nicht,
nit,
neut,
nut,
dies nur ausgewählte Schreibungen; 1-8 Part. (Negationspartikel / Adv.), 9-13 nominale Verwendung; in einem Teil der Belege ist nicht sicher zu erkennen, ob nominaler oder partikelhafter Gebrauch vorliegt.
– Zu den ahd. und mhd. Formen vgl.
Splett, Ahd. Wb.
1, 666
(s. v.
nı̄
,
niͮ
,
-nih-
), (s. v.
niht
) und 97 (s. v.
ni-wiht
,
-wëht
); speziell zur Vielfalt der Formen s. ff.; zur Wortstellung s. , § S 229-32; zur Etymologie sei auf die etymologischen Wörterbücher verwiesen.
– Die unter 9-11 angesetzten Verwendungen sind assoziativ an 1-8 anschließbar.
1.
dient als Partikel der Verneinung des Inhalts des Prädikatsverbs, damit des Satzinhaltes: ›nicht‹.
Syntagmen
(in starker Auswahl):
n. hören / sehen / reden / wissen
;
etw. n. bedenken / erkennen / glauben / rächen / verdeutschen / verdienen, den acker n. bauen
;
sich n. beklagen / fürchten
;
jn. n. erhören
;
etw
. (Subj.)
n. ergehen mögen
;
e. S. / e. P
. (Gen.obj., z. B.
des arzetes
)
n. bedürfen
;
e. S.
(Dat.obj.)
nicht nachstellen, der warheit n. gehören
›zuhören‹;
von etw. n. sterben
;
n. wissen, was [...], n. ablassen, zu [...]
.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
Warumb setzt dir Gott Elltern, Pfarher, oͤberkeit, wenn du yhr nichts bedarffest?
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Diz sint harte tôrehte liute, di alsô koufen wellent mit unserm herren; sie bekennent der wârheit kleine oder niht.
Froning, Alsf. Passionssp.
5104
(
ohess.
,
1501ff.
):
uwer boßheyt ist ßo mechtigk, | das er der warheyt nyt moget gehoren!
Schade, Sat. u. Pasqu. (
Arnau
1525
):
o der ellenden visitaz! da wirt neut ußgericht und gehandelt das got angeet.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
Di gesunden bedurfin des arzedis nicht, abir di cranken.
Roloff, Brant. Tsp.
192
(
Straßb.
1554
):
Hetst du dein sachen recht gethan | [...] | So dürffstu dich yetz nit beklagen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1564
):
daß er vil liber ewigs hail, dem er doch on das nichtzet nachstellet, verlieren, wann solcher weltlichen ehr (sich) verzeihen und emperen solt.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
er singet niht und erkennt die zeit des tages und der naht niht.
Klein, Oswald
1, 18
(
oobd.
,
1421
):
bei dem ain jeder sol versten, | das lieb an laid die leng nicht mag ergen.
Qu. Brassó
5, 378, 3
(
siebenb.
,
1600
):
Gott der Allmächtig gabe ihn [den Unsinnigen] solchen Geist und Gemüt, dass sie nit ableissen, dem Feind zu wehren.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
171, 19
;
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
217b, 8
;
Bauer, Geiler. Pred.
104, 33
;
Kohler, Ickelsamer. Gram. ;
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
183, 13
;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
48, 27
;
33, 121
;
Klein, a. a. O.
11, 33
;
82, 15
;
Weber, Füetrer. Poyt.
245, 7
.
2.
steht in Verbindung mit der Nennung von etwas Unbedeutendem für ›nichts, gar nichts‹.

Belegblock:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
8459
(
rib.
,
1444
):
Al hait he vil synne ind geltz eynen houff, | Des en achten ich allit neit eyn louff.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Du heist derhalben, wie du wilt, | Es bey mir nit ein schlehen gilt.
Fastnachtsp. (
halem.
,
16. Jh.
):
Den müesen wir kuntschaft dar stellen, | So geb ich nit ein schnellen | Um daß, daß wir werdent gwinnen.
Spanier, Murner. Narrenb.
73, 21
.
3.
doppelte statt einfacher Verneinung: z. B.
kein wunder nicht
›kein Wunder‹;
etw. nicht entun
›etw. nicht tun‹.

Belegblock:

v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe (
thür.
,
1421
):
das was keynn wunder nicht, wenn das cristen heer hatte mer wenn zu funfmaln hundert tussent ane weip.
Sappler, H. Kaufringer
18, 141
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
des wollt der teufel nicht entuon.
Eis u. a., G. v. Lebenstein
28, 22
(
oobd.
,
1. V. 15. Jh.
):
der ist des selbigen tags sicher, daz in kain vngemach niht berurt.
4.
bei Voranstellung mit besonderer Betonung: ›keinesfalls‹.

Belegblock:

Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Ich [zorn] heißen „Nit rure mich!“; | Dan balde han verkeret ich | Eine slechte sage in eynen krommen worm.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Nichten haß die arbeitsamlichen werck: vnd die geschaffen bawung [...] von dem hoͤchsten.
5.
etw. (eine Frage) verneinend: ›nein‹; daran als Substantivierung anschließbar: ›Verneinung, verneinende Antwort‹.

Belegblock:

Jaksche, Gundacker (
oobd.
, Hs.
1. H. 14. Jh.
):
,chint, hapt ir iht spise?‘ | si sprachen: ,niht, das ist uns lait‘.
Bischoff, Steir. Landr. (
m/soobd.
, Hs.
16. Jh.
):
Auf ain nicht mag niemant ainen zeugen stellen.
6.
dient als Litotes (Stilfigur der Verneinung des Gegenteils) der zurückhaltenden, teils ironischen Kennzeichung des Gemeinten.

Belegblock:

Gropper. Gegenw. (
Köln
1556
):
das sie / die Widersacher [...] nicht weinig scharffsinnig vnd klug sein woͤllen, das nit mircken koͤnnen / das [...].
Maaler (
Zürich
1561
):
Nit übel / gnuͦg raͤcht. non malē. Nit vnbillich / Nit on vrsach. [...]. Nit vnlang darnach / Vast bald darnach. [...]. Nit wenig / das ist vil. [...] Nit wenig entrüst werden [...]. Nit wol hoͤren. [...]. Nit wol zefuͦß.
7.
dient der Heraushebung einer Größe, einer räumlichen Angabe, einer Eigenschaft, die nicht gegeben ist, oder eines Gegensatzes, von dem einer der beiden Pole nicht genannt wird.

Belegblock:

Reichert, Gesamtausl. Messe
141, 22
(
Nürnb.
um 1480
):
Er spricht auch fiat et non sit – es werd und nit es sey.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
130, 3
(
Nürnb.
1548
):
dz er mit vernunfft / vn̄ nit mit gewalt faren / vnd dem weib vbersehen soll.
Müller, Stadtr. Ravensb.
132, 1
(
oschwäb.
,
um 1413
):
Von ziech(e)n kind, die nit elich geboren sind.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
323
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
vnd was der tag nicht gancz volchömen, wann er het nür die vesper vnd nicht die frü.
Qu. Brassó
4, 498, 20
(
siebenb.
,
1529
, Hs.
1613
):
mit 50. 000 Mann [...], welche sich nit weit von Tartlen gelägert ins Läger.
8.
dient in korrelativen (paarigen) Formeln der expliziten Verneinung einer oder mehrerer Möglichkeiten, dadurch der Bejahung anderer Möglichkeiten; im einzelnen:
nicht ... noch
›weder ... noch‹;
nicht ... sondern
›nicht ..., sondern‹;
nicht wan
›nicht ... außer; nur‹;
anders nicht ... dan / denne
›nicht anders, als‹.

