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mist,1.
›Exkremente, Kot des Menschen und einiger Tiere‹ (in den Belegen behandelt unter Aspekten seiner natürlichen Beschaffenheit und deren Bewertung, seines Nutzens für alltagsbezügliche, darunter für therapeutische Zwecke u. ä.).Mehrfach Fachtexte.
Wortbildungen:
misten
Paracelsus
), mistig
mistkäfer
Belegblock:
Peil, Rollenhagen. Froschm.
688, 5713
(Magdeb.
1608
): Druͤckt jhn [Fewrwurm] Gehirn / vnd Hertz heraus. | Das auch der Mist hinden außdrang.
J. W. von Cube. Hortus
81, 10
(Mainz
1485
): saget er daz des ochsen myst mit essig vermischet vnd vff die gewerbe geleyt der glidder dar inne geswolst oder smertzen sy er senfftiget die zuͦhāt.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
263, 20
(osächs.
, 1570
/7
): den mist von den gärbern, darinnen kalk, har und das abgeschabte ist
[dient der Reinigung der Wiesen vom Moos].
Gille u. a., M. Beheim
186, 8
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): unflat, mist und gemülle | Ist seines [swein] pauches fülle.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
208r, 8
(Hs. ˹nalem.
, um 1400
˺): Fv́r des bluͦtes flúss: Wilt du das bluͦt bald / verstellen, so nim swinin mist, das gras / esse, werm den vast vnd leg in an des bluͦtes / vssgang.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
785, 2
(els.
, 1362
): die [pfert] erbuttent doch den heiligen soliche ere das su iren mist oder ire notdurft vf der heiligen grabe nie gemachtent.
Sudhoff, Paracelsus
1, 205, 16
(um 1520
): der jupiter ist ein solcher planet der zu enthaltung seines leibs keins mists darf. [...]. also auch die lebern, bedarf nichts das sie gemist werde, sonder sie hat ir wesen on allen mist.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
138, 13
(oobd.
, 1349
/50
): der igel hât zwai aftervenster, dâ er den mist aus læzt.
Ebd.
181, 11
; Kurrelmeyer, Dt. Bibel
5, 374, 3
.2.
›Mist, aus dem Kot von Menschen und (vor allem:) von größeren Tieren sowie aus Streumaterial bestehendes Gemisch zur Düngung des Bodens‹; mist
galt als Wirtschaftsgut und war Gegenstand rechtlicher Regelungen; ütr. auch: ›Förderung, Hilfe‹ sowie zeichenhaft für schmachheit
o. ä.Vielfach Rechts- und Wirtschaftstexte, auch didaktische Texte.
Phraseme:
nicht lange mist machen
›nicht lange warten‹; den mist auf dem acker machen
›Unsinniges tun‹; kurzen mist mit jm. machen
(dazu bdv.: kurzes ende machen
›kurzen Prozeß machen‹); gerne mist tragen, also [...]
›lieber Mist tragen, als [...]‹; mist und gäste auf dem feld zum besten sein
›gehören auf das Feld‹; im miste umgehen
›sich als Stallknecht betätigen‹.Syntagmen:
der esel m. machen, j. den m. rüren / schauen / (aus)füren / (ein)tragen / laden / legen / unterbringen / zetten / ziehen / (ver)kaufen / verteuern, auf das feld füren, jm. den m. antworten
; m
. (Subj.) jm. gebüren, farende habe der gewerken sein
; des mistes bedürfen
; das blümlein ane m. wachsen, sein wesen ane m. haben, der (edle) stein aus dem m. scheinen, im m. krabeln / stehen / umgehen / verfaulen, gold in einen m. graben, mit m. bauen
›düngen‹, die dämme mit m. füllen, (das essen) mit m. wärmen, den acker mit m. düngen, den weingarten mit m. im bau halten
; der m. des viehes, der tiere
; der böse / gute / kleine / unreine m
.; das fuder, der karren mistes, der überdrus
›Überfluß‹ des mistes
; besserung von m
.Wortbildungen:
mistbenne
mistbreiter
mistbret
mistfart
mistfaul
mistfure
mistgülle
mistjauche
mistkarch
mistkaste
mistkorb
mistkrapfe
2
; dazu bdv.: ), mistkratte
mistkräuel
mistlader
mistlege
mistpfütze
mistschütte
misttrage
mistwagen
-wein
kontrahiert), mistwürfe
Belegblock:
Peil, Rollenhagen. Froschm.
137, 2904
(Magdeb.
1608
): Denn das man sich mit Bawren hudel / | Vnd an jhrem mistwagen sudel.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk.
13, 8
(osächs.
, 1343
): Herre, lâz en
[
fîgboum]
ouch diz jâr, biz daz ich en umme grabe unde mist gelege [
betünge jnLuther
1545: ].
Schönbach, Adt. Pred.
8, 8
(osächs.
, 1. H. 14. Jh.
): wanne die unkuͦschen vervuͦlen in den sunden als daz vich in sinem miste.
Ebd.
29, 21
: dar nach tuͦngede er
[
herre]
den akker mit misten. Bi dem miste ist uns bezeichent alle die smaicheit und daz ungemach und die martere. Ermisch, Freib. Stadtr.
32, 25
(osächs.
, 1325
): der mist der ist sin vor sime huse also verre, alse sine uzersten sulen sten.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
52, 25
(osächs.
, 1570
/7
): Was aber zur wintersath gehört, das muß im Junio oder Brachmonden gesturzt und der mist unterbracht oder geruhret werden.
Ebd.
237, 8
: Aller samen, [...], da er mit mistpfützen kann begossen werden, ist es ihm eine grosse hülfe.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
189, 3
(omd.
, 1554
/1633
): Miste
[der Göpelpferde]
gebühren nicht den steigern, [...], sondern seindt der gewercken. Sachs
9, 64, 26
(Nürnb.
1551
): Ein heppu
(sic! recte wohl
heppe, s.
häpe),
ein hacken, ein holtzschlegel, | Ein hewgabel, mistkrail und zwen flegel. Sudhoff, Paracelsus
1, 205, 24
(um 1520
): die deuung sezen das selbig wollen wir dem alchimisten befelen, das ist dem bauren der den mist macht auf dem acker.
Geier, Stadtr. Überl.
214, 27
(nalem.
, 16. Jh.
): Ir
[
Mistschauer]
werden schweren uf dis jar allen denen, die üch darumb ersuͦchen [...], ire mist getrewlich zuͦ schowen. Ebd.
32
: so soll derselbig köwfer, wann im der mist für die garten geantwurt wirdet, den mist nit intragen [...], er werde dann zuͦvor geschowet.
Bobertag, Schwänke
178, 4
(o. O. 1555
): dann er
[
münch]
dacht wol, es wär nit lang mist da zuͦ machen. Schorer, Sprach-Verd.
22, 16
(1643
): ein Bawersmann verstunde das Wort Amnistia weit anderst / Nemblich / am Mist [...] stehen / sey ein Edelwesen / vnd ohne selbige koͤnne nicht Friede werden: Hat derwegen darvor gehalten / es solte Schultheiß vnd Amptmann so wol als andere Bawren / staͤts im Mist stehen / so moͤchte es Friede werden.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen
203, 13
(halem.
, 1445
): und klagtend, wie das die egntn. herren si in ettlicher măss unguͤtlich halten als von der tagwannen und mistbrittern wegen, so si ierlich dem gotzhus tuͦn muͤssen.
Adomatis u. a., J. Murer. Nab.
1046
(Mühlh./E.
1556
): rüstend üch wenn er graͤch ist | Daß man mit im mach kurtzen mist.
Maaler
291r
(Zürich
1561
): Mistgüllen (die) Mistlachen. Stercorata colluuies. [...]. Mistkoͤrb / Mistkrattē. Crates stercorariæ.
Morrall, Mandev. Reiseb.
84, 27
(schwäb.
, E. 14. Jh.
): In dem winter so werment sie
[Tataren]
es [ihr Essen]
mit mist, den sie brennent. Bauer, Geiler. Pred.
