lugen,
V.;
zu
mhd.
luogen
›sehen‹
().
1.
›sinnlich sehen, mit den Augen wahrnehmen; wohin sehen, blicken, schauen‹; als Synekdoche: ›beobachten, wahrnehmen‹, teils Tendenz zu: ›(jn. / etw.) lauernd, heimlich beobachten, (auf jn. / etw.) spähen‹, mit dieser Nuance offen zu 3.
Phraseme:
jm. unter die augen lugen
;
jm. auf die eisen lugen
›jn. scharf beobachten‹ (eigentlich: ›die Fußspur des Reiters betrachten‹) im Gegensatz zu:
jn. an einem strohhalm weisen
›jn. sanft führen‹.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 1,  2,  1, , .
Syntagmen:
abs.;
hin und wieder, hin und her, um sich l
.;
j., der teufel l. als [...]
;
js
. (z. B.
des anderen
)
l
.;
auf etw., in das grab, in den -ofen, zum fenster heraus l., j. l., ob [...] / wen [...] / wie [...] / wo [...], die schule
(Subj.)
l., wie [...]
; auch als Interjektion:
lug!
Wortbildungen:
luger
1,
luginsland
›hoch gelegener Aussichtspunkt‹.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Videre. Sehen lugen schauwen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
658, 4751
(
Magdeb.
1608
):
Fragt / ob er kem zur Fastnachts frewd / | Oder wolt luegen wie es thut / | Wenn durch das weiß floͤß rotes Blut.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
noch dû geluogtest nie in disen einvaltigen grunt einen ougenblick.
Swaz der sêle in dirre werlt ist oder in dise werlt luoget und swâ ir iht begriffen ist und ûzluoget, daz sol si hazzen.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
686
(
mrhein.
,
um 1335
):
Hie sint zwei swert, lug.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
10, 3
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
In der natur würken hastu nicht gesehen, in die mischung werltlicher sachen hastu nicht geluget, in irdische verwandelung hastu nicht gegutzet.
Fastnachtsp. (
nobd.
,
15. Jh.
):
Sie liept mir mer, denn steigen auf den Luginslant.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
517, 15
(
els.
,
1362
):
Do von luͦget er in einen bachofen.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Sich vnd luͦg
[Var. 1483-1518:
schawe
;
Luther
1545, Hiob 35, 5:
Schaw
]
an den hymel: vnd schauwe die sternen.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
So luͦg ob das pluͦtt vsz gang oder flicsz vß den venis cappillaribus.
Fuchs, Murner. Geuchmat
4817
(
Basel
1519
):
Er laßt sich an eim strohalm wysen, | So eben luͦgt sy [frouw Venus] jm vff ysen.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
2, 414, 14
(
halem.
,
1508
/
16
):
Als si das vernamend, woltend si nüt lenger beliben, sunder heim zuͦ dem iren luͦgen.
Wyss, Luz. Ostersp.
10481
(
Luzern
1543
):
wir wend inhin gan | vnnd luͤgen, wo er syg, der helig man!
Maaler (
Zürich
1561
):
Luͦgen. Videre. Saͤhen [...]. Sich Luͦg Luͦg. Ecce Aduerb. demonstrandi: [...]. Einem doͤrffen vnder die augen Luͦgen [...]. Hin vnd har Luͦgen. [...]. Mit den augen hin vnd wider Luͦgen. [...]. Wenn du jnen in das angesicht Luͦgst / dunckend sy einen from͂ leüt sein.
Müller, Stadtr. Ravensb.
141, 11
(
oschwäb.
,
um 1413
):
Wer dem andern nachgaut oder des andern luͦget.
Sappler, H. Kaufringer
30, 2
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
Man sicht auf erde wunders vil, | wer des eben luogen will.
Ebd.
16
:
an den schuohen tragentz lange spitz; | die gaffent auf in solicher witz, | das sie iren herren sehent an | und luogent, wie er sei ain man.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
die von Fridperg [...] santen ir kuntschaftleut und ließen sie luegen, ob in icht begegnen wolt, das ir fueg wär.
Ebd. (zu
1552
):
hat man angefangen, den graben bei dem Lueginslandt [...] machen (zu) lassen.
Weitz, Albich v. Prag
146, 18
(Hs. ˹
oobd.
,
A. 16. Jh.
˺):
wolt die geschwulst also nit vergen, so schneid sy auff vnd luͦg, ob kain ledig pain dar jnn sey.
Welti, Stadtr. Bern (
nalem.
,
15. Jh.
):
vnd sol och enkeiner vff spil niemans luͦger sin, noch ouch nieman vff spil nuͥtzit lichen.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Kaiser Probus entwich in ainen gar hohen weiten turn, [...], den het er für ain wart und lueginsland pauen lassen.
v. Maren, Marquard. Ausgabe
33, 19
(
Venedig
1483
):
wan sie [maria] begert noch luͤget nicht vmb sich vnd redt ein wort nicht mit nyemant.
Quint, a. a. O. ;
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
57, 20
;
Goedeke u. a., Liederb. ;
Rohland, Schäden
5, 471
;
Sappler, a. a. O.
7, 114
;
14, 380
;
Diehl, Dreytw. Essl. Chron. ; ;
Klein, Oswald
70, 35
;
Dalby, Lex. Mhg Hunt.
1965, 145
;
2.
›aufmerksam zusehen, aufpassen; auf etw. bedacht sein, achtgeben, daß [...], dafür sorgen, daß [...], sich vorsehen, daß nicht [...]‹.
Phraseme:
dem ende nicht lugen
›nicht auf das Ende achten‹;
seiner schanze, auf seine schanze lugen
›auf sein Glück, seinen Vorteil achten‹.
Bedeutungsverwandte:
 2.
Syntagmen:
js. fal l
. ›auf js. Nachteil bedacht sein‹;
l., das [...] / wie [...] / was [...] / welcher [...]
;
auf etw
. (z. B.
auf den irsal
),
für sich, zu etw., zu sich selber l
.;
fleissig l
.

Belegblock:

Enders, Eberlin ([
Wittenb.
]
1524
):
aber luͤge, das du dir selbst nit luͤgest.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Daz dû ez im allez gebest eigenlîche, sô luoge, daz dû dich under tuost in rehter dêmüeticheit under got.
Gille u. a., M. Beheim
239, 90
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
lugt, wie ir mogt wider ston | den ungetafften hunden
(bezogen auf die Türken).
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Wer heilsamkeit beger, | Der lug das er sich nit verschult.
Turmair (
Nürnb.
1541
):
wiewol wir uns für witzig und heilig halten und achten und doch daneben ein jeder auf sein schanz luget.
Rieder, Gottesfr. (
els.
,
1380
):
so tuͦt not, daz ieder mensche zuͦ ime selber luͦge, wie daz er sinen sattel erwere.
Spanier, Murner. Narrenb.
29, 43
(
Straßb.
1512
):
Er [iurist] luͦgt, das er ein andern hab, | Der im die sach gewunnen geb.
Roloff, Brant. Tsp.
526
(
Straßb.
1554
):
Wen glück sefftigkich anlachen thuͦt | Der luͦg und halt sich wol inn huͦt.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
wenn ein frow etwaz inn wyllen hat zethuon, so luoget sy dem end nŭt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Luͦg für dich / vnd tracht was du handlest. [...]. Darzuͦ wil ich Luͦgen / das wil ich versaͤhen. [...]. Du wirst zuͦ meinen dingen wol Luͦgen.
Adomatis u. a., J. Murer. Zorob.,
521
(o. O.
um 1575
):
Luͦg luͦg und goum dich vor dem wyn.
Bauer, Geiler. Pred.
473, 24
(
Augsb.
1508
):
Luͦg auch das sich nit einmüschen üppige unnutze wort.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
E. 15. Jh.
):
sunst ward nichts ausgericht, dann ieder man luͦgt des andern fall.
Ebd. (
v. 1536
):
sie wellen luͦgen, daß (sie) ires hauptguͦts und der schäden einkommen.
Baumann, Bauernkr. Oberschw. (
schwäb.
,
v. 1542
):
die zwen fursten lugten die nacht irer schantz und namen den forteyl ain, die die kuniglichen am abent gehant hetten.
Klein, Oswald
40, 42
(
oobd.
,
um 1426
?):
frau, ich solt lügen auf mein schanz, | das ich den warner nicht versawm.
Enders, a. a. O. ;
Schade, Sat. u. Pasqu. ;
Dedekind/Scheidt. Grob.
187, 28
;
202, 14
;
217, 19
;
Lauchert, Merswin ;
Fuchs, Murner. Geuchmat
2014
;
Schmidt, Rud. v. Biberach
11, 18
;
Wyss, Luz. Ostersp.
5134
;
7462
;
Bauer, a. a. O.
472, 7
;
Fischer, Eunuchus d. Terenz ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .
Vgl. ferner s. v.  2.
3.
›auf etw. aufpassen, die Einhaltung von etw. überwachen, etw. prüfen, kontrollieren‹.
Meist obd.; Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken.
Wortbildungen:
lügeln
.

Belegblock:

Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
Basel
,
um 1440
˺):
Nuͦ luͦge yederman, wie es umb all sachen stand, das nüt in siner ordenunge stat.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1616
):
es seie ihme dann vergunnt, [...] alle nächt zue den toren zue lugen, ob die beschlossen seien.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
und was den gantzen Tag hin und her gelauffen und het geluͦgt, das alle Ding recht zuͦgiengen.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. (
whalem.
,
1484
):
da hat man lút darzuͦ geordnet, die daruf [ordnungen] luͦgen solten.
Schib, H. Stockar
101, 14
(
halem.
,
1520
/
9
):
[ich] gieng in 5 kilch(en) und lugett, war die bylder hin warend kun.
Maaler (
Zürich
1561
):
Luͤglen vnd aufsaͤhen. Inspectare.
Rennefahrt, Gebiet Bern (
halem.
,
1626
):
söllend unsere amptlüth unsere räben [...] besichtigen und luͦgen, ob dieselben [...] in eheren gehalten und buwen werdint.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1380
):
Daz ir alle kramen und chaufm(anschaft), [...], beschawt und datzu luͤgt, daz iede(m)man recht geschech.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1441
, Hs.
1565
):
do sollen die richterknecht auf warten und luegen.
Lexer, Tucher. Baumeisterb. ;
Bernoulli, Basler Chron. ;
Welti, Stadtr. Bern ;
Winter, a. a. O. .
Vgl. ferner s. v.  3.
4.
›sich nach etw. / jm. umsehen, Ausschau nach etw. halten, etw. zu beschaffen, jn. heranzubringen suchen‹.

Belegblock:

Michels, Murner. Badenf.
17, 56
(
Straßb.
1514
):
[Das sie] daran kein zwifal druͦgen, | Got wirt in vmb belonung luͦgen.
Bachmann, Haimonsk. (
halem.
,
1530
):
Luogend mir umm dis guot pfert; dann enttrŭnt das mir, so wyrd ich niemmer mer frölich sin.
so verheyssen ich ŭch, daz ich uns umm spyß luogen will.
Jörg, Salat. Reformationschr.
297, 4
(
halem.
,
1534
/
5
):
das man voran / an denen von Zürch wett vermogen / sich und den Zwinglin / uff ein unpartyig end zuͦ eyner disputatz zebegeben / dann wete er um d(octor) Eggen ouch luͦgen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Vmb gält Luͦgen. Comparare argentum.
5.
›etw. überlegen, betrachten, über etw. nachdenken‹.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
195, 163
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
lugt er czu perg, da sicht er cler | das himlisch vater lande.
Reichert, Gesamtausl. Messe
8, 24
(
Nürnb.
um 1480
):
Priester lug und besich dich selbs, zu was diener du gegeben seyst durch aufflegung der hende des bischofs.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
9r, 26
(
Zürich
1521
):
Nun laß vns luͦgen / was hat den sun gottes von dem himel vff erd gezogen.
6.
›hervor-, herausscheinen (von Edelsteinen)‹; als Ütr. zu 1 auffaßbar.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Uzer den [cronen] sach man lugen | Manich edele gimmen.