mürbe,
Adj.;
zu
mhd.
mürwe
›zart, zerbrechlich‹
().
1.
›ungefestigt, schwach‹ (vom Menschen und seiner Haltung); ›mürbe (ütr.), nachgiebig, wankelmütig; im Willen gebrochen‹; bei
Luther
positiv konnotiert: ›selbstlos, milde‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 1, (Adj.) 12, , ; vgl. , (Adj.) 11, (Adj.) 2, (Adj.), .
Syntagmen:
j
. (z. B.
der mensch
),
js. natur m. werden / sein, j. von furcht m. sein
;
jn
. (z. B.
Adam
) /
etw. (das menschliche gespring) m. machen
;
m. des mutes
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Nicod. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
wend er von mutwiller kur | also cranc und also mur | von nihte in hiez werden.
Ders., H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Wen her [Got] nach sines selbes kor | Adamen machet also mur | Daz her waz bewegelich | Von art unde ervalte sich.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
sô suntte er ôt mûtis mur | und von vrier willekur, | want andirs nicht wen wullust | zu der sundin abekust | in î schuntte unde treib.
Luther, WA (
1522
):
[Christus] der yderman fruntlich ist, niemant voracht, niemant vorsagt unnd gantz schlachtig, merb und genietig ist.
Ebd. (
1543
):
das sie [Jüden] durch jr Elend zu letzt muͤrb und gezwungen werden, zu bekennen, das Messias sey komen.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
427a, 36
(
Frankf./M.
1649
):
so lest man sie
[eine Frau]
dennoch nicht loß. sondern legt sie in ein haͤrter Gefaͤngnuß / da sie dañ wohl ein gantz Jahr in liegen / vnd gleichsam ein beytzen muß / biß sie muͤrb werde.
Gerhard, Hist. alde e
777
(
omd.
,
um 1340
):
Sust Jacob vort uberquam, | Van grozer vorchte was er mur.
Stackmann u. a., Frauenlob
12, 5, 2
(Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
Vürste, ein name gewaltig, | mür si im al unstete.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
232, 21
(
Nürnb.
1548
):
[da] aber vnter den Juden nicht ein han vmbkame / wurde er [Pharao] kuͤrr vnnd muͤrb.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 385
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
noch dan sint sv́ [menschen] muͤrwe vnd weich vnd bedoͤrfent milche vnd weicher spisen.
Kochendörffer, Tilo v. Kulm ;
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .
Vgl. ferner s. v.  2.
2.
charakterisiert Gegenstände unterschiedlichster Art als gegensätzlich zu einem jeweils angenommenen Härtegrad: ›weich, zart, milde‹ (im positiven wie negativen Sinne); im einzelnen z. B.: ›locker‹ (vom Erdreich; dazu ggs.: , Adj., 1); ›brüchig‹ (vom Eis; dazu bdv.:
1
 2); ›biegsam‹ (von Ästen; dazu bdv.: , ); ›reif, weich‹ (von Äpfeln; dazu bdv.: , Adj., 5,
1
, Adj., 1); ›zart, klein‹ (von einem Körperglied); ›locker‹ (vom Ackerboden); ›sanft, angenehm‹ (von der Form der Nase); ütr. z. B.: ›frei; e. S. enthoben‹ (z. B. des Lasters); ›milde, nachsichtig‹ (vom Alter); ›Gott wohlgefällig‹.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
ein ast, eine materie, das eis
)
m. sein, etw. m. werden, die unstäte jm. m. sein
; ˹
etw. m. zu acker machen, ein hun m. braten
˺ (jeweils objektbezogenes präd. Attr.),
j. m. schmecken
(subjektbez. präd. Attr.);
der mürbe acker / apfel / zweig, die mürbe nase, das mürbe lied
›Glied‹.

Belegblock:

Ziesemer, Proph. Cranc Ez.
17, 22
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
ich wil nemen von dem marke des hoen cedirs und wil legen von dem wippele siner zwige eynen moryn
[
Mentel
1466:
die múrbe
; Var. 1475
2
-1518 /
Luther
1545:
zarten
]
zwig.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
hîvon dô der Memlen is | was murwe unde dunne.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
133, 20
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Der saffran will haben ein geil mürb erdreich.
Ebd.
138, 36
:
Rasenfeld soll im Jacobsmonden [...] gar wohl murbe zu acker gemacht [werden].
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 74, 16
(Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
tu uf die tür, | des lasters mür; | sich in den spiegel, darzu spür, | ob sich kein meil darin erbür.
Ebd.
12, 5, 2
:
Vür-ste, ein name gewaltig, | mür si im al unstete.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
loͮf durch senfmuͤteclichen mit getult, so wurstu so wunderliche múrwe und smackest denne unserm herren úber alle masse wol.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
212r, 8
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1400
˺):
Múrwi huͤnr mit pfeffer / oder lembrin flaisch [...]; die zway súllent gesotten sin.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
so sein [feigbaum] asst ietzund ist múrbe
[nd. Bibel 1478:
week
;
Lang
1521:
weich
;
Luther
1545, Mt. 24, 32:
safftig
]
vnd die leúber geborn. so wisst das der sumer ist nachent.
Adrian, Saelden Hort
1645
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
und ez [kint] dur dich da liden | nach der e besniden | im sinú jungen murmen lider.
Maaler (
Zürich
1561
):
Murb / Weich. Vescum. Ein Murb ring erdtrich / daß sich geleych wie pulffer zermalen laßt. [...]. Murb / teig vnd matt werden von elte. Fracescere. Reyff vnd Murb werden. Mitescere. Murb oͤpffel / milt / reyff. Mitia poma.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
und ist zwischen zwain röcken ain kriezlohteu materi, diu ist gnuog mürb oder mar, aber si ist gar hert.
Ermisch u. a., a. a. O.
130, 27
;
Adrian, a. a. O.
1689
;
Stopp, Kochbuch S. Welserin
126, 1
;
Klein, Oswald
22, 105
.
3.
von Gegenständen gesagt, die einem angenommenen Qualitätsstandard nicht entsprechen; im einzelnen: ›bröckelnd‹ (von
gummi
); ›morsch‹ (von einem Strang, von Holz).
Bedeutungsverwandte:
, .

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Putre. Muͤrb faul ¶ wurmstichig.
J. W. von Cube. Hortus
77, 22
(
Mainz
1485
):
Das gumme ist nit guͦt daz sich balde lesset brechen vnd hoell vnd muͦrbe vnd fast styncket.
Bell, G. Hager
610, 2, 6
(
nobd.
,
1609
):
es jst je der strang ent zweÿ gerissen, | [...] | er war gar merb!
Maaler (
Zürich
1561
):
Schmaͤtterig / Das inn vil stucke zerfalt / Als murb erstickt holtz.
Schmitt, Ordo rerum
461, 42
;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .