müssigkeit,
die
;
-Ø/–
.
1.
›Muße, Abwesenheit jeglicher äußeren alltäglichen Störung‹; damit verbunden (als Möglichkeit): ›religiös-mystisches In-sich-Ruhen, innere, entlastete Freiheit des Menschen in Einheit mit Gott‹;
vgl.  16.
Wobd.; älteres und mittleres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  2, (subst.),  2, , , ,  8,  2,  34,  5, ,  3,  56, , , .
Gegensätze:
.

Belegblock:

Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Daz [buwen, unmuͤssiges werk haben] werte im der jungling und sprach also: „disú kunst wil haben ein ledig muͤssekeit: so man ie minr hie tuͦt, so man in der warheit ie me hat getan“; und meinde ein soͤlich tuͦn, in dem der mensch sich selb vermitelt und nit luter gotes lob meinet.
Disú blossú einikeit ist ein vinster stillheit und ein muͤssigú muͤssekeit, die nieman kan verstan wan der, in den da lúhtet dú einikeit mit ir selbsheit. Uss der stillen muͤssikeit lúhtet rehtú friheit ane alle bossheit, wan dú gebirt sich in entwordenr widergebornheit; da lúhtet us verborgnú warheit ane alle falschheit, und dú gebirt sich in der entekunge der bedahten blossheit.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Dise wisen in den der mensche alle truwe, froͤude und fride vindet in allen wisen, wercken und stetten, daz wurt alleine gelert und funden in indewendikeit, in zuͦgekertheit des gemuͤtes in den grunt, und daz bedarf in dem ersten lidekeit und muͤssekeit, zit und statte. [...] von innewendiger zuͦgekerter lidekeit do wurt dem menschen entdecket und zuͦ bekennende geben weg und wise zuͦ Gotte.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
vnd ich gibe frid vnd mússikeit
[
Luther
1545, 1. Chron. 23, 9:
ruge
]
in israhel alle seine tag.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
sant Bernhart spricht: ,gaischlich leben ist reht ain muͤssekait und ain ruͦwe nach Gotte ze gedenkenne, won gaischlich leben ist reht ain leben des contemplierens‘.
2.
›Untätigkeit, Nichtstun, Trägheit, Faulheit als Ausdruck, Form und Ursache der Laster des Menschen‹;
müssigkeit
in diesem Sinne gilt als Gegensatz zu einem Menschsein, das durch Tugendhaftigkeit, religiöse Andacht, mystisches Streben bestimmt ist, seine Erfüllung nicht in angestrengter sozialer Tätigkeit sieht, seinen Orientierungspunkt nicht in einem als ewiges Wirken begriffenen Sein Gottes findet;
zu  4.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  1,  1,  4, , ,  1,  2,  6, ,  3, , .
Gegensätze:
 123,  3,
1
 1,  1,  2,  2, , , (subst.).
Syntagmen:
die m. ausschliessen / fliehen / vermeiden, die ameise keine m. lieben
;
die m
. (Subj.)
ein laster, die ursache der sünde, eine begräbde, die tochter der trägheit genant sein, die m. bosheit können, in ir tragen, der unkeusche den weg bereiten, jn. betriegen / verderben, jm. liegen
;
j. der m. pflegen
;
got seine vernunft
(nicht)
an die m. lassen, die liebe sich bei der m. nicht leiden, für die m. 7 staffeln (zu got) leren, den sabbat nicht in m. halten, sich in m., zu der m. begeben
;
der der m. versunkene selmörder
;
die geistliche m
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
PIGRITIA, Tragkeit Faulkeit muͤssigkeit sorglose läwigkeit maßleidigkeit vnfrutigkeit.
Luther, WA (
1518
):
Wer die ursach nit meydet, als fressen, sauffen, mussigkeit, faulheit, schlaffen und weibs oder mans personen gemeinschafft.
Ebd. (
1521
):
und wollen yn guter ruge und frid, nit yn sorge und erbeytt, ßondern ynn muͤssickeytt leben.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
so saltu vorware wissen | Das ich der hoffart eine bin, | Die zu zijden hait gestalt hien | Frauwe Tragheit, [...] | [...] | Ire dochter bin ich und genant | Muͤssikeit die weiche bekant.
Dedekind/Scheidt. Grob.
105, 5
(
Worms
1551
):
Die hend solt ir nicht halten still: | Dann muͤssigkeit ein laster ist
(hier ironisch).
Jostes, Eckhart
107, 6
(
14. Jh.
):
Wan liesse got sin vernunft an ein geistlich mússikeit, so vergieng aller der drivaltikeit underscheit nah personlicheit.
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
36a, 6
(
nobd.
,
E. 14. Jh.
):
dz ist gaistlichev hofart zarthait gleihsenheit neit vrgvnst eitelhait mvzzichait virbitzze vnd manig ander gepreste.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
20
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
Waz sunden geschihet oder ie / geschach, | der ist deu mußikait ursach.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Suchen ir [amaß] narung wunderhafft, | Kein mussikeyt yn libet.
Franck, Klagbr.
225, 15
(˹wohl
Nürnb.
˺
1529
):
was schaffen dise fuͤrschroͤtige creutzfluͤchtige vnd diser muͤßigkeit versuncknen seelmoͤrder.
Schmidt, Rud. v. Biberach
167, 14
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Seneca spricht: ,Mvͦssikeit ist ein tot vnd eines lebenden menschen begrebt‘.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Kainer muͤssekait si pflag, | Guͤtú werk nacht und tag | Wurchte dú raine guͦte.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
1809
;
Bömer, a. a. O. ;
Wolf, Norm im sp. Ma.
43, 40
;
Neumann, Rothe. Keuschh.
3196
;
v. Tscharner, Md. Marco Polo
39, 32
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Asmussen, a. a. O.
10, 59
;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
45
;
Adrian, Saelden Hort
4065
.
Vgl. ferner s. v.  1.
3.
bedeutungsverwandt zu ,  1.