1
mangel,
der
;
-s/-Ø
+ Uml.
1.
›Mangel, Fehlen, Nichtexistenz, Nicht-Vorhandensein e. S.; das Ausbleiben von etw.; Nichtanwesenheit e. P.‹; offen zu 2;
zu
1
 1.
Phraseme:
in mangel
›mangels, in Ermangelung‹;
mangel sein
›fehlen‹;
an mir wird kein mangel sein
›ich werde mich beteiligen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  11, ,  3.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1636
):
Nim diese Hand voll Klee, im Mangel der Violen.
Allg. Schau-Buͤhne (
Frankf.
1699
):
Dessen sich doch die Alten wegen Mangel der Magnet-Nadel nicht unterstehen.
Opitz. Poeterey
17, 32
(
Breslau
1624
):
das ich in mangel anderer deutschen exempel mich meiner eigenen gebrauchen soll.
Reichert, Gesamtausl. Messe
143, 5
(
Nürnb.
um 1480
):
Welchs unter den dreyen mangel wer, so wuerd nicht gewandelt der leyb Cristi Ihesu.
Sudhoff, Paracelsus (
1526
/
7
):
das sie also mangels halben der stulgeng mit nepern habend löcher ingeboret.
Maaler (
Zürich
1561
):
Auß Mangel der artzet sind vil verdorben [...]. So krieg vorhanden seyn wurde / wirdt an mir kein Mangel seyn.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
Souil hab ich woͤllen anzaygen vō dem überfluß, mangel vnnd verwandlung der buchstaben des teütschen lesens.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
):
Ob sich das taiding verzug mangl halben der herrschaft und nicht an den recht bestimbten tägen gehalten möcht werden.
Kohler, a. a. O. ; ;
Vgl. ferner s. v.  1.
2.
›das Zuwenig (gemessen an einer Norm) an Bezugsgegebenheiten unterschiedlichster Art, (meist:) an Erfordernissen materieller Art, (seltener:) an Werten, Qualitäten, Kräften u. ä.‹; auch: ›Schmälerung‹ (z. B. der
ere
).
Phraseme:
aus mangel
›mangels‹.
Bedeutungsverwandte:
 11, (
der
2, , (
der/das
1,  1, (
die
10; vgl.
2
.
Gegensätze:
(
die
).
Syntagmen:
m. haben / spüren / verdecken, keinen m. in der sprache haben, jm. einen m. sagen
;
m
. (Subj.) [wo]
sein
;
aus m. schmachten
;
m. des gutes, der gerechtigkeit / narung, der kräfte
;
m. an epitheta / leib und sele / proviant / notdurft / wein / korn / narung / speise / wasser, an der ere, am essen
.
Wortbildungen:
mange
(
der
),
mangelhaft
1 (bezogen auf
freunde
).

Belegblock:

Schorer, Sprach-Verd.
31, 21
(
1643
):
die Teutschen gebrauchen sich allerley frembder Woͤrter / da Sie doch keinen Mangel in jhrer Sprache haben.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Indigentia. Fähl gebrest mangel.
Köbler, Ref. Wormbs
142, 26
(
Worms
1499
):
das die Ebern nit mangel oder gebrech haben irer leybs narunge.
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
wie die Soldaten auß vielem rheysen / vnd Mangel an Prouiant schier verschmachtet waren.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
144, 28
(
Nürnb.
1548
):
das auff diser hochzeyt mangel an wein ist.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
weil ihr auß mangel eurer Kräfften vnnd deß abgebrauchten Leibs, [...], nicht mehr sündigen könnet.
Wickram
4, 43, 14
(
Straßb.
1556
):
damit keinerlei mangel noch bresten bey inen [armen leut] gespürt würde.
Roder, Hugs Vill. Chron. (
önalem.
,
1499
):
do fiel ain schelm nachts uber die mur hinuß und seit den Schwitzern allen mangen, den sy in der stat hetten.
Maaler (
Zürich
1561
):
Mangelhafft an fründen / der wenig fründ hat / Mit fründe͂ übel versaͤhen.
Heydn. maister
14r, 7
(
Augsb.
1490
):
Bias hat mit nachgeschribner ku͂st vnd list den mangel an d‘ speiße v’deckt.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
Gleichwol haben sie vmb Tripoli an Wassern keine͂ mangel.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
40, 23
(
mslow. inseldt.
,
1567
):
das Er an śeinen Ehren, [...], keinen Abgang noch mangl haben śolte.
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Opitz. Poeterey
29, 28
;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
239
;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. .
Vgl. ferner s. v.  1.
3.
›qualitativer Mangel, Fehler, Schwäche, Schaden, Schädigung an einer vorausgesetzten Norm, der normalen Funktion e. S. oder einer Handlung‹.
Bedeutungsverwandte:
.