Belegblock:

Sermon Thauleri
5ra, 13
(
Leipzig
1498
):
Nicht neher mag die creatur kommen in die sele Noch nymmer genahet die sele keyner creatur.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Der mensch lebt nicht vom Brodt allein, | Sonder aus deinem wort so rein.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
40
(
Nürnb.
1517
):
alle werk, die disem feuer nachfolgen, [...] sein also sunderliche werk Christi genant, wiewol sie formlich im menschen – und anders nit gots dann durch ein blosse außwendige benennung –, in inen selbst entlich, [...] sein.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
das ignote nüt anders do ist denne wiltnysse und wasser.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
10r, 15/16
(
Zürich
1521
):
nit wann ir so vil vasten / nit wann ir so vil psalmen vßbette͂ Sunder so jr einander werden lieb haben.
v. d. Broek, Spiegel d. Sünders
155, 25
(
Augsb.
1476
):
das wir [...] soͤllen got vor de͂ priester durch vnser múnder. nicht durch geschrift noch durch einen botte͂ bekennen.
Pfaff, Tristrant (
Augsb.
1498
):
Sy stiessen von land, wie sy mochten, wann sy hetten nit ruͦder noch schalten.
Andreae. Ber. Nachtmal
26v, 20
([
Augsb.
]
1557
):
er will darmit zuͦ verstehn geben / daß das Brot nit in den Leib / noch der Wein in das bluͦt Christi verwandelt werden. Sonder wer [...].
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
wann wir doch nit unser eer suechen, sunder die eer und glorj unsers hailers.
darumb kam ain söliche vorcht in sy, das sy sich nicht wann mit der flucht wessten zu behelfen.
Kehrein, a. a. O. ;
V. Anshelm. Berner Chron. ;
Kohler, Ickelsamer. Gram. .
Vgl. ferner s. v.  3.
9.
›Existenz-, Wesens-, Handlungsqualität Gottes, die nicht durch sinnlich oder rational erfaßbare Gegebenheiten meßbarer, zählbarer, umgrenzbarer, zusammengefaßt: durch Unterscheidung bestimmbarer und zu
besinnender
(s. v.  5) oder zu
gewortender
(s. v. ) Art sagbar ist‹. In den Texten wird sie angedeutet (keinesfalls „definiert“) durch Umschreibungen wie (
einiges
)
ein
(vgl. ,
das
, 2),  3,  1,  123,  1, , , , (Adj.) 9, (Adj.) 9,
simpel
. Dem Menschen bzw. der
sele
wird
nicht
als Möglichkeit (aufgrund der
gnade
Gottes) zugeschrieben und über Redeweisen, Ausdrücke folgender Art als erreichbar vermittelt:
nicht erkennen / wissen / wollen
; dazu in textlicher Synonymie / stilistischer Variation:
(sich) lassen
5,
(sich) entsenken / entwerden / stillen, der natur abgehen / sterben, die ichtigkeit ausschliessen, aufgeben sein selbes, des seinen ausgehen / verläugnen, auf got neigen, dem son mitwonend sein, auf das n. fallen, die sele in den (grundlosen) grund senken
.
Zur Sache:
Lex. d. Mal.
6, 1130
.
Älteres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, speziell der Mystik.
Phraseme
(verstärkend; auch für andere Gebräuche genutzt):
nichtes nicht
.
Gegensätze:
creatürlichkeit, (
das
),  12, ,  3.
Syntagmen:
das n
. (Akk.obj.)
got nennen, das (natürliche) n. bekennen
;
das n
. (Subj.)
sein, fern von natur stehen, die istigkeit ausschliessen, sich ane werk der erkantnis erkennen
;
got ein nicht sein, die einigkeit ein nicht heissen, das sich (der dinge) ein nicht sein
;
in das n. keren, sich mit dem n. eins erkennen, vor die füsse gottes legen, etw
. (z. B.
die materie
)
zu nichte werden
;
das n. der sele, das götliche / lautere / natürliche n
.;
der grund des nichtes
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Swenne diu sêle kumet in daz ungemischte lieht, sô sleht si in ir nihtes niht sô verre von dem geschaffenen ihte in dem nihtes nichte, daz si mit nihte enmac wider komen von ir kraft in ir geschaffen iht.
Jostes, Eckhart
2, 35
(
14. Jh.
):
Di materie und di forme und di verstantnuzze und daz wesen daz hat si in der einichait verlorn, wan si ist zu nicht worden in ir selben.
Ebd.
4, 13
:
Swenn der mensch ein rechter geistlicher mensch ist, so ist (er) noch alz verre von got, alz von niht zu iht. Niht stat verre von natur. So der mensch in einer einicheit sol werden mit got, daz en mak anders niht geschehen dan mit heiz der minne.
