lieblich,
Adj.
1.
›liebevoll, freundlich; jm. Liebe, Freundlichkeit, Zuneigung spendend und dadurch Behagen, Trost gewährleistend‹; das gesamte Spektrum von Liebe als der Existenzform Gottes (und diese auch in weltlichen Kontexten mitmeinend) bis hin zu erotischen, sozialen, rechtlichen Haltungen und Handlungen des Menschen umfassend; vereinzelt mit Tendenz zu ›falsch, Freundlichkeit vortäuschend, schmeichlerisch‹ gebraucht;
vgl. (Adj.) 126.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Gegensätze:
, .
Syntagmen:
j
. (z. B.
Jesus
)
/ etw
. (z. B.
die beiwonung
)
l. sein
;
sich l. erzeigen, etw
. (z. B.
den wein
)
l. ansehen / geren, etw. l. tun, den gottesschein l. beschliessen, jn. l. aufnemen / anlachen / empfangen / erziehen / küssen / minnen / umfangen, von im
›sich‹
lassen, jm. l. zusprechen, den mund darbieten, l. bei jm. sitzen, mit jm. kosen / umgehen, miteinander vereinbart / verteidigt / vereint sein, miteinander leben, etw. l. mit jm. teilen, sich l. mit jm. vereinen
;
der liebliche blik / heiland / klos
(ütr. für ›Mensch‹)
/ verkündiger, die liebliche geselschaft / predigt / sonne / vereinung, das liebliche angesicht, liebliche gebärden / worte
.
Wortbildungen
liebliche
(dazu bdv.: ,  1,  6).

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Comis. Lieblich freundtlich gruͤßbar gespräch leutselig guͤtig.
Luther, WA (
1518
):
wie guͤtlich und lieblich Christus mit den leuten gehandelt hat.
Ebd. (
1546
):
wo fur man yhnen halten sol, nemlich nicht fur einen Richter [...] Sondern fur einen lieblichen Heiland vnd trostli(ch)en freund.
Ebd. Bibel Marg. (
1522
):
Guttickeyt ist die liebliche geselschafft vnternander vnd freuntlichs wesen.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
wir heyzen ouch daz mordere, swer mit deme anderen izzet vnde trinket vnde liepliche in grozet vnde sleit on ane sine schuͦlde.
Stackmann u. a., Frauenlob
6, 10, 2
(Hs. ˹
md.
auf nd. Grundlage,
v. M. 14. Jh.
˺):
ich wunschte, swa zwei lieblich gern | der minnen stern, | ir beider herze offen wern.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
9, 10
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Wie liebe sach ich mir, wann sie so züchtigliches ganges pflag und alle ere bedenken kunde, und sie menschliches geslechte da lieblich schaute.
Ebd.
25, 40
:
der mensche ist [...] allein der lieblich kloß, dem geleich niemant dann got gewürken kan.
Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
Der appet enpfienc sie gutlichen vnd liez sie liplichen von im.
Franck, Decl.
345, 25
(
Nürnb.
1531
):
seiteinmal er [der truncken] den wein mehr dann goldt acht / ya den lieblicher dan die Sonne ansihet.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
132, 35
(
Nürnb.
1548
):
So wirdt ewer beywonung freuntlich vnd lieblich sein.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Der nuͤchterliche mensche der tuͦt sin werg lieplichen.
Ebd. (
1359
):
als die lipliche sunne hat ein stetes unzellich wúrken und influs in das ertrich.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Wannen kumpt ellú zartheit, schonheit, herzlust und lieplichi?
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Lieblich / schmeichlich.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Lipplichen er sy dicke | Mitt mangem senften blike | Herlichen anne sach.
Stammler, Berner Weltger.
461
(
ohalem.
,
1465
):
Denn wil min uatter tusent stund | Lieplich küssen an sinen mund.
UB Zug
2434, 9
(
halem.
,
1399
):
Hand sie vor mihr geoffnet, daß sie do lieplich und eigenlich mit einanderen vereinbert und bericht sind, das [...].
Brandstetter, Wigoleis
228, 7
(
Augsb.
1493
):
die mynnigklich larie dancket jm gar züchtigklich mit lieplichen worten.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
6, 11
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
du [gotes porte] bracht uns den waren gotesschein, | den hat dein käwscher leib | liebleich beslossen.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. Vorr.
85
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
daz sie daz icht vnwirdichleich vnd neydichleich peyssen vnd fraisleich reissen, sunder liepleich vnd prüderleich straffen.
Wolf, Norm im sp. Ma.
58, 70
(
oobd.
,
1486
):
dy ministri sullen sy liebplich auf nemen vnd guetigklich.
Bauer, Zist.-Pred. Haller
83, 86
(
tir.
,
1466
):
O Jesu [...], du pist aller suess, du pist aller liepleichen, du pist gancz vnd gar wolustig allen den, die dich da lieb haben.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Quint, Eckharts Pred. f.;
Wunderlich, Fierrabr.
125, 16
;
Froning, Alsf. Passionssp.
6422
;
Mone, Adt. Schausp. ;
Pyritz, Minneburg
4037
;
Reichmann, a. a. O.
251, 22
;
Roloff, Brant. Tsp.
1923
;
V. Anshelm. Berner Chron.
5, 222, 28
;
Wyss, Luz. Ostersp.
2876
;
Sappler, H. Kaufringer
6, 195
;
12, 224
;
15, 33
;
95
;
Klein, Oswald
12, 83
;
114, 11
;
Uhlirz, Qu. Wien ;
Kummer, Erlauer Sp. .
Vgl. ferner s. v.  6,  4,  1,  3,  4.
2.
›beliebt‹.

Belegblock:

Chron. Köln (
Köln
1499
):
do versoinden si sich ind maechten sich overmitz ir gelt so liefelich, dat si der buschof wederumb zo sime hove lies komen.
3.
›den Sinnen, dem Empfinden, dem Urteil des Menschen angenehm wahrzunehmen, als angenehm aufzufassen, zu beurteilen‹; im einzelnen:
a) ›dem Auge angenehm wahrzunehmen, schön‹.
Bedeutungsverwandte:
 2,  2, ,  2, , .
Gegensätze:
 1.
Syntagmen:
der liebliche augenblik / kupferstich / ort, das liebliche angesicht / knäblein / silbergeschir, die liebliche gestalt / sonne / stätte / ursacherin
;
von ansehen l
.
b) ›angenehm zu hören, zu vernehmen, weich, wohlklingend‹.
Bedeutungsverwandte:
 2,
1
 2, (Adj.) 3,  5.
Syntagmen:
die stimme l. werden
;
etw.
(z. B.
buchstaben
)
l. lauten / singen
(mehrfach);
der liebliche gesang
(mehrfach),
die liebliche aussprechung / melodie, das liebliche deutsch / gerausche
.
c) ›angenehm im Geruch oder Geschmack, wohlschmeckend, wohlriechend, gut, fein‹.
Bedeutungsverwandte:
 1,  2, .
Gegensätze:
(Adj.) 1.
Syntagmen:
l. schmecken / riechen
;
der wein, das kraut l. schmecken
;
obs, l. zu essen, wein, l. zu trinken, kräuter, l. zur speise
;
der liebliche geruch / geschmak, wein
.
d) ›angenehm zu spüren, lau (vom Wind), warm (vom Sommer, von der Sonne); zart (von der Berührung)‹ (jeweils auf den Tastsinn beziehbar).
e) ›als tröstlich empfunden (hinsichlich Gottes); als unschätzbar zu betrachten (vom Frieden); spannend (von Geschichten)‹.
Bedeutungsverwandte:
 1, ;  2; , .
Syntagmen:
l. zu lesen
;
das liebliche gut / befinden (gottes), die liebliche behausung
.

Belegblock:

Zu a):

Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1583
):
vns ist geboren heut, | [...] | Ein Kindlein so wuderlich, | Von ansehn sehr liebelich, | Jn seiner Menschheide.
Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
A viijv, 2
(
Leipzig
1625
):
grosse Straff vnd schmertzen / wegen dessen schoͤnen vnd lieblichen Vrsacherin / [...] geduͤltig zu leiden.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
3, 16
;
v. Keller, Amadis ;
ders., Ayrer. Dramen ;
Thür. Chron.
6r, 12
;
Sermon Thauleri
11ra, 31
;
Gille u. a., M. Beheim
70, 201
;
Rupprich, Dürer ;
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 480
;
Vgl. ferner s. v.
1
 5,  2.

Zu b):

Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
Buchstaben die [...] nit zu hart, sonder feyn lieblich vnd senfft lauten.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
108, 2
(
Frankf./M.
1568
):
Mit gar lieblicher Melodey | So pfeiffen wir hie alle drey.
Opitz. Poeterey
29, 3
(
Breslau
1624
):
Der klare brunnen quilt mitt lieblichem gerausche.
Goldammer, Paracelsus
5, 179, 11
(
1530
):
spotweis redt David zu den abtgottern, die auf erden so lieblich gesungen haben.
Opitz. a. a. O.
31, 24
;
Gille u. a., M. Beheim
161, 427
;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
44
;
Trunz, Meyfart. Rhet.
59, 7
;
Schorer, Sprachposaun
51, 13
.

Zu c):

Peil, Rollenhagen. Froschm.
139, 2978
(
Magdeb.
1608
):
Welchs Kreutlin jr so lieblich schmeckt / | Das sie fuͤr tod ernider lag.
Maaler (
Zürich
1561
):
Lieblichen schmoͤcken vnd riechen / Ein lieblichen vnnd angenaͤmen geschmack gaͤben.
Lauater. Gespaͤnste
18v, 24
(
Zürich
1578
):
einer der das feber hat / trinckt ein liebliche͂ suͤssen wyn / der bedunckt jn bitterer dañ ein gall.
Ralegh. America ;
Haszler, Kiechels Reisen ; ;
Vgl. ferner s. v. , .

Zu d):

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Aura. Sanffte lufft lieblicher lustiger suͤsser windt.
Luther, WA (
1517
?):
und scheint die Sonne lieblich.
Maaler (
Zürich
1561
):
Lieblich / tugendtlich anruͤren / streichle͂. [...]. Lieblicher oder angenaͤmer summer.

Zu e):

Pfefferl, Weigel. Ges.
39, 1
(
Hamburg
1646
):
daher wust Adam von keinem geseze, [...], vnd war nichts des Menschen, alß das lieblichste süße befinden, des einwonenden Gottes, aus Gnade, Friede, Ruhe, freüde, volle genüge in seinem Herzen.
Logau. Abdank.
167, 6
(
Liegnitz
1651
):
Der Zeitliche FRJEDE / ist ein liebliches und erfreuliches Gutt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Liebliche lustige erzellung. [...]. Liebliche schrifften oder uͤbungen / die einen vast belustigend.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Kinder sind das lieblichste pfand vnd band der ehe.
v. Keller, Ayrer. Dramen .
Vgl. ferner s. v.  1.