1
lust,
der / die
(letzteres etwas seltener);
lustes
(für
der
),
, lüste (für
die
) /
, lüste(n).
1.
›dem Menschen eigenes Streben, Verlangen nach Erfüllung seiner allseitigen leiblichen, sinnlichen, erotischen, geistigen, religiösen Wünsche und Bedürfnisse‹; im Blickpunkt stehen Essen, Trinken, Vergnügen jeder Art, persönliche Anerkennung, Macht, Herrschaft, Ehre, Geld, Besitz, insofern: ›Freude, Gefallen, Vergnügen an diesen Werten‹; mehrfach kann
lust
im vorgetragenen Sinne mit dem Nachteil eines Anderen verbunden sein und dann eine ordnungsfeindliche Tendenz haben; teils erscheint
lust
ohne oder mit neutraler Bewertung, teils kommt sie in die Nähe von Sündenverfallenheit, Mißachtung moralischer Werte, dann offen zu 3.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
guten lust vor jm. haben
›von jm. unbehelligt bleiben‹.
Bedeutungsverwandte:
,  124,  12,  1, , ,  14,  1, , .
Syntagmen:
(die) l. nemen / suchen / überwinden / austreiben, l. am gelde haben, aus angeborener art l. zu etw. haben, die natur ire l. ersättigen, l. zu aufrur haben, l. haben zu
[+ Verb, z. B.
zu essen / zanken
];
der l
. (Subj.)
augenbliklich, das corpus der krankheit sein, die lüste jm. schaden tun, die frau js. lust, die lust des fleisches sein, das weib ein l. der schmerzen sein
;
des lustes pflegen, der l. gebrauchen, den augen viel lustes bringen
;
dem l. versagen, den lüsten abgehen
;
durch l. verfürt werden, in l. schweben, die krankheit in l. speisen, etw. mit l. annemen / ansehen / besitzen, der mund mit l. essen, js. herz mit lüsten erfült sein, nach l. begeren / stellen, nach l. unlust kommen, sich von den lüsten scheiden, des lustes wegen essen / trinken
;
der l. des leibes, der welt, der sinne
;
der l. zu einem apfel, zu der welt
;
der liebe / sündliche / weltliche l., die böse / fleischliche / geistliche / natürliche / sinliche / strenge / zeitliche l
.;
der liebhaber des lustes
.
Wortbildungen:
luste
›wohlschmeckend‹,
lusthügel
›Busen‹ (auch zu 2 oder 3 stellbar),
lustig
1,
lusttrunk
.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
alle ander
[als
sündigen
]
lust und begirlickeytt des hertzen seynt bey yhn naturliche kreffte.
Ebd. Anm. 1 (
1536
):
so ghets an, ut lass und uberdrussig und krig lust zu welt zelen et, quod carni placet.
Ebd. (
1544
):
da der Teufel on vnterlas hindert vnd verfolget, wo nicht Gottes wort mit lust vnd lieb angenomen [...] wird.
Ebd. (
1545
):
Zu letzt solten sie [Bapst, Cardinal] auch die weide mit sich haben zum labetrunck und lusttrunck im bade.
v. Ingen, Zesen Rosenw.
80, 28
(
Hamburg
1646
):
zwischen den zwe anmuhtigen lust⸗huͤgeln / des liljen⸗blanken brust⸗feldes.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
swaz der mensche minnende ist und lust nimet und im volget mit willen, ez sî in spîse oder in tranke [...], daz enmac âne gebresten niht bestân in einem ungeüebeten
[Ggs.:
gewent
]
menschen.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
der [apfel] so strenge suze lost | brachte undir ires [Eva] herzen brost.
Jostes, Eckhart
67, 27
(
14. Jh.
):
dez geistes, der do alle lust uberwindet, di anevellic sint in mittels weis.
Sermon Thauleri
8vb, 25
(
Leipzig
1498
):
die menschen die do gebrauchen yrer lust in synnelicher lustikeit.
Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
[ein maget] nam sich durch demut an, das sie vnsinnic were. Mit arbeitene in der kvichin versmahete werc, mit ezzene vnzertliche die luste spise.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
27, 10
(
Nürnb.
,
1446
):
Was wir aussen ankuttzen mit den leiblichen augen, das seh wir an in lust vnd wolgefall.
Langen, Myst. Leben
189, 15
(
nobd.
,
1463
):
Daz ist, daz der mensch abgee / allen lusten der natur an / allein redlicher notdorfft.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1488
):
was Wenzeslaus gantz ungeleich dem vater, [...], ein liebhaber des lusts und floch alle arbeit.
Ebd. Anm. 4 (
1479
):
ob man einen lust in das wasser zu sehen durch ein ußladung oder sunst daselbst gemachen mochte
(hier: ›Öffnung mit schöner Sicht‹).
Franck, Decl.
347, 25
(
Nürnb.
1531
):
Wir wissen / das durch den wein der mag ergetzt / der lust zu essen gebracht [wird].
Sudhoff, Paracelsus (
1529
):
aber der natur wird ir lust nicht ersettiget, und in dem lust ligt das corpus der krankheit und nicht in dem dermaßen also auch das corpus der krankheit der lust ist und corpus, das sich exaltirt in der völle. [...] aus dem lust sol folgen die arznei und nicht aus der völle.
Goldammer, Paracelsus
6, 188, 11
(
1530
):
das ist ein lust, da ein vatter sitzt bei seiner hand arbeit, hat sein frucht vor dem disch ston.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 186, 30
(
Hagenau
1534
):
Wer der welt lust brauchet / dem ist gleych wie einem hunde / [...] / der einen hartten knochen naget / umb eines kleinen saffts willen.
Ebd.
2, 254, 31
([
Augsb.
]
1548
):
Die ersten zway stuck / begreiffen was zum guͦt / reichthumb / freündtschafft / pracht / und weltlicher lust gehoͤrt / Lust des flaisches ist alles das / das zur underhaltung dises lebens auff erden / [...] / dienen mag / weib / kind / hauß / hof / handel / wandel / kauffen / verkauffen / vich zucht / gewerb / gelt.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
md.
1523
):
sunder bleiben sie da heimet, pflegen guͦter ruͦ und alles lustes.
Maaler /v (
Zürich
1561
):
Der weyn macht Lust zuͦ aͤssen. [...]. Lacten oder lattich bringend einem einen Lust zuͦ der Speyß. [...]. nach seinem Lust vnd wolgefallen laͤben. Stomacho suo uiuere.
Steer, Schol. Gnadenl.
1, 707
(
noschweiz.
,
15. Jh.
):
da uon so git natur wol lustig minne durch das man stirbet, si git aber nit kúnsche minne.
Sappler, H. Kaufringer
26, 16
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
wenn er [Gott] sicht hie in disem leben | sein frünt in weltlichem lust sweben, | so verdürnet er in die stras.
Bauer, Geiler. Pred.
318, 28
(
Augsb.
1508
):
wenn man dem schleck genuͦg thuͦtt / das man isset von lustes wegen / das ains sich den lust laßet treiben und nit die notturfft.
Ebd.
322, 5
:
Dein haußfraw die ist lust des flaisches. [...]. Ain mensch des hertz erfüllet ist mit den lüsten diser welt / deßselben gedenck muͤssen von not weltlich und flaischlich sein. da gedenkt er an eßsen und an trincken / denn betrachtet er wie er seines leibs mit aller sanfthait pflegen müg.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz si [slang] mit gleicher gestalt Evam [...] zuolocket, wan der mensch und ain iegleich tier nimt sein geleichz und ist lustig gegen im.
Klein, Oswald
3, 40
(
oobd.
,
1422
?):
Ain schön, bös weib | ist ain gezierter strick, ain spies des herzen, | [...] | ain lust truglicher smerzen.
Ebd.
