nötigen,
V.;
vgl. .
1.
›jn. unter Anwendung von Gewalt (physischer, geistlicher, rechtlicher Art, darunter der Folter, auch aus Liebe) unter Druck setzen, jn. nötigen, quälen‹; auch: ›jn. psychisch in die Enge treiben‹ sowie: ›jn. inständig um etw. ersuchen, bitten, jn. einladen‹; letzteres von Gott gegenüber dem erlösungsbedürftigen Menschen gesagt;
offen zu 4; zu  1.
Bedeutungsverwandte:
 1,  5, (V.) 1, ,  5,  12346, (V.) 6, .
Syntagmen:
j. jn. n
. (z. B.
durch gewalt, mit waffen, um eine schuld, zur mater
),
jn. des leibes / lebens n., jn. n., das [...]
.
Wortbildungen:
nötiger
1 ›tätlich Angreifender‹,
nötigung
1 ›von jm. ausgehender Zwang‹ (dazu bdv.: ); 2 ›wachstumsschädigender Einfluß (der Luft)‹.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Neceßitare. Noͤtten noͤtigen dringen zwingen.
Luther, WA (
1521
):
Diese zcway lerhet die gantze geschriefft, ungeschelte ruͤtten: das alte Testament, das nur fordert, was wir schuldig sein, thuͤt nichs, dan das es ymber Treybet, zcwinget und noͤttiget.
Ebd. (
1523
):
Aber die heuchler [...] machen eyn todten buchstaben und eyn engstlich gesetz draus, das sie noͤttiget und yhn die verlorne falsche keuscheyt sawr macht.
Ebd. (
1524
):
Denn diss sacrament will und kan nicht leyden, das yemand gedrungen und genottigt seyn brauche, sondern suͤchet nichts anders denn eyne hungerige seele, die sich selbs treybt und fro wird, das sie dazu kommen kan.
Ebd. (
1544
):
Noͤtige sie herein zu komen, dem armen elenden hauffen dere, so genoͤtigt werden, [...], Damit Gott sein grundlose gnade gegen uns wil mechtiglich furbilden und zeigen, [...], das er befilhet, nicht allein freundlich zu ruffen und vermanen die armen Suͤnder zu diesem Abendmal, sondern wil sie auch genoͤtigt und getrieben und von solchem noͤtigen nicht abgelassen haben, das sie [...].
Ebd. (
1535
):
Und der Herr sprach zu dem knechte: Gehe aus auff die landstrassen [...] und noͤtige sie, herein zu komen, [...]. Darumb ist noͤtigen hie als viel als buss und vergebung der sunde predigen.
Köbler, Ref. Wormbs
103, 11
(
Worms
1499
):
Wo aber einer mit moͤrtlichen waffen angelauffen vnd genoͤtiget der were nit schuldig zuerwarten des schlags.
Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
Wo aber ein starcker einen schwachen so geverdlich hart mit feusten schluͤge [...], dodurch der schwach auss redlichen vrsachen besorgen moͤchte, das er jne zu tode schluͤg, vnd dann den noͤttiger durch geprauchung der waffen entleybt [...]: er wurde dadurch auch als fur ein notwerh entschuldiget.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
ein vber grosser bluͦt fluß dar durch der cirurgicus geengstiget vñ genoͤtiget würt.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
dass [...] niemant [...] den andren das sin ze nemen, ze noͤtigen oder die sinen abzuͦtraͤngen [...] underston sol.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
346, 6
(
Genf
1636
):
Noͤtigen / Zwingen / mit Gewalt treiben.
Ebd. 8:
Noͤtigung / f. Zwang.
Löffler, Columella/Österreicher (
schwäb.
,
1491
):
Ich acht oͮch nit daz uns die ding uß noͮttigung des luffts, aber uß unser bresthafftikait zuͦ rysend.
Völker, Antichrist
1356
(
wschwäb.
,
15. Jh.
):
Es geschicht den vil baß, die gott hie nöttiget vnd köstiget.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
das hernach der selb Egio in ainer frag, da man in nötiget umb ander übeltat, widerredt.
Völker, a. a. O.
24
;
2.
›jn. zu etw. antreiben, auffordern, veranlassen, führen‹;
zu  2.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 12; vgl. ,  1.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Wenn man die Hund zum Jagen noͤthigt / so reiten sie auffm Arß.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
90, 1469
(
Magdeb.
1608
):
jhre liebe Kinderlein / | Rechten jhm das Poßhendelein / | Noͤtigten jhn zum niedersitzen.
Perez, Dietzin
1, 135, 6
(
Frankf.
1626
):
ward ich darnach zu trachten gar nicht saͤumig / vnd in dem den jungen Adlern vberlegen / welche am anfangs gar langsam sind / dannenhero jhre Mutter genoͤtiget wird / sie mit dem Schnabel auß dem Nest zutreiben.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 359
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Geistliche trunkenheit machet in dem menschen manige froͤmede wise. [...]. Soliche noͤtiget dise trunkenheit also sere, das er mit den henden winket vnd hant schleht.
Maaler (
Zürich
1561
):
Einen zuͦ kriegen Reitzen / ziehen oder noͤtigen.
3.
›(eine Frau) vergewaltigen‹. Als Beweis der Vergewaltigung, damit der Bedingung rechtlicher Behandlung, gelten:
wieder willen, mit gewalt, frische tat
,  2, Beklagung durch die Frau, Geständnis des Täters (, V., 7), Anzeige ohne längeren zeitlichen Abstand, kundig werden; es gibt eine Differenzierung zwischen  234, (
ehelichem weib
,
gemeinem weib
),  24; in letzterem Falle erhält der Vater der Genötigten einen Geldbetrag, der Täter wird zur Eheschließung mit seinem Opfer verurteilt; ansonsten gilt als Strafe;
zu  3.
Rechtstexte.
Bedeutungsverwandte:
 1,  4,  2; vgl.  3, ,  2, ,  2.
Syntagmen:
j. (ein man) jn. (eine frau / jungfrau / magd / tochter, ein weib, ein eheliches / gemeines weib
)
n
.
Wortbildungen:
nötiger
2 (dazu bdv.: vgl. ).