102, 24
(Augsb.
1508
): Lieber was wilt du also allwegen in dem myste umb geen [...] ich woldt dich geren bey mir in meiner kamer haben.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 102, 7
([Augsb.
] 1548
): Fuͤre mist
[›zweige etwas ab‹]
/ Dieweil du Schosser bist. Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu.
2, 105, 27
(schwäb.
, 1550
): es soll kainer kain mist nach der aber- oder andern falg in das feld füeren.
Barack, Zim. Chron.
2, 159, 19
(schwäb.
, M. 16. Jh.
): Bemelte abtissin [...] sollt sie haben merken lassen, der mist und die gest seien im feldt zum besten.
Niewöhner, Teichner
284, 64
(Hs. ˹moobd.
, 1360
/70
˺): ez hat nieman so tummen muͦt, | hat ainer golt, daz ers grab | in ein poͤsen mist hin ab.
Fuchs, Kart. Aggsbach
291, 48
(moobd.
, 1430
): den weingarten sullen und wellen wir alczeit halten in gutem voderm paw mit mist.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
314, 36
(m/soobd.
, 16. Jh.
): wan man müst füert, so gibt man jeden zwai laibel [...] zu den fruestuck.
Hübner, Buch Daniel
1694
; Stahleder, Juliussp. Würzb.
75a
; Gille u. a., M. Beheim
320, 9
; Rieder, Gottesfr.
131, 15
; Müller, Alte Landsch. St. Gallen
218, 32
; Bauer, a. a. O.
102, 29
; Löffler, Columella/Österreicher
1, 104, 13
; Wintterlin, a. a. O.
58, 17
; Klein, Oswald
103, 30
; Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein
197, 40
; Bremer, Voc. opt.
1257
; Brack
c 6r
; Voc. inc. teut. q
iijr
; Schöpper
77a
; Maaler
291r
; Mylius
D 1r
; Rwb
9, 735
; Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz.
1989, 207
.3.
›Kehricht, Abfall, Schmutz, Müll‹ (wie er sich auf Straßen, Plätzen, in Gewässern, in Bädern usw. findet und dann Gegenstand rechtlicher Bestimmungen wird); mehrfach ütr.: ›als Kehricht gedachte, weltverhaftete Sündenschicht im Menschen‹; in Texten religiösen Inhalts mehrfach als oder mit gen. explicativus gebraucht, z. B.: des mistes schlam, der sünden mist
; damit offen zu 4.Rechts- und Wirtschaftstexte sowie Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Wortbildungen:
misthaufe
miststat
Belegblock:
Karsten, Md. Paraphr. Hiob
1001
(omd.
, 1338
): mit schirben schub er
[
Job]
dan | Eyter unvlat, daz er ran, | Sitzende in des mistes slam. Hübner, Buch Daniel
432
(omd.
, Hs. 14.
/A. 15. Jh.
): Weinen, clagen daz du bist | Gevallen in der sunden mist.
Gille u. a., M. Beheim
229, 29
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): ein keczer glaub das ist, | wann die sunn scheinet und erglist | in manchen winkel, phul und mist | und auf manch as unreine.
Vetter, Pred. Taulers
136, 22
(els.
, 1359
): Recht also ist disem verdorbenem volke. Der mage irre minne, ir inwendikeit, die ist vol mistes der creaturen.
Ebd.
419, 25
(E. 14. Jh.
): vindent sú út boͤses, út mistes do inne
[im
menschen],
si ouch daz es zwentzig jor do gehuset habe, daz muͤssent sú mit in dannan tragen. Geier, Stadtr. Überl.
228, 12
(nalem.
, A. 16. Jh.
): Du
[
Bettelvogt]
solt auch alltag in der statt herumb gon, und zuͦ allen rünßen, ob bäw, mist, oder anders darin läg. Müller, Nördl. Stadtr.
234, 3
(schwäb.
, 1489
): es sol niemand an freilosen dhain mist noch unbaw in der innern stat [...] ligen lassen.
Chron. Augsb.