Ebd.
17, 15
:
Di verborgenheit ist niht von dem niht, von dem niht ist sie ein, von dem einen ist sie al, von dem al ist si almal. Hir umb ist sie niht nihtes niht, hir um ist si ein einik ain und ist auch almal.
Ebd.
34, 9
:
so sol si [sel] alz gentzlichen gesencht sein in den grundlosen grunt des gotlichs nichtz, daz si nihtes niht dar uz gezihen muͤg, noch daz si sich nimmer uf minner ding neig dan got.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Daz selb vernúnftig wa, da von geseit ist, da ein bewerter diener sol dem ewigen sune mitwonend sin, mag man nemmen die istigen namlosen nihtekeit; und da kumt der geist uf daz niht der einikeit. Und dú einikeit heisset dar umb ein niht, wa der geist enkan enkein zitlich wise finden, waz es sie; mer der geist enpfindet wol, daz er wirt enthalten von einem andern, denn daz er selber ist. Dar umb ist daz, daz in da enthaltet, eigenlicher iht denn niht.
dar umb sprichet Dionysius in dem buͦche von den goͤtlichen namen, daz got si nitwesen oder ein niht.
Der aber dis sich ordenlich woͤlti lazen, der soͤlti drie inblike tuͦn: den ersten also, daz er mit eime entsinkenden inblike kerti auf die nihtekeit sins eigenen siches, schoͮwende, daz daz sich und und aller dingen sich ein niht ist, us gelazsen und us geschlozsen von dem ichte, daz dú einig wúrkende kraft ist. Der ander inblik ist, daz da nit úbersehen werde, daz in dem selben nehsten gelezse iedoch sin selbs sich alwegent blibet uf siner eigen gezoͤwlicher istikeit nach dem usschlage, und da nút ze male vernihtet wirt [...].
Der mensch mag in zit dar zuͦ komen, daz er sich verstat eins in dem, daz da niht ist aller der dingen, die man besinnen alder gewoͤrten mag; und daz niht nemmet man nach verhengter wise got, und ist an im selber ein aller weslichostes iht. Und hie erkennet sich der mensch eins mit disem nihte, und dis niht erkennet sich selb ane werk der erkantnisse.
Ebd. :
daz verborgen inbaz dis vorgenanten nihtes, daz da in siner betútung nach diner meinunge alle geworden ihtikeite us schliezende ist.
Si [sele] gestillet ganz und alleine in dem nihte und weis nit denne wesen, daz got oder das nit ist. So si aber weis und bekennet, daz si daz niht weis, schowet und bekennet, daz ist ein usschlag und ein widerschlag us disem ersten uf sich nach naturlicher ordenunge.
Bachmann u. a., Volksb. (
alem.
,
15. Jh.
):
Jhesus sprach: „Du solt mich rech verstan; mercke, waz das nütte syg! Du solt mich mitt ein nütt bezaln, daz ist: din natur sol dir abgan alle zit und sterben, kein notdurfft noch den minsten behilf soltu suechen denne allein in gott und nitt in der zitt [...]“.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
wan allen willen enmag man nút haben, danne in eime núte in der creature. Alles daz du wilt, daz sol dir sin und geschehen; diz enmag nút geschehen, dan in dem verloͤuckende der mensche dez sinen; also der mensche uzget, rehte also vil gat Got in, in der worheit.
Ebd. (
1359
):
haltest du von deheime tuͦnde oder wise die du getuͦn macht, das das út soͤlle, so wer dir vil besser daz du nút entetest und kertest in din luter nicht.
als S. Dyonisius sprach: ,alles hab sich an sin nicht, nút wissen, nút erkennen, hie in disem nút wellen denne in einer vorloͤigenender wise din selbes: nút suͦchen noch wellen haben, denne alles in einer entsinkender wise [...]‘.
Ebd. :
min liebes kind, [...]. Halt dich nu demuͤtklichen an dinem lutern nicht. das du doch in der worheit bist.
Was dir engegen loͤffet in diner inwendikeit, [...], las es sin [...]. Enfoͤrsche nút dar nach was es si, sunder val uf din nicht und nim din nicht sin und dar an halt dich.
[der mensche] sol gruntlich bekennen sin natúrlich nicht und sin gebrestlich nicht. Das natúrlich nicht das ist das wir von naturen nicht ensint, und das gebrestlich nicht das ist das uns ze nichte gemacht hat. Mit disen beiden nichten súllen wir uns legen fúr die fuͤsse Gotz.
