liebhaben,
V.
1.
›sich zu etw. (positiv oder negativ Bewertetem) hingezogen, von etw. angezogen fühlen, e. S. (einer Tugend, einem Laster) zuneigen‹;
vgl. (Adj.) 15;  6,  25.
Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
den frieden, die ere / kirche / finstere nacht / ritterschaft / tugend / welt, das geld / haus / hausgeräte / recht / unrechte / liecht / leben / wildbrät, die winkel
)
l
.;
der finstere
(Gen.obj.)
l
.
Wortbildungen:
liebhabung
1.

Belegblock:

Kochendörffer, Tilo v. Kulm (
preuß.
,
1331
):
Er [Judas] was ein dieb | Und hatte vil winkel lieb.
Luther, WA (
1521
):
wer die erhe oder das geldt lib gat, der [...].
das ein weib [...] das hauß und hausgeräth, vich und anders liebe habe.
Ebd. (
1544
):
Wer nun die Christliche Kirch lieb hat unnd gern jhr wolfart saͤhe, der [...].
Buch Weinsb. (
rib.
,
2. H. 16. Jh.
):
Hab leiff, was nit mag vergain, | So sal din hertz in freuden stain.
Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
, Hs.
2. H. 16. Jh.
):
darzu hatte he [herzog] ritterschaf lip unde schonete darane keine koste.
Eggers, Psalter
20, 18
(
thür.
,
1378
):
der aber daz vnrechte lip hat, der hassit sine sele.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
si [werld] wiset dir maniger hande zirait, durch daz tu sie lieb habest und vorgezzest der libe dines schepheres.
Reichert, Gesamtausl. Messe
27, 22
(
Nürnb.
um 1480
):
Dar bey sollen wir lernen und die tugent der keuscheyt lieb zu haben.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
der so wil liebhaben das leben: vnd gesechen die guͦten tag: der tzwing sein zungen von dem vbelen.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
6v, 8
(
Zürich
1521
):
kunst macht ein menschen / liebhabung vnd durchgründung der wyßheit macht meer dann menschen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 134, 31
([
Augsb.
]
1548
):
wann er [Got] uns ain frummen Herren gibt / der Frid und Recht lieb hat.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
31, 18
;
Gille u. a., M. Beheim
81, 223
;
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. ;
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
4, 40
;
Sappler, H. Kaufringer
14, 150
.
Vgl. ferner s. v.
1
 16.
2.
›jn. (auch: Tiere) lieb haben; jn. lieben; jn. hoch achten, hoch schätzen; jn. im Sinne des Caritas- oder des unio-Gedankens der Mystik liebevoll behandeln, Sorge für jn. tragen‹;
vgl.  8,  25.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Syntagmen:
die mutter
(Subj.)
l
. (absolut);
etw
. (Akk.obj.: ein Tier, z. B.
den wind, pferde
)
/ jn
. (z. B.
die menschen, den bösen / nächsten / feind, das kind
)
l., jn. mit dienst, zu hofe l., die laus den betler, das tier die jungen l
.

Belegblock:

Luther, WA (
1523
):
nun fort soll ewer leben dahin gerichtet sein, das ir ander lewt lieb habt und dienet.
Ebd. (
1525
):
wenn zween einander lieb haben, acht sich ein yglicher nicht hoͤher denn der ander.
Ebd. (
1527
):
Natuͤrlich ists, das ein vater sein kind, das weib den man lieb hat und froͤlich sey, wens yhm wol gehet.
Ebd. (
1530
):
Sie haben Gott lieb nicht anders denn, wie die Leuse den Betteler lieb haben.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Du solt alle menschen dir gelich liebhaben und gelich achten.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
127, 21
(
rhfrk.
,
um 1435
):
Der selbe Abrye von Mondidyre / der hat eynen wint erzogen den hat er gar liep.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
gesprochen ist: habe lîb
[
Luther
1545:
lieben
]
dînen nêhstin und hazze dînen vîent. Abir ich sage ûch: habit lîb ûwere vîende.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
7, 25
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
do werdin si [pfert] vorkouft und sint lib gehat.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
nobd.
,
um 1600
):
Es wern Verdiende leudt darauß, | Die man Zu hoff am liebsten hat.
Ruh, Bonaventura
357, 16
(
orhein.
,
um 1480
):
so muͦstu, durch betrachttung des bildes vnd glichniß der götlichen majestet in allen mönschen, sy also mit inniger begirde siner minsamkeit liep han vnd vnder in allen besunder die durfftigen vnd krancken mönschen sorg tragen vnd haben, [...], glich alß ein getruwe muͦtter liep hat vnd sorgt fir iren aller liebsten suͦn.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 72, 29
(
Hagenau
1534
):
Wer sein kind lieb hat / der sparet der ruthen nicht.
Ebd.
491, 18
:
Si hatt yhn lieb / ja auff der seitten da die tasche hangt.
Ebd.
2, 207, 4
([
Augsb.
]
1548
):
Ain frumb man hat ain andern lieb | So liebet ain dieb den andern dieb.
Warnock, Pred. Paulis
6, 134
(
önalem.
,
1490
/
4
):
Aristotiles sprach: ,Omne animal diligit etc., ain jegklich ding, daz hát lieb sin gelich‘.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. ;
Quint, a. a. O. ;
Feudel, Evangelistar
67, 7
;
Roloff, Brant. Tsp.
709
;
Sappler, H. Kaufringer
24, 101
.
Vgl. ferner s. v. .
3.
›jn. lieben, eine erotische, tendenziell: eine sexuelle Beziehung zu jm. haben‹;
vgl. (Adj.) 6,  9.
Bedeutungsverwandte:
 1.
Wortbildungen:
liebhabenlich
›liebreizend‹,
liebhabung
2 (dazu bdv.:  4).

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
wenn es keme, das zcweie zcu eynander lib hetten.
Frantzen u. a., Kölner Schwankb. (mnl./
Köln
um 1490
):
eyne eerlike vrouwe is leefhebbelick, eerwerdich unde begherlyck.
Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
,
3. Dr. 14. Jh.
, Hs.
17.
/
18. Jh.
):
darnach hatte der selbe konig ander wibe liver dan si.
Voc. inc. teut.
p ir
(
Speyer
um 1483
/
4
):
Liebhabu͂g Adamatio [...] Dilectio.
Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. (Hs. ˹
pfälz.
,
M. 16. Jh.
˺):
mit der [schöne] du hast | mich hart und vast | lieb habenlich besessen.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
61, 18
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
so ist eczliche husvrowe di do spricht, si habe yn allir libist gehat, di legit sich williclichin czu dem manne in das vugir.
Fastnachtsp. (
Straßb.
o. J.):
Mich dunckt, es thet mir gnienen so wee, | Als sölt ich einen andern mann, | Dann dich, min Uoly, lieben lan.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
Sy fuortend guot läben mit ein andren als zwey lieb habende.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
das drit haist suavium und ist der unkeüschen untzimlichen liebhabenden küssen.
Klein, Oswald
69, 69
(
oobd.
,
1417
):
got waiss wol, wie | ich dich lieb hab.
Vgl. ferner s. v.  13.
4.
›(Gott) lieben‹, in spiritueller Einheit mit
hören / sehen / anbeten / fürchten / erkennen / loben / erwirdigen / höhen / verzeihen, wolsprechen
›alles Selbstbezügliche aufgeben‹ sowie (vereinzelt:) ›(Gott) in Erlösungssehnsucht achten, ehren, lobpreisen‹;
vgl.  10.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 4.
Syntagmen
(abs.):
hitziglich / volkommenlich l
.;
got
(meist)
/ Christum / Jesum, den schöpfer, bräutgeben, den götlichen namen l., got geistlich, in seinem mute l
.;
der got liebhabende mensch
.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
alle, die Christum lieb haben.
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Hete wir den Got nicht lieb | Der uns nach im gebildet hat.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Sij [sele] gesehe und erkente nach geschichte | Yren schepper und hette yn liep.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
16, 44
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
wie wir czu im [got] gen und in im pleiben, nicht mit den fußtriten des leibs, sunder mit der begerung der sele, nicht leiplich geent, sunder geistlich liebhabent. Und darumb wer volkomlicher und hycziglicher lieb hat, der laufft sneller und kompt pelder.
Gille u. a., M. Beheim
75, 23
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Got uns darumb schaffen pegund, | das wir in hie erkanten und | in lieb heten und lobten.
Eichler, Ruusbr. steen
1198
(
els.
,
sp. 14. Jh.
):
der müß got also liep han, daz er mit frýgem muͦte vnd vmb die ere gottes sich alles des verzihen mag, daz er vnordelichen vͤbet.
Höver, Bonaventura. Itin. A
157
(
moobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
das du in allen creaturen deinen got, sehest, hörest, khennest, lobest, anpettest, lyebhabest, fürchtest vnd czyrest, grozmachest vnd auch erwirdigest vnd höchest.
Ebd.
557
:
dy [...] nicht wellent got in disen allen erkhennen, wolsprechhen vnd liebhaben, das ,sy vnentschulldigt seinn‘, wenn si nicht wellend v̈wergefüert werden ,von den vinnsternüssen in das v̈berwunnderleich lyecht gotes‘.
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
185, 53
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Wir wissen, das den got liebhabunden menschen allew ding gedeichen zu güet.
Bauer, Imitatio Haller
43, 19
(
tir.
,
1466
):
als er denn selbs spricht: ,Wer [getreue sel] mich [preutgebe] ist lieb haben, der haltet auch mein rëd.
Gille u. a., a. a. O.
71, 145
;
125, 7
;
Bauer, a. a. O.
102, 21
.
Vgl. ferner s. v.
2
 2.
5.
›(den / einen Menschen, auch: eine dem Menschen mögliche Qualität) lieben (von Gott als dem Liebenden gesagt)‹;
vgl.  11.

Belegblock:

Ziesemer, Proph. Cranc Jes.
61, 8
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
ja byn ich eyn herre lyephabende
[
Luther
1545:
lieben
]
daz gerichte und hassende den roub zu opphir.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
wir sollen mit vrede vnde suͦne mid eyn ander lebon; wan werdichlich leben had vnser here vil liep.
Roloff, Brant. Tsp.
144
(
Straßb.
1554
):
Gott hat von ewigkeit mich [Tugent] eracht | Und bei im gehaben lieb und wert.
Warnock, Pred. Paulis
6, 137
(
önalem.
,
1490
/
4
):
welcher mensch, der tugentrichlich lept und gerecht ist, der gelichet sich gott nach sinem vermugen, und darumb so muͦss er von gott lieb gehept werden.
Ebd.
139
:
Der herr ist gerecht und hát lieb die gerechtikait; und sin antlút sicht die gelichait
(zum spirituellen Hintergrund s.
gleichheit
7).
Spechtler, Mönch v. Salzb.
1, 37
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
got hat dein
[bezogen auf
Maria
]
ainikhait | lib für gemainikhait.
Warnock, a. a. O.
6, 131
.