mis-
[+ V.],
misse-
[+ V.]; zur Auswahl der folgenden Bildungen s. [+ Subst.].
›etw. der Bedeutung des Verbs Entgegengesetztes oder sie Verfälschendes tun‹.
Beispiele:
  • misachten
    ,
    misansehen
    (dazu bdv.: , ),
    misbacken
    ›nicht vorschriftsgemäß backen‹ (dazu Wortbildungen:
    misbak, misbecker
    , a. 1340),
    misbauen
    1 ›schlechte Bauarbeit leisten‹; 2 ›etw. (ein Gut) schlecht bewirtschaften‹ (a. 1291),
    misdenken
    1 ›verkehrt denken‹; 2 ›etw. verfälschen, verdächtigen‹ (z. B.
    die liebe
    ),
    misdienen
    ›jm. / e. S. einen schlechten Dienst erweisen‹ (dazu Wortbildungen:
    misdienst, misdienstig
    ),
    misfelen
    ›mangeln‹,
    misfliegen
    ›das Flugziel verfehlen‹,
    misfruchten
    ›wenig Ertrag bringen‹,
    misfüren
    ›sich fehlverhalten, sündig leben‹,
    misgebären
    ›eine Fehlgeburt haben; eine Abtreibung vornehmen‹,
    misgedeihen
    ›sich zum Negativen entwickeln‹,
    misgelten
    ›übel entgelten, für etw. büßen‹,
    misgewirken
    ›sich versündigen‹,
    misgeziemen
    ›mißfallen‹,
    misgreifen
    ›falsch urteilen‹ (dazu ggs.: vgl.  14 und Wortbildung:
    misgreifung
    ),
    mishenken
    (z. B. ein
    ingesiegel
    ),
    mishoffen
    ›verzweifeln, die Hoffnung aufgeben‹,
    misjehen
    ›etw. abstreiten, nicht gestehen‹ (dazu bdv.:  2, , , ),
    miskennen
    (dazu Wortbildung:
    miskennung
    ),
    miskeren
    1 ›etw. umkehren, umwenden‹ (z. B. ein
    insiegel
    ); 2 ›etw. verunstalten‹ (z. B.
    js. antliz
    ); 3 ›jm. etw. übel auslegen‹,
    mislauten
    (dazu Wortbildungen:
    mislautig, mislautung
    ),
    mismachen
    ›etw. mit Mängeln produzieren‹,
    mismalen
    ›nicht vorschriftsgemäß mahlen‹,
    mismannen
    ›einen nicht standesgemäßen Mann heiraten‹,
    misnennen
    ›jn. beschimpfend wie nennen; jn. falsch charakterisieren‹,
    misquemen
    ›mißfallen‹,
    misreiten
    ,
    misschreiben
    ›etw. äußerlich oder inhaltlich falsch schreiben‹,
    missebären
    ›mit Schmerzen gebären‹,
    missedingen
    ›verzweifeln‹,
    missefügen
    ›übel anstehen, sich nicht ziemen‹,
    missegeniessen
    ›Schaden nehmen‹,
    missehaben
    ›etw. falsch auffassen‹,
    misselegen
    ›unzulässig veranlagen, zu hoch berechnen‹,
    missenöten
    ›widerrechtlich zwingen, nötigen‹,
    missetieren
    (aus mlat.
    miscitare
    , dann: ›den Glauben verwässern, Ketzer werden‹?),
    missetraben
    ›den Weg verfehlen‹ (vom Reiter gesagt); ütr.: ›sündigen‹,
    missewaren
    ›etw. nicht hinreichend beachten‹,
    missewären
    ›jm. etw. nicht gewähren, jm. etw. vorenthalten‹,
    missewenden
    ›etw. verfälschen, verändern‹ (vgl.  1),
    mis|stehen
    ›etw. leugnen‹ (dazu bdv.:  1) sowie ›teilnahmslos herumstehen‹,
    mistönen
    (dazu bdv.: ; dazu Wbg.:
    mistönung
    ),
    mistragen
    (im Phras.:
    es misträgt
    ›es macht einen Unterschied, ob [...]‹),
    misweiben
    (analog zu ; s. o.),
    miswerben
    ›nicht rechtskonform handeln‹,
    miswerken
    ›etw. verderben, zerstören‹,
    miswürken
    ,
    miszehenten
    ›die Zehntpflicht verletzen‹,
    miszieren
    ›etw. verunzieren‹.

