nacket,
nackend,
Adj.;
beide Schreibungen mit ungefähr gleicher Häufigkeit. – Ansatz 1 dominant auf den Zustand körperlicher Nacktheit sowie ihrer sozialen Implikationen bezogen; 2 als Synekdoche daran anschließbar; unter 3 einzelne Streubelege; zu rechtsrelevanten Verwendungen s. .
1.
›nackt, unbekleidet‹; vom Menschen gesagt und dessen zwar natürliche, aber auffallende, da im normalen Leben kaum begegnende Eigenschaft im Gegensatz zu ›bekleidet‹ charakterisierend; im Vergleich zu folgenden Spezialisierungen relativ allgemein.
Bedeutungsverwandte:
5
 4,  1.
Gegensätze:
, .
Syntagmen
(vorwiegend als präd. Attr. gebraucht):
j. (ganz) n. sein, n. geboren werden
;
j. n. gehen
, [woher]
kommen, sich
[wohin]
legen, n. von hinnen faren, n. bei der nackenden schlafen
(bezogen auf das Jesuskind und Maria),
jn. n. ausziehen / malen
.
Wortbildungen
(am ehesten zur allgemeinen Variante):
nackettum
.
Im einzelnen:
a) ›nackt‹ (unter erotischen / sexuellen Aspekten).
Bedeutungsverwandte:
 1.
Syntagmen:
js. weib n. sehen, sich n. schauen lassen, jn. n. an die arme nemen, der wein jm. die lenden n. machen, jn. bei seiner frauen n. begreifen
.
b) ›nackt‹ (als eine den Menschen beschämende, verunsichernde Eigenschaft).
Bedeutungsverwandte:
 1, (Adj.).
Syntagmen:
j. (ein weib) n. werden
;
etw. n. geschehen
;
jn. n. sehen, n. zu jm. gehen
.
c) ›nackt‹ (als Zeichen von Armut, Bedürftigkeit).
Bedeutungsverwandte:
 5,  3, , (Adj.) 1, .
Syntagmen:
den nacketen kleiden
.
d) ›nackt‹ in Verbindung mit ›gefoltert, gequält, gedemütigt, entwürdigt, erniedrigt‹.
Syntagmen:
j. n. liegen / stehen, am kreuze hangen
;
jn. n. ausziehen / aufhängen, aus dem haus stossen
.
e) auf die Gottesmutter bezogen: ›Gott gegenüber voller Demut, Hingabe‹.

Belegblock:

Zur allgemeinen Variante:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
628, 3831
(
Magdeb.
1608
):
Wie man die schoͤne Venus mahlt / | Jm gelben Haar vnd nackend gantz.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
sy waren all beyde nacket Adam vnd syn huyssfrauwe vnd schampten sich niet.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
24, 11
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
ein mensche wirt in sünden enphangen, [...] in müterlichen leibe genert, nacket geboren.
Wickram
4, 23, 10
(
Straßb.
1556
):
Nackend binn ich auff erden von meiner muͦter leib kummen / Nackend würd ich wider von hinnen faren.
Morrall, Mandev. Reiseb.
112, 16
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
in dem land [...] ist gewonhait daz wib und man da gond nackent, und spottend gar sere der lút die geclaidet sind.
Sexauer, Schrr. in Kart.
272, 24
(
nöst.
,
v. 1450
):
in den allen sullen si nichts anders ansehen denn das die chelten vertriben vnd der nakchtum bedakcht werd.
Weber, Füetrer. Poyt.
120, 7
;
Vgl. ferner s. v.  4,  2.

Zu a):

Luther, WA (
1522
):
wenn ein Meydlein bey einem nackenden pfaffen geschlaffen hette, da sicht er durch die finger und laͤßt es geschehen.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
121, 2
(
rhfrk.
,
um 1435
):
Hette sie mich zü eyme male nackent an yr arme genommen / ich lebet zehen jar deste lenger.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Wie die Vestalischen Jungfrauen | Im Bad sich nacket lassen schauen | Etliche fremmte Manns Person.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2157
.
Vgl. ferner s. v.  7,  1.

