er nydert und erhebt, Er schendett und ehret.
Ebd. (
1518
):
das alle hoffertigen vnnd geweldigen̄ solln genydert werd vnnd die demútigen vnnd zcerfallen solln̄ erhoben̄ werd.
gottlich natur mag widder genyddert noch erhohet werden.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
dar ich mych nederde, dair wirt got erhoeget.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
wer sich nidert, der sol erhœhet werden?
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
4439
(
rib.
,
1444
):
bedecken saltu dyn swert schoen | In der scheiden mit dich zo nederen | Ind aen gedroch zo oitmodigen.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Alsus moicht ir in allen stucken | vre viande nederen ind drucken.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Ewiclich in disme zil | Mac er den hohen nidern, | Genidert widir widern.
sust er [David] sprach: | ,Unser sele sam ein stoub | Ist genidert‘.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
3, 7
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Wann die kunst der aigen erkantnuß nydert und diemutigt den menschen und macht in sich selbs versmehen.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Welich hertz in uͤbermŭt regirt, | Daz nydert got vil sere.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Achab, der sagt im, er wolt dise fürgenumen straf anstên lassen pis auf sein süne, dieweil er sich also genidert het.
Quint, Eckharts Pred. ;
ders., Eckharts Trakt. ;
Sievers, Oxf. Benedictinerr. ;
Eggers, Psalter
35, 15
;
Gille u. a., M. Beheim
108, 451
;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel ;
Niewöhner, Teichner
350, 83
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ;
Roth, E. v. Wildenberg ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .
4.
›sich im Vollzug des göttlichen Heilsplanes durch Annahme der Menschheit erniedrigen‹ (von
got
, dem
son
bzw. seinen Allmachtsqualitäten sowie von Maria gesagt);
vgl.  4.
Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Gegensätze:
 5.
Syntagmen:
der son n
. (z. B.
an der art
); refl.:
got, der schöpfer sich n
. (z. B.
faste / ser / tief, von des himmels ring
),
die dirne / mutter sich n., die gotheit sich zu einem kindlein n., die almächtigkeit sich geniedert haben
(z. B.
um js. heil
);
der mächtig grosse geniedert sein
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der sun enthalben der menscheit, | So vil der nederet an der art | Zu kegen der menscheite wart, | Ist minner, der vater merer.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Wie sich der hat genidert | Unnd keiner pein gewidert | Umb unser heil.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
wan do sich die hohe gotheit als gar hat genidert zuͦ eime kindlin, wer [...].
Schade, Sat. u. Pasqu. (
orhein.
,
1520
):
so er warlich got was, truͦg er die gestalt eines knechts, sich so tief genidert, daß im all unser missetat, [...], uf sinen rucken gelegt ward.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Basel
1518
):
SJch hat der schoͤpfer aller ding | Genidert von des himels ring.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
iemer also vil si
[
dirne, muͦter
, Maria]
sich nidert, also vil erhohte si únser herre.
Mayer, a. a. O. ;
v. Maren, Marquard. Ausgabe
30, 24
.