2, 251, 28
(schwäb.
, Hs. 16. Jh.
): also fuer ain knecht mit 3 rossen an ainem wagen und füert mist an ain miststatt vor Hausstetter tor.
Dirr, Münchner Stadtr.
418, 26
(moobd.
, um 1365
): Ez sol niemant dem andern myst schuͤtten noch legen fuͤr sein tuͤr.
4.
mist
als Zeichen für ›Gestank, Fäulnis, Dreck, Schmutz‹, damit für ›Nichtigkeit‹, teils mit der religiös motivierten Nuance ›Bodensatz, unterste Schicht natürlicher Verfallenheit, Verworfenheit, Wertlosigkeit‹.Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
nach dem alten mist stinken
.Wortbildungen
(verdeutlichend): misthaufe
mistseige
mistwürmlein
Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Apok.
2089
(nrddt.
, 14. Jh.
): Die vlut wescht abe den mist | Daz des dar nichtesnicht enist.
Luther, WA
30, 3, 335, 16
(1531
): der
[
Bapst]
so mus an Gottes wort seine weisheit beweisen, das es stincke nach seinem alten mist. Ebd.
41, 36, 14
(1535
): quod homines faul werden, nichts thun, quia als mist, ist ein schedlich lere.
Mieder, Lehmann. Flor.
136, 12
(Lübeck
1639
): Sie
[
Etliche]
seynd verfaulte / seynd Staub vñ Mist / damit sich nichts zu ruͤhmen ist. Quint, Eckharts Pred.
1, 198, 5
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): ez enwære niht anders, dan daz diu einicheit selber ist. Vünde ich mich einen ougenblik in disem wesene, ich ahtete als wênic ûf mich selben als eines mistwürmelîns
(der Beleg sagt die untrennbare
einigkeit des mystischen Menschen selbst mit dem üblicherweise als ,Nichts‘ gewerteten
mistwürmlein aus).
Dubizmay, kurß zu Teutze
72, 12
(hess.
, 1463
): [er] Erhohet den nottigen von der | erden vnd hebet den armen | von dem miste.
Hübner, Buch Daniel
4071
(omd.
, Hs. 14.
/A. 15. Jh.
): Jhesu Cristi si [Maria] genas | [...] | Brengende ein clare blut | Sunder stinkenden mist.
Palm, Veter Buoch
36, 2
(schles.
, Hs. E. 14.
/A. 15. Jh.
): Von den vrouden achte ich denne vf alle der werlde wollust als vf ein hor oder einen vulen mist.
Lemmer, Brant. Narrensch.
54, 15
(Basel
1494
): [gedenck] toͤtlich bist | Vnd nüt dann leym / aͤsch / erd / vnd myst.
Rieder, Gottesfr.
32, 29
(els.
, 1382
/91
): do wart zuͦ disem menschen gesprochen: sage an, bist du nút ein boͤser misthuffe?
Ders., St. Georg. Pred.
28, 25
(Hs. ˹önalem.
, 1387
˺): und als der mist verworfen ist fúr aͦllú ding, also waz únsrú vrow verworfen.
Wiessner, Wittenw. Ring
4117
(ohalem.
, 1400
/08
): Seu [Alexanders macht, list des Aristoteles] sind verswunden als ein mist.
Sappler, H. Kaufringer
27, 8
(schwäb.
, Hs. 1464
): er
[
Gott]
geit dem sünder zeit und frist, | ob er sich von dem unrainen mist | der missetat wöll erledigen gar. Bauer, Geiler. Pred.
101, 22
(Augsb.
1508
): das aug des menschen bedarf nit auff der erden geen in dem myst.
Niewöhner, Teichner
325, 193
(Hs. ˹moobd.
, 1360
/70
˺): seid daz ding
[
sel]
vngreiffig | an im selben hat den sig, | daz es toͤt und macht zuͦ mist | daz greiffig oder sichtig ist. Bauer, Imitatio Haller
74, 20
(tir.
, 1466
): der mensch ist weis, der die irdischen ding scheczen ist als den mist.