Belegblock:

Zu
misachten
:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
allein si sêre misse- | achtin dâ des schatzis war.

Zu
misansehen
:

Schmitt, Ordo rerum
676, 17
(
rhfrk.
,
1414
):
Despicere vorsmehen [...] verwerffen [...] mißansehen.

Zu
misbacken
:

Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. (
mosfrk.
,
1396
):
die Bürgermeister haben die mangel oder gebrechen an gewicht, elen, maß, misback, fleisch oder dergl. ufzuheben.
Schnyder, Qu. Zürcher Wirtsch.
870, 17
(
halem.
,
1491
):
umb das misßbachen sol die buͦsß j lib. v ₰ sin.
Bücher, Berufe Frankf.
1914, 85
;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß ;

Zu
misbauen
1:

Rennefahrt, Recht Laupen (
halem.
,
1600
):
das einer under unserem handtwerch einem syn werch [...] mißbauwen wurde, [...], es were huß, stufen, speycher.

Zu
misbauen
2:

Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .

Zu
misdenken
1:

Henschel u. a., Heidin
1184
(
nobd.
,
um 1300
):
Si sprach dv hast missedaht | An dirre selben stvnt.

Zu
misdenken
2:

Karnein, de amore dt.
230, 241
(
moobd.
,
v. 1440
):
Ain klain wenig argkwan macht in der lieb missdenncken.

Zu
misdienen
:

Chron. Köln (
Köln
1499
):
dat nie cristenkeiser si [kirche] spalden woulde of afgescheiden hait van der keiserlicher ordenungen des richs ind unbillich, sunder ir misdienen, van dem hilligen lichnam durch unrechte gewalt afgescheiden soulde werden.
Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr.
6, 65, 16
(
Straßb.
1520
):
das es kein opffer sei [messe ieben] / [...] / vnd mißdienstig denen die das anders bruchen denn es von christo vffgesetzet ist.
Schmitt, Ordo rerum
675, 4
.

Zu
misfelen
:

Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Sag ich daß in dir ohn Tratz, | Man viel sachen zehle, | Darvon GOtt vnd seinem Gsatz, | Nicht ein Haar mißfehle.

Zu
misfliegen
:

Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
etlichú [binlin] missfliegent und werdent verlorn.

Zu
misfruchten
:

Löffler, Columella/Österreicher (
schwäb.
,
1491
):
als wirß warlich erfunden haben, den jaͤrling der fier wintruben traͤgt, geordnott und inn das ertrich geschickt also erwinden oder mißfrúchten von der muͤtterlichen fruchtbarkeit, das [...].

Zu
misfüren
:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Die sich hir misgevurent nicht | Noch welgent in der sunde pful.
Doch sprichet Crist von Bethlehem | Kegen der stat zu Jerusalem, | Die sich hete misgevurt.

Zu
misgebären
:

Maaler (
Zürich
1561
):
Mißgebaͤren. Eijcere, Abortare. Das so da machet Mißgebaͤren / oder das einer an der geburt mißlinget.

Zu
misgedeihen
:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Daz waz ein jameric unheil | Daz die werlt so misgedech.

Zu
misgelten
:

Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
2940
(
Köln
1476
):
Sweerlych moyssen wyr mysgelden | Vnser offenbaerre sunden.

Zu
misgewirken
:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Da berichte ich sie der tat | Die sich nu misgewirken.

Zu
misgeziemen
:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Gnugen luten misgezimet, | Die wunder dar umme nimet, | Sint daz diz buch ist also swar, | Daz ich michz underwinden tar, | In dutsch diz buch zu tichtene, | So starken sin zu richtene.

