nest,
nist
(letzteres seltener),
das
;
-(e)s/-er
oder
.
1.
›Nest‹ (besonders der Vögel, seltener anderer, meist kleinerer Tiere, z. B. der Insekten, ferner von Mäusen, Schlangen u. ä.);
nest
ist dabei überwiegend im neutral signifikativen Sinne gemeint, tendiert aber mehrfach sowohl in die Richtung von ›(zu schützender) Ort der Sicherheit, Heimstätte‹ (im Orientierungsfeld mit , , ) wie in die Richtung von ›(zu bekämpfende) Brutstätte, Räuberhöhle, Schlangengrube‹, in denen Böses ausgeheckt wird; mit diesen Nuancen offen zu 2.
Phraseme:
gauche in nesten spähen lassen
›sich der Unzucht hingeben‹;
vögel legen in ein anderes nest
o.ä. ›nisten, sich auf Kosten eines Berechtigten wo einnisten‹;
den gauch aus dem nest nemen
›etw. aufdecken, jn. entlarven‹;
(die jungen adler) mit dem schnabel aus dem nest vertreiben
›auf die Bedingungen der Natur, des Lebens weisen‹;
(j.) frisch in seinem n. sitzen
›es sich gut gehen lassen‹.
Syntagmen:
ein n. machen / finden / verbrennen, sein n. besingen, verderben, (läuse)
[wo]
nester machen, (die taube) das n. in der kirche haben
(als Zeichen für die Qualitäten
rein, sänfte
der Tauben),
vögel ire nest(e) unter dem himmel, auf den zweigen, in den lüften haben
;
sich sicher wie die taube auf dem neste fülen, aus dem n. plumpen, herfür kommen, amseln / vögel / eichhorn aus den neste(r)n nemen, der gauch im n. sitzen, der käfer in dem n. etw. sehen, den adamant in einem n. finden, der adler etw. in sein n. legen, der schlange in das n. steigen, aus dem n. plumpen, in ein n. steigen, unter dem n. seine wonung suchen, die vögel sich um die nester beissen, federspiel von dem neste stelen, der serpant zum neste schleichen
;
das n. des aren / storches, der tiere
;
das fremde / grosse / hohe n
.
Wortbildungen:
nestbaum
(Beleg auch s. v. ),
nestfalke
›Falkenküken‹ (
Dalby, Lex. Mhg Hunt.
1965, 159
),
nestvogel
,
nistbaum
.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
nestenvogele vf eineme bouͦme, oder swa iz ist, daz des mannes ist, de wile se in gebeite sint, so sint se sin.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Grindiger Kopff zielt viel laͤuß / die darinn zu der Glieder verderben Nester machen.
Wer die Raupen wil tilgen / der muß das Nest verbrennen.
Luther, WA (
1525
):
Der amechtige teuffel will nyrgent hyn, denn an unsern ort, da wyr zuvor durchs Euangelion rawm und sicherheyt haben gemacht, und will nuͦr unser nest besuddeln und verterben, wie der kuckuc mit der grasemuͤcken spielet.
Ebd. (
1526
):
Er nennet das koͤnigreich ,ein nest‘ und seine festung ,die hoͤhe‘ und seine sicherheit ,entrynnen dem unfal‘. Denn also redet die Ebreische sprache, das sie wonunge odder heuser heist nester, wilche die vogel, sonderlich was grosse vogel sind, als habicht, reyger, adeler pflegen hoch zu machen, das sie sicher seien, yhre jungen zu hecken, neeren und behalten.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
7418
(
rib.
,
1444
):
ee der hemel were al volbracht, | Wart ich [Hoverdie] gelacht in des hemels nist.
Ebd.
7428
:
[Dat ich] us dē hogen nyste zo der stunde | Dede plumpen in der hellen affgrunde.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
da hie sich sicher wiste | als die duue zo irme niste.
Froning, Alsf. Passionssp.
6236
(
ohess.
,
1501ff.
):
der fuß hot yn der erden syn hoil | und der vogel syn nest yn den lufften.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
138, 12
(
Frankf.
1535
):