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Jst, daz ein man eine maget not  ͤoget, de ne manne besworen ist, vnde Cuͦmt iz vor gerichte, der notogere der sal ireme vater geben hindert puͦnt vnde se tuͦ der e nemen.
Goerlitz u. a., Rechtsd. Schweidnitz
105, 40
(
omd.
,
1363
):
daz dirre selbe man ist kvmen binnin wicbilde [...] vnd hat mich genotiget vnd hat mich beroubit libes vnd gutes vnd miner wiplichen ere.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Wirt eyn man der do behutet vnde notiget eynes andirn manes elych wyb begryffen vnd gevangen yn vryschir tat. vnd wirt vor gerichte brocht yn hanthaftiger tat vnd myt gerufte. vnd von der vrouwen beclayt vmme dy myssetat. [...]. vnd bekennet her der tat. man sal obir yn richten also. das man yn enthoupten sal.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
jungkfraw Noͤttigen mit gewalt.
4.
›jn. zu einer Handlung nötigen, die im Sinne des
nötigenden
liegt, ihm zum Vorteil gereicht‹;
zu  4.
Bedeutungsverwandte:
 56,  5, ,  68,  2, (V.) 6, .
Syntagmen:
j. jn. n
. (z. B.
räublich, zur arbeit, zu marter, um etw.
),
j. jn. n., zu
[+ finaler Infinitivsatz],
j. jn. n., das
[+ Inhaltssatz],
j. jn
. (z. B.
den pfaffen
)
n., um
[+ finaler Inhaltssatz];
genötigter weise
; subst.:
jn. durch nötigen dazu zwingen, das [...]
.

Belegblock:

Köbler, Ref. Wormbs
39, 4
(
Worms
1499
):
Es sindt auch etlich person die man gezügnus vnd kuntschafft zugeben erfordern, vnd doch in Gericht personlich tzuerschynen nit noͤtigen.
Ulner (
Frankf.
1577
):
Anschunden. Dahin bewegen / vberreden [...] anwegen [...] treiben / zwingen / nötigen [...] anhalten.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
329b, 15
(
Frankf./M.
1649
):
daß kein Weib so vnschuldig sein solte / welche ich nicht [...] durch vngestuͤmmes vnauffhoͤrliches anhalten / fragen vnnd noͤtigen / dahin bringen wolte / daß sie sich schuldig geben solte.
Feudel, Evangelistar
58, 30
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Unde notegeten eynen der vor sy wandirte, [...], daz her uf neme syn cruce.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
um 1525
):
wie sich die drey stett, [...] mit den bawrn verbrüdert und zu in gefallen, und wie nit weniger Rotenburg mer und hocher genottigt wer, billig, wa es von nötten wer, solten die von Rotenburg weyb und kind verlasen und inen, den bauren, zuziehen.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
und soltent keinen pfaffen me trengen oder noͤtigen umb keinre hande stüre dem bobeste zuͦ tuͦnde.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
So wisset nun, das wir Geister wider unsern willen, vnd genötigter weise, bißweilen in den mänschen, insonderheit den Schärgen wohnen.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. (
whalem.
,
1484
):
und ving man glich an, die in dem slos zuͦ noͤtigen inmassen, das si sich bald ergabent.
Helbig, Qu. Wirtsch.
3, 98, 16
;
Dinklage, Frk. Bauernweist.
57, 13
;
Skála, Egerer Urgichtenb.
39, 6
;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
15, 7
;
16, 13
;
Vgl. ferner s. v.  14.
5.
›jn. / eine Stadt mit militärischen Mitteln angreifen, überwältigen, bezwingen‹;
zu  5.
Gehäuft chronikalische Texte.
Bedeutungsverwandte:
, ; vgl. , , .
Syntagmen:
j. eine stat
(z. B.
Florenz / Rom
)
n
. (z. B.
mit js. beistand, mit
›durch‹
hunger
),
j. jn
. (z. B.
die von Carthago
)
, j. jn. n., das [...]
.

Belegblock:

Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
der quam keyn klein florencz mit grossem volke [...], die solden alle zu deme tradiment in die stad kome, unnd hetten danne die stad genotiget.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
under den auch dise zwen fürsten von Bayren waren, mit der hilf und ritterlichen beistandt er Rom nötiget und zwang.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
[Hat] die von Cartago belegret und genötiget, vil schadens getan.
Und wert der krieg pis in das sibend jar, da wurden si pelegert und mit hunger genottigt.
Schultheiss, Achtb. Nürnb.
138, 30
;
v. Birken. Erzh. Österreich ;
Bernoulli, Basler Chron. .