Belegblock:

Pfefferl, Weigel. Ges.
41, 25
(
Hamburg
1646
):
wo er [Christus] wohnet in einem Gleübigen, da vorrichtet er durch seinen Geist alle Dinge ohn Mangel.
Mieder, Lehmann. Flor.
213, 22
(
Lübeck
1639
):
kein Mensch [...] kan niemands was perfects ohne allen Mangel machen.
Opitz. Poeterey
22, 2
(
Breslau
1624
):
sie wollen die vielfaͤltigen maͤngel vnd irrungen so darinnen
[in dem
buche
]
sich befinden / beydes meiner jugend / [...] zuerechnen.
Maaler (
Zürich
1561
):
anzeigen was faͤls vñ mangels seye an einer feilen waar.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
/
5
):
daß der parchat am zeug [...], mangel leiden werd.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
Jn disen kurtzen [...] woͤrtern, kan ain yeder dz lesens art, sampt allen seinen maͤngeln vnd zugehoͤrungen, gewonē.
Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte
1, 33, 6
(
moobd.
,
1524
):
dieweil täglich new sachen, vnd mängl zuefallen, die [...] newer versehung bedurffen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1494
):
die mit iren arglistigen kunsten solh insigill von dem wachs ôn alle spur vnd mangl abgezogen.
4.
›Schaden, Nachteil in wirtschaftlicher Hinsicht‹.
Wobd. / oobd.
Bedeutungsverwandte:
 3,  10,  1, ,  8.

Belegblock:

Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
):
als solte solliche farb [...] dem einkomen des rats ain mangel pringen und nachtailig sein.
Ebd. (
1536
):
ursach, wir thetten käuff, die wir umb bar gelt etwan nit hetten (tun können) und hetten an disem (brauch) kain mangel, sonder nutz und ehr.
Uhlirz, Qu. Wien (
moobd.
,
1479
):
doch dass sie [...] des salcz also halten und handeln, dass das seinem salczsieder in der Hallstat kainen mangel bringe.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Des kaysers verbyeten [...], pracht mangel, das die zalung zw der versprochen zeyt nicht geschehen mocht.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1499
):
wo iemant einem ein mangl davon geschäch, so muesten si im den schaden abtragen.
5.
›körperliches Gebrechen, Schaden (meist des Menschen, vereinzelt eines Tieres)‹.
Bedeutungsverwandte:
 1, (
der
8; vgl.:  1, (
der/das
2,  2, .
Syntagmen:
drei mal den m. haben
(Bezug auf Epilepsie),
der leib einen m. haben, einen m. an einem glied haben, das attractiv den m. an sich ziehen
;
der m. sich
[wo]
erzeigen, ein m. an jm. sein / erscheinen
; ˹
übel gehören, blind sein
˺
mängel sein
›stellen
mängel
5 dar‹;
der m. der gehörde
.
Wortbildungen:
mangelsam
›schwach (vom Sehsinn)‹ (16. Jh.).