Der stein vertreibt die schlangen darumb so legt jn der adler in sein nest wider die schlangen.
Perez, Dietzin
1, 135, 7
(
Frankf.
1626
):
ward ich darnach zu trachten gar nicht saͤumig / vnd in dem den jungen Adlern vberlegen / welche am anfangs gar langsam sind / dannenhero jhre Mutter genoͤtiget wird / sie mit dem Schnabel auß dem Nest zutreiben vnd in die Sonne zu sehen an zureitzen.
Feudel, Evangelistar
13, 26
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
dy fuchse dy haben ere holre unde dy vogele der hemele ere nest.
Neumann, Rothe. Keuschh.
5589
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
si
[
henne
als Allegorie für
hoffart
]
stiget in ein fremdes nest | unnd bisset ein ander hennen uss.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
63, 18
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
si vindin ouch dicke den adamant in der aren nyste, di di aren von gyczekeit hattin vorslundin.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
dú turteltube ist rain und senfte, si hât ôch ir nest in der kirchen.
Fuchs, Murner. Geuchmat
283
(
Basel
1519
):
Nun wil ich thuͦn das aller best, | Den gouch zuͦ nemen vß dem nest.
Ebd.
2121
:
Jch solt die Christenheit versehen, | Do ließ ich geuch in nesten spehen.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
1498
):
das niemand kain haselhüner und rebhüner noch vederspil fahen [...] sol, noch die neschtböm och nit zergengen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Weñ ein vogel in eins anderen Naͤst legt.
Bauer, Geiler. Pred.
466, 7
(
Augsb.
1508
):
Ich find vil und mancher hand fliegen / die auß disem noͤst herfür kommen.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Grosse Voͤgel beissen sich vmb die naͤster / der zaunkoͤnig hat fried.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
238, 2
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Ain serpant an dem stammen | sahen s’ zum neste schleichen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
):
das mann die aichorn und vögl nit auß den nöstern nembn soll.
Ebd. (
1391
):
Es sold auch kainer dem federspill nit zu nachent holz schlahen oder den nistpaum abhacken.
Große, a. a. O. ;
Peil, Rollenhagen. Froschm.
46, 73
;
237, 371
;
539, 1025
;
647, 4425
;
Kurz, Waldis. Esopus ;
Hübner, Buch Daniel ;
Rieder, Gottesfr. ;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Voc. inc. teut.
r iijr
;
Vgl. ferner s. v.  1.
2.
›als
nest
1 und von seinen semantischen Nuancen her gedachter Lebens-, Handlungsraum, Raum sozialer Nähe‹; dies führt einmal zu der Variante ›Sicherheitsraum, Unterschlupf, Heimstätte‹, zum anderen zu der Variante ›Brutstätte für Unsicherheit, Räuberhöhle, Schlangengrube‹ (jeweils ütr.).
Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
den feind in seinem nest
›in seinem Zentrum‹
angreifen
;
fremde eier in seinem nest finden
;
im nest des lewen ruhen
›auf unsicherem Boden, auf einem Vulkan sitzen‹;
in sein eigenes nest hofieren / scheissen
›sein eigenes Nest beschmutzen‹.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  1,  1, (
das
1, (
die
),  1.
Syntagmen:
j. sein n. finden, got ein nestlein
(für die
seinen
)
finden
;
der mund ein n. sein
;
jn. aus dem n. beissen, j. in seinem n. bleiben, jn. in ein anderes n. setzen
›jn. von seinem hohen Roß herunter holen‹;
das n. des trostes, der bösen geiste, des lewen, des basiliscus
;
des todes n
. ›Totenbett, Grab‹;
das götliche / reine n
. (für
eheliches leben
).

Belegblock:

Ziesemer, Proph. Cranc Jes.
11, 8
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
daz kint [...] daz do entwenit ist, daz wirt stosen sine hant in des basiliscus nest
[
Luther
1545:
hüle
].
Luther, WA (
1538
):
do wir doch den Wind fuhlen an unserm leibe, wie solten wir den verstehen, wo des heiligen Geistes nehest und wohnung sej?
Froning, Alsf. Passionssp.
5050
(
ohess.
,
1501ff.
):
were der man got gewest, | ßo mocht er wol blibben syn yn syme nest!
Perez, Dietzin
1, 129, 6
(
Frankf.
1626
):
daß mein Vatter einen andern Mann bey meiner Mutter erdapt vnnd also frembde Eyer in seinem Nest gefunden.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
27, 13
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
gelaube ich für war, das nie so reines, götliches nest und wesen bei der sele kan nimmermer gesein dann eelich leben.
Niewöhner, Teichner
541, 126
(Hs. ˹
nobd.
,
1368
˺):
ein rew gewinnen leiht ze lest, | wenn er zu des todes nest | wirt gefurt in einer zeit.
v. Birken. Erzh. Österreich (
Nürnb.
1668
):
wurde er [Rudolphus] rahts / den Feind im Nest anzugreiffen / und seine Staͤdte und Schloͤsser [...] einzunehmen.
Es wurde damals zu Frankfurt offentlich geredt und gesungen: Der Roͤmische Adler ruhe in dem Nest des Loͤwens.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Fro tohter, es weri nu wol zit, daz du [...] dich uss dem nest biltlichs trostes ein anvahenden menschen uf erlupftist.
Lauchert, Merswin (
els.
,
1352
/
70
):
aller min lichame wer ein nest der boͤsen geiste.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
so vindet der minnencliche Got ie ein nestelin do er die sinen inne enthaltet.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 479, 9
(
Hagenau
1534
):
Wer in sein eygen nest scheißt / der ligt unsanfft.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
341, 29
(
Genf
1636
):
Es ist ein boͤser Vogel / der in sein eigen (Nest) hofieret / daß ist: Es ist ein boͤser Mensch der seinen Blutsfreunden boͤses nachsagt.
Bauer, Geiler. Pred.
466, 5
(
Augsb.
1508
):
Der mund der da redet boͤße wort / ist das nest da aller wuͦst und unflat inn funden würt.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
528, 688
;
Martin, H. v. Sachsenh. Tempel
589
;
Roloff, Brant. Tsp.
1184
;
Veith, Bwb. .
3.
in einer Reihe von Übertragungen, deren Bezugsgrößen mit
nest
1 in eine Vergleichsbeziehung gesetzt sind:
a) ›Haarknoten der Frauen‹ (a. 1504).
b) ›Intimbereich (weiblicher Personen)‹ (ütr.).
c) ›ein isolierter Stock von Mineralien‹ (dazu:
Veith, Bwb.
).
Wortbildungen
nestig
(dazu ggs.:  3).
d) ein Gewichtsmaß (für Stahl).
e) ›Satz von Gefäßen‹ (z. B. ›Kesselsatz‹).
f) ›nestartig gedachte Wassergestalt‹.
Bedeutungsverwandte
b): .

Belegblock:

Zu a):

Schles. Wb.
2, 927
.

Zu b):

Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Der hueb er die klaider dahünden uf und fieng an dem nest zu zu schanzen.
fand er ain jungs dechterle in ainer wiegen ligen, das [...] schrie; so aber die magt [...] es geschwaigen wolt, huebe es die bain uf in der wiegen, so muest man ime dann zum nest blasen und ain wind machen.

Zu c):

Schmitt, Fachprosa
36, 22
(
omd.
,
um 1500
):
Auch wirt der tzwitter ader tzynstein ein teyl gefunden in einem geschut nestigk vnd nicht ganghafftig vff dem bergk.
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1536
):
da brechen die erzt nicht so fletzweise [...], sondern bleiben stet bei den gengen, es sei denn, dass ein gang oder klufft zufeldt, so findet man ein ganz nest.

Zu d):

Scholz-Babisch, Klev. Rheinzollw.
214, 36
(
rib.
/
westf.
,
1479
/
1550
):
Van hondert neesten staels in den Rijn ind in die Wale 1 gr.

Zu e):

Ziesemer, Gr. Ämterb.
537, 20
(
preuß.
,
1391
):
1 nest kessil, item 16 leste kornis.
Ebd.
721, 39
(
1402
):
6 grosze kessel, czwey neste schosseln.
Ders., Marienb. Ämterb.
164, 5
(
preuß.
,
1419
):
9 zilberyn neest becher.
Ziesemer, Gr. Ämterb.
46, 9
.
Zu f):
Sudhoff, Paracelsus (
um 1520
):
etlicher teil [des wassers] ist geworden zu mêrwundern, widernatürlichs laufs aller elementen. etliche teil zu nymphen, etliche zu sirenen, [...] etliche zu lorint, etliche zu nesder.
4.
bedeutungsverwandt zu  3.