9, 72
(
1427
):
Nu unser leib ergenklich ist, | [...] | das wir uns müssen schaiden | von allen lusten, freuden, güt und eren gros.
Ebd.
20, 18
(
1416
):
do es [freulin] mit armes banden hart | mit liebem lust verslossen ward.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
953
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Do sach daz weib daz daz holcz guet was czu essen vnd pracht den awgen vnd dem ansehen uil lustes.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Da nun derselb bischolff [...] lust seynes leybs mer, dann nach nutz des bistumb lebt.
Mieder, Lehmann. Flor. ;
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
12, 21
;
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
6, 7
;
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
99, 819
;
Gille u. a., M. Beheim
80, 78
;
81, 198
;
267, 49
;
Goldammer, a. a. O.
7, 169, 17
;
Eichler, Ruusbr. steen
433
;
Fuchs, Murner. Geuchmat
1712
;
Gilman, a. a. O.
1, 18, 24
;
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. ;
Warnock, Pred. Paulis
8, 69
;
Wyss, Luz. Ostersp.
10889
;
Morrall, Mandev. Reiseb.
168, 7
;
Bauer, a. a. O.
316, 6
;
317, 30
;
Siegel u. a., Salzb. Taid. ;
2.
›Vergnügen, Lust, Freude des individuellen, über gewisse Entscheidungsfreiheiten verfügenden, nach Gutdünken handlungsfähigen Menschen‹ (im Unterschied zu den ihm als natürlich zugeschriebenen Neigungen, Vorprägungen; vgl. dazu 1); vereinzelt metonymisch in Richtung auf Bezugsgegenstände oder Verhältnisse, von denen
lust
ausgeht, dann z. B. ›Gewinn‹; ›Glück‹.
Phraseme:
jm. eine kurze lust sein
;
(k)eine(n) lust haben
(mit oder ohne Inf. mit
zu
);
lust zu / mit etw. haben
;
jm. in reicher lüste liegen
›jm. angenehm sein‹.
Bedeutungsverwandte:
 3, (mehrmals),  1, ,  46, , .
Gegensätze:
 1, (
die
3, , .
Syntagmen:
l. suchen / empfangen / empfinden / nemen, l. an
[sich selber]
haben, an / zu etw
. (z. B.
zum gejägde / ritterspiel, zu ketten / ringen / kleidern
)
haben, l. zu etw. machen, l. haben, zu
[+ Infinitivsatz, z. B.
jn. zu peinigen
],
das glük l. bringen
;
die l. vergehen, jm. etw. eine l. sein
;
des lustes enberen
;
ane l. beten, auf lust stellen, in l. singen, etw. mit l. annemen / erzälen / ausrichten, nach der l. leben
, [wohin]
reiten, etw
. (z. B.
die creaturen
)
nach seinem l. brauchen, von lüsten sat sein, etw. zu seinem l. tun, jm. zum l. etw. bauen, der l. der herren, der Sachsen, der
(›zur‹)
arbeit
;
l. ane frucht, zu dem weidwerk
;
der / die eigene / ergezliche / grosse / kleine / kurze / schöne l
.
Wortbildungen:
lustban
(Gw zu
2
 3; dazu bdv.: ),
lustbrunne
(als Allegorie der dahin fließenden Zeit),
lustgrünend
,
lustquellend
,
lustrede
,
lustsal
›Pavillon‹,
lustwald
.

Belegblock:

seinen willen wil er [got] mit lust und liebe angenommen haben.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
589, 2638
(
Magdeb.
1608
):
Gar blos am Heupt / am Hals vnd Brust / | Das war der Alten Sachsen lust.
Ebd.
673, 5222
:
Nun seh ich / das er noch wil pralen / | Mit meines todten Sohns Corallen / | Die er da fuͤrt an seiner Brust / | Das sol jhm sein ein kurtze lust.
v. Ingen, Zesen Rosenw.
72, 2
(
Hamburg
1646
):
wier verfolgeten di reh⸗kaͤlber und hirsche / dergestalt / daß di lust und der fang beiden gemeine war.
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 23, 12
(Hs. ˹
md.
auf nd. Grundlage,
v. M. 14. Jh.
˺):
uf prislich tat unde die der mut wol bescheiden bringet, | swa man den spürt, er sol den vürsten ligen in richer lüste
[›angenehm sein‹].
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
93, 32
(
wmd.
,
1634
):
Nunmehr bin in frewdentagen, | Bin von lauter Lüsten satt.
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
Martines, der keinen Lusten hat laͤnger da zu verharren.
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe S. 6, Z. (
thür.
,
1421
):
Nu byn ich kommen alsust | yn des alders orden: | das mir vor jaren was eyne lust, | ist nu eyne arbeit worden.
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm. Vorr. Alb.
7, 6
(
Zwickau
um 1540
):
alle die der Warheit nicht gleuben / sondern haben lust an der vngerechtigkeit.
Ebd.
381, 3732
:
Beim leuten ist mir [Warheit] ein sondre lust.
Ebd.
451, 4476
:
Der Erst kurtz der mir [Satan] kumpt ermord ich fluck / | Sauff mich seins bluts zu meinem lust genugk.
Opitz. Poeterey
35, 24
(
Breslau
1624
):
weil ich zue den lateinischen Anacreonten weder lust noch gluͤck habe.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1488
):
mit got ißet man gern und sein prot ist süeß und die fürsten habent lust doran.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Sam ein lust grunendz paradeyß | Plut es alls durch ein ander reyn.
Ebd. :
Ich auß eim herten felsen dort | Ein lust prunen lawt rauschen hort.
Fischer, Folz. Reimp.
39
, Ü (
Nürnb.
1479
):
dar nach zu mir kam streychend ein persafãt der durch meı͂ pit mir vollget in eı͂ pirgisch gefild zu einem aller lüstigeste͂ süß clingende͂ lustqwellende͂ hochspringenden pru͂e͂.
Ebd.
43, 628
(
um 1491
):
In frolich und freyem gemüt | Ein lustgrunendes allter plüt.
Franck, Klagbr.
226, 23
(˹wohl
Nürnb.
˺
1529
):
Die kinder so irer elter beraubt vnd waißloß weinen vnd heulen / Ist disen heyligen ein lust vnd freud zu sehen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
76, 23
(
Nürnb.
1548
):
was Gott jnen [Engel] befilht / das ist bald in eim huy / mit lust vnnd lieb außgerichtet.
Ebd.
131, 19
:
durch solches gewinnet sie [weib] dem Mann das hertz ab / das er lust vnnd freud hat / das er wider zu hause / uñ zu seinem weib gehn sol.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
wenn eur Majestat lust hett, | Sich eines kampffs mit mir zu üben | So thuts mir auch von hertzen lieben.
Warnock, Pred. Paulis
9, 82
(
önalem.
,
1490
/
4
):
wil der lib mainen, syder gott im alle creaturen geschaffen und geben hát under sinen gewalt, so sig och billich, daz er die bruch nach sinem aigen lust und willen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 186, 2
(
Hagenau
1534
):
Lust on frucht und nutz. Droben ist gesagt / Es sey nichts nütze noch lustig / es sey denn auch ehrlich / und on anderer leutte schaden / sonst ist nutz und lust unehrlich.
Ebd.
552, 17
:
darzu gedencket er [mensch] auch Gott hab lust daran / daß er uns straffe.
Maaler (
Zürich
1561
):
Auff froͤud vnd Lust stellen / Sich erfroͤuwe͂ vnd ergetzligkeit haben. [...]. Lieblicher vnd ergetzlicher Lust die gruͤnen matten zebesaͤhen. [...]. Wo hast du so lang dein Lust vnnd kurtzweyl gehabt?
Hoher Lustsaal oder lauben darinnen man ißt vnd trinckt [...]. Lustwald / Von lusts waͤgen gezogen (der).
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1520
):
hett auch ain grossen lust und freud gehabt, die armen in den eisen zuͦ fragen und zuͦ peinigen.
Ebd. (zu
1550
):
das aber alles ir baider lustreden, [...] was, sich darmit groß zuͤ machen.
Roloff, Brant. Tsp.
519
(
Straßb.
1554
):
Das glück laufft umb glych wie ein rad | Dann bringt es lust
[›Gewinn‹]
/ dann bringt es schad.
Anderson u. a., Flugschrr.
23, 7, 15
([
Augsb.
]
1525
):
der man wirdt sitzen in seim Weyngarten / das ist / im lust seyner arbayt.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
dann er zu allem ritterspil ain sonder lust gehabt.
Mieder, Lehmann. Flor. ff.; ;
Peil, a. a. O.
521, 456
;
533, 833
;
Pfefferl, Weigel. Ges.
21, 27
;
Gropper. Gegenw. ;
v. Keller, Amadis ;
Knape, Messerschmidt. Bris.
3, 61
;
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
145v, 29
;
Opitz. a. a. O.
11, 25
;
12, 4
;
Reichmann, a. a. O.
128, 32
;
v. Keller, Ayrer. Dramen ; ;
Gilman, a. a. O.
1, 186, 25
;
Roloff, a. a. O.
744
;
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. ;
Bachmann, Morgant ;
Haszler, Kiechels Reisen ;
Barack, a. a. O. ;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ;
Öst. Wb.
2, 236
.
Vgl. ferner s. v. (Adj.) 413,  2,  4,  1, .
3.
›das natürliche Bedürfnis voll auskostendes bis darüber hinausgehendes lustvolles Verlangen, Wollust, das natürliche Maß übersteigende Begierde nach Befriedigung; selbstbezogenes Genießen‹; meist Bezug auf Sexualität, daneben auf andere, als sündhaft gesehene Haltungen und Handlungen, darunter Luxus, Hoffart.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Syntagmen:
(den / die) l. haben / büssen / mindern / volbringen, l. mit jm. haben
(z. B.
mit seinem weibe
)
/ treiben
(z. B.
mit der frauen
);
der l. jn. angehen, bei der pein der todsünde verboten sein
;
des lustes vergessen, der l. ledig werden
;
dem l. nachtrachten, den lüsten folgen
; (der Mensch)
durch l. im fleische gebildet sein, in l. kommen, mit l. in freuden liegen, nach den lüsten gehen, nach l. bei einander sein, jn. nach seinem l. haben, von l. ungeneigt werden, das herz von l. wegen
›wogen‹,
der / die l. der eltern / frauen, des leibes
(jeweils gen. subjectivus),
der l. der unlauterkeit
(gen. objectivus),
zu unkeuschheit
;
die / der böse
(mehrfach)
/ fleischliche / senende / schnöde / tobende / ungeordnete / unsinnige l
.;
das feuer des lustes, der grund derl., rosen der lüste
.
Wortbildungen:
lüstekeit
›Pfuhl, Schmutz der Lüste‹,
lustgeiz
,
lustgeschäft
›Geschlechtsverkehr‹,
lustgrab
(Beleg s. v. , Adj.),
lustheirat
›unstandesgemäße Neigungsehe‹ (a. 1580),
lustheit
,
lustsiech
›wollüstigem Verlangen nachgehend‹.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
wan sî [juncvrouwen] zôch des tûvils rote | ûz den clôstren mit gewalt | [...] | und tribin mit in ire lust.
Luther, WA (
1526
):
so doch unrhaynigkait, huͤrerey, lüste, boͤße begirde, unkeüschhait und andere laster mer wider Got ist.
Ebd. (
1537
/
40
):
so ists besser, [...] du, Man, dich an dein weib helts, auff das ihr der brunst, bosen lust und hurenubel ledig wurdet.
Ebd. Bibel (
1522
):
Last vns erbarlich wandeln, [...], nicht ynn fressen vnd sauffen, nicht ynn kamern vnd geylheyt, [...], sonder zihet an den hern Jhesu Christ, vnnd thut nicht nach des fleyschs klugheyt, seynen lust zubussen.
Ders. Hl. Schrifft.
Gal. 5, 24
(
Wittenb.
1545
):
Welche aber Christum angehören / die creutzigen jr Fleisch sampt den lüsten
[
Mentel
1466:
sünden
;
Emser
1527 /
Eck
1537:
lastern
].
Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
):
ich bin ein Mensch, in Sünden | empfangen und geborn. Der Eltern schnöde Lust | hat mir auch angekleckt den bösen Kot und Wust.
Oorschot, Spee/Seifert. Proc.
463, 8
(
Bremen
1647
):
so soll man von dem Hencker / der seine lust darinnen buͤssen kan / ein Weibsbildt nicht lassen beruͤhren.
Fischer, Folz. Reimp.
45, 184
(
Nürnb.
1482
):
desgeleichen süllen auch zu disen zeiten
[bei der Pest]
gemiten werden die heimlicheen lüstgescheft der elichen und unelichen mer, dan ir gemein gewonheit fordert, dan die auslerung keiner andern feuchten die kraft mer swechen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
145, 7
(
Nürnb.
1548
):
volget er des satans anreitzung / vn̄ der suͤnde lust / wurd zu eim schendlichen Ehebrecher.
Thiele, Minner. II,
12, 313
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
verlanngen kan gemute | uff mynnen gernden senten komer bringen | unnd macht des herczen lust und lieb dest grösßer.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Die niderste das ist die begirliche kraft und die zúrnende kraft: das ist die lustheit.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
in allen zeitlichen Froͤden, ist etwas bitters darin. Wan wa das nit wer, so weren die Menschen noch vil boͤser und lustsiecher.
Roloff, Brant. Tsp.
627
(
Straßb.
1554
):
Von der [weib] ich hatt all freüd und lust | Und mer glücks dann ich selber wust.
Dreckmann, H. Mair. Troja
25, 30
(
oschwäb.
,
1393
):
do warend si nach ires leibs lust, und nach der minn ordnung, die naht mer dann halb, mit mangem süssen kuss, [...], und mit dem, daz darzu gehört, vil lieplich bi anander.
Sappler, H. Kaufringer
25, 240
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
der bösen unkeusch clait, | ist im ain lust und süessigkait.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz sechst ist, daz si [frawe] niht pœse lüst hât als mit dem dirnlein.
der pfâwe zerpricht der pfæwinne air von dem lust, den er zuo ir hât.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
[die Bewohner]
giengen vich und leut an, man und frauen, schwester und mueter [...], wie si dan der tobent unsinnig lust und wüetend begir ankam.
Rosenthal. Bedencken
36
;
J. W. von Cube. Hortus
119, 28
;
Lichtenstein, Lindener. Rastb.
113
;
Bergmann, Ambr. Liederb. ;
Neumann, Rothe. Keuschh.
2314
;
Logau. Abdank.
167, 22
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Vetter, a. a. O. ;
Strauch, Schürebrand ;
Schade, Sat. u. Pasqu. ;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
301, 10
;
Goldammer, Paracelsus
7, 172, 26
;
Schorer, Sprachposaun
72, 16
;
Dreckmann, a. a. O.
34, 22
;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
10, 50
;
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
199, 13
;
15
;
Schmitt, Ordo rerum
351, 20
;
Vgl. ferner s. v.  3,  2,  3,
1
 1,  1.
4.
›intellektuelles und ästhetisches Vergnügen, Wohlgefallen an der Gestaltung und bei der Rezeption von (vor allem: poetischen) Texten‹; ütr.: ›Lieblichkeit, Idylle, wie sie durch zeichenhafte Gegebenheiten geschaffen wird‹; dient auch der Bezugnahme auf die Mutter Gottes.
Gehäuft späteres Frnhd.; Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
77, 1063
(
Magdeb.
1608
):
Jst das nicht lust / das du studierst / | Bey Kreutern vnd Blumen spatzierst?
v. Ingen, Zesen Rosenw.
76, 30
(
Hamburg
1646
):
und solche verzukkerte getoͤhne / neben mehr anderer lust / zu vernaͤhmen waren.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
3, 17
(
Frankf./M.
1626
):
mit schoͤnen lieblichen Geschichtmaͤssigen Kupfferstuͤcken zu mehrerm Lust vnd Erkandtnuß der Historien vor Augen gestellet.
Opitz. Poeterey
47, 25
(
Breslau
1624
):
Jetzt solt du billich mehr als wol / | O meine lust / Pindarisiren.
Ebd.
53, 6
:
Schawt das jhr fuͤr den todt dem edlen coͤrper hier | Gleichfalls rahtet | Vnd vmbschatet | Mit gruͤner lust sein’ asche fuͤr vnd fuͤr.
Ebd.
54, 3
:
wie alles mit lust vnd anmutigkeit geschrieben wird / so wird es auch nachmals von jederman mit dergleichen lust vnd anmutigkeit gelesen.
Dietrich. Summaria
29v, 22
(
Nürnb.
1578
):
sagt Marcus: Diser Schrifftgelerter habe ein lust gehabt an der antwort / so der Herr den Saduceern hab geben / hat derhalben jn versuchet / vnd hoͤren woͤllen / was er doch zu diser frage werde antworten.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Bringet einem das singen vnd reymen einen lust, so lasse er jhm das Lob Gottes zu singen vnd zu hoͤren einen Lust seyn.
Behrend, Spangenb. Anbindbr. (
Straßb.
1611
):
[andere] so etwan lust und lieb / solche Teutsche Poeterey zulesen haben.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
vn̄ bewegt mich darzu nichts anders dan̄ die liebe vnd lust diser feynen subtilen kunst.
ain Grāmatic [...] den Teütschen, die jr nichts achten, kain lust, lieb oder freüde darzu haben.
Klein, Oswald
9, 50
(
oobd.
,
1421
?):
Manig zier und lust wolt ich noch vil erdencken, | das sich der mensch erfreut, noch müss erkrenken.
Opitz. a. a. O.
51, 29
;
Roloff, Brant. Tsp.
17
;
579
;
Behrend, a. a. O. ;
5.
›dem Menschen als
lust
vermittelte Seinsqualität Gottes, der er die
creaturen
über das
giessen
und stetes
neues gebären
(im
son
,
in uns
) teilhaftig werden läßt‹; damit verbunden: ›dem Menschen mögliche Seins-, Liebes- und Erkenntnisähnlichkeit mit Gott‹, insofern auch ›Liebe zu Gott‹; in den späteren Belegen unterschiedlich weit entradikalisiert; dann Tendenz zu: ›bloßes Gefühl der Aufgehobenheit in einer religiös begründeten Ordnung‹; teils Bezug auf Maria.
Texte der Sinnwelt ,Religion‘, oft der Mystik.
Bedeutungsverwandte:
,  1011,  1, ; vgl. (
das
4.
Wortbildungen:
lustblühend
.

Belegblock:

Luther, WA (
1544
):
ym hertzen Mus mans [Gottes wort] haben. das ist Lust vnd Liebe dazu haben.
Ders. Hl. Schrifft.
Phil. 1, 23
(
Wittenb.
1545
):
Jch habe lust abzuscheiden / vnd bey Christo zu sein.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Ein meister sprichet: lûter bekantnisse, nochdenne in disem lîbe, daz habe sô grôzen lust an im selber, daz aller geschaffener dinge lust sî rehte als ein niht wider dem luste, daz lûter bekantnisse an im treit.
dâ îlet got zuo, daz ez unser eigen sî alsô, als ez sîn eigen ist. Hie hât got lust und wunne in der vüllede. Dirre mensche stât in gotes bekennenne und in gotes minne und enwirt kein anderz, dan daz got selber ist.
er gebirt sînen sun und gebirt in alzemâle niuwe und vrisch und hât sô grôzen lust in dem werke, daz er anders niht entuot, dan daz er daz werk würket.