Höver, Bonaventura. Itin. B
252
(
moobd.
,
1450
/
60
):
also ist es [sein] mit nichte vermischt noch zesamen geseczt von ettwe, sunder es ist allersimplest vnd ainueltigist.
10.
›im Unterschied zu
nicht
9 zwar abgrenzbare, in dessen Lichte aber als wertlos, nichtig beurteilte Gegebenheit‹; offen zu 11.
Älteres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
nichts um etw. / jn. geben
.
Syntagmen:
nichts lassen, etw. als ein n. lassen, der tod das nichts noch ringern
;
das n
. (Subj.)
unterscheid machen
;
der mensch, die creaturen nichts, ein n. sein, die dinge als ein n. sein, etw
. (Subj.)
weniger als ein nichts sein, etw. jm. ein n. sein, die jungfrauschaft nichts wert sein
;
sich von allem n. scheiden, des nichten ledig sein
;
das lautere n
.
Wortbildungen
nichtsgültig
(dazu bdv.: , ),
nichtsschätzung
(dazu bdv.:  2, , ),
nichtswürdig
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Want in siner
[Bezug auf
Got
]
angesichte | Waz alles dinc imme nichte.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
wann alle creaturen machen flecken, wann si nuͥtzend sind; wann nuͥtzt daz ist gebresten und beflecket die sel. alle creaturen sind ein luter nicht; weder engel noch creaturen sind uͥtz.
Ebd. :
werend wir des nichten ledig, so werend wir nit unrein.
Eyâ, wan wæren der sêle ougen ûfgetân, daz diu verstantnisse klærlîche aneschouwete die wârheit! Wizzet: dem menschen wæren alliu dinc als líhte ze lâzenne als ein erweiz oder ein linse oder als nicht; jâ, bî mîner sêle, alliu dinc wæren disem menschen als ein niht!
wilt du eynn sun sein / so scheide dich von allem Nit / Want (Nit) machet vnderscheidt.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
lieze ein mensche ein künicrîche oder alle die werlt und behielte sich selber sô enhæte er nihtes gelâzen.
Strauch, Par. anime int.
63, 6
(
thür.
,
14. Jh.
):
alle dinc muzin cleine in uns sin und alse ein nicht.
Voc. Teut.-Lat.
x vr
(
Nürnb.
1482
):
Nychtzschatzung od’ geringerung od’ kleinschetzung kleinachtung. vilipendium.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
146
(
alem.
,
1. H. 15. Jh.
):
Die núntz umb mich
[Christus]
wellent geben, | Die wil ich sy ain tag uff erd lon leben.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
wisse, daß dasjenige, so in dem Sarck liget, ist weniger als Nichts, dann schon bey seinen Lebzeitten war der Mänsch Nichts, vnd solches Nichts ist durch den Todt noch mehr geringert.
Goldammer, Paracelsus
7, 176, 12
(
1529
):
die jungfrauschaft ist nichts wert, seindt gleich dem, der sich gott gleicht auf erden.
Ebd.
7, 271, 8
:
ir volker alle, betrachten, daß der mensch nichts ist. und ob er schon vill ist, witzig, vernunftig, redlich.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
343, 21
(
Genf
1636
):
nichtsguͤldig / nichtssollig / nichtswuͤrdig.
Diehl, Dreytw. Essl. Chron. (
schwäb.
,
1549
):
man must inen hew und stro gebenn und gabenn neymantt nuntz darum.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
[ich] waiß das für war, das ich nuntz valsch erdicht hon.
11.
›nichts, etw. nicht Vorhandenes, Fehlendes, nicht Seiendes, dessen mögliche Form, Gestalt und allseitige Qualitäten aber aus dem Kontext des Belegvorkommens oder aus dem allgemeinen Wissen heraus erschlossen werden können‹; im Unterschied zu 10 eher neutral gebraucht.
Phraseme:
um nicht
›umsonst‹;
weder icht noch nicht haben
;
jm. nicht tun
›jm. nichts anhaben‹;
nicht um jn. geben
›sich nichts aus jm. machen‹;
mit etw. nicht zu tun haben
;
von nichte kommen
›ein Emporkömmling sein‹;
mit jm. nicht zu schaffen haben
.
Gegensätze:
(Pron.) 1,  12.
Syntagmen:
n. haben / machen / schaffen / behalten / bezalen / darleihen / reden / sprechen, von etw. sagen / wissen, jm. n. verschweigen
;
etw. / j. n. sein, etw. n. wert sein, ein n. gegen etw
. (anderes)
sein, jm. n. mangeln, verborgen sein
;
aus n. etw. machen / schaffen
(mehrmals von Gott gesagt),