Zu b):

Luther, WA (
1527
):
War ists, das Adam und Heva [...] den tod nicht so bald fuͤleten, so sie doch so bald fuͤleten, das sie nacket waren, und yhn schuͤrtze macheten.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1602
):
solches [aufferstehen] derhalben nackend geschehen müße; darumb sie schon ietzt daran gedenckend, daß sie auch alsdenn solte nackend und bloß gesehen werden, sich [...] schäme.
Goedeke, P. Gengenb. (o. O.
1516
):
Sich lond die wyber rupffen rouffen. | Das sie werden so nackend blut | Recht wie ein alte esels tudt.
Bauer, Geiler. Pred.
92, 10
(
Augsb.
1508
):
[er] beschamt sich würsser vor got seiner sünden / dann ain schamhafftige fraw / so sy soldt nackend steen vor aller welt.
Vgl. ferner s. v.  14.

Zu c):

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Die nacten noch die siechen, | Die zu den strazen kriechen.
Luther, WA (
1522
):
Die lebendigen heiligen sein dein nehsten, die nackende, die hungerichen, die dorstigen, arme leut, die weyb und kyndleyn.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
2492
(
rib.
,
1444
):
Ich cleiden de nackden durch barmhertzicheit.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Wenic iemant die armen | Itzunt sich let irbarmen, | Swie sie sint, crane hungeric, | Ellende, nacket, durstic.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
ich was ein gast und ir herbergitet mich. Nackit und ir bedackitet mich, siech und ir besûchtet mich.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
668
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
Das dritte [werk]: klaid den fruͦ und spat | Der nakend ist und nitt enhat!
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
117, 18
.

Zu d):

Langen, Myst. Leben
179, 16
(
nobd.
,
1463
):
an dem crewcz, do er so iemerlich nackat vnd / bloß ist lebentiger gehangen.
Qu. Brassó
5, 480, 4
(
siebenb.
,
1613
):
da haben ihn sein eigne Hayduken [...] nacket ausgezogen und in Kot oder Bächlein, [...], geschlepfet.
Alberus, Barf. ;
Thür. Chron.
14v, 18
;
Rieder, St. Georg. Pred. .
Vgl. ferner s. v.
2
 1.

Zu e):

Luther, WA (
1523
):
Secht wie ein mechtig arm maydlein ist das gewesen, noch hat got angesehen ir niderkait, da wirt sy gantz nackent außgezogen und got allain gepreyst, wenn eren wir sy also? sy wil gepreyst sein, das sy nichts hab, so woͤllen wir sy preysen, das sy alles hab?
2.
›mittellos, ausgeliefert, erbarmungswürdig; auf sich selbst zurückgeworfen, allein gelassen; ohne jede materielle Ausrüstung, ohne moralische, religiöse, soziale Unterstützung‹.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  1, (Adj.) 12410,  3,  2.
Gegensätze:
(Adj.) 4.
Syntagmen:
j. n. sein
(z. B.
von tugenden
)
/ werden
(z. B.
des glaubens
);
j. n. stehen
(z. B.
vor js. augen
),
davon laufen
;
n. an leib / sele
.

Belegblock:

Luther, WA (
1528
):
Wenn uns ynn der anfechtung aller trost entgehet, so das wir gar nacket und bloss stehen, von allen Creaturn verlassen, und unser gewissen zappelt [...], so sollen wir uns an das wort halten.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
do wart ir e geswachet | und worden eris gelouben nacket.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
der ist selich der sine cleider, daz ist sine reinikeit, bewart, uffe daz er niht nacket durfe gesten.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Du [herr] stuͤnd nackent und aller ere und kleider beroͮbet.
Goldammer, Paracelsus
5, 182, 5
(
1530
):
wir alle werden [an dem tag der noten] nacket stohn und bloß, wie wir geborn seindt.
Bachmann, Haimonsk. (
halem.
,
1530
):
Iren sind siben, und du bist alleinn und nacket.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
ain sun und ain tochter, die waren auch nackent, die beschlössent ich
[›kleidete ich ein‹]
von fueß auf und auch mein hausfraw.
Alberus, Barf. ;
Fischer, a. a. O. ;
Strauch, Par. anime int.
32, 21
;
Pyritz, Minneburg
2532
;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel ;
3.
›arm‹ (von der Anzahl der Wörter einer Sprache gesagt); ›freigelegt‹ (auf Kohle bezogen).

Belegblock:

Schöpper Vorr. (
Dortm.
1550
):
das vnsere spraach nicht arm vnd nacket in den Synonymis ist / sondern dero gantz vil in sich verfaßt.
Neumann, Rothe. Keuschh.
4789
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
ab wol ein kole gluet cleine | unnd mit aschen ist bedachket, | her bornet dannoch, wirt he nachket.