Allez, daz dâ guot ist und lust und trôst bringen mac, daz hân ich allez in ,dem geiste der wîsheit‘, [...]; und wære doch ein kleine dinc, man enhæte ez denne zemâle und glîche und rehte, als es got gebrûchet; alsô gebrûche ich es glîche, daz selbe in sîner natûre.
Ders. Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Alliu neigunge, lust und minne kumet von dem, daz im glîch ist, wan alliu dinc neigent und minnent ir selbes glîch. Der reine mensche minnet alle reinicheit.
aber geburt des viures und lust ist sunder zît und sunder verre. Lust und vröude endünket nieman lanc noch verre.
Jostes, Eckhart
5, 30
(
14. Jh.
):
Di sel hat ein naturlich licht in ir. In dem naturlichen licht hat got mer lustes und me genug dan in allen creaturen.
Strauch, Par. anime int.
65, 37
(
thür.
,
14. Jh.
):
in disir richir anegesichte, da sich der vadir sihit in sime sone und sich der son so riche sihit in deme vadere, da inne habint si so groze lust daz alle di wonne di alle geiste ie gewannen und joch Maria selbir, das ist ein nicht wider der unmezigir lust di si da fon hant in einir offinbarunge gotlicher nature.
Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
Darumb das seine
[Jesus]
Seel gearbeitet hat / wird er seine lust sehen / [...]. Vnd durch sein erkentnis wird er / mein Knecht / der Gerechte / viel gerecht machen.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
1517
/
8
):
Mit grosser freüd | [...] | Want er pey dir, jünckfrawe, | [...] | Dw lüst plüende awe!
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
die wandelent in der vernúnftigen uͤbunge, und do inne vindent sú solichen lust und wunne daz sú der aller nehesten worheit verblibent.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 1041
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
der mensche [...] sol anesehen daz riche milte fließen gottes mit glorien vnd mit im selben vnd mit vnbegriffenlicher lust in allen heiligen.
Ebd.
3, 96
:
Sehent dirre lust vnd die froͤide, die dirre brútegoͮm bringet in sinre zvͦkunft, die ist grundelos.
Ders., Ruusbr. steen
57
(
els.
,
sp. 14. Jh.
):
sol der mensche geistlich werden, so mvͦz er aller fleischlicher liebe verzihen vnd an got alleine mit lust vnd mit liebe kleben.
Warnock, Pred. Paulis
6, 159
(
önalem.
,
1490
/
4
):
won die gerechten in allen dingen allain gott suͦchent und mainent, er allain ir gegenwurf ist, hierumb der lust und die frod, so sy in gott habent, der úbertrift alle die fröd und lust, so die gantz welt iemer gelaisten möcht, won gott ist der aller lustbarlichest, süsost, der aller wunniklichest und best gegenwurf, der in himel und ertrich sin mag.
Goldammer, Paracelsus
4, 243, 25
(
1530
):
ich hab ein lust zu dir [herr], daß du mich menschen so treulichen begnadet hast.
Steer, Schol. Gnadenl.
2, 67
(
moobd.
,
15. Jh.
):
das die gnad gibt allerlaj lust, die jm paradiß vnd jn ewigen frewden sint.
Maaler (
Zürich
1561
):
Grosser Lust vnd froͤud in goͤttlichen dingen.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
do er also seines gepets innig was und der mitchosung unser lieben frawen anhoͤrig mit grossem lust aufnam.
Stackmann u. a., Frauenlob
6, 1, 14
;
Mayer, a. a. O. ;
Steer, a. a. O.
1, 158
.
6.
›Maibusch‹.

Belegblock:

Dict. Germ.-Gall.-Lat.
312, 6
(
Genf
1636
):
Lust / ein May von wolriechendem gebluͤms vnnd gekraͤut / denn man in die Haͤuser setzet.