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor.
499
(
Lübeck
1639
):
Ein jeder Leib hat seinen Schatten vnd seien mangel.
Lichtenstein, Lindener. Katzip. (o. O.
1558
):
dises mensche hat ein grosse kranckheit und mangel. Darumb nimb arschwurtzel, stehewurtzel.
Knape, Messerschmidt. Bris.
13, 41
(
Frankf./M.
1559
):
zu dem er [Gaul] auch so wol abgericht worden / das an jhm kein mangel erschein.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Gehör gar übl vnd bin schier blind, | Welches dann solche mängel sind.
v. Birken. Erzh. Österreich (
Nürnb.
1668
):
Als er aber mit Margarethen [...] kein Kind zeugete / und deswegen sie der Unfruchtbarkeit beschuldigte / hingegen von ihr ebenmaͤssig / wie daß an ihm der mangel sey / beschuldigt wurde / begehrte er [...].
Sudhoff, Paracelsus (
1525
/
6
):
das [attractif] zeucht an sich disen mangel.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
Ob der mangel in der scheydung am man wer / wie er das wyb mit guͦt versehen sol.
Memminger Chron. (
Ulm
1660
):
daß nur die jenige metzlen solten / welche etwan einen Mangel an einem Glied oder sonsten gehabt / daß sie kein ander Handwerck treiben konten.
Lauater. Gespaͤnste
18v, 15
;
Vgl. ferner s. v.  1.
6.
›charakterliche, geistige, psychische Schwäche, Fehlerhaftigkeit, Defizienz, Unzulänglichkeit; daraus resultierendes Verhalten, fehlerhaftes Tun‹.
Phraseme:
in js. mängeln falke sein
(›scharf sehen‹)
/ maulwurf sein
(›nichts sehen‹).
Syntagmen:
einen m. haben / erkennen / keren, der tod mängel curieren
;
ein m. an jm. erscheinen, kein m. an jm., an einem herzen sein, ein m. von Christo erstattet sein
›überwunden, aufgehoben sein‹;
j. ane m. sein, mit m. behaftet sein, etw. um eines mangels willen darniedergehen
;
mangel des gemütes, am gedächtnis, unter den leuten
;
Maria sonder mängel
.
Wortbildungen:
mangelhaft
2,
mänglig
.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
129, 2680
(
Magdeb.
1608
):
Wer selbst seiner Suͤnd nehme war / | Verschwieg eins andern mangel gar.
Ebd.
492, 7145
:
Am hertzen mus kein mangel sein / | Der Muth ist groß / der Mann ist klein.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1582
):
Denn er thet ihn nach ihrem willen | Jhr mangelhafften seel erfuͤllen.
Köbler, Ref. Wormbs
68, 27
(
Worms
1499
):
das er vff die terminy in der citacion bestympt vñ kein mangel oder sümnus an yme sy.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
153v, 38
(
Leipzig
1588
):
Vnd die aller heiligsten Leute / dieweil sie [...] mit mancherley mangel vnd vnreinigkeit behafftet sein / jetzt hie / bald dort jrren.
Opitz. Poeterey
12, 23
(
Breslau
1624
):
das freylich etliche von jhnen etwas auß der art schlagen / vnd denen / die in anderer Leute maͤngeln falcken / in jhren eigenen Maulwoͤrffe sein / anlaß geben jhnen vbel nach zue reden.
Gille u. a., M. Beheim
72, 63
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
als die juncfrau frum | Maria sunder mengel | Hie auf der erden also hot | hach uberstigen die genot | und das verdienn der engel.
Dietrich. Summaria
30r, 1
(
Nürnb.
1578
):
ob gleich solche lieb nicht volkommen ist / [...] / so ist doch solcher mangel von Christo erstattet.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1523
):
Wo aber der erwelt richter [...] nit teuglich, [...] oder dem fursten und ambtleuten geverlich oder sonst menglig ist, sollen [...].
Kehrein, a. a. O. ;
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. ;
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
6, 25
;
Reichmann, Dietrich. Schrr.
253, 28
;
v. Keller, Ayrer. Dramen ; ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. .
Vgl. ferner s. v. .
7.
›Not, extreme Armut, existentielle Bedürftigkeit (oft auf die Hungersituation bezogen)‹.
Bedeutungsverwandte:
 11,  1, , (V.) 12 (subst.), , , (
die
10,  1,  2; vgl.  5, , , (
die
), (
die
3, , , .
Syntagmen:
den m. meren, j., der geiz m. haben, j., das vieh m. leiden, der krieg, der türke m. schaffen, den mangel got heimstellen
;
m. (jn.) überkommen, der m. so weit kriechen, das [...]
;
in m. geraten
;
der m. der stat
;
der grosse m
.

Belegblock:

Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1582
):
der Herr, | Er thuͦt mich immer weiden, | Darum ich nimmermer | Mag not und mangel leiden.
Gille u. a., M. Beheim
453, 215
Ü (
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
von dem mangel und hunger der stat.
Franck, Klagbr.
221, 16
(˹wohl
Nürnb.
˺
1529
):
der mangel / abgang vnnd thewrung aller ding ist so weit krochen / [...] / daß wir [...].
Ebd.
223, 25
:
die vnzalbar vile vnd legion der Bettelmoͤnch meren nit ein wenig disen vnsern abgang darben vnd mangel.
Dietrich. Summaria
23r, 8
(
Nürnb.
1578
):
Wo aber fromme Gottsfoͤrchtige leut mangel leiden / das geschicht ein zeitlang / jren glauben zu uͤben.
Lemmer, Brant. Narrensch. 70, Vorspruch
2
(
Basel
1494
):
Wer nit jm summer gabeln kan | Der muͦß jm wynter mangel han.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
So einer zuͦsagt zuͦ schencken vnd mangel überkompt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Theüre (die) Mangel [...] Rerum emendarum caritas.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
131, 10
;
Knape, Messerschmidt. Bris.
22, 123
;
Ralegh. America ;
Bihlmeyer, Seuse ;
Schmitt, Ordo rerum
293, 11
.
Vgl. ferner s. v. ,  1,  2, .
8.
›Beschwerde, Kritik gegenüber der Obrigkeit‹.
Bedeutungsverwandte:
 5,  4,  2, , .

Belegblock:

v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Großmächtiger König, seidt zu frid! | Wir haben keinen mangel nit. | Wer sich beschwer, der supplicir.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
Da hat er [Luther] geantwort, er habe an keiserlicher majestaͤt und dem rich keinem mangel, alein dass sie mit grunt der heiligen gschrift erkantnuͦs tuͤegid.
9.
›das Vermissen e. P. / e. S.‹;
vgl.
1
 5.

Belegblock:

Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Was hat mir [Martha] grosser saelden hort | An dir benomen todes mort, | Der ich muͦs iemer mangel han.
Niewöhner, Teichner
564, 2821
(Hs. ˹
moobd.
,
n. 1400
˺):
machtu daz vermeiden und lazzen | daz ich fliehen tun und hazzen, | du gewinnest mein nymmer mangel.