etw. von n. gewerden lassen, von einem n. das icht schaffen, sich von dem n. scheiden, etw
. (z. B.
die keusche
)
um n. brechen
;
nicht arges / besseres / endliches, nicht weines
;
das michele n
.
Wortbildungen:
nichtsnuz
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Von disem nichtesnichte | Schuf Got daz michel ichte.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Nihil. Nichts neust nixt nichtzit neut neuts nuͤtz nuͤtzid.
Goedeke u. a., Liederb. (
Wittenb.
1545
):
der fürst diser welt, | wie saur er sich stellt, | tut er uns doch nicht.
Palmer, Tondolus (
Speyer
um 1483
):
Diser buwet vier closter [...] Vnd behielt im selber gantz nichts.
Froning, Alsf. Passionssp.
1906
(
ohess.
,
1501ff.
):
was wel myn swester Marthe? | er klaffen ist gar umb nicht.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
241a, 37
(
Frankf./M.
1649
):
sie machen auß etlichen nichtswuͤrdigen indicien ein grosses wesen.
Ebd.
388b, 22
:
daß das gemeine Geschrey [...] so wohl vom natuͤrlichen alß weltlichen Rechten ein nichtsguͤltiges vnduͤchtiges indicium seye.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
4, 4
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
wann wir [her Tot] in langer zeit nicht entliches zu Beheim haben geschaffet.
Ebd.
16, 11
:
Du fragest, was wir sein. Wir sein nichts und doch etwas.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
213, 33
(
thür.
,
1474
):
ane allen yren guthern, legende, farnde, [...], wie sie die haben, nichtes ausßgeslossen.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
zu gelicher wis also der lichnam tot ist ane den geist, also ist der geloube ein nicht ane die guͦten werk.
Gille u. a., M. Beheim
82, 382
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
[Christi Eltern]
worn doch arm und heten neüt | wann was sy tëglich gwunnen.
Voc. Teut.-Lat.
x vv
(
Nürnb.
1482
):
Nichtznutz. nichilihomo. i. nullius vtilitans.
Fischer, Folz. Reimp.
26, 307
(
Nürnb.
1480
):
Fürcht got, so wirt euch nichczen mangeln.
v. Birken. Erzh. Österreich (
Nürnb.
1668
):
Wie dann diß GOttes meinste arbeit ist / daß er / gleichwie er im anfang aus Nichts Etwas gemacht / also hingegen aus denen / so sich Etwas zuseyn duͤnken lassen / Nichts zumachen pfleget.
Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
der satte uf, daz ein keiser mit eins bobstes küre nüt sol haben zuͦ tuͦnde.
Goldammer, Paracelsus
5, 181, 17
(
1530
):
nichts ist, das bleiben wird, die felsen und die stein werden zu wasser werden.
Leisi, Thurg. UB
8, 567, 28
(
halem.
,
1353
):
es were lützel oder vil wins in dem wingarten oder iht oder niht.
v. d. Broek, Spiegel d. Sünders
273, 25
(
Augsb.
1476
):
bit euch ir wellen im von meiner red wegen nichtz args reden.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
E. 15. Jh.
):
es mocht uns aber nit gehelfen, wann er gab nicht umb den kaiser.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
liess darauf das schloss gar ussbrennen. Domit hetten sie weder ut, noch nut mer.
Helm, a. a. O. ;
Pfefferl, Weigel. Gn. S. 
58, 2
;
Quint, Eckharts Pred. ; ; ; ; ;
Altmann, Wind. Denkw. ;
Froning, a. a. O.
3402
;
Dienes, E. Gros. Witwenb.
9, 18
;
Hübner, Buch Daniel ;
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. ; ;
Rupprich, Dürer ;
Matthaei, Minner. I, ;
Plant u. a., Main. Naturl. 293vd,
26
;
Warnock, Pred. Paulis
1, 132
 f.;
Barack, a. a. O. ;
Roth, E. v. Wildenberg ;
Vgl. ferner s. v.  1.
12.
dient in Formeln wie
nicht [...] dan / wan / nur / als [...]
›nichts [...] als‹ der Herausstellung einer seienden und dem
nicht(s)
entgegengerichteten Größe, Handlung, Qualität.
Syntagmen
(in Auswahl):
n. verharren dan der glaube, n. suchen wan [...], etw. n. dan warheit sein, etw. n. so gut sein, den [...], j. n. besser sein den der [...], n. anders als krieg sein, n. anders gedenken den nur [...], n. sehen den das [...], n. tun dan wachen / beten / denken, n. können dan rauben, um n. sorgen dan um [...], nichtes pflegen den rechtes
.

Belegblock:

Valli, Baldemann
477
(
rhfrk.
/
nobd.
,
um 1350
):
Hie vor ein keiser was vormunt | Des richis und pflag nichtis | Denn rechtis und rechtis gerichtis.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
14
(
Nürnb.
1517
):
Nun beruet der gloub in den dingen, in denen die wissenheit mangelt [...], do nichts verhart dann der gloub.
Ebd.
166
:
wann derhalb bistu nichts besser den der nicht sicht.
Haage, Hesel. Arzneib.
50, 4
(Hs. ˹
noobd.
/
md.
,
E. 15. Jh.
˺):
Wo der mensch geswillet, so ist nexen so gutt dann dise erczney.
zu Dohna u. a., a. a. O.
69
;
245
;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
35, 7
;
Vgl. ferner s. v.  1, .
13.
Phraseme mittels Präp. +
nicht(-)
(meist flektiert, aber nicht immer nach erkennbaren Regeln): ˹
aus nichten
;
bei nichte(n)
˺ ›keineswegs, keinesfalls‹;
für nichte(n)
(zur Bedeutung s. die Übersetzungsvorschläge in den Belegen);
in nichts / nichten
›in keiner Weise‹; ˹
mit nichten, um nichten
˺ ›keinesfalls‹;
zu nicht(e)
, je nach Bezugsgröße: ›zunichte‹; ›zerstört‹; ›verdorben‹; ›zerschlagen‹; ›nichtig‹; auch: ›keineswegs‹.

Belegblock:

Zu
aus nichten
:

Sappler, H. Kaufringer
11, 471
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
du kanst dich doch aus nichten | mit deiner weis verrichten.

Zu
bei nichte(n)
:

Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Minen
[Bezug auf Maria]
tot wol versich, | Das min lip hie uf erde | Bi núti den juden werde.

Zu
für nichte(n)
:

Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Wir hielden gar vornichte
›überhaupt nicht‹
| Diner propheten geheiz.
Goldammer, Paracelsus
2, 285, 20
(
1530
):
das seindt zwo ehe. das ist: des menschen ehe, dieselbig mag wol gescheiden werden, dann sie ist für nichten
[›ungültig, nicht vollzogen‹].
dann von anfang ist sie nit also gewesen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1533
):
also hat man nit vil ausgericht mit dem pfaffen, ist für nichten
[›umsonst‹]
gewesen.
Klein, Oswald
23, 3
.
Vgl. ferner s. v.  2.

Zu
in nichts / nichten
:

Logau. Abdank.
170, 5
(
Liegnitz
1651
):
der Schoͤpfer ist seinem Geschoͤpf in nichts verpflicht.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1564
):
[daß] im niemand in nichten
[hier: ›in irgendeiner Weise‹]
widerstehen dorft.

Zu
mit nichten
:

Sachs (
Nürnb.
1526
):
Die selbig [zvfersicht] wirt mit nichte nicht | Ewiglich sein verloren.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
wann wir im die regalia und werntlichkeit, die ein byschoff von Augspurg von uns und dem riche zu lehen haben sol, mit nichten lihen wöllen.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Alles murzen / affterrede vnd zorn / Mit nichten vber tisch gehorn.
Froning, Alsf. Passionssp.
4681
;
Roth, E. v. Wildenberg ;
Qu. Brassó
4, 38, 9
.

Zu
um nichten
:

Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
die pfaffen [...] schlußen tür und tor zu und wolten nit leiden umb nichten, daß man durch ir heuser solt gan.

Zu
zu nicht(e)
:

Buch Weinsb. (
rib.
,
1587
):
die becker [...] sagten. man machte das backamt zu neit, so leis man sie nit bei amtzs geregtigkeit.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
So daz des menschen gute | Zu nichte wirt gemachet.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
10, 13
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
wie alle irdische creatüre, wie künstig, wie listig, wie stark sie sein, [...], müßen zu nichte werden.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2775
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
vil fromer meide werden zu nichte
[›verdorben‹]
| van dem unkuschen ane gesichte.
Thür. Chron.
13r, 8
(
Mühlh.
1599
):
Hagel, Plitz / Donner / vnd sonsten mit viel Plagen / da ward das Reich gar zu nichte.
Matthaei, Minner. I, (Hs.
15. Jh.
):
waz man von manheit ye gesprach, | daz wuͤrde gar zu nyͤde, | ob ich mich von ir schiede.
Sappler, H. Kaufringer
16, 252
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
es ist aber ze nichten guot
(hier: ›keineswegs‹).
v. Keller, Amadis ;
v. Birken. Erzh. Österreich ;
Goldammer, Paracelsus
193, 12
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Adomatis u. a., J. Murer. Bab.
3611
.
Vgl. ferner s. v.  3.