Zu
misgreifen
:

Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Thuschen uch und mir waz ein guder satz, | Der uns wol underscheiden was, | Das wir nit missegriffen | Odir auch wieder striffen | Eine wieder die ander.
,Sicher‘, sprach sij [Wißheit], ,du [Aristotules] haist recht gesait | Und da mit nit missegriffen gehait.
Anderson u. a., Flugschrr.
5, 6, 17
([
Zwickau
]
1524
):
dardurch er vns selig machen will / vñ sunst durch kein ander werck dañ durch festen glaube͂ vñ ware lieb / on mißgreyffu͂g
[verwahrformelhaft].

Zu
mishenken
:

Vock, Urk. Hochst. Augsb.
209, 35
(
schwäb.
,
1363
):
ob der insigel ains oder mehr bruͤchig, zerdruͤkt oder misshenkt wuͤrden.

Zu
mishoffen
:

Thiele, Minner. II,
32, 371
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
so brint hi voirt in jamers geluͦte | en moensheft an synre mynnen.
Ebd.
379
:
wanneir ome Czwivel wil virdriben | en meishoffen hait ontsont, | so [...].
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 647
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
daz leste punt, do men stonde inne mag bliben sunder missehoffen.

Zu
misjehen
:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Diffiteri. Verneinen verleugnen abreden mißjähen empfallen versachen abred thun vnbekennig sein kein gestand thun abredig stehen.
Grimm, Weisth. (
els.
,
15. Jh.
):
wer das der erste huͦber dem nochganden huober den koͮff wolte missejehen, so [...].
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .

Zu
miskennen
:

Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
wann in misskennung
[
Luther
1545, 1. Thim. 1, 13:
vnwissend
]
tet ich dise ding in dem vn gelauben.
er eret den gott den sein vetter miskannten.

Zu
miskeren
1:

Vock, Urk. Hochst. Augsb.
243, 33
(
schwäb.
,
1375
):
waͤr ob der insigel ains oder mer ... zebrochen wrd ungevarlich, misskert oder misshenkt wrd [...] daz sol ... dehainen schaden bringen.

Zu
miskeren
2:

Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
Dar kom ein munich mit sime kinde, dem hete der tufel sin antlicze missekeret.

Zu
miskeren
3:

Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Dat in darff in neyman miskeren, | want ich ducke wail vernomen, | dat [...].

Zu
mislauten
:

Schmitt, Ordo rerum
472, 8
(
omd.
,
1466
):
Dissonus [...] misselutig [...] eynczwez ludig [...] mißtenung [...] vnmitlawttig [...] misslautung.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Ich bitt dorumb dich so das dein red nit misselaut.

Zu
mismachen
:

Loesch, Kölner Zunfturk. (
rib.
,
1400
):
dat einich zeuwer einich doich mismachde, [...], der zeuwer sal sins amptz darven.

Zu
mismalen
:

Mollwo, Rotes Buch Ulm (
schwäb.
,
1403
):
Beschaͤch aber das, [...], daz dehain muͥller in soͤlicher mass missmuͤle oder vermischte.

Zu
mismannen / misweiben
:

Grimm, Weisth. (
halem.
,
1352
):
ob gotshuslute miswibeten oder mismanneten, was ein vogt dazuo tuon sol.

Zu
misnennen
:

Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Alt bin ich, du haist mich aber myssenant | Dar an das du stinckende haist gesprochen.
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .

Zu
misquemen
:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
109
(
rib.
,
1444
):
Mer sere misquam mir dat | Dat yederman in de schone stat | Nyet mochte komen zo de͂ ingange.

Zu
misreiten
:

Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
do her ubir den heldersteyn in der nacht reyd. Do wart her erre unnd hatte missereten.

Zu
misschreiben
:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Sterbe ich, so wirt lichte | Vorkart min getichte, | Daz der schriber misseschribet.
Vock, Urk. Hochst. Augsb.
346, 32
(
schwäb.
,
1409
):
der brief yendert ungefarlichen missschriben were oder ichtz darinn vergessen und überhebt were ...; daz sol in alles kain schad sein.

