nation,
die
;
-Ø/-en
;
zu
nd.
/
nl.
natie
vgl. f.
1.
›größere, hinsichtlich ihres Umfangs nur unsicher bestimmte und bestimmbare Menschenmenge, die – bei Anerkennung je besonderer interner Gliederungen sowie unscharfer Abgrenzung nach außen – als objektiv zusammengehörig gedacht wird und die für die Eigengruppe einen wenn auch eher schwachen Identifikationsaufruf sowie einen Aufruf zur Absetzung gegen Fremdgruppen samt aller damit verbundener Handlungsverpflichtungen impliziert‹. Die Kriterien für die so konstituierte Gruppe sind räumlicher, sozialer, verfassungsrechtlicher, genetischer, sprachlicher, sitten- und überlieferungsbezogener, auch zeitlich-historischer Art; speziell für
deutsche nation
oszilliert die Grenzziehung zwischen einer als
deutsch
charakterisierten sprachgeographischen Größe ›sprachlich bestimmte Raumgruppe‹ und einer politischen Größe ›Altes / Römisches Reich‹ sowie zwischen ersterer und einer seiner Gliederungseinheiten; offen zu 2.
Zur Sache: ;
GG
7, 285
f.
Phraseme:
(heiliges) römisches reich deutscher nation
(o.ä.).
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): ˹ 4, (
das
6,  2,  2˺ (je selten), ˹
2
 2,  2, (
das
2a, ,  2˺ (je mehrfach), ˹ 5810, , ˺ (oft). Der Einheiten dieses Feldes sind verschieden dicht belegt und ihrerseits jeweils mehrdeutig, bedürfen insofern der Interpretation pro Beleg; dabei kann einmal (oft) das Moment der Zusammengehörigkeit der Personen, einmal das
land-
, einmal das
sprache-
,
reich-
Argument (usw.) überwiegen, ohne daß andere Bedeutungsmomente auszuschließen wären; dies kann zu Metonymien der Art
nation
›Volk‹ sowie ›Land‹ sowie ›Sprachvolk‹ (usw.) führen. Die unter Synt. dokumentierten Prädikationen über und mit
nation
sind im allgemeinen neutral, teils aber auch durch Gütezuschreibungen gekennzeichnet. - Extensional wird
nation
 1 auf folgende Gegebenheiten bezogen:
Catalonier
,
Hispanier
,
Genueser
,
Walchen
,
Florentiner
,
Sarrazenen
,
Franzosen
,
Eidgenossen
,
Deutsche
,
Römer
,
Magyaren
,
Assyrer
,
Perser
(jeweils verstanden als Bezeichnungen von Personengruppen), auf
Hispania / Spanien
,
Engelland
,
Italia
,
Gallia
,
Frankreich
,
Welschland
,
Schweiz
,
Deutschland
,
Dänemark
,
Schweden
,
Norwegen
,
Liefland
,
Bömen
,
Mären
,
Polen
,
Rusland
,
Ungarn
,
Mazedonia
,
Syria
(verstanden als ,Länder‘, politische Einheiten?). Aus dieser Liste können – vorbehaltlich einer gewissen historischen Konstanz von Grenzziehungen – vage Vorprägungen für die neuzeitliche Staatengliederung Europas abgelesen werden; vorwiegend als Sprachbezeichnungen, die für
nation
als bestimmungsrelevant gesehen werden können, erscheinen
spanisch, italisch, welsch, deutsch
1, 3; 7; 8 (auch
hoch-
und
niederdeutsch
),
sachsisch
›siebenbürgisch‹,
windisch, griechisch
2,
hebräisch
.
Syntagmen:
die / eine n. abziehen
›betrügen‹
/ schwächen, lieb haben, in frieden setzen, untertänig machen, bei iren rechten handhaben, in etw
. (z. B. im Fressen, Saufen)
übertreffen, in eine andere landschaft bringen, baussen not halten, eine n. gefressen haben
›die Sprache einer
nation
stets im Munde führen‹;
andere nationes barbaros nennen, eine n. moren, alle nationes Äthiopias heissen, Deutschland die löbliche n. nennen
;
die / eine n
. (Subj.) [wo]
wonen, sich
[wo]
erheben, vol irtum / rotten / secten stecken, ire erentitel hoch halten, mit anderen untermischt sein, eine n. gros / unleidlich werden, jn. für einen rectorem aufwerfen, die (deutsche) n. dem concilio nicht adorieren, vorsichtig in etw. sein
;
(mit jm.) einer nation sein, j. der n. ein grieche sein
;
einer n. dienen / schaden, einer n. nicht alleine schätze zuwachsen, j. der (deutschen) n. wiederwärtig, aus einer n. bürtig sein, durch die n. frieden halten, in einer n. rum befunden werden, mit einer n. ane tolmetsch reden, von einer n. etw. erfaren, j. von allen nationen gefürchtet sein, wieder die (deutsche) n. gold schicken, jm. den sieg wieder alle nationen geben
;
die aufrichtige / aufsetzige, ausländische / besondere / deutsche
(oft)
/ hochdeutsche / niederdeutsche / elende / fremde / griechische / grobe / löbliche / unanseheliche / sächsische / welsche / windische / streitbare / trefliche n
.;
wein aus allen nationen, bistume / stifte in einer n
.;
die bettelorden / kunstmeister / tagräuber / wucherer, der adel, das parlament / vaterland / volk einer n., die sprache der (deutschen) n., der abschied (deutscher) n
.

Belegblock:

Schöpper Vorr. (
Dortm.
1550
):
wie vnsere Westphälische zung oder spraach etliche vil Jar her bey allen außlendischen nationen vñ voͤlckern / als grob vnd beurisch / verlachet [...] ist worden.
Luther, WA (
1520
):
An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung.
Es sol auch das Euangelion ynn allen landen, Nation und sprachen gepredigt werden.
Ebd. (
1545
):
Da theten zusamen die fuͤnff Nation, Deudschland, Welschland, Franckreich, Engelland, Spanien, und holffen, das zu Costnitz ein Concilium ward.
Gebot, das man keinen Bebstlichen Legaten im Reich Deudscher nation leiden solt, er were denn von jm, dem Keyser, gefoddert.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
1789
(
Köln
1476
):
vmb troemsche rych | Tzu halden ind duytsche nacij | Buyssen noit ind tribulacij.
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
damit hiedurch die hochberhümmte, vnser allgemeine, geliebte sprach Teutscher Nation, [...], an tag erklärt, vnnd poliert
[werde].
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
Alle die Eynwohner der Landtschafft Guiana, [...] seyndt grosse Saͤuffer vnd gute Zechbruͤder / darinn sie alle andere Nationen vnd Voͤlcker weit jhnen vbertreffen.
daß sie eine frembde Nation in jre Landschafft hetten gebracht.
Thür. Chron.
10v, 20
(
Mühlh.
1599
):
dem volgeten etliche Roͤmer nach / vnnd zohen in Teutsche Nation / auffs letzte kamen sie in Sachssen.
Ebd.
11r, 17
:
Da zoch [...] Julius vber das Gebirge Alpes in Teutschland / [...] auff das er jhm Teutsche Nation vnterthenig machte / vnd ob jhm wol 20. Tausendt Ritter erschlagen / noch dennoch bezwange er die Teutschen.
Franck, Decl.
350, 28
(
Nürnb.
1531
):
Der Cesar lert / das die Schwaben etwo ein volck Teutscher nation / kein wein jn liessen zuͦfuͤren on andere warh / darumb das sie darfür hielten / das mit dem wein die leib wuͤrden machtloß.
Schade, Sat. u. Pasqu.
68, 24
(
obd.
,
1521
):
so dann ouch die hoch dütsch rät in allen communen und stetten hoher und nider dütscher nation darin wöllen sehen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 84, 26
(
Hagenau
1534
):
diser rhum und sage ist nye befunden worden in keyner nation mehr.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Nation / volck eyns lands erborne. Natio.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
wirfft je zu zeiten ein Jtalianisch oder Spanisch Wort mit vnder, auf daß man dafür halten vnd meynen solle, alle diese Nationen habe er gefressen.
Wickram
4, 12, 21
(
Straßb.
1556
):
der was ein Tuͦchbereiter / der hett vil knecht auß fremden nationen und landen / wann die also bey einander waren / erzalt ir yeder was in seiner haimat landtleuffig unnd breuchig wer.
Lemmer, Brant. Narrensch.
4, 27
(
Basel
1494
):
Phfuch schand der tütschen nacion | Das der natur verdeckt wil han | Das man das bloͤst.
Rennefahrt, Statut. Saanen (
halem.
,
1500
):
Wir sollen inen ouch dheinen unsern tschachtlan setzen, geben noch ordnen dann einen, so der tuͥtschen zungen und nation [...] gesessen sye.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
vnd werden noch wol mehr laute oder vngeschickte verwandlu͂g der laute in der rede gehoͤrt, nach ainer yetlichen Nation sprach art.
Diehl, Dreytw. Essl. Chron. (
schwäb.
,
1552
):
als er [Frantzose] in hatt gen Schaffhausen drey thonen gold oder kronen geschicktt wider die teusche naxion.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1563
):
so kan ain aigenutziger die guͦte reichsmüntz [...] in Schweitz und andern frembden nationen [...] in geringe müntzen verwenden.
Rot
292
(
Augsb.
1571
):
Die Greci haben etwa auß hochfart alle andre Nationes so nit jhrer sprach vnd sitten waren / Barbaros, geheissen.
Ebd.
331
:
Nation, Ein volck das in einem Landt erborn ist / ein gantz geschlecht oder menge eins Volcks im Landt. Als die Teutsch / Welsch / Griechisch Nation.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
die Türcken vnd Moren (welche baide Nationes fast gleiche Religion vñ Ceremonias haben).
Haszler, Kiechels Reisen (
schwäb.
,
n. 1589
):
bassa von Tunis [...] dössen patron ein Christ wahr und der nation ein Grüech.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Mithridates [...] kund mit ietlicher nation ân ein tulmäz für sich selbs reden.
das alle menschen als ain ainig nation und ain ainig volk ain recht ain haubtstat ain sprach und zungen haben, sich mit einander bereden künnen.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
3, 14
(
mslow. inseldt.
,
1612
):
Welchen die Windische Nation mit gewalt für ein Rectorem aufgeworffen.
Qu. Brassó
5, 508, 9
(
siebenb.
,
1614
):
Dies erschrecklich Exempel [...] hat uns beweget, dass mir nix noch Leib, Bluet und Guet gefraget, sondern freiwillig zum Heil und Bleiben der Saxischen Nation dargewaget.
Ebd.
636, 37
(
1613
):
Herr Michel Weysz, [...], der dei deutz Notio lieb hat, dass er das Leben auf dem Kroner Feld hat gelossen.
Boon, St. Prätorius
78, 24
;
Schein, NA 9, xb,
2
;
Schnelbögl, Salb. Karls IV. ijv
9
;
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
219a, 33
;
M. Cunitia. Ur. Prop. ;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Gilman, a. a. O.
1, 85, 34
;
2, 259, 11
;
Behrend, Spangenb. Anbindbr. ;
Wickram
4, 41, 6
;
Bachmann, Morgant ;
Wyss, Luz. Ostersp.
10073
;
Haszler, a. a. O. ;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ; ;
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 431
.
2.
›jede weitere (anders als unter 1 vage umrissene) Großgruppe von Menschen, die man von anderen solcher Gruppen zu unterscheiden bestrebt ist‹; als Unterscheidungskriterien fungieren dabei universitäre oder kirchliche Verwaltungsaspekte, verschiedene christozentrische Klassifizierungen, alttestamentliche Genealogien, teils auch kaum nachvollziehbare Setzungen zufälliger Art; als
nationen
erscheinen dann sog. studentische Landsmannschaften, die Menschen und die Organisationsräume der Kirchenverwaltung, die Nachkommen einer alttestamentlichen Person, z. B. Japhets, Angehörige von Orden, (
der
) im Gegensatz zu (
der
), der
gläubige
I im Gegensatz zu der
ungläubige, türke
1 im Gegensatz zu (
der
1 usw., ütr. auch
frosch
im Gegensatz zu  1.
Syntagmen:
die / eine n. jn. eren, besondere kleidung tragen, x nationen
[wo]
wonen, eine besondere wonung, gleiche religion / zeremonien haben
;
Kalabrien zu js. (des von Köln) n. gehören
;
die n. Japhet, der moren / türken, der frösche
;
die gläubige / ungläubige / heidnische n
.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
46, 81
(
Magdeb.
1608
):
Das Schebold Bausback wol gedacht / | Hoff hielt mit Koͤniglicher pracht / | Vnd der gantzen Froͤsch Nation / | Auch vnterthan war seiner Kron.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
der almechtig got verleih dem heiligen cristenglauben gluksam geschicht und geruche im alle geschlecht der haidnischen nacion zu unterwerfen.
Fischer, Folz. Reimp.
39, 610
(
Nürnb.
1479
):
Nun die nacion euch zu bedewten, | Sag ich römischen kanczler an: | Von Meyncz pischoff auf deutsch nacion, | Als Schwaben Peyern, Francken, Östreich, | Winden, Ungern, Peheim und der gleich; | Und über die Welschen der von Köln, | Zu des nacion mus hörn und söln | Kalabria und Portigall.
Schib, H. Stockar
14, 4
(
halem.
,
1519
):
gewelb, darin (hand) die Hiaden, Juden, Dürgen, Sarrazen, die Mamaluckan, [...] ier wesen [...]. Und mus ettliche naceon dregen, das man sy keni, ier besundert kladung dragen, darum mian jedermian kene.
Goldammer, Paracelsus
5, 175, 20
(
1530
):
an dem tag scheiden sich voneinander die zwo nation, glaubig und unglaubig. das haus Jacob bedeut das haus Christi, das volk barbari bedeut das volk der unvernunft.
Haszler, Kiechels Reisen (
schwäb.
,
n. 1589
):
In gemeltem tempel wohnen stäts sübnerley nationen, wölche alle Christen sein wollen, als Fransciscanermünch, Grüechen, Georgianer, Armenier, Syrianer, Coffti und Habessine oder Äthiopi, [...], und hat yede nation ihr besondere wohnung.
Klein, Oswald
19, 177
(
oobd.
,
1416
):
Die nacio von aller schüle | mit iren guldin bengel | erten in [Sigmund] auf seinem stüle.
Moscouia
B 2r, 38
(
Wien
1557
):
das Slauonisch volck sey auß der Nation Japhet / vnd hab sich bey der Donaw nidergelassen.
Peil, a. a. O.
516, 294
;
Eckel, Fremdw. Murners.
1978, 135
.