minnesam,
auch
minsam,
Adj.
– Älteres und mittleres Frnhd.; für 1-3 Texte der Mystik.
1.
›liebend, liebreich, voller Liebe, in Liebe‹ (von Christus sowie – mit mixtura verborum – von Bezugsgrößen christlicher Lehre, z. B. vom
kreuz
, gesagt); damit auch: ›zu lieben, dem Menschen als Gegenstand der Liebe aufgegeben‹; mit letzterer Nuance nicht immer von der entsprechenden Nuance in 2 unterscheidbar;
vgl.  134.
Bedeutungsverwandte:
 6, ,  24,  2,  134, (Adj.) 2,  45, , .
Syntagmen:
j
. (Jesus)
/ etw
. (z. B.
die rede
)
m. sein, j. (got) m. heissen
;
etw. (worte) m. lauten
;
der minnesame Christus / fronleichnam, die minnesame andacht
;
das kreuz minnesam
.
Wortbildungen:
minsamkeit
1,
minsamlichkeit
.

Belegblock:

Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
21b, 5
(
nobd.
,
E. 14. Jh.
):
Aber den andern ist si [rede] svzze geluͤstleich vnd miñesam.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
wie du
[Jesus]
in [sant Peter] mit dem erbarmhertzigen anblik diner minnsamen oͮgen widerbreht ze bittern trehen.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
611, 24
(
els.
,
1362
):
O dú crúce, liehter denne alle gestirne vnd alle ding der welte, den menschen lobelich, gar minnesam, heiliger denne alle ding.
Ruh, Bonaventura
351, 3
(
orhein.
,
um 1480
):
O vnssers höchsten gottes wirdikeit! O vnußsprechliche mynsamkeit.
Schmidt, Rud. v. Biberach
91, 12
(
whalem.
,
1345
/
60
):
dar vmbe heisset er [got] minsam in der wis, als er ist ein voͤlli der guͤti.
Ebd.
108, 27
:
Der ist ein gewer minner, der gat alein vnmittellich vnd duͥr sin willen vberverstentlich in den, der vf dem obrosten gewerlich minsam vnd begirlich ist.
Ebd.
124, 19
:
dvͥ minne, [...] geruͦwet niemer von natur, vnzvnt daz si ir minsames kraft al vnd sin tieffi vnd sin elliklicheit all durfert.
Ebd.
127, 7
:
Want minne [...] ist „ein bant der volkomenheit“ [...]. „Stant vf“ dúr dis liebes minsamlicheit, (want er als vnbegriflich minsam ist, als ob er spreche).
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Er
[Jesus]
was froͤlich, warhaft, stæte | [...] | Fúr allú menschen wunneklich, | Minnesam und wunnesam, | Lustsam und lobesam.
Bachmann u. a., Volksb. (
alem.
,
15. Jh.
):
„Ach, wie ist sin
[ein
pild gocz
]
angesicht so recht mynsam!“ Der apt sprach: „Es ist vol gnaden und mynsamkeytt“.
Mönch v. Heilsbronn. a. a. O.
9a, 5
;
Williams u. a., a. a. O.
686, 16
;
Adrian, Saelden Hort
8791
;
Kehrein, Kath. Gesangb. .
2.
›liebend; in Liebe vollzogen (z. B. von einer Tat); in Liebe auf Gott gerichtet (jeweils vom mystischen Menschen, seiner Haltung und seinen geistlichen Übungen gesagt)‹; mit mixtura verborum: ›zu lieben, den Gegenstand mystischer Sehnsucht nach Gott bildend‹;
vgl.  4.
Bedeutungsverwandte:
, (Adj.) 7.
Wortbildungen:
minsamkeit
2.

Belegblock:

Ruh, Bonaventura
351, 12
(
orhein.
,
um 1480
):
O min sel, nün erwach [...]! Entbren zuͦ so grosser lieb, güttikeit vnd zuͦ soliches gesmackes süssikeit, zuͦ so inbrinstiger minsamkeit!
Schmidt, Rud. v. Biberach
16, 9
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Dar vmbe sint si genemet weg der ewikeit, [...]. Der vierde [weg in die ewikeit] ist minsamvͥ beweiget vnd hertzunge.
Ebd.
89, 1
:
wie der weg minsamlicher hertzunge vnmittellich nach gat dem phade der beschoͮd. Hie merken, daz dvͥ minsam beweigt nach gende volbringet die beschoͮde. Vf daz sprichet sant Augustinus: ,So wir got bruͥnstlicher minnen, so wir gewislicher vnd clarlicher in sehen‘.
Ebd.
95, 6
:
von vlissiger vͤbunge entspringet minsamlich beweigede, zuͦ minnende daz obrost guͦt, daz vf dem hoͤchsten minsam ist.
Ebd.
125, 20
:
wie vnser geist in gange mit minsamuͥr getat in die inre vnd ewigen heimlichi Ihesu Cristi.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Dein hertz berait got stätticlich, | Mit allen crefften mynnsam͂clich.
3.
›liebevoll, verständnis-, achtungsvoll gegenüber dem Mitmenschen‹; meist verstanden als Haltung, die in Gott gründet und dem Menschen als Verpflichtung gegen den anderen, speziell gegen die Angehörigen einer Klostergemeinschaft auferlegt ist; teils in Verbindung mit dem herrschenden Tugendkatalog gebraucht, auch als Teilbestand klösterlicher Zucht instrumentalisiert;
vgl.  45.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  145,  2,  1, ,  18,  4, (Adj.) 3,  12, ,  2, .
Gegensätze:
,  2,  5.
Wortbildungen:
minsamkeit
3.

Belegblock:

Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Her nach so wirt der mensche also weselich und als gemein und tugentlich, guͤtlich und von minsamer wandelunge mit allen menschen gemein und gesellig.
das nieman den andern ensol úberkomen mit einer hertheit oder bitterkeit, sunder minsamlich in dem geiste der senftmuͤtikeit.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Einen swigenden munt tragen machet úwer hertze fridsam und den lúten minnesam.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
203, 9
(
els.
,
1362
):
Der man ist minnesam, der frúntschaft leistet dem menschen.
Ebd.
16
:
daz Saul vnd Jonathas worent minnesam vnd schoͤne vor demme folcke.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel Var. (
Straßb.
1466
):
die vor zeiten gútig
[Var. 1476/8:
minßam
; 1476:
mitsam
]
waren die sein gewandelt in den zorn.
Strauch, Schürebrand (
els.
,
E. 14. Jh.
):
daz ieglicher in sime ruͦffe vor gotte ewicliche gewirdiget und geeret ist in vollekomeneme niessen aller fröuden in rehter getruwer minnesamer einmuͤtigkeit
[Var.:
mynsamkeit und einmuͤtigkeit
].
sider unser herre Christus und die lieben apposteln, [...] und die andern heilgen vettere keine eigenschaft hettent und es ouch iren undertonen nút gestattetent und sú ouch an aller irre liplichen notdurft minnesamcliche versohent, das sú keiner eigenschaft bedörftent.
Den krancken sichen swestern süllent ir minnesamcliche dienen.
daz ir geneiget werdent zuͦ gehorsame, zuͦ lidikeit und unahtsamkeit alles liplichen trostes, zuͦ luterkeit, zuͦ demuͤtikeit, zuͦ minnesamkeit und zuͦ allen götlichen tugenden, und grosze begirde gewinnent zuͦ lidiger armuͦt.
Ruh, Bonaventura
357, 4
(
orhein.
,
um 1480
):
so befielhest du baß alle ding, dennen du on schaden nit macht vor syn oder sy besseren, gütlich in minsamkeit sy bedeckende, der höchsten wißheit.
Rieder, St. Georg. Pred. G, (Hs.
um 1300
):
Daz andir ist minne ze dim ebin mentschin, dc du minnezam siest widir ielichin mentschin.
Schmidt, Rud. v. Biberach
123, 18
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Als dvͥ erste guͦtat des sweren vnd des lichten ist geneigung zvͦ naturlicher stat, also ist oͮch des willen vnd der minne erstvͥ getat geneigung zvͦ dem natuͥrlichen minsamlichen.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Ir
[Maria]
ogen hieltend rechte scham, | Doch allen lúten minnesam.
Strauch, a. a. O. .
4.
s.  5.
5.
›heiter, freundlich, umgänglich gegenüber anderen‹ (vom
han
, ütr. von den
Walchen
gesagt); ›(den Früchten) förderlich‹ (von einem
wind
gesagt).
Bedeutungsverwandte:
, ; vgl.  2,  1,  2,  1,  4.

Belegblock:

Grundmann u. a., A. v. Roes
197, 20
(
alem.
,
15. Jh.
):
die gúten eygenschafften des hanes sint, das er húbsch ist von sinem libe [...], gehertz, froͤlich, mynnesam und milte. Da von weliche die eygenschafften an yn hant, die sint von edelem stamme der Walhen komen.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
22, 7
(
noobd.
,
1347
/
50
):
wanne der wint [auster] ist warm und feuht und allen fruͤhten minnesam.
6.
ehrfurchtsvoll auf den Namen einer Märtyrerin bezogen.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
dô sî sust vornâmin | an der bîschrift den namin | Barbarin sô minnesam
(es geht um das
houbit
der
merterêrinne
Barbara).