Zu
missebären
:

Adrian, Saelden Hort
609
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
daz beschah nie frowen me | we, schuld, misse bernder not, | die Eva hat verdienot.

Zu
missedingen
:

Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
190, 27
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
übermitz diz wis so ist in den tieren gedinge unde ouch missegedingen.

Zu
missefügen
:

Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Zwar daz misse fuget, | Ez mac dir ouch vil wol geschaden.

Zu
missegeniessen
:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Da von sulle wir gewarnet sin | Daz wir den win icht giezen, | Daz wir is nicht missegeniezen | An der bekorunge.

Zu
missehaben
:

Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Du soltt dich nit misse haben, | Nieman wil dir geben stritt.

Zu
misselegen
:

Chron. Mainz (
rhfrk.
,
15. Jh.
):
daz der gemeinde frunde dor in 3376 g. 7½ ß. der schulde vorgerurt misselegt und der zu viel in irer verzeichenisse geseczt haben.

Zu
missenöten
:

Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
wirt eyner gewundet vnd myssenotet vnd wil her nicht clagen. der richter mag den man nicht twyngen tzu clagen.

Zu
missetieren
:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
dô, [...] | dî dît sich hatte missetirt | und zu dem lestin vornoigirt.

Zu
missetraben
:

Niewöhner, Teichner
325, 142
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
also ist der sel stoz | daz in sein gewizzen strafft, | wa er indert missetrafft, | daz er furicht dw chunftig not.
Ebd.
545, 60
(Hs. ˹
nobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
ob ein rauber misse traft, | daz rewt in und denkt dar an.

Zu
missewaren
:

Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Vil gerne ich enpurne | Daz liehte, wan ichz han missewart.

Zu
missewären
:

Bartsch, Reinfrid (
halem.
, Hs.
14. Jh.
):
swer sînen willen ziuhet | an allez daz des er begert, | wirt der wîlent missewert, | des enist kein wunder.

Zu
missewenden
:

Rennefahrt, Statut. Saanen (
halem.
,
1397
/
8
):
das die substanci und materie des briefes [...] nuͥt verendert noch miswendet werden sol.
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .

Zu
mis|stehen
:

Dict. Germ.-Gall.-Lat.
324, 34
(
Genf
1636
):
Mißstehen / laͤugnen / [...], Negare.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
uff das sy den toden begraben mochten sundir irnüsse
(Var. W:
ane irer groszer missestehen unde beschemung
).

Zu
mistönen
:

Schmitt, Ordo rerum
472, 8
(
alem.
,
1487
):
misselutig [...] mißtenung [...] misslautung.
Ebd.
665, 13
(
salem.
,
2. Dr. 15. Jh.
):
Dissonare misse leuten [...] misdoͤnen [...] vnmlawtten.

Zu
mistragen
:

Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs. 
v. 1406
):
Dann als vil daz missetreit | Ob yeman hat me rainichait | Oder me an ubeltat, | Daran er lästerlich stat.

Zu

misweiben
s.
mismannen
.

Zu
miswerben
:

Mollay, Ofner Stadtr.
399, 22
(
ung. inseldt.
,
1. H. 15. Jh.
):
alls schier aber die naͤchsten sechs wuchen alls vorstat darnach verluffend, ist im nieman verbunden ze antwurten, on joch damitt mißworben ist.

Zu
miswerken
:

Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
15. Jh.
):
das die werk [rebwerk] von im nit mißwerkett werden.

Zu
miswürken
:

Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
15, 8
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
wann hette ich mich verwürket
[Var. H:
mißwürket
]
gen got [...] das hette er an mir gerochen.

Zu
miszehenten
:

Rennefahrt, Staat/Kirche Bern (
halem.
,
1628
):
sich der abstraffung malefitzischer sachen [...], als marchsteynen verenderen, mißzehenden [...] uͤberheben.

Zu
miszieren
:

Buch Weinsb. (
rib.
,
um 1560
):
und haben das alte gebeue [...], dissen tag laissen abbrechen, das den gank seir misszeret.
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .