lefze,
lefse,
die
,
lebse,
lepse,
der
;
-n
(für
die
) /
-n
, auch
;
die Schreibungen mit -
f
- geringfügig häufiger; zum 17. Jh. hin immer seltener belegt; zumeist im Pl.
1.
›Lippe‹, als pars pro toto für: ›Mund, Sprechwerkzeuge insgesamt‹; metonymisch dazu: ›Sprachfähigkeit des Menschen; Rede des Einzelnen, Einzelsprache‹.
Phraseme:
einer lefzen sein
›dieselbe Sprache sprechen‹.
Bedeutungsverwandte
1
; zur Metonymie: .
Syntagmen:
die l. abschneiden / auftun / behüten / beschneiden / bewaren / erheben / färben / külen / rüren / überstreichen / weren / zerbeissen / zusammenbeissen; die l. jn. loben / preisen, etw. behalten / decken / hassen / reden / sagen, etw.
(z. B.
den wein
)
versuchen, vor etw.
(z. B.
vor dem lob gottes
)
stehen; mit (den) l. beten / eren / loben / predigen / segnen / sprechen / sünden, etw.
(z. B.
die zäne
)
mit den l. beschliessen, etw.
(z. B.
die speise
)
mit den l. anrüren, etw.
(z. B.
die zunge
)
mit den l. versehen, jn. mit (den) l. eren, etw.
(z. B.
das schwert
)
in den l. haben, in eine l. beissen, in den l. reden, etw.
(z. B.
einen finger
)
auf die l. legen, etw. von js. l. ausgehen, etw. von js. l. stelen / vertreiben; l. des mundes / priesters, der gerechten / huren; die dicke / obere / untere l., die bleichen / dünnen / engeren / falschen / freundlichen / frölichen / hängenden / langen / redenden / röslichen / spaltenen / spitzigen / unkustigen / zarten / zornigen lefzen; der geist, das lob / wort der l
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
geborne wort, – | Nicht wort daz oren wirt gehort, | Noch daz man sprichet mit lefsen.
So mac her berefsen | Mit zornigen lefsen | Sin volk.
Die diete dich berefsen | Mit valschen redenden lefsen.
Luther, WA (
1529
):
Jch will mit meinen lebssen erzelen all rechte deines mundes.
Dises volck nahet sich herzu mit den lebsen, aber jr hertz ist ferne von mir.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Labia. Lippen lefftzen.
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
92, 15
(
wmd.
,
1634
):
Nur von JESV Läfftzen stehlet, | Dannen klaubet hönig auß: JESV Lefftzen, Mund, vnd Augen | Vol des besten safftes sein.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
were dine zunge von ubele und dine lespen, daz sie inkeine loisheit insprechen.
Dubizmay, kurß zu Teutze
26, 17
(
hess.
,
1463
):
meyn lepßen | loben dich.
Ebd.
27, 6
:
mit frolichen leptzen | lobet dich meyn munt.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
84, 5
(
Frankf.
1535
):
[Alaun] Jst wider den krebs / vnnd aufflauffen der lefftzen [...]. Den feuchten lefftzen oder weichen zenen mit essig oder honig.
Harms u. a., Alberus. Fabeln
33, 5
(
Frankf./M.
1550
):
Auch hatte er [Esopus] ein spitzigen kopff / ein kurtzen hals / vnd lange lefftzen.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
306b, 27
(
Frankf./M.
1649
):
Daß [...] ein Gefangener [...] auff der Tortur, damit er schweigen moͤge / die Zeene auff einander beist / die Lefftzen zusam͂en ziehet.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Min volc schriet zu mir ho | Und irbutet mir wirde | Mit lefsen ane girde | Ires herzen.
Sulcher macht wirt er irkant | Daz des mundis lefzen vort | Giezen kein dem hœsten wort.
Eggers, Psalter
28, 16
(
thür.
,
1378
):
Mit dinen oren hore min gebet, nicht in vnkustigen lephsen.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
197, 7
(
Nürnb.
,
1446
):
du wilt petten mit dem lebssen, ader in deynen gedancken, so ualle dümütiglichen für die füsse der götlichen maiestat.
Reichert, Gesamtausl. Messe
9, 8
(
Nürnb.
um 1480
):
wie erwirdig ist das ambt des priesters, den gegeben ist gewald, mit heiligen worten den Herren der maiestat consecriren, mit den lebsen zu segnen.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
155
(
Nürnb.
1517
):
einen wein, der wirdig ist, das in got trink, das in sein lefzen und zeen widerversuchen.
Sachs (
Nürnb.
1563
):
Als denn wil ich dem volck auff erden | Mit freundling leffzen preding lassen.
Ebd. (
1566
):
herr, bewar mich wol | Mit dem wort deiner lebsen.
Ebd. (
1559
):
Sein zungen vor uebel pehüet | Und sein lefzen weislich und klueg, | Auf das sie nit reden petrueg.
Ebd. (
1565
):
sie [heiden] reden mit einander, | In den lebsen ir allersander | Sind scharpffe schwerter solcher maß.
Ebd. (
1566
):
behüte meinen mund, | Und meine lefftzen mir bewar.
Ebd. (
1563
):
Denn die lebsen der huren sind | ein honigseim süß.
Ebd. (
1563
):
mein lefftzen sollen allzeit | Hassen alles, was ist gottlos.
Ebd. (
1524
):
Diß volck eret mich mit den lepsen, und ir hertz ist weyt von mir.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
HERR thu mein Mund vnd Lefftzen auff, | Daß ich preiß den Namen dein.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Wann daz lant waz einer lebsen
[
Luther
1545:
zunge
]
vnd der selben rede.
ein gleichsam des suns des menschen ruͦrt mein lespen
[
Luther
1545:
lippen
]
: ich tet auf meinen mund vnd rett: [...].
Fuchs, Murner. 4 Ketzer
3978
(˹wohl
Straßb.
˺
1509
):
Do legt er einen finger vff | Sein beyde lefftzen für den mundt.
Sudhoff, Paracelsus (
1530
):
wer wird euern weibern die dünnen lefzlin ferben und die spizige näslin puzen? der teufel im hungertuch.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
mine leftzen sont niemer gereden die valschhait.
Schmidt, Rud. v. Biberach
37, 14
(
whalem.
,
1345
/
60
):
dar vmbe sint „din lesbe als ein sich vrgiessende wab“.
Brack (
Basel
1483
):
Labium. das ober lefftzlin. Labrum. das vnder lefftzlin.
Fuchs, Murner. Geuchmat
2049
(
Basel
1519
):
Mit lefftzen solt dyn zen beschliessen.
Bächtold, N. Manuel. Barb.
189, 1555
(
Zürich
1526
):
Mit lefzen mich das volk ert.
Maaler (
Zürich
1561
):
Die Laͤfftzen. Labia, Labrum. Laͤfftzen rot als rosen. Labra emula. DEr groß Laͤfftze͂ hat / Ein triel / Trollmaul. Labio. Laͤfftzle. Labellum.
Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk.
1, 3, 76, 7
(
Luzern
1526
):
die lefftzen des priesters behalten die kunst.
Morrall, Mandev. Reiseb.
125, 10
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
da sind unsuber lút, die hond die lefftzen als lang und gros, wann sie ligend an der sunnen, so deckent sie daz andlit mit den lefftzen.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
Er lieff als bald von verrn her zu mir, bugglot, zittern, mit hangenden lefftzen, kychend.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
Das, u, ist ain laut, gemacht mit spitzige lefftzen vn zusamen gezognem mund.
Meisen u. a., J. Eck
57, 8
(
Ingolst.
1527
):
Er hat gescherpfft sein zungen wie die schlangen und das gifft der natern under seinen lefftzen.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
mein lebssen sind nye gestanden vor dem lob Gots.
Panzer, Seifrid Füetrers
25, 5
(
moobd.
,
1478
/
84
):
da mit er im kuͦelt lebs vnd munndes guͦmen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
10, 4
(
tir.
,
1464
):
Er hat nicht gesündet mit seinen lebssen.
Ebd.
42, 33
:
das sbërt haben si in iren lëbsen.
Volz, Prophet Daniel W
10, 16
;
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
203, 26
;
Gille u. a., M. Beheim
173, 78
;
Reichert, a. a. O.
30, 1
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Rupprich, Dürer ; ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ; ;
Sudhoff, Paracelsus ; ;
Adrian, Saelden Hort
5703
;
6135
;
8773
;
Päpke, Marienl. Wernher ; ; ;
Löffler, Columella/Österreicher ;
Kohler, Ickelsamer. Gram. ; ;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. ;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
47, 3
;
Klein, Oswald
22, 61
;
22, 140
;
Vgl. ferner s. v. , ,  1, , (V., unr. abl.) 3.
2.
›Rand, Umrandung‹; möglicherweise: ›Becken, Badewanne‹.
Bedeutungsverwandte:
, ,  1, , ,  1; vgl. .

Belegblock:

Pyritz, Minneburg
2023
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Min zucker sußer mynnen lebs, | Sluß uff diner gnaden kebs!
(Deutung erfolgt hier als Synonym zu
kebse
›Reliquienkapsel‹,
Dwb
5, 374; das Wort wird von
Pyritz
als ›Lippe‹ interpretiert).
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
macht er ein gegossen mere oder ein zwachen habent x daum elen von einem lebs
[
Froschauer
1530:
ranfft
;
Luther
1545:
rand
]
bis zuͦ dem andern lebs.
In seiner schoß was ein daum ellen: vnd ein daum elen in der breyt: vnd sein kron vntz biß an den lebs in dem vmbring einer spannen
(in den Varianten jeweils auch
lefze
; bei
Luther
1545:
rand
).
Bremer, Voc. opt.
1057
(
wobd.
,
seit 1329
):
Labium leph [...] lesbe [...] lefze [...] láftzig. [...] item est extrema pars scutelle deflexa uel ad extra, vulgariter schuͤsselrunft [...] schusselranft [...] part [...]. Item labrum est est vas ablutorium, [...] batschefflin [...] badschaff
(in diesem Beleg wird das Lemmazeichen
labium
mit
labrum
wieder aufgegriffen;
labrum
›Lippe‹ ist aber von
lābrum
›Becken‹ zu unterscheiden; s.
Georges
2, 524; insofern ist obiger Ansatz ›Becken‹ unsicher).
Kurrelmeyer, a. a. O. ;
3.
›Spalte; Wundspalte, Wundrand‹; Metonymie zu 1.

Belegblock:

Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
füg die leftzen der wu͂den zuͦ samen.
So giengent die lefftzen der wunden wider vff.
das man eı͂m nadel stoͤsset durch die beid lefftzen der wunden.
Weitz, Albich v. Prag
134, 17
(Hs. ˹
oobd.
,
A. 16. Jh.
˺):
salb die leffczen da mit.
Ebd.
138, 20
:
du solt auch die lebsen der wunden gar wol mit den henden zu samen trucken.